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Kleine Tanne ganz gross

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19.02.2004
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Kleine Tanne ganz gross

Zur Weihnachtszeit präsentierte sich der Wald in seinem schönsten Gewand. Die tiefstehende Sonne sandte ihr Licht auf die großen, prächtigen Tannen, deren Zweige über und über mit einer leuchtenden Schicht pulverigen Schnees bedeckt waren. Trotz der frostigen Kälte zog dieser Anblick wie jedes Jahr viele Menschen in den Wald, die auf der Suche nach einem passenden Tannenbaum für das bevorstehende Fest waren. Selbst die Tannen wussten, dass ihr großer Auftritt bevorstand. Bald würden sie festlich geschmückt in einer wohlgeheizten Stube stehen, mit glitzerndem Lametta behangen und farbenfrohen Kugeln, in denen sich das Licht der vielen Kerzen widerspiegelte. Natürlich wollte jede Tanne mitgenommen werden und warf sich mächtig ins Zeug. Sie streckten die Zweige aus, so weit sie nur konnten und boten den Menschen einen majestätischen Anblick. Da fiel die Wahl wie jedes Jahr sehr schwer, aber es dauerte nicht lange, da hatten fast alle Tannen ein neues Zuhause gefunden. Alle bis auf eine kleine Tanne. Sie war klein und mickrig, hatte sich in all den Jahren nie entfalten können, weil die großen Bäume ihr immer wieder das Licht gestohlen und ihre starken Zweige die kleine Tanne immer wieder erdrückt hatten. Ihre kleinen Zweige waren daher auch nicht so schön grün wie die der anderen, sie waren eher braun und sahen krank aus. Wenn die Menschen kamen, wollte sie sich natürlich auch von ihrer schönsten Seite zeigen, doch sie hatte keine und deshalb wurde sie immer wieder stehen gelassen. Das Schlimmste aber war, dass die Menschen nicht einmal zu ihr sagten, wie hässlich sie war. Sie beachteten sie erst gar nicht, so als wäre sie gar nicht da. Das machte die kleine Tanne sehr traurig. Sie flehte und bettelte, doch niemand hörte sie oder wollte sie hören.
Und so stand die kleine Tanne am heiligen Abend ganz alleine im Wald. Warum wollte sie denn niemand haben? Ihre kümmerlichen Zweigchen zeigten traurig zu Boden, weil sie auch keine Kraft mehr hatte, die Last des Schnees zu tragen, der auf ihr lag. Sie wurde schwächer und schwächer. Wenn es so weiterging, würde die kleine Tanne eingehen. Auch die Tiere im Wald merkten das und versuchten, sie zu trösten. Doch alles gute Zureden hatte keinen Zweck, die kleine Tanne wollte einfach nicht mehr. Bis zu eben zu diesem heiligen Abend.
Vier Kinder kamen vorbei und wollten den Tieren im Wald etwas schenken. Sie waren beladen mit Früchten, Nüssen, Stroh und allen Leckereien, die man sonst im Winter im Wald nicht findet. Sie staunten nicht schlecht, dass nur noch eine Tanne übrig geblieben war. Doch sie machten das Beste aus der Situation und legten ihre Geschenke an den Fuß der kleinen Tanne und begannen, Weihnachtslieder zu singen. Die kleine Tanne war davon so gerührt, dass sie neuen Mut fasste und beschloss, im nächsten Jahr die Schönste aller Tannen zu werden. Doch wie wollte sie das anstellen? So, wie sie jetzt aussah, musste ein Wunder geschehen. Der Frühling würde es zeigen, dachte sie sich und schlief voller Hoffnung ein.

Als sie wieder aufwachte, ging gerade die Sonne auf. Ihre ersten Strahlen erhellten die Umgebung der kleinen Tanne, und nachdem die sich einmal kräftig gereckt und ihre Zweige von sich gestreckt hatte, sah sie sich zögernd um. Irgendetwas war anders, nur was? Nach ihrem langen Winterschlaf war der Frühling bereits ins Land gezogen, das sah sie an den üppig grünen Wiesen auf den Hügeln. Aber warum konnte sie die Hügel auf einmal sehen? Sonst waren doch immer die anderen Bäume im Weg gewesen, nicht einmal die Sonne hatte sie zu Gesicht bekommen. Und nun stand sie weit über allen anderen Gewächsen im Wald und die Sonne wärmte sie angenehm. Sie schaute nach unten und sah nur kleine Triebe, die erst noch wachsen mussten, bevor sie richtige Tannen sein würden. Und da fiel ihr noch etwas auf. Ihre Zweige, wo war das hässliche Braun geblieben, die kahlen Stellen? All das war einem dichten Bewuchs aus saftig grünen Tannennadeln gewichen. Und die Triebe da unten, das waren keine jungen Bäume. Die Bäume waren schon groß, aber aus der ehemals kleinen Tanne war jetzt eine riesengroße geworden! Sie fühlte eine Freude, wie sie sie nie gekannt hatte. Ein Kribbeln lief durch ihren ganzen Stamm bis hinaus in die entlegensten Zweige und sie konnte ihre ganze Schönheit entfalten. Doch dann fragte sich die Tanne, wie das geschehen konnte. Es musste ein Wunder geschehen sein, wie sonst hätte sie dermaßen wachsen und gedeihen können? Und als könnte sie Gedanken lesen, sprach plötzlich die Sonne zu der kleinen Tanne.
„Das war kein Wunder, liebe Tanne. Als es an der Zeit für den Förster war, neue Bäume zu pflanzen, habe ich so stark geschienen, dass er zuerst in Urlaub gefahren ist. Und durch meine Wärme konntest du dich erholen. Als der Förster dann wieder aus dem Urlaub zurück kam, habe ich es zwei Wochen lang regnen lassen, so dass er keine Lust hatte, neue Bäume zu pflanzen. Durch den Regen konntest du wachsen und blühen. Und als der Förster dann endlich kam, um seine Arbeit zu erledigen, warst du schon so groß, dass die neuen Bäume dich nicht mehr einholen konnten.“
Die Tanne war froh über ihr Glück, wollte aber auch wissen, warum die Sonne ihr so sehr geholfen hatte.
Und die Sonne sagte: „Ich habe all die Jahre nur die anderen Bäume wachsen lassen, ohne zu wissen, dass du noch darunter warst. Als ich dich dann gesehen habe, so ganz alleine und krank, aber voller Zuversicht, da habe ich beschlossen, dir zu helfen. Ich mag es halt nicht, wenn jemand unglücklich ist. Egal, ob Mensch, Tier – oder eine Tanne. Und ich werde weiter für dich scheinen, damit auch du ein schönes Zuhause findest. Und jetzt entschuldige mich bitte, es wird Zeit für eine Erfrischung.“
Eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne, und nur kurze Zeit später regnete es auf den Wald herab. Die Tanne genoss die kühlen Tropfen auf ihrem Kleid. Von da an ging es immer so weiter. Auf Sonnenschein folgte ein Regenguss und nach dem Regen schien wieder die Sonne. So ging es immer weiter, und mit jedem Tag wurde die Tanne größer, kräftiger und prächtiger.
Als dann der Winter hereinbrach, war die Tanne die Größte im ganzen Wald. Und obwohl sie in den letzten Jahren von den anderen Bäumen so niedergedrückt worden war, hoffte sie, dass auch ihre jetzigen Nachbarn ein neues Heim finden würden. Die Menschen kamen wieder in den Wald, um nach einem passenden Schmuck für das Weihnachtsfest zu suchen. Natürlich wurden sie fündig. Fast alle Bäume bekamen ein neues Zuhause. Aber eben nur fast alle, denn die ehemals kleine Tanne stand schon wieder ganz alleine. Niemand hatte sie haben wollen, und das verstand sie nicht. Sie hatte doch alles richtig gemacht und sie war wunderschön. In diesem Jahr konnte sie sogar den Schnee auf ihren Zweigen ohne Mühe tragen. Was war passiert? Nicht einmal die Kinder kamen an diesem heiligen Abend vorbei, um den Tieren Futter zu bringen. Die Tanne grübelte vor sich hin und merkte gar nicht, dass mittlerweile schon die Nacht hereingebrochen war. Der Mond stand hell am Himmel und spendete ein wenig Licht. Als der Mond sah, dass die prächtige Tanne traurig die Zweige sinken ließ, sprach er zu ihr:
„Sei nicht traurig, kleine Tanne. Heute wollte dich zwar niemand haben, aber deine Zeit wird kommen. Du darfst nicht denken, dass dich gleich jeder haben möchte, nur weil du so groß und prachtvoll bist. Hab Geduld, es wird der Richtige sein, der dich findet. Und jetzt schlaf schön.“
Die Tanne dachte über die Worte des Mondes nach. Doch je mehr sie rätselte und grübelte, desto weniger verstand sie die Worte. Darüber schlief sie tief und fest ein und wachte erst wieder auf, als der Frühling anbrach.

Sie erkannte schnell, dass sie immer noch die schönste Tanne im Wald war. Nur war sie halt immer noch im Wald. Doch als sie an sich herunterblickte, sah sie einen fröhlichen Mann vor sich stehen. Seine Augen glänzten beim Anblick der Tanne. Er fand sie so schön, dass er beschloss, sie mitzunehmen. Komisch, dachte die Tanne. Es ist doch gar nicht Weihnachten. Trotzdem wurde die Tanne endlich mitgenommen. Der Mann pflanzte sie in seinen Garten und erfreute sich an ihrem Anblick. Die Tanne konnte auf alle umliegenden Gärten schauen, die mit kunterbunten und wunderschön blühenden Pflanzen geschmückt waren. Mit einigen schloss sie bald schon Freundschaft und genoss die Sonne sowie den Regen, was ihr keiner mehr wegnehmen konnte. Als es dann Weihnachten wurde, steckte der Mann ihr Kerzen an die Zweige und sang Weihnachtslieder in ihrem Schatten. Als es dann dunkel wurde, leuchtete sie so weit und schön, wie kein anderer Baum in der Umgebung. Die einst mickrige und kranke Tanne war aufgeblüht und hatte endlich ein Zuhause gefunden. Jetzt verstand sie auch den Mond. Das hier war ein „richtiges“ Zuhause. Und dafür war sie sehr dankbar....

E N D E

 

Lieber screwball,

schon ziemlich lange steht Deine Geschichte hier und bekam noch keine Kritik - vielleicht liegt es am Thema? Wer liest schon gerne im Frühling eine Weihnachtsgeschichte? Vielleicht wäre die Geschichte in der Rubrik "Weihnachten" nicht so schnell untergegangen? Ich weiß es nicht ...

Vielleicht aber kannst Du selber dafür sorgen, dass Du mehr Leser erreichst, indem Du die Geschichten anderer KG.DEler kommentierst? :D.

Doch nun zu Deiner Geschichte:
Sie hat mir aus verschiedenen Gründen nicht besonders gefallen:

Zum Ersten musste ich schon beim Lesen des Titels an das bekannte Märchen von Hans Christian Andersen denken und meine Assoziationen erwiesen sich dann ja auch als richtig.

Allein das Ende Deiner Geschichte war etwas "Besonderes", da Deine Tanne nicht sterben muss, sondern einen schönen Platz im Garten (ein Zuhause) erhält und weiter wachsen und leben darf. Das fand ich sehr hübsch.

Ansonsten fehlt mir die Spannung in Deiner Geschichte, alles ist so vorhersehbar - schade.

Deine Sprache ist nicht schlecht, flüssig und oft gut formuliert, allerdings gehst Du für meinen Geschmack etwas zu großzügig mit den Adjektiven um, manchmal ist da weniger mehr :).

Ich habe nicht allen Stellen herausgesucht, die mir verbesserungswürdig erschienen, hier nur drei Beispiele:

"Natürlich wollte jede Tanne mitgenommen werden und warf sich mächtig ins Zeug. Sie streckten die Zweige aus," --> im ersten Satz sprichst Du von "jeder Tanne" in der Einzahl, im zweiten Satz verwendest Du den Plural, das ist ein Bruch beim Lesen.

"Da fiel die Wahl wie jedes Jahr sehr schwer, aber es dauerte nicht lange, da hatten fast alle Tannen ein neues Zuhause gefunden." --> Wortwiederholung "da"

"Alle bis auf eine kleine Tanne. Sie war klein und mickrig," --> Wortwiederholung "klein", dieses Wort hast Du für meinen Geschmack sowieso sehr häufig verwendet :D.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Screwball,

schön daß al-dente deine KG sozusagen "hochgeholt" hat.

Muß ihr nur leider zustimmen, daß die Geschchte sprachlich zwar sehr schön, inhaltlich aber kaum überraschend ist. Zum einen, wegen der von ihr bereits erwähnten Punkte, und andererseits haben sich mir als Gärtner am Schluß alle Haare aufgestellt -wenn die Tanne schon so groß ist, verpflanzt die keiner mehr so ohne weiteres. Liegt an den Wurzeln, aber das sind botanische Details. ;)

@al-dente:
Nein, in "Weihnachten" würde sie derzeit genauso wenig gelesen; habe selbst erst so eine Geschichte kurzfristig verschieben lassen, damit irgendwer sie liest und mir was dazu sagt. :)

Schönen Gruß,
Oile

 

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