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Letzter Wunsch

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22.03.2014
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Letzter Wunsch

Schwer atmend rannte er über den steinigen Boden. Seine Lunge brannte. Der Mond über ihm verfolgte ihn mit einem hämischen Blick.
Hundegebell jagte hinter ihm her wie ein grollender Donner. Eisiger Wind peitschte ihm entgegen. Die finsteren Schatten der Bäume breiteten ihre spitzen Klauen über ihm aus. Das Echo einer Eule erklang.
Er lief um sein Leben. Doch sie blieben ihm dicht auf den Fersen. Ihre lauten Stimmen hallten zwischen den wulstigen Stämmen hindurch.
Er hatte doch nur versucht ein wenig Geld aufzutreiben. Nur ein wenig.
Der Rucksack auf seinem Rücken hüpfte auf und ab. Er hatte Mühe nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Niemandem hatte er geschadet. Dieser Hotel-Riese hatte genug Scheine auf seiner Bank. Ein paar weniger würde er nicht einmal bemerken.
Kleine Nadeln schienen seine Lunge zu durchstechen. Seine Beine waren beinahe taub von der Kälte. Seine Muskeln schmerzten. Irgendwo in der Ferne nahm er das Brummen eines Autos wahr. Die Landstraße war nicht mehr weit.
Sie nannten sie ihn Dieb. Räuber. Ja, sogar Mörder. Dabei hatte er doch niemandem etwas zuleide getan. Die Waffe war nur eine Attrappe. Doch wie hätte er sonst an das Geld kommen sollen?
Er stolperte über eine Wurzel und fiel. Sofort rappelte er sich hoch und rannte weiter. Sein Kopf pochte. Blut lief ihm über die Stirn und ließ seine Sicht verschwimmen, als es in sein Auge tropfte.
Das Bellen schien direkt hinter ihm zu sein.
Er musste es schaffen. Er musste zu seiner Frau. Ihr den letzten Wunsch erfüllen.
Das Brüllen der Polizisten hetzte ihm nach. Es war bereits viel zu laut.
In diesem Moment lichtete sich plötzlich der Wald. Das Atmen fiel ihm wieder leichter. Er hatte beinahe das Gefühl zu schweben.
Dort vorne konnte er sein Auto erkennen. Seine Frau wartete darin auf ihn. Angeschlossen an ein Beatmungsgerät. An der Schwelle zwischen Leben und Tod.
Schon konnte er die Straße erkennen, auf der er sie ins Krankenhaus fahren würde. Dort konnten sie ihr den letzten Wunsch erfüllen: Ihr Leben schmerzfrei beenden.
Er ignorierte die Ohnmacht in seinen Gliedern. Seinem Ziel nun so nahe, schöpfte er neue Hoffnung.
Ein Schuss zerriss die Stille. Das hämische Grinsen des Mondes über ihm schien noch ein wenig hämischer zu werden, als ein Schwarm Krähen mit empörtem Kreischen in den Himmel floh.

 

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