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Kreise
Kreise
Für Chazar
Der Mond hing wie gemalt über dem Meer, sanfte Wellen umspülten den Strand, der Sand kitzelte meine Füße und ihr Atem meinen Nacken.
„Wie schön die Sterne sind“, sagte ich.
„Sterne“, antwortete sie „kannst du nicht besitzen, Emilia. Genau wie mich.“
Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände, drehte es so, dass ich sie ansehen musste und zwinkerte mir zu. Ich küsste sie auf ihre Stirn, sie zog mich an sich und suchte mit ihren Lippen die meinen.
„Ich liebe dich“, sagte ich. Stille.
Das schrille Klingeln an der Tür reißt mich aus mir selbst heraus, aus den Tränen, aus dem sehnsuchtsvollen Song, der schon seit Stunden in der Wiederholungsschleife läuft. Ich setze mich auf, fahre mir mit den Fingern durchs Haar, wische mit dem Ärmel meines Pullovers die Tränen ab und stehe auf. Hoffnung schießt durch meinen Körper wie Adrenalin. „Sie“, denke ich. „Es ist Katharina“. Wer sonst würde so spät kommen? Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich stoße mir das Bein am Sofa und kann nicht schnell genug an der Tür sein.
Die Hoffnung sackt zusammen. Nicht Katharina, nur das Mädchen von nebenan. Ich klammere mich am Türrahmen fest, meine Beine wollen mich kaum noch tragen. Was hat die Kleine weinend vor meiner Türe zu suchen? Ich kenne sie kaum! Was erwartet sie von mir? Sie möchte etwas sagen, sich erklären, doch die Worte werden von einem Schluchzen erstickt. Irgendwo im Haus wird eine Tür geöffnet. Sie zuckt zusammen, ihre Blicke irren gehetzt umher, sie drängt in meine Wohnung und schiebt mich vor sich her, wie ein kleines Kind.
Wasser tropft aus ihrer Kleidung langsam auf den Teppichboden. Wimperntusche rinnt ihr in langen Bahnen die Wangen herunter. Mit einer trotzigen Handbewegung wischt sie ihr Gesicht ab. Plötzlich tut sie mir leid. Es ist nicht ihre Schuld, dass ich auf jemanden gewartet habe, der nie kommen wird. Iljanah starrt mich aus flehenden Augen an.
„Ich lasse dir ein heißes Bad einlaufen und bereite dir Tee zu. In Ordnung?“
Dankbar sieht sie mich aus ihren großen, braunen Augen an.
Iljanah liegt mit geschlossenen Augen in der Wanne. Sie wirkt, als hätte sie kaum noch Kraft in ihrem Körper. Ich kann sie so gut verstehen, mich so gut in sie hineinversetzen und ihren Schmerz fast mitfühlen.
„Dein Tee“, sage ich.
Sie lächelt dankbar, nimmt die Tasse entgegen, setzt sie an ihre Lippen und trinkt gierig. Fast kann ich spüren, wie die Wärme in ihren kleinen, dünnen Körper zurückkehrt.
„Ich hätte nicht einfach aufkreuzen sollen“, sagt sie. „Ich wollte nicht nach Hause. Meine Eltern würden zu viele Fragen stellen.“ Ihr Blick verliert sich im Nirgendwo. „Manchmal möchte man ihnen nichts erzählen, weißt du?“ Ich nicke. In ihren Augen bin ich mit meinen fünfundzwanzig Jahren erwachsen. Sie weiß nicht, dass auch meine Eltern mich nerven und unangenehme Fragen stellen.
Ich hole tief Luft: „Wir sollten ihnen trotzdem sagen, dass du hier bist. Heute Nachmittag haben sie dich gesucht, all deine Freunde angerufen und niemand wusste, wo du steckst.“
Sie beißt sich auf die Lippen. „Du hast wahrscheinlich recht“, sagt sie. Sie lügt, aber ich stehe trotzdem auf. Ihre Eltern leben in der Wohnung nebenan.
„Du kannst bei mir schlafen“, sage ich später. „Falls du möchtest.“
„Was hat meine Mutter gesagt?“
„Sie war froh, dass du hier bist.“
Zufrieden schließt sie die Augen. „Ich wäre jetzt gerne alleine“, sagt sie.
„In Ordnung. Ich warte im Wohnzimmer auf dich.“
Der nach Kokos duftende Brief in meiner Hand wog unendlich viel. Ich ließ ihn fallen, sah zu, wie er sanft durch die Luft glitt. Ein blondes Haar lag auf dem blauen Kopfkissen. Ich konnte immer noch den Abdruck ihres Körpers auf dem Laken sehen. Als wäre sie nur kurz aufgestanden. Aber sie war nicht nur kurz aufgestanden. Ich biss mir auf die Lippen. Schmerz.
„Emilia“, sagt sie und reißt mich aus meinen Gedanken. Iljanah hat ein Handtuch um ihren Körper geschlungen. Ihre Wangen sind gerötet und sie wirkt zuversichtlicher, hübscher.
„Ich möchte ins Bett“, sagt sie.
„Gut. Ich gehe auch schlafen. Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn wir in einem Bett liegen?“ Sie schüttelt den Kopf und ein paar Wassertropfen spritzen aus ihrem langen Haar auf den Boden.
Ich gehe voraus, krame in meinem Kleiderschrank herum und reiche ihr ein T-Shirt. Ihre Beine sind lang, ihr Bauch flach, ihre Brüste fest und apfelförmig. Ihr Körper ist noch zu knabenhaft, aber ihre Formen lassen erahnen, dass es nicht immer so bleiben wird.
„Ich bin fertig“, sagt sie, geht zum Bett und schlüpft unter die Decke, als würde sie hier wohnen. Ich lächle, weil sie so unbefangen ist und hole mir eine Wolldecke aus dem Schrank. Ich lege mich neben sie, decke mich zu und knipse das Licht aus. Ich lausche ihrem Atem und seltsamerweise beruhigt mich ihre Anwesenheit. Vielleicht werde ich in dieser Nacht endlich wieder schlafen können.
Ich wählte im Minutentakt ihre Handynummer. Sie meldete sich nicht. Trotzdem war es besser als nur die Wand anzustarren und nicht begreifen zu können. Sie fehlt mir. Sie kennt mich, wie niemand sonst auf der Welt. Sie muss mich in die Arme nehmen, mich an sich drücken und mich mit ihrem Lachen aufheitern. Sie soll mich küssen, mich halten und mit ihren Händen meinen Körper erkunden, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Sehnsucht.
Ich schrecke auf und brauche einen Moment lang, um mich zu erinnern, dass Iljanah hier ist. Sie liegt auf dem Bauch, das Kissen auf ihren Kopf gedrückt und schluchzt in die Matratze. Es gibt so vieles, was ich jetzt falsch machen könnte. Ich hebe langsam meine Hand und lege sie auf ihre Schulter. Sie hält inne, ihr Körper versteift sich und ich ziehe meine Hand zurück. Es bleibt ruhig, doch plötzlich kommt sie zu mir herüber. Ich halte meine Decke auf und sie kriecht hinein, legt ihre kalten Beine auf meine und vergräbt ihr Gesicht auf meinen Brüsten. Die Dämme brechen und die Tränen strömen aus ihr heraus. Mein Nachthemd wird nass. Sie klammert sich an mich, wie ein kleines Kind und ich streiche ihr beruhigend durch das Haar. Sie wird ruhiger, schmiegt sich noch enger an mich. Plötzlich wird mir unerträglich heiß, mein Pulsschlag beschleunigt sich, der süße Erdbeerduft ihres Körpers wirkt berauschend. Ich küsse sie auf ihr Haar, das noch leicht feucht ist. „Ein mütterlicher Kuss“, denke ich mir „Nicht mehr“. Mein Körper spricht eine andere Sprache. Ich schiebe mein Becken dem ihren entgegen.
„Ich möchte mit dir schlafen“, fallen mir ihre Worte ein. Ich weiß noch genau, wie ich sie damals angestarrt habe. Sie lachte und fragte: „Was ist?“ Langsam begann sie, sich auszuziehen, ließ ihr rotes Kleid auf den Boden gleiten und stand in schwarzer Spitzenunterwäsche vor mir. Ihre Brüste schimmerten durch den durchsichtigen Stoff, ihre Brustwarzen zeichneten sich hart darunter ab. Meine Kehle fühlte sich trocken an. Sie lächelte verführerisch, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, kam einen Schritt auf mich zu und presste, ohne meine Zustimmung abzuwarten, ihren Mund auf meinen. Süß, sinnlich, erregend. „Es ist nicht richtig“, dachte ich. Sie streichelte meine Brüste, presste ihre Hände auf meinen Hintern und knabberte an meinem Ohr. Ich spürte die Zweifel vergehen. Erregung.
Plötzlich ist ihr Gesicht über meinem. Sie sieht mich aus geheimnisvoll schimmernden Augen an. Vorsichtig berührt sie meine Lippen und zieht mit ihrem Finger kleine Kreise darauf. Ich möchte sie an mich ziehen, küssen, meine Hände in ihrem Haar vergraben. Schmecken. Riechen. Fühlen. Sie ist noch so jung! Sie drückt ihren Mund auf meine Wange, sieht mich an und wartet auf meine Reaktion. Wohin ist ihre Schüchternheit verschwunden? Ich kann nichts sagen, mich nicht vom Fleck rühren, nur mein schneller Atem verrät mich. Sie haucht einen Kuss auf meinen Mund und noch einen. Mit ihrer Zunge zieht sie sanfte Kreise auf meinen Lippen. Kann ich? Soll ich? Darf ich? Ich ziehe sie an mich, auf mich und erwidere das Spiel ihres Mundes. Ich streife ihr das Shirt über den Kopf, streiche mit meinen Händen ihre Wirbelsäule herab und lande bei ihrem kleinen, festen Hintern. Sie rollt sich von mir herunter, nimmt meine Hand, presst sie auf ihre Brüste und beginnt meinen Hals mit feuchten Küssen zu übersäen. Ich lasse meine Hand weiter nach unten wandern, lasse sie auf ihrem Bauch ruhen und achte auf ihre Reaktion. Sie wird drängender, küsst mich so fest, als wollte sie mich aufsaugen. Ich wage noch ein paar Zentimeter, sie wird ungeduldig, nimmt abermals meine Hand und presst sie auf ihre Scham. Sie stöhnt leise, als ich beginne sie zu massieren. Das Blut rauscht durch meine Adern.
Schwer atmend bleiben wir nebeneinander liegen. Es hätte nicht passieren dürfen. Was soll ich tun, wenn sie sich anzieht und geht?
„Es war schön“, sagt sie und schmiegt sich wieder an mich. „Es war richtig. Ich wollte schon immer mit einer Frau schlafen“, gesteht sie mir. Ich bewundere ihre Aufrichtigkeit, ihren Mut. Ich konnte das lange nicht zugeben, konnte Katharina nur heimlich bewundern.
„Was ist heute passiert?“, frage ich sie.
„Benni“, sagt sie. Der Name klingt bitter aus ihrem Mund und mir fällt wieder ein, dass er ihr Freund ist.
„Er wollte mit mir schlafen, schon seit Monaten... immer wieder habe ihn vertröstet. Heute ist es passiert.“ Ihre Worte klingen hohl nach.
„Ich habe es zugelassen, weil ich dazugehören wollte. Alle Mädchen aus der Klasse haben es schon gemacht. Benni hat sich so angestrengt und wollte alles ganz toll machen. Kerzenlicht, romantische Musik und solchen Kitsch. Ich versuchte mich zu entspannen, mir einzureden, dass es jetzt eben soweit wäre, ich da durch müsste und es nach einer Weile bestimmt auch genießen könnte.“
Ihre Schmerzen brennen auch in meinem Herzen. Sie findet Worte für das, was ich niemandem erzählen konnte. Nicht einmal Katharina.
„Es war, als würden wir uns beim Sex verändern. Er war nicht mehr Benni und ich nicht mehr Iljanah. Irgendwann löste ich mich von meinem Körper, beobachtete alles, als ginge es mich nichts an.“ Ihre Stimme ist leise, aber eindringlich.
„Danach war ich wütend und schrie Benni an. Er hat nicht kapiert, was los war. Wie sollte er auch? Ich habe ja gesagt, dass es in Ordnung ist. Er konnte nicht wissen, dass ich gelogen hatte. Ich zog mich an, lief auf die Straße, quer durch die Stadt und landete im Park. Mein Körper fühlte sich eklig an, als wäre es nicht meiner, als hätte ich ihn nur von jemandem geliehen.“ Sie schweigt kurz. „Und ich hasste mich selbst. Aber jetzt nicht mehr, Emilia, wegen dir.“
Ich drücke sie an mich, versuche den Rest der Schmerzen aus ihr herauszupressen.
„Ich verstehe dich“, sage ich und beginne ihr von meinem ersten Freund zu erzählen.
„Es war schön“, hauchte ich und seufzte. Katharina lächelte mich an. „Ich weiß! Du warst doch schon immer auf mich scharf.“ Ich spürte wie Röte in mein Gesicht schoss, atmete tief durch und wollte ihr widersprechen, auch wenn sie Recht hatte.. Sie legte ihren Finger auf meinen Mund und lächelte. „Egal“, sagte sie.
„Ich liebe dich“, dachte ich. „Und jetzt“, bestimmt sie „machen wir uns Popcorn“. Sie grinste und wir liefen nackt in die Küche. Wir alberten herum, Katharina bespritzte mich mit Wasser und in diesem Moment waren wir wieder dreizehn Jahre alt. Glück.
Tage, Wochen vergehen mit Iljanah in meiner Wohnung, meinen Armen und meinem Bett.
„Meine Eltern regen sich auf“, sagt Iljanah. Wir stehen in der Küche und schneiden Salat.
„Warum?“, frage ich. Ich versuche mir die Nervosität nicht anmerken zu lassen. Hoffentlich haben sie nichts gemerkt.
„Weil ich ständig bei dir bin. Sie meinen, ich vernachlässige die Schule.“
Ich wische mir langsam die Hände an einem Geschirrtuch trocken.
„Wissen sie von uns?“
Iljanah schüttelt den Kopf: „Nein, ich glaube nicht. Sie wundern sich, was wir so machen.“
„Und was sagst du?“
„Das ich gut mit dir reden kann und du nett bist.“
Langsam beruhige ich mich wieder. „Ich kann deine Eltern zum Abendessen einladen, was meinst du?“
„Das würde vielleicht helfen.“
„Und vernachlässige die Schule nicht. Sieh zu, dass du wieder mehr lernst.“ Ich rede wie meine Mutter und mir fällt ein, wie sehr ich solche Vorhaltungen immer gehasst habe.
Iljanah zieht eine Schnute: „Ja, ja“, sagt sie und ich muss lächeln.
„Gab es vor mir schon andere Frauen?“, möchte Iljanah wissen. Sie liegt neben mir und ich streiche über ihren Bauchnabel.
„Iljanah“, stöhne ich „du gebärdest dich wie ein eifersüchtiger Liebhaber.“
„Wieso?“, fragt sie, richtet sich abrupt auf und sieht mich an.
„Es ist doch nicht wichtig“, sage ich und ziehe sie zu mir. Ich bin so verlogen. Ich mag sie. Ich begehre sie. Ich weiß schon heute, dass es irgendwann zu Ende gehen wird.
„Es interessiert mich eben“, beharrt sie trotzig.
„Ja, die gab es.“
„Wie viele?“
„Iljanah, bitte!“
„Es ist doch nicht schlimm. Ich bin nicht eifersüchtig.“
„Eine.“
„Eine?“
Sie denkt nach und ich sehe, dass ihr der Gedanken nicht gefällt.
„Zwei oder drei wären besser gewesen“, sagt sie.
„Ach was“, sage ich und beginne sie zu kitzeln. Sie kichert und schiebt mich schließlich weg. „Ich liebe dich“, sagt sie. Ich schweige.
Sie starrt mich an und möchte ihre Worte am liebsten aus der Luft zurückholen. Die Stimmung sinkt, sie setzt an zu sprechen und ich weiß, dass wir gleich streiten werden.
Iljanah sitzt auf dem Sofa und lernt für einen Englischtest. Sie sieht süß aus, wenn sie so angestrengt die Stirn runzelt. Schade, dass sie noch so jung ist, schade, dass ich sie nicht liebe.
Es klingelt. Ich stehe auf und gehe zur Tür.
„Wahrscheinlich ist es deine Mutter. Bestimmt möchte sie kontrollieren, ob du wirklich lernst“, flüstere ich. Iljanah lächelt und setzt eine gewichtige Miene auf.
Katharina. Ich klammere mich an den Türrahmen.
„Hi Emilia“, sagt sie. Sie zwinkert, schiebt mich beiseite und geht in meine Wohnung. Sie zieht einen Koffer hinter sich her und geht geradewegs in das Schlafzimmer.
„Was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen?“, fragt sie mich.
Ich werde wütend. Wie kommt sie dazu einfach herzukommen? Sie wird mich durcheinander bringen, wieder abhauen und mich monatelang leiden lassen. „Geh weg“, denke ich und öffne den Mund, um die magischen Worte auszusprechen. Ich bleibe stumm.
„Du siehst toll aus! Hast du abgenommen? Mensch, ich habe vielleicht einen Hunger.“
Sie tut so, als wäre sie nur kurz weg gewesen. Ich kann sagen, dass sie gehen soll. Noch kann ich es sagen. Ich stelle mir vor, wie ein Leben ohne Katharina wäre, ohne die Chance, dass sie irgendwann wieder hereinschneit. Immer ist so lange, dass ich es mir nicht vorstellen kann. Ich liebe sie. Sie kann nicht lange an einem Ort, bei einem Menschen bleiben. So ist sie.
Der Zorn bröckelt ab, obwohl ich versuche ihn festzuhalten. Sie lächelt und der letzte Rest meiner Abwehr schmilzt dahin.
„Iljanah“, denke ich, als Katharina aufsteht und geradewegs in das Wohnzimmer geht. Ich laufe an ihr vorbei. Ich möchte Iljanah alles erklären, sie hat es nicht verdient so abgespeist zu werden.
Iljanah sieht uns beide im gleichen Moment. Ihre Augen wandern von Katharina zu mir und wieder zurück. Ich sehe Wissen in ihrem Blick. Langsam steht sie auf.
„Tja, wenn du jetzt Besuch hast, werde ich mal gehen. Bis dann.“ Sie rührt sich nicht, wartet darauf, dass ich sie zurückhalte, aber ich kann es nicht. Momentan kann ich nichts erklären. Sie geht, knallt die Tür ins Schloss und lässt eine ungemütliche Stille zurück. „Später werde ich sie holen“, denke ich mir.
„Hübsches Mädchen“, sagt Katharina. „Ein bisschen jung für dich, oder?“
„Das geht dich nichts an“, fauche ich.
„Kein Grund sich aufzuregen.“ Sie breitet die Arme aus, lädt mich dazu ein, mich fallen zu lassen. Soll ich wirklich?
Ich gehe, zögernd, aber ich habe keine Wahl.
Ich versuche Iljanah zu erklären, was passiert ist. Sie sitzt auf dem Sofa und ich sehe den Schmerz in ihrem Blick. „Katharina hat dich einfach sitzen lassen, Emilia, wie kannst du sie noch lieben?“
„Ich weiß es nicht“, sage ich und es ist die Wahrheit. Iljanah tut mir leid.
„Du kannst mich natürlich weiterhin besuchen“, biete ich ihr an.
„Im Gegensatz zu dir, habe ich noch ein bisschen Stolz“, sagt sie. Sie steht auf. Ihr Blick weicht dem meinen aus. Tränen warten hinter ihren Lidern.
Meine Welt ist wieder bunt und farbig. Mein Glück wird nur gelegentlich getrübt, wenn ich Iljanah mit rotgeweinten Augen im Treppenhaus sehe. Hasserfüllt sieht sich mich an, hebt den Kopf und versucht stolz zu wirken. Manchmal versuche ich mit ihr zu sprechen, doch sie sagt kein Wort.
Die Trauer hält nie lange an. Katharina ist da. Zurückgekommen zu mir. Sie wird wieder gehen. Ich weiß es ganz genau, aber jetzt ist sie da.
***
Ein leerer Morgen. Ein leeres Bett. Heute ist wieder damals. Die Tränen brauchen einen Moment. Nicht einmal ein Brief.
Wieder Iljanah im Treppenhaus. Ich schleppe einen Korb Wäsche vom Keller heraus. Heute bin ich diejenige mit rotgeweinten Augen. Sie sieht mich an und ich erwarte Schadenfreude, Genugtuung oder irgendwas in ihrem Blick zu finden. Nichts davon ist da.
Später steht sie vor meiner Türe. Ich weine immer noch und Iljanah streicht mir durch das Haar. „Wir können uns gegenseitig trösten“, sagt sie.
„Ja“, antworte ich. Katharina kommt bestimmt wieder!