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Leben und Tod
Leben und Tod
Eines Nachts lief ich durch die Stadt und ich traf den Tod. Er saß an einer Wand und ich hatte ihm eine Mark in die Hand gedrückt. Er sagte mir er heiße Anton Tod und auch ich stellte mich ihm vor. Tod war ein kleiner Mann, schmuddelig angezogen in einem alten Sakko mit einer dreckigen Hose, beides schwarz – natürlich.
Ich war ein wenig verunsichert, schließlich war es das erste Mal, dass ich den Tod persönlich traf, dennoch wollte ich mir es nicht entgehen lassen ihm ein paar Fragen zu stellen (schließlich hatte ich ihm ja auch ne‘ Mark geschenkt). Natürlich fing ich mit der Frage an, die für mich am wichtigsten war : "Sag mal ... meine Zeit ist noch nicht gekommen, oder?" sagte ich nach dem ich einige Male geschluckt hatte. Tod beruhigte mich, er sagte mir, ich stünde nicht auf der Liste. Er erhalte alle Aufträge aber auch immer nur eine Woche im Voraus. Das fand ich gut, ich mußte nicht sterben, wenigstens nicht diese Woche. Dann mußte ich kurz überlegen. Aufträge? Von wem kamen sie? Ich stellte ihm diese Frage. Er war nicht sehr froh darüber und erklärte mir laut seines Arbeitsvertrages, könne er keine Auskünfte darüber an Sterbliche erteilen. Ich verstand das, ein Vertrag ist ein Vertrag ist ein Vertrag – das hatte ich bei Startrek gelernt. Kurze Pause, ich dachte wieder nach. Und was ist mit Go... . er lies mich nicht ausreden. Er ließ mich wissen, ich sollte doch bitte keine solchen Fragen stellen – sein Arbeitsvertrag. Ich schämte mich ein wenig, es mußte wirklich nervig sein immer die gleichen Fragen gestellt zu bekommen, vor allem wenn man sie nicht beantworten durfte. Und Tod hatte diese Fragen sicher schon oft gehört, schließlich war er mindestens so alt wie das Leben. Wie alt eigentlich genau? Ich verzichtete zu fragen, ab einem gewissen Alter mögen die Leute das nicht. Also sagte ich stattdessen :" Hast du Familie, Tod?". Tod räusperte sich (ich wertete das als gutes Zeichen, vielleicht bekam er das nicht soo oft gefragt) und erklärte mir dann, dass er natürlich eine Familie habe, dass das Ganze ja schließlich ein Familienunternehmen sei. Tante Leid, Schwester Schrecken, Bruder Angst und der Jüngste – Bruder Schlaf. Sie alle hätten eine Menge Arbeit zur Zeit. Es höre einfach nicht auf. Da sah ich, dass Tod offensichtlich schlechte Laune hatte, schweres Jahrhundert, ja das mußte ich zugeben.
Mehr so aus Verlegenheit, weil ich nicht genau wußte, was ich sagen sollte, holte ich meine Wodkaflasche aus meiner rechten Jackentasche, trank einen großen Schluck draus, holte dann einen etwas zerbeulten Plastikbecher aus meiner linken Jackentasche und machte dann fragend eine ‚Einschenkgeste‘. Tod nickte. Die durchsichtige Droge füllte den Becher. Wir prosteten und tranken ein paar mal, ich aus der Flasche, er aus dem Becher. Ich setzte mich auf den Boden, da mein Gleichgewichtssinn irgendwie keine Lust mehr hatte mich auf den Beinen zu halten. "Also, Anton," sagte ich (ich nannte ihn jetzt beim Vornamen ... Alkohol macht aus Fremden Brüder, wenigstens für kurze Zeit), "was ist das Problem? Wieso die ganze Arbeit?" Das Problem, sei das Leben erklärte er mir. Leben sei seine Ex-Frau und die sorge dafür, dass es immer mehr von uns Sterblichen gäbe auf diesem Planeten und damit auch mehr Arbeit für ihn und seine Kollegen. Nur so aus Rache, weil sie wisse, dass er nicht einfach so Rente gehen könne. Aber er habe nun die Schnauze voll – ab morgen werde gestreikt – die würden sich schon noch alle wundern , wenn dann plötzlich keiner mehr sterben würde. "Streik?" schrie ich (so ist das eben wenn man betrunken ist), "das geht doch nicht Anton ! Zuerst der Tod, dann die Müllabfuhr und schließlich wird noch das Licht abgestellt oder was ?Dassss .. .iss‘ doch total beschissen! Wo soll das denn hinführen, wenn man sich nicht mal auf den Tod verlassen kann, ich hab‘ ein Recht zu sterben und alle anderen denken genauso, verstanden! Er verstand. Und ich beruhigte mich wieder. Ich hasste Streiks. "Aber Anton, sag‘ mal, kannste dich eigentlich nich‘ wieder mit der Alten vertragen? Ich meine., da muß es doch einen Weg geben?". Er habe schon sehr lange nicht mit ihr gesprochen, sie wolle auch nichts von ihm wissen, er habe ewig oft auf ihren Anrufbeantworter gesprochen und ihr Blumen geschickt und was noch alles, ohne Erfolg. "Wieso habt ihr euch überhaupt getrennt?" fragte ich. Sie sei besessen gewesen von der Idee, ein Kind von ihm zu bekommen, und habe nicht einsehen wollen, dass das keine gute Idee sei. Eines Tages, sei ihm schließlich der Kragen geplatzt und er habe sie angeschrien und ihr gesagt, was das dann bitte für eine widerliche, unfertige, widernatürliche, widersprüchliche, häßliche Kreatur werden solle der Sprößling von Tod und Leben. Das sei das letzte Mal gewesen, dass er mit ihr gesprochen habe. "Das war aber auch wirklich nicht nett!" sagte ich "wann war das überhaupt?". Vor etwa 2000 Jahren, erklärte mir Anton. "Das ist doch scheißlang her. Ruf sie halt heute an verdammt noch mal!" sagte ich "hier du kannst mein Handy benutzen" sagte ich, um dann zu merken, dass der Akku leer war. Tod meinte, es sei ok, er werde eine Telefonzelle suchen und sie dann anrufen. Ich wollte aufstehen und ihm helfen eine Telefon zu finden, doch mein Magen war anderer Meinung, und teilte mir mit besser nicht aufzustehen. "Und dann fahr am besten mit ihr in Urlaub!" rief ich Tod hinterher, der schon fast aus meinem Blickfeld verschwunden war.
Was dann in dieser Nacht geschah, weiß ich nicht. Am nächsten Tag, wachte ich in meinem Bett auf, die Uhr zeigte 14 Uhr und ... etwas. Ich schaltete den Fernseher ein – Nachrichten. Es seien heute weder Menschen gestorben, noch welche geboren worden hieß es, zahlreiche Wissenschaftler seien bereits dabei das Phänomen zu untersuchen und die katholische Kirche prüfe die Möglichkeit eines Wunders. Ich schaltete wieder ab. Fernsehgucken ist anstrengend wenn man einen Kater hat und auch ziemlich uninteressant. Stattdessen dachte ich angestrengt darüber nach, wo zur Hölle die Packung mit den Aspirin war...
[Beitrag editiert von: Batch Bota am 22.12.2001 um 13:13]