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Kindersegen

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19.05.2006
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Kindersegen

„Mutti, bitte nicht! Bitte nicht!“
Der kleine Junge hält seine Arme zum Schutz erhoben, Hiebe prasseln auf ihn nieder.
„Ich erschlag dich, ich bring dich um. Was hab ich verbrochen, so ein Kind zu haben?“ Die Frau schlägt mit wutverzerrtem Gesicht zu. Pfeifend zischt die Kunststoffgerte durch die Luft, trifft das Kind irgendwo, dicke Striemen bilden sich auf seiner Haut.
„Mutti, bitte nicht“, schluchzt der Junge tränenerstickt und senkt seine Arme. „Ich tu es nie wieder. Nie wieder! Bitte hör auf.“
Die Mutter holt zum Schlag aus, er reißt die Arme hoch - zu spät, seine Nase blutet. Die nächsten Hiebe kommen, sie treffen ihn am Bauch, an den Oberschenkeln. Sein Weinen geht in Wimmern über, er lässt sich fallen, krümmt sich.
Die Mutter prügelt weiter. Sie hört ihr Kind nicht, ist taub und blind vor Wut. Der Junge zittert am ganzen Leib, versucht, unter dem Küchentisch in Deckung zu gehen, sie zieht ihn hervor, schlägt weiter zu ...
Endlich erwacht sie aus ihrem Rausch und lässt die Gerte sinken. Der Junge schaut ängstlich unter seinen Händen hervor. Er weiß, es ist noch nicht vorbei.
„Warte nur, wenn Vater nach Hause kommt.“
Sie packt den Jungen am Kragen, zieht ihn hoch, stößt ihn vor sich her. „Du bist eine Strafe Gottes, ein böses, furchtbares Kind, ich würde dich am liebsten nicht mehr sehen.“
Am Ende des Ganges liegt der Abstellraum. „Da hinein mit dir und wenn ich noch einen Mucks hör‘ ...“, sie hebt drohend die Hand.
„Mutti, bitte lass das Licht brennen, ich hab Angst da drinnen“, wimmert der Junge.
Sie schüttelt den Kopf, stößt ihn in die dunkle Kammer.
„Mutti, bitte!“ Er trommelt von innen an die Tür. „Bitte lass mich raus, ich kann nichts sehen, ich tu es auch nie wieder!“
Sie reißt die Tür auf und gibt ihm eine Ohrfeige. „Einen Mucks noch, hab ich gesagt! Nur noch einen Mucks!“
Der Junge verkriecht sich in den hintersten Winkel des Abstellraums, dann schlägt seine Mutter die Türe zu.
Es ist so finster hier. Ich kann gar nichts sehen. Wie lange muss ich heute da drin bleiben? Bis Papa kommt? Aber Papa schlägt nicht so hart wie Mutti. Nein, er schlägt nicht so hart. Das letzte Mal hat er nur laut mit mir geschimpft. Aber Mutti wird ihn wieder zornig machen ... wenn ihn nur Mutti nicht wieder zornig macht ... vielleicht vergeht ihre Wut, bis er kommt.
Nach einiger Zeit in der Dunkelheit beruhigt sich der Junge etwas. Er betastet seine brennenden Striemen, eine schmerzt besonders, sie ist geschwollen und führt quer über beide Oberschenkel. Er wischt sich das Blut von der Nase und schleckt es von den Fingern ab.
Hoffentlich hab ich nicht das Hemd schmutzig gemacht, sonst regt sich Mutti wieder auf. Warum bin ich nur so ein böses Kind? Warum kann ich nicht auch brav sein, wie die anderen Kinder? Papa wird böse sein, wenn er hört, was ich getan hab. Sehr böse ... ich hab ihm doch versprochen, brav zu sein ... hoffentlich haut er mich nicht. Ich tu es auch nie wieder.
Erneut beginnt der Junge zu weinen, da hört er, wie sich ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür dreht. Sein Mund wird trocken, der Körper starr, das Herz klopft ihm bis zum Hals. Wie gelähmt starrt er auf den dünnen Streifen Licht unter dem Türrand. Papa ist nach Hause gekommen!
Der Junge hört den schweren Schritt des Vaters, er führt am Abstellraum vorbei. „Maria, Dieter, wo seid ihr?“
Die Mutter kommt aus der Küche angerannt.
„Wie siehst du denn aus? Du Ärmste, bist ja ganz verheult. Hat der Rotzlöffel schon wieder was angestellt?“ Tröstend nimmt er seine Frau in die Arme.
„Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Kind machen soll“, schluchzt sie los. „Ich halt das nicht mehr aus. Er hat mir Geld gestohlen und sich Schokolade gekauft.“
„Er hat Geld gestohlen?“
„Ja, Dieter hat Geld gestohlen“, heult sie. „Warum bin ich nur so gestraft mit diesem Kind? Warum gerade ich?“
„Wo steckt er?“, knurrt der Vater.
„Papa, hier bin ich!“, schreit der Junge. „Ich hab dich lieb, Papa. Bitte lass mich raus, es ist so finster hier drinnen. Bitte lass mich raus!“
Mit einem Ruck öffnet sich die Tür zum Abstellraum. Helles Licht flutet herein. Der Junge ist für einen Moment geblendet, beschattet mit dem Handrücken seine Augen. Verschwommen erkennt er die Umrisse seiner Eltern.
„Papa, ich tu´s nie wieder“, würgt er tränenerstickt hervor, da zieht der Vater den Hosenriemen ab.

 

Hallo Manuela,
ich habe die Geschichte mal mit Detailanmerkungen überzogen und kommentiert .Wie immer: Das ist nur meine Meinung, da ist nichts in Stein gemeißelt. Hoffentlich kannst du etwas damit anfangen.

Der kleine Junge hält seine Arme zum Schutz erhoben, heftige Hiebe prasseln auf ihn nieder.[…] Die Frau schlägt mit wutverzerrtem Gesicht und aller Kraft zu. Pfeifend zischt die Kunststoffgerte durch die Luft, trifft irgendwo, zerreißt dem Jungen die Haut, sie platzt auf, dicke Striemen bilden sich.
Ich denke es könnte stärker wirken, wenn es nicht so … na ja, dramatisch geschildert würde, so effektheischend. Heftige Hiebe prasseln, wutzverrtes Gesicht, alle Kraft, Pfeifend zischt, zerreißt Haut, platzt auf, dicke Striemen. Das ist eine ganz schöne Keule, rein vom Sprachlichen her.

Was habe ich verbrochen, so ein Kind zu haben.
Satzzeichen sind wichtig, weil sie die Sprachmelodie beeinflussen. Es ist klar, dass das hier nur eine rhetorische Frage ist, aber dennoch ist die Sprachmelodie die einer Frage, oder?

Er reißt die Arme hoch, zu spät.
Man könnte hier mit einer … na ja, etwas „gewagteren“ Interpunktion für einen Bruch im Rhythmus sorgen. Denn beim Vorlesen würde man hier, da bin ich mir ziemlich, eine Pause einlegen und das „zu spät“ ganz anders betonen. Vielleicht: Er reißt die Arme hoch – zu spät!

Sie hört ihr Kind nicht, ist blind und taub für seinen Schmerz. Heulend prügelt sie immer weiter. Der Knabe zittert am ganzen Leib vor Angst und Schmerz.
Schmerz zweimal, eigentlich kein Problem, aber es ist hier jedes Mal am Satzende und … „Schmerz“ ist nun auch nicht so ein „starkes“ Wort. Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen – das wurde schon so oft für Wehwehchen benutzt, dass es mir hier fast zu schwach erscheint, zumal wenn es doppelt verwendet wird.

Sie zieht es am Kragen hervor, prügelt heulend weiter. Irgendwann erwacht sie aus ihrem Rausch und lässt die Gerte sinken.
Ist immer schwer, wo ist die Grenze zwischen Stilfigur und Lese… na ja, Leseärgernis, aber „prügelt heulend weiter“ hattest du schon, genau so, vor ein paar Sätzen.
Die Szenerie ist doch ganz deutlich, da bedarf es nur einiger weniger, wohlgesetzter Worte und jeder kann sich etwas darunter vorstellen. Kann es von außen sehen. Da braucht es keiner „Dramatik“. Vielleicht wäre es eine Idee, nicht nur die zwei „typischen“ Sinne zu bedienen (sehen und hören), sondern auch die anderen Drei. Wie fühlt es sich an, wie schmeckt es, wie riecht es? Nur so eine Idee.
Zwischen prügelt heulend weiter und „irgendwann erwacht sie“ würde ich aber auf jeden Fall einen Zeilenabstand setzen.

Der Junge blickt vorsichtig unter seinen schützenden, mit Striemen übersäten Händen hervor.
„Blickt vorsichtig“ ist so ein Fall, wo Adverb und Verb gemeinsam so viel leisten wie ein „stärkeres, selteneres“ Verb. „Lugen“ z.B. oder „Linsen“. Dass die Hände „schützend“ sind … sie sind es ja eben nicht. Sie können ihn nicht davor schützen. Dafür sind sie zu klein und er ist zu schwach. Einen ausgewachsenen Mann hätten sie schützen können, der hätte der Mutter nämlich eine reingehauen. Dem Jungen, und so ist das sicher gemeint, haben sie nur tja, den Kopf vor noch gröberem „bewahrt“. Aber „schützend“ selbst halte ich hier für kein gutes Wort.

Am Ende des Ganges ist der Abstellraum. „Da hinein mit dir und wenn ich noch einen Mucks höre, dann kommt die Rute zurück.“
Wenn die „Rute“ einen anderen persönlicheren Namen hätte, oder der Ausdruck dieser Bestrafung einen „familien-internen“ Kosename hätte sozusagen, käme stärker das Gefühl auf, hier eine „echte“ Familie zu sehen, eine mit Vergangenheit, die schon vor dieser Geschichte existiert hat und auch danach noch existieren will.
Das sind natürlich billige, kleine Taschenspielertricks, aber sie funktionieren oft.

Sie schüttelt den Kopf, stößt ihn erbarmungslos in das dunkle Loch und schließt die Tür.…
Erbarmungslos raus, das sieht jeder. Das muss nicht erwähnt werden. Auch dass das Loch „dunkel“ ist, liegt eigentlich nahe bei einer Abstellkammer, ist aber wiederum so stark, dass man das gesondert anführen könnte.

Sie reißt die Türe auf und gibt dem Jungen eine schallende Ohrfeige. „Einen Mucks noch, hab ich gesagt. Nur noch einen Mucks.“ Sie droht mit der erhobenen Hand, der Knabe verkriecht sich im letzten Winkel des Abstellraums, dann schlägt seine Mutter die Türe zu.
Das finde ich sehr gut. Vielleicht statt „letzter Winkel“ etwas dunkleres. Tiefsten, dunkelsten, sichersten da darf man ruhig mal poetisch werden. Hier könnte man sich mal was trauen.

Finster, es ist so finster hier. Ich kann gar nichts sehen. Wie lange werde ich heute da drinnen bleiben müssen. Bis Vater kommt? Hoffentlich kommt er bald, dann hab´ ich es hinter mir. Ich hab´ solche Angst. Aber Papa schlägt nicht so hart wie Mutti. Nein, er schlägt nicht so hart. Manchmal, wenn er sehr böse ist, nimmt er den Riemen. Aber nur manchmal. Vielleicht habe ich Glück, und er schlägt mich heute gar nicht. Das letzte Mal hat er nur mit mir geschimpft. Ich werde ganz lieb sein, zu ihm. Vielleicht .... aber Mutti wird ihn wieder zornig machen ... wenn ihn nur Mutti nicht wieder zornig macht ... vielleicht vergeht ihre Wut, bis er kommt.
Ich will nicht das Gefühl haben, dass ein Text kalkuliert versucht, mich betroffen zu machen. Das ist so wie eine Live-Reportage jetzt. Wenn man sieht, wie ein Flugzeug in das Gebäude reinfliegt, dann rennen schreiende Menschen umher und die Kamera pickt sich einen raus, damit er schreien kann, wie furchtbar alles ist.
Es ist natürlich hier nicht so zynisch wie in den Medien, aber es bleibt ein seltsamer Beigeschmack für mich.

Nach einiger Zeit in der Dunkelheit, beruhigt sich das Kind ein wenig.
Nicht „das“ Kind, der Junge.

Es betastet seine brennenden Striemen, eine schmerzt besonders, sie ist massiv geschwollen und führt quer über beide Oberschenkel.
Sonst hast du hier dieses fürchterliche „Es“, drin und bezeichnest mit einem sächlichen Artikel einen Menschen (genau wie „Das Mädchen“). Außerdem hattest du Jungen schon eingeführt, das sollte man dann auch einfach durchhalten und auf Synonyme verzichten. Nachher kommt noch mal der Knabe. Wenn er einen Namen hätte, würde man den ja auch immer wiederholen und nicht wie ein Sportreporter aufeinmal anfangen, ihm Synonyme zu verpassen. „Massiv geschwollen“ scheint mir auch kein hochsprachlicher Ausdruck zu sein, sondern eher ein dialektaler, oder? Stark geschwollen oder einfach „angeschwollen“ mit einer Metapher vielleicht.

Warum bin ich nur so ein böses Kind. Warum kann ich nicht auch brav sein, wie die anderen Kinder, dann müsste Mutti mich nicht mehr schlagen.
Interpunktion ist wirklich wichtig.

Sie lachen mich aus, deswegen.
Das nachgestellte „deswegen“ passt nicht zur Figurenstimme des Kindes, der würde das ganz natürlich sagen, oder? Sie lachen mich deswegen aus.

ich tu´ es auch nie wieder.
Da gehört kein Apostroph hin, und wenn dann der, dem man mit der Raute-Taste macht und kein accent.

„Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Kind machen soll“, schluchzt sie los.
Ich weiß, ich nerve damit, aber: ?? ;)

Er hat aus meiner Börse Geld gestohlen und sich Schokolade darum gekauft.“
Auch dialektal? Darum statt dafür? Ich finde immer, entweder „richtig dialektal“, so dass man es merkt und so dass das Lokalkolorit eine Funktion hat, oder hochsprachlich.

„Er hat Geld gestohlen?“ Die Stimme des Vaters klingt ungläubig. „Ja, unser Sohn hat Geld gestohlen“, schluchzt sie. „Er ist ein Dieb. Warum bin ich nur so gestraft mit diesem Kind. Warum gerade ich?“
Absatz nach ungläubig. Sprecherwechsel, Zeilenwechsel und so.

„Papa, hier bin ich. Hier drinnen“, schreit der Knabe. Ich hab´ dich lieb, Papa. Bitte lass mich raus, es ist so finster hier drinnen. Papa, ich hab´ Angst. Bitte! Ich tu´ es auch nie wieder. Bitte lass mich raus!
Da fehlen Anführungs- und Abführungszeichen, oder?

Es ist natürlich schwierig ,so einen emotionsgeladenen Text dann nüchtern zu betrachten, aber na ja, ich bin mir sicher, dass du noch viele „emotionalere“ Kritiken bekommen wirst.
Ich hab natürlich jetzt viel rumgemeckert, aber was mir gefällt, und was die Geschichte von anderen auch unterscheidet, ist die Figur der Mutter. Normalerweise kennt man es ja so, dass sie dann – vom tyrannischen Ehemann unterdrückt – daneben steht und irgendwie ratlos dreinschaut. Hier nicht: Hier ist sie eindeutig die Böse – und ich hätte mir im letzten Abschnitt fast noch gewünscht, dass sie ihren Mann dazu drängen muss, ihn weiter zu schlagen. Sie tut es ja, auf passive Weise, aber der Vater ist mir dann zu schnell mit dem Gürtel dabei.
Dass die Frau sich sofort in eien Opfer-Rolle flüchtet, finde ich auch gut. Nur, liegt da vielleicht ein Schwachpunkt der Geschichte, denn – wieder hartherzig gesprochen – das mit dem Jungen kennen wir, interessant und neu wäre doch die Innenperspektive der Mutter, oder?
So muss sich der Text schon ein Stück weit die Frage gefallen lassen, was er wollte und ob er nicht zu sehr und zu kalkuliert „betroffen“ machen möchte.

Gruß
Quinn

 
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Hi Quinn!

Vielen Dank für deinen unglaublich raschen und kompetenten Kommentar. Ich muss mich leider sehr kurz halten, habe gerade Besuch, werde mich aber morgen ausgiebiger zu deinen Vorschlägen äußern. Ich habe die Geschichte gerade noch einmal (rasch) überarbeitet und einige deiner Hinweise eingebaut. Vor allem, die meisten Fehler korrigiert. Wie gesagt, morgen mehr. Nochmals Merci für deine Mühe!

Lieben Gruß,
Manuela :)

 
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Hi Quinn, again!

So, jetzt habe ich endlich Zeit für eine ordentliche Antwort.

ich habe die Geschichte mal mit Detailanmerkungen überzogen und kommentiert .Wie immer: Das ist nur meine Meinung, da ist nichts in Stein gemeißelt. Hoffentlich kannst du etwas damit anfangen.

Und ob ich etwas damit anfangen konnte. :)
Habe mir heute morgen nochmal in Ruhe deine Stellungnahme zu Gemüte geführt und mittlerweile die allermeisten deiner Vorschläge eingebaut. Die fehlenden Interpunktionen waren reine Schlamperei, :bonk: Ich neige leider dazu, meine Beiträge zu rasch zu posten, wenn ich damit "fertig" bin.
Für deine Aufforderung, da und dort, etwas Emotion rauszunehmen, siehe zB. hier:

Der kleine Junge hält seine Arme zum Schutz erhoben, heftige Hiebe prasseln auf ihn nieder.[…] Die Frau schlägt mit wutverzerrtem Gesicht und aller Kraft zu. Pfeifend zischt die Kunststoffgerte durch die Luft, trifft irgendwo, zerreißt dem Jungen die Haut, sie platzt auf, dicke Striemen bilden sich.

... bin ich dir besonders dankbar. Du hast Recht, manchmal ist weniger eindeutig mehr. Besonders wenn ich mit Herzblut schreibe, drücke ich manchmal etwas zu viel auf die Tube. ;)
Auch den anderen deiner Hinweise, auf Weglassung, bin ich großteils nachgekommen.

Ich will nicht das Gefühl haben, dass ein Text kalkuliert versucht, mich betroffen zu machen. Das ist so wie eine Live-Reportage jetzt. Wenn man sieht, wie ein Flugzeug in das Gebäude reinfliegt, dann rennen schreiende Menschen umher und die Kamera pickt sich einen raus, damit er schreien kann, wie furchtbar alles ist.
Es ist natürlich hier nicht so zynisch wie in den Medien, aber es bleibt ein seltsamer Beigeschmack für mich.

Den Perspektivwechsel, hinein in den Bewusstseinsstrom des Jungen, wollte ich schon so haben. Es war mir ein Anliegen, den Leser mitzunehmen, hinein in die furchtbare Angst des Kindes, in seinen Schmerz und vor allem, seine Hilflosigkeit gegenüber der elterlichen Gewalt und sie nicht von außen, auktorial betrachtend, zu erzählen.

Ich hab natürlich jetzt viel rumgemeckert, aber was mir gefällt, und was die Geschichte von anderen auch unterscheidet, ist die Figur der Mutter. Normalerweise kennt man es ja so, dass sie dann – vom tyrannischen Ehemann unterdrückt – daneben steht und irgendwie ratlos dreinschaut. Hier nicht: Hier ist sie eindeutig die Böse – und ich hätte mir im letzten Abschnitt fast noch gewünscht, dass sie ihren Mann dazu drängen muss, ihn weiter zu schlagen. Sie tut es ja, auf passive Weise, aber der Vater ist mir dann zu schnell mit dem Gürtel dabei.
Dass die Frau sich sofort in eien Opfer-Rolle flüchtet, finde ich auch gut. Nur, liegt da vielleicht ein Schwachpunkt der Geschichte, denn – wieder hartherzig gesprochen – das mit dem Jungen kennen wir, interessant und neu wäre doch die Innenperspektive der Mutter, oder?

Mir ging es weniger darum, die Innenwelt der prügelnden Mutter aufzuzeigen, als vielmehr die Innenwelt des Kindes. Der Vater sieht nur die Tränen seiner geliebten Frau (nicht die seines Sohnes) und macht dafür das Kind verantwortlich, ohne näher zu hinterfragen. Genau das ist ja die Masche der Mutter: Die Umkehrung der Täter- Opferrolle.
(Und das passiert nicht zum ersten Mal, Prügel gehören ja zum Alltag des Jungen, wie er in seinen Gedanken erwähnt.) Der Junge stielt, er stört den Familienfrieden, die arme Mutter muss weinen, und dafür gehört der Bub "ordentlich" bestraft. Basta!

So muss sich der Text schon ein Stück weit die Frage gefallen lassen, was er wollte und ob er nicht zu sehr und zu kalkuliert „betroffen“ machen möchte.

Ich gestehe es. Ja, ich will mit diesem Text betroffen machen. Den Terminus "kalkuliert", möchte ich jedoch zurückweisen. Ich will auf Missstände dieser Art aufmerksam machen, die unabhängig von der sozialen Ebene, in so vielen Familien, leider an der Tagesordnung sind. Mag sein, dass diese Emotionen ein wenig meine Feder beeinflusst haben.

Abschließend möchte ich mich bei dir nochmals für die Arbeit bedanken, die du in meinen Text investiert hast. Es war mir eine Freude, zu erleben, wie er dadurch, Satz für Satz, besser geworden ist. Dankeschön dafür! :)

Einen lieben Gruß,
schickt lächelnd, Manuela

 
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Hallo Manuela,

ja, ein schreckliches Thema. Und jetzt, wo Du den Text gekürzt und um einiges auch 'ent-emotionalisiert' hast, kommt er auch besser bei mir an. Gestern Abend konnte ich mich nicht mehr aufraffen, ihn genau zu lesen.

Nun hat Quinn wirklich ganze Arbeit geleistet. Für meinen Geschmack könntest Du sogar noch mehr streichen.

Einige Stellen gibt es noch für mich:

Der kleine Junge... Der Knabe...

Später ruft ihn der heimkommende Vater bei seinem Namen. Ich würde vorschlagen, den Kleinen von vornherein beim Namen zu nennen. Das schafft Nähe.

„Er hat Geld gestohlen?“ Die Stimme des Vaters klingt ungläubig.

Dieses 'ungläubig' irritiert mich. Da kann ich denken, dass der kleine Dieter doch noch Hilfe bekommt. 'Ungläubig' zieht ja Recherche nach sich und die fehlt hier.

Dieters Monologe: Die kannst Du sicher noch kindlicher und 'brüchiger', 'schluchzender' gestalten. Ich kann mir nicht vorstellen, das ein Kind in diesem Zustand so vollendete Sätze denkt.
(Schau mal in 'Alltag' bei meinem 'Tonis Monolog' vorbei. Nicht, dass ich denke er sei beispielhaft - aber er zeigt vielleicht, was ich meine.)

Ich freue mich immer über Deine Besuche in meinen Texten. Nichts für ungut. Dein Text berührt mich und ich fände es lohnend, wenn Du noch ein Weilchen mit 'Dieter' lebst und arbeitest.

Die 'Krankheit', mit Volldampf schnell zu schreiben und dann gleich jemandem zum lesen zu geben, die hatte ich auch mal... Inzwischen halte ich mich mehr an die Vorstellung einer Schwangerschaft und die braucht ja auch ihre Zeit.

Nicht aufgeben, gell? Sehr herzlich grüsst Dich, Gisanne

In der Schweiz gibt es leider nur das 'ss'. SORRY.

 

Hallo Gisanne!

Ein Dankeschön auch dir, für deine Stellungnahme und ich freue mich darüber, dass dich dieser Text berührt hat. :)

Der kleine Junge... Der Knabe...

Diesen Hinweis habe ich gerne umgesetzt.

„Er hat Geld gestohlen?“ Die Stimme des Vaters klingt ungläubig.
Na ja, ich denke schon, dass der Vater zunächst ungläubig nachfragt. So etwas möchte er im ersten Moment wohl kaum glauben, von seinem Sohn. Habe diese Aussage aber dennoch etwas erweitert. ;)

Zu den (geistigen) Monologen des Kindes:
Ich glaube, dass Kinder, die nie richtig "Kindsein" durften, rascher erwachsen werden als andere. Sie leben in einer härteren Realität. Insofern sprechen sie auch eine andere Sprache, als jene, die in elterlicher Geborgenheit leben und mit einem Kuscheltier und Bussi von Mama, zu Bett gehen. Vergiss nicht, dass Prügel für den Jungen an der Tagesordnung sind.

Einen netten Gruß,
schickt Manuela :)

 

Hallo Manuela,

ab dem Moment, wo der kleine Junge eingesperrt wird und dann in seine Gedankenwelt eintaucht finde ich Deine Geschichte zunehmend intensiv. Was bedeutet, daß sie mich ab dann _richtig_ mitgenommen hat, und, daß mir der Einstieg nicht (völlig) gefällt.

zerreißt dem Jungen die Haut, sie platzt auf, dicke Striemen bilden sich.
so eine Formulierung z.B. ist mir zu reisserisch, meines Wissens nach können Striemen auch bluten, doch im Regelfall werden diese Verletzungen dann Risse genannt, während Striemen Schwellungen darstellen. Ich weiß ja, was Du ausdrücken, bebildern willst, doch mit solchen Passagen schiesst Du für mich über das Ziel zu weit hinaus.
Die Mutter prügelt weiter. Sie hört ihr Kind nicht, ist blind und taub für seinen Schmerz. Der Junge zittert am ganzen Leib. Er versucht, unter dem Küchentisch in Deckung zu gehen. Sie zieht ihn am Kragen hervor, prügelt heulend immer weiter.
auch hier finde ich die Wortdopplung - in Steigerung dargeboten - effektheischender als es der Geschichte und der Intention gut täte. Die Szene entsteht, die Szene ist präsent, sie braucht diese Steigerung nicht, die ist mir zu plakativ, weniger wäre auch hier viel mehr.

Sie wirkt als Ganzes sehr engagiert, ich kann spüren, wie sehr Dir dieses Thema am Herzen liegt, und Du schaffst es, daß ich wütend und hilflos nach dem Lesen bin, mich so fühle. Mir gefallen engagierte Geschichten, und wenn sie mich berühren noch mehr.

Sie ist eindeutig Deine bisher stärkste Geschichte, Manuela. Wuchtig, intensiv, pointiert. Klasse !

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo Manuela,

mir bleibt eigentlich nur, mich bei meinen diversen VorposterInnen anzuschließen. Eine wirklich starke Geschichte.

Da Quinn schon wunderbare Textarbeit geleistet hat, werde ich für den Moment nicht näher darauf eingehen. Ich hätte zwar auch noch das eine oder andere gefunden, glaube aber, dass es besser ist, das ganze einmal setzen zu lassen und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt deinen Text noch mal durch die Mangel zu drehen.

Ein paar Anmerkungen hätte ich aber schon zu bieten.

"Kindersegen" Welch genial zynischer Titel. Da musst ich schon durch den Text durch, damit mir dieser Titel noch einmal auf den Schädel knallt.

Der reisserische Anfang: Hier ging's mir ähnlich wie Seltsem. Ich hab' tatsächlich noch einmal zurückgescrollt, damit ich mir über die Rubrik klar werde, in der ich gerade lese. Aber ich unterstelle einmal frech, dass du genau so einen oder ähnlichen Effekt erreichen wolltest.

Ein wenig schwach find' ich die Passage mit der Heimkunft des Vaters. Hier wird mir zu wenig der Die-Mutter-ist-der-Täter-will-aber-ihren-Mann-glauben-machen-sie-ist-ein-Opfer -Effekt betont. Das geht sicher noch raffinierter.

LG
Lev

 
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Hallo Manuela

Der Text will weniger eine Geschichte sein, dafür folgt dem zynischen Titel ein eindrückliches Schlaglicht (- welch grausames Wortspiel -) auf einen Familienalltag, wie er heute durchaus hinter der Wohnungstür einer anonymen Hochhaussiedlung, aber auch im Reiheneinfamilienhaus an der Wohlstandsallee stattfinden kann.

Nur weil es mir auffiel:

Der kleine Junge hält seine Arme zum Schutz erhoben,
....
Er reißt die Arme hoch - zu spät.
Kam mir irgendwie quer: Erst hatte er die Arme oben, und dann reisst er sie hoch. Aber vielleicht bin ich da zu pingelig und er hat sie zwischen den Zeilen bereits wieder herrunter sinken lassen. :)

Stark, nachwirkend, gerne gelesen.
Gruss.dot

[Nachtrag:Mit den Attributen stark und zynischer Titel habe ich zwar Lev wiederholt, aber der war vor meinem Posten noch nicht da!!!:D]

 

Hallo C. Seltsem, Lev, Dotslash!

@C.Seltsem

Vielen Dank für die positive Stellungnahme und deine kritischen Hinweise.
Ich sehe schon: Meine Hauptaufgabe bei der Überarbeitung dieser Geschichte liegt wohl im Kürzen. :D :Pfeif:

... zerreißt dem Jungen die Haut, sie platzt auf, dicke Striemen bilden sich.

Du hast völlig Recht, diesen Passus habe ich etwas entschärft, das "Platzen" und "Reißen" herausgenommen.

Die Mutter prügelt weiter. Sie hört ihr Kind nicht, ist blind und taub für seinen Schmerz. Der Junge zittert am ganzen Leib. Er versucht, unter dem Küchentisch in Deckung zu gehen. Sie zieht ihn am Kragen hervor, prügelt heulend immer weiter.

Auch hier liegst du richtig mit "zu viel des Guten". Habe die Doppelung herausgenommen und den Satz etwas umformuliert.

Sie ist eindeutig Deine bisher stärkste Geschichte, Manuela. Wuchtig, intensiv, pointiert. Klasse !

So was geht natürlich runter, wie Milch und Honig. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue.

Nochmals ein dickes Dankeschön,
lieben Gruß, Manuela :)

@Lev

Auch dir schönen Dank für Lesung und Kommentar. Ich freue mich, dass dir diese kurze Geschichte so gut gefallen hat.
Über den reißerischen Anfang habe ich ja schon oberhalb etwas gesagt, aber dein Hinweis zur Heimkunft des Vaters beschäftigt mich noch. Schon als ich die Geschichte schrieb, kam mir der Übergang zum Hosenriemen, etwas kurz vor. Ich denke darüber nach, vielleicht noch ein oder zwei Sätze einzuschieben. Mehr will ich aber nicht schreiben, da ich befürchte, ansonsten zuviel Tempo und Dynamik zu verlieren. Mal sehen, was mir dazu noch einfällt.

Merci und einen lieben Gruß,
Manuela :)

@Dotslash

Danke fürs genaue Durchlesen und deine lobenden Worte. Dass dir der Titel so gut gefiel, freut mich besonders, er war nämlich eine schwere Geburt. ;)

Nur weil es mir auffiel:

Zitat:
Der kleine Junge hält seine Arme zum Schutz erhoben,
....
Er reißt die Arme hoch - zu spät.


Du hast natürlich Recht und vielen Dank für diesen Hinweis! In einem Drehbuch würde man so etwas einen Ablauf-Fehler nennen. Habe ich natürlich gerne (und sofort) geändert. :D

Nochmals Dankeschön für deine Stellungnahme,
Nette Grüße,
Manuela :)

 

Hallo Manuela,


Manuela schrieb:
Ich sehe schon: Meine Hauptaufgabe bei der Überarbeitung dieser Geschichte liegt wohl im Kürzen.

Genau das Gegenteil wollte ich hier mal anschneiden :).

Mir fehlt ein wenig Drumrum. So wie andere an Textdetails (Übertreibungen) das Reisserische belegen, so empfinde ich das durch das sofortige Hineinwerfen in diese Prügelsituation. Ähnlich wie in einschlägigen Tageszeitungen (wobei dein Schreibstil ein anderer ist ;)) wird versucht, den Leser mit Extremen an den Text zu fesseln. Das ist auch legitim, nimmt mir aber die Möglichkeit, mich dem Prot anzunähern.

Das distanzierte Der Junge unterstützt, dass er mir fern bleibt.

Du triffst wohl bei einigen Lesern den Nerv, so dass sie berührt sind und der strukturelle Aufbau wohl auch damit in Ordnung ist.

Ich tauche gerne in Geschichten ein, diese hier ist mir zu sehr an der einen Situation festgemacht. Ich könnte sie mir besser als ein Handlungsabschnitt in einer längeren KG (mit Beschreibung der Prots, wieso seine Mutter zb so hilflos ist, welche Umstände führen dazu - Träume, Hoffnungen des Jungen und Ängsten beider Seiten) vorstellen.
Das wär dann eine andere KG, okay, aber ich wollte nur mal meine Gedanken dazu erwähnt haben ;).

Was mir noch auffiel:

Ich hätte es nicht tun sollen, ich weiß, aber ich wollte auch einmal in die Konditorei gehen. Die anderen Kinder kaufen sich immer Süßigkeiten nach der Schule. Ich darf das nie und sie lachen mich deswegen aus.
Da legst du dem Jungen Worte in sein Denken, die nur dazu da sind, den Leser aufzuklären. Er würde meiner Meinung nach nie solche Gedanken haben. Diese Information würde ich versuchen, in eine wörtliche Rede der Mutter zu übernehmen. Wenn es auch eben ein mehr Drumrum um die Geschichte gäbe, könnte man solche Infos besser einflechten.

Spontaner Einfall: Ich könnte mir zB als Beginn vorstellen, dass er nach dem Kauf der Süßigkeiten auf dem Heimweg ist. Er könnte mit Klassenkameraden sprechen und durch den Dialog kannst du einiges an Hintergrundinfos über die Familie verpacken.

Aber so, wie die KG steht, hat sie dir ja auch schon gute Kritiken beschert; es besteht also kein unbedingter Handlungsbedarf :).

Lieben Gruß
bernadette

 
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Hmmm...

Hallo zusammen!

@ Manuela Korn

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, hier zu keiner Geschichte eine Kritik zu schreiben, bevor ich nicht selbst eine erste Kurzgeschichte hier veröffentlicht habe (mein missglücktes Experiment zähle ich nicht). Das mir selbst auferlegte Gebot der Fairness möchte ich jedoch für diesen Moment außer Kraft setzen, da ich noch ein wenig Zeit für meine KG brauche. Ich hoffe, Du und alle anderen sehen mir das nach.

Deine Geschichte berührt. Nicht allein wegen der Thematik, sondern auch, weil Du die Szenen sehr detailliert beschreibst.
Aber ehrlich gesagt, reicht mir das nicht. Ich habe das Gefühl, als hättest Du Dich selbst gebremst. Meiner Meinung nach, darf die Geschichte nicht nur berühren...sie muss weh tun.

Du wahrst eine zu große Distanz, meiner Meinung nach, indem Du den Handlungen den Vorzug vor den Hintergründen gibst. Man leidet natürlich mit, hat das Bild des kleinen Jungen vor Augen, sieht das wutverzerrte Gesicht der Mutter, verabscheut sie für ihre Tat und noch mehr für das Ausspielen des Vaters gegen den Sohn, indem sie sich selbst die Opferrolle zuweist.
Aber was mir fehlt, ist das tiefgründig Tragische.

Dabei geht es gar nicht darum, die Geschichte kürzer zu fassen. Vielmehr würde die Geschichte, glaube ich, besser wirken, wenn Du weniger auf Gesprochenes und Gedachtes setzen würdest, sondern mehr auf starke Bilder. Denn das ist zum größten Teil das, was einem derart malträtierten Kind (abhängig vom Alter natürlich) durch den Kopf geht. Bilder von dem, was passiert ist (immer wieder angefacht durch Wellen aus Schmerz und Schuldgefühlen), Bilder von den Dingen, die noch kommen können (Vorstellungen, die wahlweise Angst und Hoffnung widerspiegeln), Bilder von alternativen Geschehnissen usw. Alles natürlich phantasiereich ausgeschmückt.
Auf diese Weise könntest Du praktisch dasselbe noch eindringlicher ausdrücken, was der Junge in Deiner Geschichte denkt, aber ohne, daß es unglaubwürdig werden würde. Du könntest sogar noch mehr ins Detail gehen, da die Erzählerperspektive dadurch eine andere wäre.

Ähnlich würde ich auch bei der Prügelszene verfahren. Es wird mir zuviel geredet. Dabei können bildliche Eindrücke hier viel eindringlicher sein. Das wutverzerrte Gesicht der Mutter kann man sich vorstellen...aber wie sieht der Junge selbst das Gesicht seiner Mutter? Verliert der Zorn im Ausdruck der Mutter seinen Schrecken, weil es vielleicht häufiger vorkommt, daß sie ihn verprügelt? Nein, das tut es nicht. Das Kind nimmt unheimlich viele Details auf, die es selbst gar nicht benennen kann, aber die es nachhaltig prägen. Diese Details und die damit verbundene Nachhaltigkeit würde ich versuchen, wiederzugeben.
Das Tragische bei Sachverhalten, wie Du sie schilderst, ist, daß die gesamte Familie in einem Teufelskreis gefangen ist, aus dem sie ohne weiteres nicht ausbrechen kann. Deswegen wird es immer wieder passieren und immer ähnlich ablaufen, bis das Kind sich von den Eltern emanzipiert (z.B. während der Pubertät) oder etwas anderes, gravierendes passiert. Die treibenden Kräfte zur Aufrechterhaltung dieses Teufelskreises sind aber nicht nur die Einstellung des Vaters und die offensichtlichen Probleme der Mutter, sondern auch die Verhaltensweisen und Gefühle des Kindes. Egal, was passiert, es wird sich immer wieder vom Neuen auf die Mutter verlassen, wird ihr immer wieder vertrauen, wird nicht aufhören, sie zu lieben. Die Mutter ist alles...sie ist das Zentrum in der Welt des Kindes, zu ihr führen alle Wege und sie ist der Anker, an dem man sich festhält. Gleichzeitig ist dem Kind aber bestimmt, zu lernen, die Welt zu entdecken, Fehler zu machen, seinen Platz zu finden. Deswegen brabbeln Kinder viel, spielen viel, fragen viel, nerven bisweilen und bauen auch mal Scheiße. Und so kommt es zwangsläufig immer wieder zu denselben Konflikten, die nach und nach die ganze Familie vergiften.

Und später, wenn das Kind erwachsen geworden ist, wird es das Gesicht der Mutter nicht vergessen haben, wird auch ihre Worte nicht vergessen haben, wird die Schläge und das Eingesperrtsein nicht vergessen haben. Aber wie das Kind dann damit umgeht, das ist bei jedem Menschen anders. Manche vergeben, manche belügen, andere verkümmern oder tragen selbst das Gift in sich weiter, das ihnen durch ihre Familie eingeimpft worden ist.

Versteh' mich bitte nicht falsch, Manuela. Das hier ist kein Verriss Deiner Geschichte. Du hast keinen Fehler gemacht, aus meiner Sicht. Sonst würde Deine Geschichte nicht berühren. Ich hab aber das Gefühl gehabt, als wolltest Du mit dem Thema, das Du aufgegriffen hast, weiter gehen, als Du es im Endeffekt getan hast.
Lass das, was die Mutter in Deiner Geschichte tut, nicht in der Betroffenheit des Alltags untergehen, denn die legt man viel zu schnell ab, weil sie unangenehm ist. Wie ich eingangs sagte: Die Geschichte muß weh tun.

Ich hoffe, ich habe mich nicht mißverständlich ausgedrückt.:-)

Auf bald!

Theryn

 

Hallo Theryn;

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, hier zu keiner Geschichte eine Kritik zu schreiben, bevor ich nicht selbst eine erste Kurzgeschichte hier veröffentlicht habe (mein missglücktes Experiment zähle ich nicht).
Wieso kommen die Mitglieder nur immer auf so Gedanken? Besser wäre doch, erstmal fünfzig zu kommentieren, bevor man eine einstellt, denn dadurch würde die erste sicher viel besser werden.

Es gibt übrigens kg.de-Mitglieder, die schon jahrelang fleißig kommentieren und noch keine Geschichte geschrieben haben, das ist doch kein Muss :).

Lieben Gruß
bernadette

 

Hallo zusammen!

@ bernadette

Wie ich ja weiterhin schrieb, habe ich diese Entscheidung als mir selbst auferlegtes Gebot der Fairness bezeichnet.:-)

Ich hab schon mitbekommen, daß manche Mitglieder bei KG.de keine Kurzgeschichten schreiben. Da hab ich auch kein Problem mit. Ich selbst hab mich hier aber angemeldet, um Kurzgeschichten einzustellen und kritisieren bzw. besprechen zu lassen. Ich sehe meine Rolle also nicht "nur" als Kritiker.

Natürlich steht nirgendwo, daß man erst Kritiken schreiben darf, wenn man selbst eine KG eingestellt hat. Aber ich empfinde das als fair, weil mir das das Gefühl gibt, ich habe erst etwas von mir gegeben und somit bekräftigt, daß ich Teil dieser Community sein möchte. Man mag es eine Marotte nennen, es ist auch nicht sonderlich rational, aber es gibt mir einfach ein besseres Gefühl.:-)

Nur kurz zur Erklärung.*grins*

Auf bald!

Theryn

 

Hallo Manuela,

die Geschichte habe ich erst in einem überarbeiteten Stadium zu Gesicht bekommen. Mit meinen Anmerkungen kann ich mich also nur auf diesen Zustand beziehen.

Woran ich irgendwie knabbere, ist der formale Perspektivwechsel. Da sind die kursiven Passagen aus der Sicht des "namenlosen" Jungen und die aus der Distanz geschilderte Prügelei der Mutter. Beides mischst du, es erschließt sich auch, was du damit erreichen willst, aber irgendwie werde ich persönlich mit dieser Mischung nicht ganz warm.

Ich will nicht bestreiten, dass du mit der Geschichte tiefgehende Wirkung erzielst, die vorangegangenen Kommentare bestätigen dir es schließlich. Aber mein Favorit wäre es gewesen, die Geschichte aus einer komplett "kursiven" Perspektive zu lesen. In den kursiven Passagen und der Art und Weise wie du die Weltsicht des Jungen ausformuliert hast, sehe ich nämlich die eigentliche Stärke der Geschichte.
Auch wie du dich sprachlich auf das Niveau des Kindes begibst, hat etwas und ist gut gelungen.

Nun wirst du vielleicht fragen: Und der Rest?

Der Rest stellt den Versuch dar, aus der Distanz ein Geschehen zu schildern, beziehungsweise verständlich zu machen, bei dem es jedem mitfühlenden Menschen den Magen umdreht. Dass es in diesem Metier schwierig ist, die Balance zwischen Rührseligkeit, Realismus und schöner Formulierung zu finden, ist selbstredend.

Liebe Grüße vom anderen Ich

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernadette, hallo Therin, hallo AlterEgo!

@Bernadette:

Zunächst einmal herzlichen Dank für deine ausführliche Stellungnahme. Ich habe lange nachgedacht, bis ich mich zu den letzten Kommentaren geäußert habe. Deine Einwände sind für mich nachvollziehbar, aber dazu müsste ich die Geschichte von Grund auf umschreiben. Mir lag es an einer Momentaufnahme, einem Blitzlichtfoto und nicht an einer Geschichte, im eigentlichen Sinn.
Ich hoffe, du verzeihst mir den Vergleich, aber eine befreundete Autorin hat mir nahezu wortgleich, dieselben Vorschläge unterbreitet wie du, :) was meine Unsicherheit zusätzlich verstärkt. Für mich ist das ein Dilemma!
Nach meinen bisherigen Erfahrungen teilen sich die Kommentare in zwei Gruppen. Für die einen ist der Text gut, sie sind in der Lage, die Angst und den Schmerz des Kindes zu fühlen, die anderen drängen auf Ausbau und meinen nahezu unisono, sich davon nicht berührt zu fühlen. Der Prot bleibt ihnen fremd, sein Schmerz berührt sie nicht.
An wen soll ich mich halten? Am besten wohl an mich selbst. :shy:
Ich denke natürlich über alle Vorschläge nach, aber für mein Empfinden ist dieser Text fertig, zumal du selbst sagst:

Aber so, wie die KG steht, hat sie dir ja auch schon gute Kritiken beschert; es besteht also kein unbedingter Handlungsbedarf .

Ich werde noch ein wenig zuwarten, aber ich denke bereits eine Verschiebung in das Archiv an, um diese polarisierende "Geschichte" wieder aus der Diskussion zu bekommen.

Lieben Gruß,
Manuela :)

@Theryn:

Auch dir herzlichen Dank für deine Stellungnahme. Du setzt wie einige andere auch auf Ausbau, auf genauere Hintergrundbeschreibung, auf eine durchgehende Perspektive. Dazu habe ich mich bereits in meiner Stellungnahme zu Bernadette geäußert. Ergänzend: Ich habe zu der auktorialen Perspektive gefunden, weil es mir unerträglich gewesen wäre, die Geschichte durchgehend aus der Sicht des Kindes zu schreiben.
Dennoch wollte ich den Leser (stellenweise) in den Bewusstseinstrom des Kindes mitnehmen, hinein in seine Angst und den Schmerz. Mag sein, dass ich damit nicht jeden Leser erreichte. Aber wer kann das schon von sich behaupten?

Wie ich eingangs sagte: Die Geschichte muß weh tun.
Tat sie das denn nicht? :confused:

Einen lieben Gruß, schickt eine zunehmend verunsicherte
Manuela :)

@AlterEgo:

Ich freue mich, dass auch du eine Stellungnahme zu meinem Text geschrieben hast, und dass er dich zumindestens teilweise erreicht hat. Deine Hinweise sind für mich natürlich ebenfalls interessant. Dein Posting bestätigt den Trend der Kommentierung, insgesamt: Was dem einen gefällt, missfällt dem anderen. Nur als Beispiel:

Auch wie du dich sprachlich auf das Niveau des Kindes begibst, hat etwas und ist gut gelungen.

Ein dickes Dankeschön dafür, aber: Gerade die Sprache des Kindes wurde mir mancherorts vorgehalten. Zu erwachsen, zu klar formuliert, ein Kind in dieser Situation würde nie solche Gedanken formulieren. ;)

Woran ich irgendwie knabbere, ist der formale Perspektivwechsel. Da sind die kursiven Passagen aus der Sicht des "namenlosen" Jungen und die aus der Distanz geschilderte Prügelei der Mutter. Beides mischst du, es erschließt sich auch, was du damit erreichen willst, aber irgendwie werde ich persönlich mit dieser Mischung nicht ganz warm.

Du hast nicht unrecht. Perspektivwechsel in Kurzgeschichten sind so eine Sache. Vielleicht ist dieses Experiment auch nicht gelungen. Wie schon erwähnt, nur auktorial, wäre mir zu distanziert erschienen, alles aus Sicht des Jungen, zu schmerzhaft.

Der Rest stellt den Versuch dar, aus der Distanz ein Geschehen zu schildern, beziehungsweise verständlich zu machen, bei dem es jedem mitfühlenden Menschen den Magen umdreht.

Nicht allen, lieber AlterEgo. Manche Kritiker blieben davon völlig unberührt.;)

Wie bereits erwähnt, ich bin verunsichert und brauche etwas Distanz. Dieser Beitrag hat mich emotional sehr aufgewühlt und ich weiß langsam selbst nicht mehr, was ich von meiner Geschichte halten soll. Vielleicht, mit einigem zeitlichen Abstand, gehe ich eine neuerliche, inhaltliche Überarbeitung an. Derzeit schwirrt mir einfach nur der Kopf. Ich bitte um dein, (euer) Verständnis.

Einen lieben Gruß, auch an Dich,
Manuela :)

 

Hallo zusammen!

@ Manuela

Liebe Manuela,

auf keinen Fall wollte ich dazu beitragen, daß Du Dich verunsichert fühlst. Vielmehr wollte ich Dich bestärken auf Deinem Weg, den ich für den richtigen halte.:-)

Ich meinte auch nicht, die Geschichte durchweg aus der Sicht des Kindes als Ich-Prot zu schreiben. Das wäre, glaube ich, unerträglich für Autor und Leser. Dennoch kann man mehr in die Gefühlswelt und die Wahrnehmung des Kindes eintauchen.
Worauf ich hinaus wollte, war, daß bildliche Eindrücke evtl. beeindruckender gewesen wären, als die Gedanken, die "Dein" Kind wiedergibt. Dein Konzept, den Leser in den Bewusstseinsstrom des Kindes mitzunehmen, war also vollkommen richtig, meines Erachtens nach, aber die Umsetzung kann noch berührender und beeindruckender sein, als sie es jetzt schon ist (ernst gemeint!).

Und ja, Du hast mit Deiner Geschichte berührt! Ich wollte nie zum Ausdruck bringen, Du hättest mich mit Deiner Geschichte nicht erreicht. Aber nach meinem persönlichen(!) Gefühl hätte diese Rührung noch sehr viel weiter gehen können. Das meinte ich mit "weh tun".

Du hast recht, am besten hältst Du Dich an Dich selbst. Die Kommentare hier können Dir nur ganz persönliche und somit subjektive Eindrücke sein. Lass Dich nicht verunsichern, sondern nimm Dir das mit, von dem Du glaubst, daß es Dich weiterbringt und mit dem Du etwas anfangen kannst.:-)

Auf bald!

Theryn

 

Hallo Manuela!

Ich werde ganz lieb sein, zu ihm.
Ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Kommas manchmal sein können. Hier könnte es heißen, dass der Junge nur mehr zum Vater lieb sein will, nicht zur mehr zur Mutter. Durch die Abtrennung mit dem Komma. Ist das so beabsichtigt von dir?
Nach einiger Zeit in der Dunkelheit, beruhigt sich der Junge ein wenig.
ohne Komma
Wir können uns das nicht leisten, sagt Mutti. Wir haben kein Geld für solche unnötigen Dinge. Ich weiß, ich bin ein schlimmes Kind. Ich habe Geld aus Muttis Geldbörse gestohlen und mir Schokolade gekauft. Papa wird bestimmt böse sein, wenn er das hört.
Mit den Gedanken des Jungen hab ich ein Problem: Sie sind mir etwas zu reflektierend in der Situation. Er sagt doch, dass er Angst hat im Dunkeln. Ich finde, seine Gedanken müssten viel mehr hin und her und durcheinander gehen. Die Angst, die er hat, wird nicht wirklich spürbar. Das sind viel zu gesetzte Sätze, und das mit dem Stehlen und der Schokolade: so würde er nicht denken, er weiß es doch schon, das lässt du ihn nur sagen, damit der Leser es auch weiß. Ich würde es weglassen, da es die Mutter später ohnehin noch einmal sagt.
Tröstend nimmt er seine Frau in die Arme.
knurrt der Vater und zieht seinen Hosenriemen ab
Das sind meiner Meinung nach Perspektivfehler. Der letzte Absatz wird ja aus der Perspektive des Jungen erzählt. Beide Handlungen kann er nicht sehen.

Die Geschichte ist eine Gradwanderung. Das ist etwas, das keinen kalt lässt und man muss aufpassen, dass der Leser nicht das Gefühl bekommt, du willst ihn, indem du ihn rührst (Mitgefühl mit dem Jungen), für deine Geschichte einnehmen. Man kann sich dem, was vor dem inneren Auge entsteht, nicht entziehen, man hat keinen Abstand mehr zur Geschichte. In mir steigt da Hass hoch. Das heißt, bei so einer Geschichte steht man als Autor immer in Gefahr, den Leser nur dadurch für sich zu gewinnen, indem man ihn emotional aufrührt.

Sie hört ihr Kind nicht, ist blind und taub für seinen Schmerz.
Da ist die Erzählstimme bereits wertend, verurteilt ebenso die Mutter, wie es der Leser auch tun soll.
Du schaffst es aber großteils, die Sprache nüchtern zu halten. Einfach nur zu beschreiben, was passiert. Die innere Rede des Kindes könnte einen schönen Kontrast dazu bilden, aber du bist da noch zu vorsichtig, die sollte nicht vom Stil her ähnlich nüchtern sein. Die emotionale Aufgewühltheit sollte sich sprachlich abbilden. Das sind zu beruhigte Sätze, als dass da die Angst des Kindes spürbar wird. Es wird sowohl physisch, als auch psychisch fertig gemacht und das nicht zum ersten Mal. (Wozu hätte die Mutter sonst einen Kunststoffgerte?)
Aber ich denke auch, dass das deine beste Geschichte ist bis jetzt. Sie hat mich mitgezogen, sie hat das Unerträgliche der Situation gut vermittelt.

Liebe Grüße
Andrea :)

 

Hallo Andrea!

Vielen Dank für deine gründliche Stellungnahme und die Zeit, die du in diesen Text investiert hast. :)
Den aufgezeigten Kommafehler habe ich natürlich korrigiert, über das zweite Komma:

Ich werde ganz lieb sein, zu ihm.
... habe ich länger nachgedacht und es dann ebenfalls entfernt. So ausschließlich wollte ich diese Aussage nicht formulieren. Danke für den Tipp.

Das sind viel zu gesetzte Sätze, und das mit dem Stehlen und der Schokolade: so würde er nicht denken, er weiß es doch schon, das lässt du ihn nur sagen, damit der Leser es auch weiß. Ich würde es weglassen, da es die Mutter später ohnehin noch einmal sagt.

Da gebe ich dir Recht, so wie es da steht, ist es quasi nur eine Info für den Leser. Habe deshalb den inneren Monolog des Knaben gekürzt und leicht abgeändert.

Sie hört ihr Kind nicht, ist blind und taub für seinen Schmerz.
Da ist die Erzählstimme bereits wertend, verurteilt ebenso die Mutter, wie es der Leser auch tun soll.
Auch hier habe ich eine erklärende, (abschwächende) Änderung eingebaut.

Tröstend nimmt er seine Frau in die Arme.
... knurrt der Vater und zieht seinen Hosenriemen ab ...
Das sind meiner Meinung nach Perspektivfehler. Der letzte Absatz wird ja aus der Perspektive des Jungen erzählt. Beide Handlungen kann er nicht sehen.

Hmmh? Eigentlich steht der letzte Absatz, wie die gesamte Geschichte, außer den inneren Monologen des Kindes, in der auktorialen Perspektive, mMn. Oder sehe ich da was falsch?

Das heißt, bei so einer Geschichte steht man als Autor immer in Gefahr, den Leser nur dadurch für sich zu gewinnen, indem man ihn emotional aufrührt.
Natürlich! Aber diesem Risiko musste ich mich aussetzen, wenn ich solche Gefühle zu transportieren versuche. Es geht ja im Prinzip um nichts anderes, als den Schmerz und die Ausgeliefertheit des Kindes.

Liebe Grüße,
Manuela :)

 

Liebe Manuela!

Ich muß Dir ganz ehrlich sagen, daß mir die Geschichte alles andere als gefällt. Viel zu plakativ und auf die Tränendrüse drücken wollend. Was da mitleidheischend geschluchzt und gewimmert wird, ist ein Graus. Und dieses überzogene Klischee von mißhandlenden Eltern: a) ist es selten, daß beide schlagen, b) ist es heutzutage noch viel seltener, daß wirklich mit Gerte & Gürtel geschlagen wird, zumal das ja sichtbare Wunden hinterläßt, die im Turnunterricht gesehen und gemeldet werden.

Und dann kommt natürlich die Frage: Warum erzählst Du so etwas?
Nicht, daß Du mich falsch verstehst:

Der Vater sieht nur die Tränen seiner geliebten Frau (nicht die seines Sohnes) und macht dafür das Kind verantwortlich, ohne näher zu hinterfragen. Genau das ist ja die Masche der Mutter: Die Umkehrung der Täter- Opferrolle.
Die Intention finde ich ja nicht schlecht, aber das hätte subtiler viel direkter betroffen gemacht. So sitzt zwar jeder mit offenem Mund da, aber die Situation ist zu abstrakt bzw. übertrieben, dadurch ist es als Thema schnell vom Tisch gewischt: Es wird sich unter den Lesern (hoffentlich) niemand finden, der die Situation mit seinem Alltag verbinden kann, bzw. dem dadurch irgendetwas aufgezeigt wird. Mit mir hat das nichts zu tun, nächste Geschichte …
Dabei kann man im Alltag so viele Situationen beobachten, wo das ganz genauso, aber vor allem mit psychischer Gewalt passiert, wo sich niemand aufregt, weil es kaum jemand erkennt.

Bei mir gegenüber in den Gärten hat im Sommer eine Familie mit drei Kindern das Wohnzimmer in den Garten verlegt (so machte es jedenfalls den Eindruck). Der Marcel ist so an die drei, die anderen sind älter. Dann hatten sie an einem Nachmittag Besuch von einer anderen Mutter mit einem noch kleineren Kind, höchstens zwei Jahre alt.
Bevor die dann wieder gingen, kam die Mutter von Marcel plötzlich mit einem Spielzeug aus dem Haus und schenkte es dem anderen Kind. Ich nehme an, es hat Marcel gehört, da er sofort dagegen protestiert hat. Mehrere Minuten wurde da nur herumgebrüllt und weggezerrt, und als sie es dann endlich geschafft hatten, Marcel und das Spielzeug zu trennen, und die anderen gegangen sind, hat sich die Mutter hingesetzt, die Arme verschränkt, böse dreingeschaut (manchmal schau ich mit dem Fernrohr :D) und gesagt: »Jetzt hast du mir den ganzen Nachmittag versaut.«
Nach einer Weile hat sich Marcel von seinem Weinen beruhigt und kam zu ihr hin. Er hat an ihren Armen gezerrt, immer wieder »bitte Mutti, ich hab dich eh lieb« gerufen, und sie saß stocksteif da und starrte stur geradeaus.

Oder: Erlebt im Interspar in Meidling: Mutter mit zwei Kindern, das kleinere im Sitz des Einkaufswagens, das andere im Wagen sitzend, und bereits fünf prallgefüllte Sackerl aus diversen Geschäften der Meidlinger Hauptstraße. Es ist kurz vor Mittag, die Kinder quengeln herum, werden mit Keksen und Tee ersatzbefriedigt, und der Größere fragt: »Und wann gehen wir jetzt ins Schwimmbad?«
Sie: »Nein, heute gehen wir zur Strafe nicht ins Schwimmbad. Ich hab euch gesagt in der Früh, wie wir weggegangen sind, wenn ihr brav seid, gehen wir ins Schwimmbad. Ihr seckierts mich ja die ganze Zeit!«

Das sind nur zwei von unzähligen möglichen Alltagssituationen, anhand derer man das viel besser aufzeigen kann, weil sie jedem viel näher liegen, als diese rohe Gewalt, die in Deiner Geschichte vorherrscht und alles überschattet.

Zu Deinem perspektivenmäßigen »Experiment« will ich mich nicht äußern, nachdem es ja meine Idee war, für solche Geschichten einen auktorialen Erzähler zu wählen und kursive Gedanken des Kindes einzustreuen.

da trifft ihn pfeifend der erste Schlag mit dem Hosenriemen.
Das Treffen ist sicher kein Pfeifen – da pfeift der Hosenriemen zum ersten Schlag.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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