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Kriechöl
Manche Leute sagen ja, Klebeband wäre das praktischste Ding im Haushalt. Ich sage: Stimmt nicht! Kriechöl in der Spraydose ist das Produkt meiner Wahl. Klebeband kann nur Dinge zusammenhalten. Kriechöl sorgt dafür, dass sie gar nicht erst auseinanderfallen. Verstehen Sie, was ich meine?
Es schmiert alle beweglichen Teile und nimmt auch noch den Dreck mit, der mitunter an ihnen klebt. Kriechöl kriecht, wie der Name schon sagt, in die schmalsten Ritzen und erreicht so die entferntesten Stellen. Selbst, wenn man nur von außen an ein Gerät herankommt. Sogar wenn man einmal nicht die gewünschte Stelle erreicht, haben die Hersteller noch dieses kleine Röhrchen dazugepackt, das man auf den Sprühkopf drauf stecken kann. Damit erreicht man dann auch die unzugänglichsten Winkel.
Wenn irgendwo etwas klemmt, wenn irgendwo etwas quietscht, wenn etwas eingerostet ist. Kriechöl draufgesprüht und es läuft wieder glatt.
Wissen sie, ich habe herausgefunden, dass man damit Sachen machen kann die gar nicht auf der Dose draufstehen. Medizinische Anwendungen nämlich. Zum Beispiel, reinige ich damit meine Hände. Der Dreck unter den Fingernägeln geht damit raus wie nichts. Aber, das ist noch lange nicht alles. Bei Schnupfen ein paar Spritzer in die Nase und schon atmet man wieder frei durch. Oder, wenn es mich in den Ohren juckt, nehme ich schon lange keine Wattestäbchen mehr. Ein paar Sekunden mit der Sprühdose reingespritzt, dann den Kopf schräg halten und die gelbe Brühe rauslaufen lassen. Wird supersauber.
Meine Freundin ist ja von dem ganzen nicht so überzeugt. Na ja, sie ist eben eine Klebeband-Anhängerin. Auf jeden Fall mag sie Kriechöl nicht. Ich persönlich liebe ja den Geruch und auch wie es sich anfühlt auf der Haut. Aber sie sagt, es stinkt wie die Hölle.
Also, ich weiß natürlich, dass man Kompromisse eingehen muss in einer Partnerschaft. Deshalb hab ich mich auch regelmäßig geduscht, nachdem ich mich mit Kriechöl behandelt habe. Mir soll keiner nachsagen, es hätte an mir gelegen.
Aber, es wurde einfach immer schlimmer mit ihr. Schon beim kleinsten Ding ist sie ausgeflippt. Zum Beispiel, als ich ihre Nähmaschine repariert habe. Jeden Tag konnte ich mir anhören, dass die jetzt nach Kriechöl stinkt. Wer hält den so was aus? Aber ich hab eben gute Miene zum bösen Spiel gemacht, solange ich konnte. Ich hab wirklich alles für sie getan. Aber es war nicht gut genug.
Einmal hab ich eine Chance gesehen alles wieder hinzudrehen.
Sie konnte schon seit ein paar Tagen nicht auf Toilette. Verstopfung. Sie sagte, am nächsten Tag würde sie zum Doktor gehen. Also, hab ich in der Nacht die Sprühdose heimlich mit ins Bett genommen. Das kleine Röhrchen hab ich auch aufgesteckt. Als sie etwas eingedöst war, hab ich sie massiert und gestreichelt. Ich hab nicht mal das Kriechöl dazu benutzt, obwohl es damit viel besser gegangen wäre. Jedenfalls hab ich sie dabei vorsichtig ausgezogen.
Ihr hat das gefallen, sie hat einfach dagelegen, wohlig gestöhnt und mich machen lassen. Dann kam der große Moment. Sie lag auf dem Rücken. Es ging ganz schnell. Bevor sie was gemerkt hatte, hab ich gut fünf oder sechs Sekunden sprühen können. Aber plötzlich ist sie vollkommen durchgedreht. Ich wär wahnsinnig, hat sie gebrüllt und sie würde die Polizei rufen. Lauter so Zeug, ich konnt sie einfach nicht mehr beruhigen. Die hätte doch tatsächlich die Bullen geholt. Die hätten die hysterische Kuh doch sofort verhaftet, wegen falschen Alarms oder so was. Aber sie hat einfach nichts mehr begriffen.
Am Ende war es so schlimm, dass ich sie sogar im Bad einsperren musste. Da hat sie sich dann nach einer Weile beruhigt. Mitten in der Nacht hörte ich die Spülung gehen. Das war für mich der Beweis. Mein Kriechöl hat ihr geholfen. Ich dachte am nächsten Morgen wär alles wieder normal. Sie hätte es eingesehen, dass ich ihr nur helfen wollte und das auch getan hab. Sie hätte sich nicht mal bei mir entschuldigen müssen. Aber nein, die war noch immer voll durchgedreht. Hat mir eine Parfümflasche an den Kopf geschmissen als ich reinkam. Dann hat sie mich angefallen. Wie ein wildes Tier. Ich musste sie regelrecht K.O. schlagen. Was sollte ich denn tun mit ihr? Die wär doch glatt rausgelaufen, nackt wie sie war, und hätte zu schreien angefangen. Die hätten sie doch sofort in eine Irrenanstalt eingewiesen. Das konnte ich doch nicht zulassen.
Ich hab ne Weile nachgedacht. Während sie bewusstlos war. Irgendetwas stimmte mit ihrem Gehirn nicht, das war klar. Vielleicht war es nur eine Kleinigkeit. Vielleicht ein Krümel irgendwo, der feststeckte und ihre Gedanken behinderte. Also traf ich eine Entscheidung. Ich war ganz sicher es würde klappen. Sie würde wieder so werden wie sie einmal war. Nein, besser. Sie würde endlich einsehen, was Kriechöl alles leisten konnte. Ja, ich ging sogar soweit Zugeständnisse zu machen.
Ich benutzte ihr ach so gepriesenes Klebeband um sie an den Stuhl zu binden. Was ich vorhatte, war nicht ganz einfach. Sie durfte sich dabei nicht bewegen, sonst konnte das ganze schlimm enden. Deshalb benutzte ich auch zwei ganze Rollen von dem Zeug. Ich wickelte fast ihren ganzen Körper ein, wie eine Mumie. Nur den Kopf ließ ich frei. Als sie schließlich aufwachte wollte ich ihr erklären, was ich vorhatte. Eigentlich hatte ich auch gehofft sie wäre von allein wieder normal geworden. Aber in ihrem Zustand war Reden sinnlos. Sie fing sofort wieder zu brüllen an. Keine Chance auf Verständigung. Ich sah keinen anderen Ausweg mehr, also machte ich einfach weiter. Sie würde ja gleich sehen dass ich ihr nur helfen wollte.
Ich hatte ein Brett an der Rückenlehne des Stuhles befestigt das hinter ihr in die Höhe ragte. Daran befestigte ich ihren Kopf, damit sie schön stillhielt. Dabei ein paar Windungen Klebeband über den Mund und die Schreierei war auch zuende. Ja ja, ich geb ja zu, dass das Zeug nützlich ist, aber eben nur als Mittel zum Zweck.
Was dann kam tat ich nicht gerne, weil ich wusste es würde wehtun. Aber ich brauchte eben eine Stelle, wo ich ansetzen konnte. Das Gehirn hat ja mehrere Teile und ich dachte, dort, wo die aneinander stoßen wär die beste Stelle. Also hab ich genau in der Mitte ihrer Stirn einen kleinen Schnitt gemacht, mit einem Tapetenmesser. Das war okay, es tat zwar weh, aber solche Wunden, mit glatten Schnitträndern heilen doch fast narbenfrei. Durch den Knochen konnte ich natürlich nicht schneiden. Da musste die Bohrmaschine her. Ich hab auch ganz vorsichtig gemacht und den kleinsten Bohrer genommen. Gerade so groß, dass das Röhrchen durchpassen würde. Also, ich wollte ihr Gehirn ja nicht beschädigen. Ich hab immer nur ein paar Milimeter gebohrt, dann die Sperre neu eingestellt und weitergebohrt. Damit ich am Ende nur den Knochen durchdringe und nichts kaputtmache.
Sie hätten ihren Blick sehen sollen. Sie hat mir so leid getan. Sie dachte wohl ich wollte sie umbringen. Ich hab ihr immer wieder gesagt, es würde alles gut werden. Da hat sie vor Rührung geweint. Sie hat es wohl am Ende doch noch begriffen.
Auf jeden Fall war ich dann durch den Knochen und es hat ein bisschen geblutet. Von da musste es schnell gehen. Ich hab die Kriechöldose genommen. Das Röhrchen ist ganz leicht in das Loch reingeglitten, also hab ich genau die Stelle getroffen wo der Spalt war. Dann hab ich gespritzt.
Naja, das Hirn ist groß. Ich dachte, da braucht man schon ne Menge um alles zu erreichen. Also hab ich ordentlich draufgehalten. Man konnte direkt an ihren Augen sehen wie es ihr wieder besser ging.
Ich freu mich schon darauf wie es sein wird, wenn sie wieder aufwacht.