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Mama und Marie

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09.02.2018
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Mama und Marie

Aus dem Radio dringt irgendein widerlicher Popsong. Mir ist kotzübel. Sie dreht die Lautstärke auf. Lässt das Lenkrad los und wippt hin und her zur Musik, während sie den eingängigen, nichtssagenden Refrain mitsingt. Wie kann sie nur? Ich balle meine Fäuste. Am liebsten würde ich sie beschimpfen und anschreien.
Dann ein Gitarrensolo. Sie reißt die Hände hoch wie ein pubertäres Mädchen bei seinem ersten Diskobesuch.
„Schau bitte auf die Straße, Mama“, sage ich so ruhig ich kann.
Sie lacht und legt die Hände wieder auf das Lenkrad, wippt aber weiterhin im Takt der Musik nach links und rechts. Ich stelle mir vor, wie meine Faust auf ihre Nase kracht.
„Hab ich dich zu so einer Spießerin erzogen, Elisa?“, kichert sie. „Du bist gerade zwanzig und führst dich auf wie eine alte Omi.“
„Wie kannst du nur so sein?“, bricht es aus mir hervor.
Sie sieht mich unverwandt an und stellt das Radio leiser. Dann strahlt sie. Ich weiß ganz genau, was sie jetzt sagen wird.
„Es hilft doch nichts, sich zu grämen“, sagt sie. „Man macht das Unglück nur größer, wenn man es in sein Herz hineinlässt.“
Unglück. So nennt sie das also. Mein Bauch fühlt sich an, als liege eine glühende Bowlingkugel darin. Wie gerne würde ich auf sie einschlagen. Ich zwinge mich, nicht zu schreien. Das hat bei ihr noch nie geholfen.
„Sie ist deine Tochter“, versuche ich möglichst sachlich festzustellen, doch in meinem Unterton liegt ein verzweifeltes Flehen.
„Weiß ich doch, meine Liebe. Aber sie ist doch wohlauf, haben die Ärzte gesagt. Der Unfall wäre sowieso nicht tödlich gewesen, meinten die. Alles ist gut. Marie packt das schon. Jetzt holen wir sie ab und heut Abend können wir ja alle drei ein Eis essen gehen! Was sagst du?“
Ich sage nichts.
Da war das Wort schon wieder. Unfall. Sie hat es vorher schon benutzt, zu Hause nach dem Anruf. Ich habe gehofft, mich verhört zu haben. Aber nein, sie nennt es tatsächlich einen Unfall. Ich will ihr an den Hals springen, so lange zudrücken, bis sie blau anläuft, so lange, bis sie keuchend nach Luft japst, so lange, bis sie nicht mehr die Augen verschließt, vor dem was passiert.
Um mich zu beruhigen, rufe ich mir wie immer den letzten Augenblick ins Gedächtnis, bevor sie so wurde, wie sie ist: Vor zwei Jahren, als sie hinunter zum Frühstück kam. Marie und ich saßen am Küchentisch. Sie zitterte unkontrolliert am ganzen Körper, Tränen liefen über ihre Wangen, sie schluchzte. Papa ist nicht aufgewacht. Erst Minuten später sollte ich verstanden haben, was das bedeutete.
Am nächsten Tag schien alles wie fortgewischt. Nie sprachen wir darüber. Nie wieder sah ich sie weinen. Nie wieder sah ich sie traurig. Nie wieder konnte ich sie leiden.
Marie und ich versuchten alles, doch je ernster wir wurden, desto alberner und lustiger wurde sie. Wir versuchten es mit Gesprächen, Psychiatern, Therapeuten, doch sie ließ sich nicht darauf ein. Irgendwann gaben wir es auf und ich dachte, vielleicht brauchte sie nur Zeit. Doch ich übersah, dass nicht nur sie sich verändert hatte.

Marie liegt bereits nicht mehr auf der Intensivstation, aber die Ärzte behalten sie dennoch im Blick. Wir sollen sie nicht aufregen, meint ein Pfleger. Er kann ja nicht wissen, dass das unmöglich ist.
Als wir eintreten, herrscht bedrücktes Schweigen. Das andere Bett in ihrem Zimmer ist leer, die Luft stickig und verbraucht.
Marie blickt kurz zu uns hinüber, dann wendet sie sich ab und starrt teilnahmslos zum Fenster hinaus. Sie sieht noch schlimmer aus als sonst. In meinem Hals schwillt ein Kloß an, ich bekomme kaum Luft.
Eigentlich ist sie nur eineinhalb Jahre älter als ich, doch sie wirkt wie um Jahrzehnte gealtert. Ihre Augenringe sind noch tiefer und dunkler, als sie es in letzter Zeit eh schon waren. Ihr Blick leer und müde. Sie kommt mir sogar noch dürrer als gestern vor. Ihre dunklen Haare sind strohig und zerzaust. Beide Unterarme sind in dicken Verband gewickelt, vom Handgelenk bis zur Armbeuge. Wie es darunter wohl aussieht?
Ich muss irgendwas sagen. Schnell. Sonst wird Mama anfangen zu reden.
Mein Blick fällt auf das Tablett auf dem Nachtkästchen. Auf dem Teller sind noch Reste. Reis und irgendein Fleisch, das sie kaum angerührt hat.
„Scheinbar gibt es doch schlechtere Köche als mich auf dieser Welt“, versuche ich scherzhaft.
Marie dreht sich zu uns, nur meinetwegen, bin ich mir sicher. Für einen winzigen Moment hoffe ich ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen. Ein Lächeln, wie ich es seit zwei Jahren nicht mehr gesehen habe. Sie antwortet nicht.
Was habe ich mir auch erhofft? Sie spricht nur noch sehr selten, seit es passiert ist. Warum soll sie jetzt plötzlich wie ein Wasserfall reden? Ich bin sauer auf mich, mir Hoffnungen gemacht zu haben. Dass das vielleicht ein Weckruf ist. Dass es jetzt wieder gut werde.
„So!“, ruft Mama vergnügt und klatscht in die Hände.
Oh nein, bitte nicht! Bitte, bitte, sag nichts!
„Genug Trübsal geblasen! Der Arzt sagt, wir können dich mitnehmen, wenn ich irgendwas unterschreibe. Elisa und ich wollten mit dir ein Eis essen gehen! Was sagst du?“
Maries Augen wandern zu Mama, starren sie ausdruckslos an.
Komm schon, denke ich, raste nicht aus. Vielleicht kann es nochmal funktionieren mit euch beiden, mit uns dreien. Bitte.
„Verpiss dich“, flüstert Marie.
Meine Hoffnungen zerfallen zu Staub.
Mama lacht. „Das ist aber nicht die feine englische Art, Liebes! Möchtest du lieber zum Italiener? Oder, oh! Wir könnten auch ins Kino gehen!“
„Man verpiss dich einfach!“, schreit Marie.
„Ach, jetzt komm“, sagt Mama und setzt ein schiefes Grinsen auf.
„Ich hab kein Bock auf deine Scheiße! Jetzt stecken die mich wahrscheinlich in die Klapse, aber da gehörst du hin! Nur du!“
„Jetzt sei doch nicht so. Warum denn so grummelig? Nach zwei Kugeln Eis schaut die Welt doch ganz anders aus.“
„Hau ab, du scheiß Schlampe!“, schreit Marie, so laut, dass fast ihre Stimme versagt. „Ich will dich nicht sehen! Nie wieder!“
Mama erstarrt. Ihre Hände ballen sich zu Fäusten, ihre Gesichtszüge verfinstern sich. Oh man, jetzt rastet sie aus. Sie öffnet den Mund und atmet ein, als würde sie losbrüllen.
Plötzlich entspannen sich ihre Züge wieder. „Na schön“, sagt sie fröhlich. „Dann essen wir das Eis eben ohne dich! Sicher, dass du nicht mitkommen willst?“
„Geh einfach“, sagt Marie, die letzte Silbe klingt wie ein Schluchzen.
„Es bringt doch nichts, sich zu grämen, Marie.“
Marie dreht sich wieder zum Fenster. Das Gespräch ist vorbei.
„Hm, du kannst dich ja melden, wenn sich deine Laune wieder gebessert hat. Komm, Elisa!“
Mama lächelt breit und stolziert zur Tür hinaus.
„Warte, Mama! Bitte! Ihr könnt doch nicht –“, rufe ich ihr hinterher, doch die Tür ist bereits ins Schloss gefallen. Ich reiße die Türe auf, will ihr hinterherlaufen, doch bleibe dann stehen.
Das war’s.
Ich schaue Mama hinterher. Dann sehe ich die Türe von Maries Krankenzimmer an. Mama erreicht den Fahrstuhl. Ich blicke auf die Türklinke. Mama winkt mich zu sich, die Fahrstuhltüren gehen auf. Wieder betrachte ich die Türklinke. Mein Blick senkt sich zu Boden.

 

Hej Salomon,

diese bedrückende Szene deiner drei Frauen enthält einige Unstimmigkeiten, die ich gar nicht genau festmachen kann. Ich denke, vor allem hab ich (wie auch die Töchter :shy:) ein großes Problem mit der Mutter. Nicht mit ihrem Verhalten generell, aber mit der Konsequenz. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ein Mensch nach einem Schicksalsschlag wesensverändert ist, gerade nach diesem Schock, dem Verlust des Ehemannes, dem Vater ihrer Töchter ohne Ankündigung. Ganz bestimmt.
Ich denke, mich irritiert der Zeitraum. Diese zwei Jahre, in denen sie sich offenbar noch immer in der Verdrängungsphase befindet. Und das, ohne dass ich einen einzigen Hinweis lese, der zumindest durchblitzen lässt, dass sie nicht verrückt ist, sondern nur „spielt“, um das Leben zu ertragen. Denn ansonsten, hätten ihre ja doch erwachsenen Töchter, eher die Reißleine ziehen können. Okay, Marie macht das mit ihren rezidivierenden Selbstmordversuchen auf ihre Weise, aber die Mädels sind erwachsen und wenn sie ihre Mutter derart ablehnen und aggressiv auf sie reagieren und so gar kein Mitgefühl (mehr) mit ihr haben, hätten sie ja auch schon mal ausziehen, sich räumlich distanzieren können.

Das ging mir alles so durch den Kopf und das bedeutet, dass ich mich trotz der tollen Ansätze - du hast es spannend hingekriegt: die Autofahrt, die kurze Ansprache des Themas auf dem Weg zum Unglück, der Rückblick auf die Katastrophe vor zwei Jahren - nicht ganz so gut zurechtfinden konnte.

Ich bin also auch nicht sicher, ob es eben an der einseitig angelegten Figur der Mutter lag. Aber ich könnte es mir vorstellen, die der Schwester ist mehrschichtiger, das heißt, sie hat negative Gefühle der Mutter gegenüber, Mitgefühl für die Schwester.

Marie und ich versuchten alles, doch je ernster wir wurden, desto alberner und lustiger wurde sie. Wir versuchten es mit ihren Freundinnen, Psychiatern, Therapeuten, doch sie ließ sich nicht darauf ein. Irgendwann hatten wir es aufgegeben und ich dachte, vielleicht brauche sie nur Zeit. Doch ich übersah, dass nicht nur sie sich verändert hatte.

Diese Stelle soll allerhand erklären, aber das ist schade, denn es sprengt den Rahmen dieser Szene und ich merke, wie ich das einfach nicht glauben kann.

Aber, liebe Salomon (oder doch männlich:shy:), es liegt sehr viel Kraft in den Szenen und ich ärgere mich über mich selbst, dass ich so misstrauisch bin und sie Sache nicht einfach schlucke.

Nimms als Leseeindruck und einen freundlichen Gruß, obendrein von Kanji

 

Hallo Salomon,

hab nur gaaanz wenig Textkram gefunden, bravo!

sagte ich so ruhig wie ich konnte.
das wie kann weg?

„Man verpiss dich einfach!“
Komma hinter Man?

dann wendete sie sich ab
dann wandte sie sich ab?


Deine Story wirkt gut abgehangen, vielleicht schon etwas zu abgehangen.
Fände die Story noch näher und eindringlicher, wenn du sie ins Präsens setzen würdest. Würde ich mal ausprobieren.

Ich weiß, deine Prota ist gefangen/ zerrissen zwischen ihrer Wut einerseits und ihren Emotionen und ihrem Restverständnis andererseits. Dennoch ist mir persönlich die Sprache zu glatt.
Du sprichst von "widerlich" und "kotzübel" und direkt danach dieser Satz:

Der Refrain wurde von einem rockigen Gitarrensolo abgelöst, sie riss die Hände hoch wie ein pubertäres Mädchen bei ihrem ersten Diskobesuch.
Glattgebügelt. Mach´s doch weniger brav, dafür schärfer. So in etwa: "Die üblichen leiernden drei Akkorde, nur unterbrochen vom unvermeidbaren 80´er Jahre Gitarrensolo. Brechreiz steigt Kehle hoch. Mama reißt die Hände hoch und geht voll ab. Megapeinlich! Ich sinke in den Sitz, hoffentlich sieht uns niemand."
Nur als Beispiel. Spendiere deiner Story mehr Speed!

Die Mama ist mir zu eindimensional, als wäre vor zwei Jahren ein Kippschalter umgelegt worden und seitdem umgibt sie eine Schutzhülle aus Ignoranz und verordnetem Frohsinn. Ein kleiner Riss in dieser Hülle würde sie menschlicher machen.

So richtig packt mich die Story nicht, weil sie zu vorhersehbar ist. Du führst mich als Leser schön durch den Konfliktmoment, dennoch habe ich nichts, was mich wirklich mitreißt. Das liegt vermutlich auch am Ende der Story, das eigentlich kein richtiger Schluss ist. Deine kurze Story ist solide konstruiert, aber sorry, mir fehlt ein wirklicher Twist.

Gut, wenn du damit was anfangen kannst. Ansonsten klopp meinen comment in die Tonne.

Peace, linktofink

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hi linktofink,

Vielen lieben Dank für dein Feedback!

Die Geschichte ist sehr spontan entstanden, ich hab sie gestern am Stück geschrieben und nur heute nochmal durchgelesen, bevor ich sie hochgeladen habe. Demnach kann ich jede Kritik an Ungereimtheiten nachvollziehen.

Deine drei Sachen zum "Textkram" nehme ich gerne auf, werde ich gleich verbessern. Nur das Komma nach "Man" hab ich bewusst weggelassen, in meinem Kopf gibt es da nicht die kleinste Pause zwischen den Wörtern. Hoffe das stört beim lesen nicht.

Deine Story wirkt gut abgehangen, vielleicht schon etwas zu abgehangen.

Ich verstehe nicht, was du mit "abgehangen" meinst, bzw was das überhaupt bedeutet. Sorry! Wäre super, wenn du das ein bisschen näher erklären könntest.

Präsens ist wohl tatsächlich eine sehr gute Idee. Werde ich probieren, danke!

Dass es glattgebügelt ist kann gut sein, tatsächlich passt das nicht so gut zusammen. Guter Punkt. Nur dein Verbesserungsvorschlag lässt mich vermuten, dass ich dir einen wesentlichen Punkt nicht vermitteln konnte: Es geht auf keinen Fall darum, dass die Mutter ihr peinlich ist. Sie ist unglaublich sauer und fassungslos, dass sie trotz des Suizidversuchs ihre "Maskerade" weiterspielt.

Eindimensionalität der Mutter ist ein guter Punkt, den Riss werde ich einbauen. Ich hab schon eine Idee, wo. Danke.

Warum, meinst du, ist es kein richtiger Schluss? Wäre toll, wenn du das näher erklären könntest.

Vielen Dank für deine konstruktive Kritik,
Salomon

Hi Kanji,

Auch dir vielen Dank fürs Lesen und dein Kritik.

Wie gesagt ist die Geschichte sehr spontan entstanden, den Zeitraum hab ich sehr zufällig gewählt. Zwei Jahre erschienen mir über den Daumen gepeilt sehr passend. Was meinst du? Zu Lang oder zu kurz?

Die Mutter ist nicht verrückt, nein. In Sachen Eindimensionalität bist du sowohl mit linktofink als auch mit mir d'accord. Ich werde das noch etwas überarbeiten und den von linktfink angesprochenen "Riss" einbauen, mal sehen wie es dann wirkt.

Auch den Absatz über die gescheiterten Therapien werde ich mir gerne nochmal auf der Zunge zergehen lassen und überdenken, eine Änderung kann ich nicht versprechen. Ich fürchte mich zu sehr in der Vergangenheit zu verstricken, auf der nicht der Fokus liegen soll.

Und zuletzt: DER Salomon bitte ;) Wie der weise König!

Vielen lieben Dank,
Salomon

 

Hej, lieber Salomon,

I bims noch mal, weil du fragst. ;)

Zwei Jahre erschienen mir über den Daumen gepeilt sehr passend. Was meinst du? Zu Lang oder zu kurz?

Mir erscheint sie zu lang dafür, dass die Mutter sich emotional nicht vom Fleck bewegt, ohne für den Leser sichtbare Schwankungen und die Mädels sich scheinbar entweder mehrmals umzubringen versuchen, bzw. dauergenervt sind von der Mutter. Sie sind schließlich erwachsen.
Also: zu lang. :shy:

eine Änderung kann ich nicht versprechen.

Das wird auch gar nicht erwartet.

Auf jeden Fall, ist es sowohl die Geschichte als auch die Thematik wert, liebevoll überarbeitet zu werden finde ich .

Lieber Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Salomon,

Ich verstehe nicht, was du mit "abgehangen" meinst, bzw was das überhaupt bedeutet. Sorry! Wäre super, wenn du das ein bisschen näher erklären könntest.

Ich hätte nicht gedacht, dass dein Text als Schnellschuss gestern entstanden ist. Tatsächlich habe ich genau das Gegenteil vermutet. Respekt, du scheinst sehr sicher und fehlerfrei zu schreiben.
Abgehangen heißt in dem Zusammenhang gut gereift (wie Rindfleisch in der Reifekammer, daher kommt das), also so lange bearbeitet, bis die Spitzen im Text und das Frische gekappt sind. Falsch gedacht! :D
Dennoch wirkt es so, ein bisschen gehemmt halt.

Warum, meinst du, ist es kein richtiger Schluss? Wäre toll, wenn du das näher erklären könntest.

Das ist dein Schluss:
Ich schaute Mama hinterher. Dann sah ich die Türe von Maries Krankenzimmer an. Mama erreichte den Fahrstuhl. Ich blickte auf die Türklinke. Mama winkte mich zu sich, die Fahrstuhltüren gingen auf. Wieder betrachtete ich die Türklinke. Dann senkte sich mein Blick zu meinen Füßen.
Ich stehe als Leser am Schluss da und frage mich: so what, dat isses? Wie gesagt, mir fehlt der Twist, die unerwartete Wendung, der Clou der Story, der eine Satz, der sich in meinen Verstand bohrt und mich grübeln lässt. Der verhindert, dass ich die Story schnell vergesse, indem er mich zwingt, weiter zu denken.

Finde ich selbst auch extrem schwierig, schau mal den Schluss von "Die gelbe Blume" by AWM an, dann weißt du vielleicht, was ich meine.

Peace, linktofink

 

Hi linktofink,

Danke für deine schnelle Antwort!

Gehemmt, ich verstehe. Da hast du wohl recht Ich denke, da reichen nicht ein paar Korrekturen, da fehlt einfach Übung für dieses Fingerspitzengefühl. Deshalb werd ich den Text diesbezüglich erst mal so stehen lassen.

Das Ende soll eigentlich zeigen, dass Mutter und Schwester jetzt unwiderruflich voneinander wegdriften, Elisa steht zwischen den beiden und scheint sich für eine der beiden entscheiden zu müssen. Das stand hinter dem Schluss. Im Moment fällt mir keine passende Änderung ein, das besser herauszuarbeiten, aber jetzt ist es spät und morgen ist ein neuer Tag, vielleicht ergibt sich noch was.

Den Riss in der Maske der Mutter hab ich jetzt auch eingebaut. Was sagste? :)

Viele liebe Grüße,
Salomon

 

Hey maria.meerhaba,

Danke für deine Antwort. Ich habe einige deiner Anmerkungen umgesetzt, vor allem in puncto Abgedroschenheit hast du etwas sehr wichtiges angesprochen. Das ist mir vorher nicht aufgefallen, danksehr!

Bei den Komparativen wollte ich aufzeigen, dass es Marie schon seit längerem schlecht geht, aber noch einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Ich hab die betreffenden Sätze etwas abgeändert, vielleicht ist es so besser.

Die Mutter ist sicherlich sehr sehr schwierig umzusetzen. Man darf es nicht übertreiben, wille es aber eigentlich bis zum Maximum ausreizen. Dass es unglaubwürdig erscheint, ist schade, aber es handelt sich eben um einen sehr extremen Charakter, das möchte ich nicht noch einmal relativieren (Habe ich nämlich bereits mit der Szene, in der sie beinahe die Beherrschung verliert). Dass sie sich nicht verjagen lassen würde ist tatsächlich erdenklicher, deshalb habe ich eine Änderung vorgenommen, sodass Marie das Gespräch beendet, sie sich also nicht verjagen lässt.

Wie bereits erwähnt, wollte ich am Ende zeigen, dass sie sich scheinbar zwischen Mutter und Schwester entscheiden muss, diese Entscheidung wollte ich aber offen lassen. Erschließt sich dir das gar nicht? Dann muss ich vielleicht das Ende nochmal ganz umschmeißen, vielleicht hast du ggf. einen Vorschlag..?

Dass ich nicht wusste, wie es enden soll, stimmt so nicht, denn das war eigentlich die Grundidee: Ein Ereignis, zwei Personen driften in gegenläufige Extreme aus (Manie und Depression), und du stehst dazwischen, wenn sie aufeinander prallen und sich dann unwiderruflich entfernen.

Ich bin dir sehr sehr dankbar für deine interessante, konstruktive Kritik, habe für deine Begriffe vielleicht aber zu wenig umgesetzt davon. Ich wollte mich nicht zu weit vom Kern meines Gedankens entfernen.

Vielen lieben Dank, Maria!

Salomon

 

Ja, wie mag sich Elisa in der gespannten oder gar gestörten Beziehung von Mama und Marie verhalten,

lieber Salomon,

und da ist Dein Erstling für mich von anderer Qualität als sein Nachfolger, denn zu der Thematik gesellt sich der Geschlechtertausch, den Du wagst (sonst hießestu wahrscheinlich "Salome" und "Mama" vielleicht Herodias). Da kann ich eigentlich nur noch auf einige verbliebene Trivialitäten hinweisen, wie gleich hier zu Anfang

Sie reißt die Hände hoch wie ein pubertäres Mädchen bei ihrem ersten Diskobesuch.
So direkt in der Nachbarschaft des Mädchens solltestu nicht die Sächlichkeit im grammatischen Sinne irgnorieren, zumal es nur eine V0rstellung, ein hypothetischer Vergleich ist, also besser "wie ein pubertäres Mädchen bei seinem ersten ..." Mit Emanzipation hat Grammatik nix am Hut, die Verkleinerung des Mannes ist genauso sächlich (das Männchen, das Männlein), der Knabe ist eben aus dem Knappen entstanden ...

Wie Du's drehst oder mit dem verchwiegenen "wie" verhindern willst

„Schau bitte auf die Straße, Mama“, sage ich so ruhig ich kann.
Du kommst ums Komma nicht herum "sage ich, so ruhig ich kann.// so ruhig ich kann, sage ich // sage ich so ruhig, wie ich kann", denn beide Sätze sind vollständig "ich sage, ich kann" Subjekt ich, Prädikat sagen, können

Da war das Wort schon wieder. Unfall.
Die Ellipse klingt nach mehr als einer schlichten Aussage ... eher wie ein Schrei "Unfall!"

Hier nun lässt sich das Komma vor "vorm" einsparen

... bis sie keuchend nach Luft japst, so lange, bis sie nicht mehr die Augen verschließt[...] vor dem, was passiert.

Hier zeigt die Vieldeutigkeit und große Verwendbarkeit des Verbs" treten" als Wortstamm im Betreten des Zimmers und des Gefühls (Betretenheit) zum Schweigen
Als wir eintreten, herrscht betretenes Schweigen.
Das Adjektiv bietet eine Vielzahl von Synonymen an wie "betroffenes, be-/gedrücktes, verlegenes" z. B.

Hier

Für einen winzigen Moment hoffe ich[,] ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen.
verlangt die Abhängigkeit der Infinitivgruppe vom "Lächeln" (und natürlich auch den Lippen), also mindestens einem Substantiv ein Komma

Zwomal "werden", wenn auch einmal verkleidet, wo eines genügt

Dass es jetzt wieder gut werden würde.
Warum nicht Konj. I, werde?

Oh nein, bitte nicht. Bitte, bitte, sag nichts.
(Klingt das nicht auch nach mehr als bloßer Aussage?)

„Man[,] verpiss dich einfach!“, schreit Marie.

Zum Abschluss noch 'ne kleine Anregung - auch für einen Studenten der Politologie:

"Im Rahmen der anstehenden Neufassung der international maßgeblichen Liste von Krankheiten und Gesundheitsproblemen ("ICD-11") wird die Aufnahme der "anhaltenden Trauerstörung" diskutiert. Fachleute sind sich uneins, ob besonders dauerhafte und intensive Trauer als Krankheit klassifiziert werden sollte.

Wer nach dem Verlust eines Menschen längere Zeit von seiner Trauer besonders beeinträchtigt wird, braucht womöglich professionelle Hilfe. Eine solche "anhaltende Trauerstörung" galt dennoch bisher nicht als Krankheit. Mit der für Mai dieses Jahres geplanten Neuauflage der "ICD", der elften Fassung der "International Statistical Classification of Diseases" der Weltgesundheitsorganisation WHO, wird sich dies wahrscheinlich ändern", heißt es - kann es Zufall sein? - diesen Monat in einer Veröffentlichung der Aeternitas e. V. (https://www.aeternitas.de/inhalt/ak...4_04__08_58_15-Trauer-als-Krankheit/show_data), die eher kein Zufall ist, denn in den USA gilt bereits als krank, wer länger als 14 Tage trauert ... denn stört nicht Trauer das fleißige und fließende Arbeitsleben und erst recht das schöne Konsumentenverhalten?

Auf alle Fälle fühlt man schon, dass das Gesundheitswesen in den Klauen der Gesundheitsindustrie steckt.

Tschüss

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

Danke, dass du dir auch für diesen Text Zeit genommen hast!

Die Vorschläge übernehme ich allesamt.

Auch die Sache vom ICD ist ziemlich spannend, zeigt es doch wieder mal, wie eng Mikrosoziologie und Makroökonomik korrelieren! Ich werd mich darüber mal noch schlau machen ...

Danke für's Lesen und Kommentieren,
Dein Salomon

 

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