Mädchen
Es war Sommer, als wir uns kennen lernten.
Einer dieser unerträglich heißen Sommer, in denen man selbst bei der kleinsten Bewegung ins Schwitzen gerät.
Stolze Dauerkartenbesitzerinnen, verbrachten wir lange Tage im Schwimmbad, jede hatte nur ein paar Minuten Fußweg, den wir stets barfuß begingen.
Nicht nur die Verlockung des Wassers, die Kühle und Erfrischung waren es, was uns dorthin trieb; vielmehr das jüngst erwachte Interesse am anderen Geschlecht.
Pubertäre Spiele im Wasser und an Land, die gemeinsame Vorliebe für klebriges, süßes Eis und regelmäßige Besuche beim Sanitäter wegen zahlreicher Bienenstiche schweißten uns zusammen.
Es wurde September, das Schwimmbad schloss, doch unsere Freundschaft blieb.
Es entwickelten sich lange Gespräche bei Tee und Duftkerzen, du lehrtest mich das Rauchen, ich dich das Küssen.
Beides damals gesellschaftlich überlebenswichtig. Einige Jungen pflasterten unseren gemeinsamen Weg. Nie aber ein und der selbe, Geschmäcker sind verschieden.
Bis zu dieser Nacht im April.
Das erste Mal ohne erwachsenes Auge beim Tanz in den Mai.
Stunden hatten wir mit der Auswahl von Kleidung, Make up und Frisuren verschwendet. Wie groß der blaue Lidschatten auf deinen Augenlidern, wie erwachsen dein knallroter Mund.
Als der Morgen kam, hatte ich dich nicht mehr für mich allein. Ein Mann war in unser Leben getreten, kaum älter als wir.
Wenige Tage später wart ihr ein Paar.
Es folgten entspannte Wochen zu dritt. Das Schwimmbad war wieder eröffnet, ihr beide ein Liebespaar und ich das dritte Rad am Wagen.
Einmal waren wir allein im Haus, er und ich.
Wir küssten uns.
Ich weiß nicht, ob es vermeidbar war, warum wir es taten oder ob wir die Konsequenzen bedachten.
Wir vergaßen alles um uns herum und liebten uns zum ersten mal für ihn und mich, bei Dämmerung und offenem Fenster in deinem Bett.
Erst das Quietschen der Gartentür ließ uns zusammenfahren.
Mit fliegenden Händen und roten Gesichtern suchten wir unsere Kleider und empfingen dich, noch benommen und atemlos.
Du warst ahnungslos, vertrauend in die beiden Menschen, die du am meisten liebtest.
Einige Wochen lang trafen wir uns, er und ich. Mit schlechtem Gewissen und doch nicht fähig, vom Anderen zu lassen.
Inzwischen warst du aber Seiner überdrüssig geworden. Wenige Tage vor meinem Urlaub sagtest du ihm, du liebtest ihn nicht mehr. Du sagtest, er sei verzweifelt.
Ich verbrachte einsame und schlechtgelaunte Tage in Moskau. Grübelnd über die Ereignisse und verzweifelt suchend nach einem Ausweg aus dieser ausweglosen Situation.
Noch am Tag meiner Rückkehr musste ich beichten. Du fielst aus allen Wolken, weintest, schriest und warst fassungslos.
Ich spielte die Kalte, hatte ich mich doch nur gegen die Freundschaft und für die Liebe entschieden.
Der Kontakt brach ab. Wenige Monate später verließ er mich wegen einer anderen.
Ich rauche noch heute und gehe nie wieder in unser Schwimmbad.
Es tut mir leid.
[Beitrag editiert von: Lola am 29.01.2002 um 09:03]