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Maskerade

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01.09.2004
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Maskerade

Alex liegt auf seinem Bett. Er bahnt sich mit seiner Fernbedienung, wie mit einer Machete, seinen Weg durch die zugewucherte Fernsehlandschaft. Feinste Fernsehfetzen fegen funkelnd vorbei. Kompletter Kahlschlag. Er hat schon die zweite Weinflasche am Wickel als sein treues Telephon wiehert.
„Ja, wer stört?“
„Äh, hallo. Ich bin´s. Ich wollt nur fragen, ob´s bei heute Abend um 9.00 Uhr bleibt und welche Maske du aufsetzt? Wäre doch nicht auszudenken, wenn wir beide die gleiche aufsetzen.“
„Da hast du wohl recht. Hab´ mir allerdings noch keine Gedanken darüber gemacht. Überraschen wir uns, trotz der überaus großen Gefahr, gegenseitig. Ja?“
Er entnimmt von der anderen Seite ein widerwilliges „na gut“ entgegen und legt auf.
„Da brat mir doch einer ´n Storch! Nicht auszumalen, wenn ich die Maske vergessen hätte. Das gäbe ein böses einschlafen“. Sagt er zu sich selbst.
Hier, in seinen eigenen vier Wänden, da ist Alex gut in Form. Quadratisch, kantig eben.
Er nimmt einen gewaltigen Schluck aus der Weinflasche, wischt sich lässig den Mund ab und schlendert zu seinen Masken. Eigentlich könnte er sich mal eine neue gönnen, die anderen sind schon ziemlich abgenutzt. Seine Selbstbewusstseins – Maske hatte er schon vor Jahren verloren. Es war seine teuerste gewesen. Seine Freude – am – Leben – Maske haben ihm seine Arbeitskollegen kaputt gemacht. Es war ein Erbstück und deshalb eine Rarität. Seine Humor – Maske war ein astreiner Fehlkauf.
Er entscheidet sich für die mit der zerknitterten Seele. Wie so oft in letzter Zeit. Noch ein wenig Bedenken aufs Gesicht aufgetragen, etwas von dem Angstschweiß unter die Achseln geklatscht und ab geht die Post. Er fühlt sich mit Licht durchtränkt. Er fühlt sich lang. So wie die Nacht. Er fühlt sich erbärmlich.

„Hallo Lydia. Du siehst heute Abend bezaubernd aus. Bitte schön für dich.“
„Oh, vielen Dank Alex. Wie aufmerksam von dir, du hast mir Neurosen mitgebracht.“
„Du musst sie zu Hause schnell ins Wasser stellen, sonst welken sie. Wäre ja sonst schade“.
„Ja, zu schade“. „Hmmm.“
Ein zum in den Boden versinkendes Schweigen setzt ein. Man wünscht sich den rettenden Abgrund herbei, wo man sich nur zu gerne kopfüber hinabstürzen würde, um sich alle Knochen dreimal zu brechen. Zusätzlich möchte man von den angespitzten Holzpflöcken des Stolzes bis zur Unkenntlichkeit durchbohrt werden. Das wäre ersehnenswert. Stattdessen piekst nur ununterbrochen die Nadel der Peinlichkeit.
Der Abend plätschert vor sich hin und stirbt schließlich qualvoll an langer Weile und Tristesse. Niemand hilft ihm. Wozu auch, denn es reicht, um zwei verstümmelte Seelen zusammen zu führen. Was für ein wunderbares Pech. Die Normalität findet hier ihren Höhepunkt. Sie fühlen sich erbärmlich. Sie fühlen sich zwecklos. So wie sie selbst. Sie fühlen sich mit Licht durchtränkt.
Alex beschließt für sich, gleich Morgen eine neue Selbstbewusstseins – Maske zu kaufen. Koste was es wolle. Doch seine Seele krümmt sich, sie will nicht dass es ihr besser geht. Wie soll sie sonst im Leben zurechtkommen?
Zu Hause setzt er seine Maske ab, legt sie fein säuberlich zu seinen Anderen, knüpft sich ein Strick aus Kleinlichkeiten und hängt sich zufrieden auf.

 

Hallo Flip,

deine Idee mit den Masken finde ich sehr gut.

Ich denke, dass man viel zu oft irgend eine Rolle spielt, ohne seinen Mitmenschen je zu zeigen, wie man sich wirklich fühlt.

Allerdings wurde mir beim Lesen nicht ganz klar, was du mit deiner Geschichte sagen möchtest.
Vielleicht könntest du ein wenig herausarbeiten, was mit Alex passiert ist, dass er sich überhaupt solche Masken zulegt und warum er in letzter Zeit diese bestimmte aufsetzt.

Grüße
Bella

 

hallo bella
vielen dank für deine antwort und kritik.
in meiner geschichte geht es über die bloße idee, dass wir alle masken tragen, hinaus. es geht um die frage, wie abgrundtief man seelisch verstümmelt sein muss, um überhaupt gesellschaftsfahig zu sein.
ich denke ich gebe in dem text einige hinweise, wie es zu den ganzen gegebenheiten kommen konnte. aber icgh werde mir deine anmerkung durch den kof gehen lassen.
gruß flip

 

Maskerade, hat mir sehr gut gefallen. Gerade auch die kleinen Wortspielereien. Das Surreale im Text. Dieses Bewußtsein, in dem der Protagonist sich in einer Welt, die Masken zum Ball fordert, eine solche aufsetzt.

 

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