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Mein Abend mit Sebastian

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16.08.2003
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Mein Abend mit Sebastian

Ich kämpfe mich genervt durch die Regenböen nach Hause, mein Arbeitstag ist mal wieder viel zu lang gewesen. Jeder Tropfen, der auf mich prasselt, sickert als Bruchstück dieses Tages in meinen Kopf ein. In Form der misslungenen Präsentation bei der Vertriebsleitung heute Nachmittag, in Gestalt des deshalb anberaumten Termins bei meinem Chef am nächsten Morgen, als der immer noch unter meinem Schreibtisch liegende Regenschirm. Hämisch, ungefragt, nass. Als die Fußgängerampel an der Bismarckstraße mich zum Warten zwingt, schaue ich zufällig ins Café Klatsch und sehe Sebastian dort sitzen. Ich starre bewegungslos ins Café, die Ampel springt auf Grün, wieder auf Rot, vorbeihastende Passanten rempeln mich an. Endlich blickt Sebastian hoch. Er scheint meine Gemütslage in der Sekunde zu erfassen, in der seine Augen durch die beschlagene Fensterscheibe des Cafés meine einfangen. Er winkt mich herein. Sein Blick verspricht, alle Frustration in Lebendigkeit ertränken, jeden einzelnen Regentropfen durch die Kerzen auf den Bistrotischen verdampfen zu lassen. Da können meine Kuscheldecke und der Krimi nicht mithalten. Ich seufze erlöst und betrete das verrauchte, lärmerfüllte Café.

„Du bist nass“, begrüßt Sebastian mich erstaunt lächelnd, als ich auf seinen Tisch zugehe. „Warte einen Moment, ich bin gleich fertig, ja?“, fährt er zusammenhanglos fort und widmet sich wieder seiner Kohleskizze. Sebastian erkundigt sich nicht, wie es mir geht, das hat er noch nie getan. Sebastian spürt, wie ich mich fühle, warum sollte er mich danach fragen?
„Aber sicher“, antworte ich, wuschle ihm leicht durch die störrischen Locken, deren Braun durch die ersten grauen Strähnen durchzogen wird, und lasse damit die Nässe von meinen Händen in seine Haare wandern. Er merkt es nicht. Wenn Sebastian zeichnet, dann zeichnet er ausschließlich, mit jeder Pore seines Daseins. Ich bin erstaunt, dass er mich überhaupt draußen stehen sah.

Ich entledige mich meines Parkas, ignoriere die entstehende Pfütze auf dem Holzboden und begebe mich auf die Toilette, um meine Haare unter dem Heißluftgerät zu trocknen. Sebastian sieht nicht auf, als ich zurückkehre. Ich lümmle mich auf die abgesessene rote Samtcouch, reinige meine Brille von den Regentropfenflecken und bin froh, nicht reden zu müssen. Ich habe mit Sebastian noch nie über meine Sorgen gesprochen und habe es auch heute Abend nicht vor. Sie sind ja auch nicht mehr so groß, wenn er in der Nähe ist. Ich mustere ihn, wie seine ganze Persönlichkeit aufgeht in seiner Zeichnung, das Strahlen seiner stahlblauen Augen sich wieder findet in den sanften Strichen auf seinem Block. Meine feuchten Hosenbeine halte ich während dessen zum Trocknen vor die Heizung und bestelle mir einen Milchkaffee.

Ich bekomme nur am Rande mit, dass der Regen nachlässt. Ich bin in Sebastians Kontemplation versunken. Seine Haare hängen unordentlich in der Stirn, seine Zungenspitze schaut aus dem Mund, die Nasenflügel beben. Er hat keine Kontrolle über seinen Körper. Die drei Mädchen auf den Barhockern können genau wie ich ihren Blick nicht von ihm wenden und gibbeln verhalten zwischen ihren Schlücken vom Latte Macchiato. Ich rücke ich ein Stück zur Seite, um den Mädchen den Blick auf ihn zu versperren.

Als ich meine erste Zigarette längst aufgeraucht habe, legt Sebastian schließlich seinen Block beiseite und sieht mich strahlend an.
„So, jetzt bin ich da.“
„Das ist schön“, antworte ich, bringe aber offenbar nur ein bemühtes Grinsen zustande.
„Du weißt, dass ich beleidigt bin, wenn Du nicht sofort lächelst“, sagt er, seine feinfühligen Antennen nehmen stets jedes Detail wahr. Besonders all das, was ihn betrifft. Sebastian ist der Überzeugung, dass alles in dieser Welt ihn direkt betrifft. Alles bezieht sich auf ihn, der Krieg im Irak, die Gesundheitsreform, die neue Herbstkollektion, alles. So auch meine schlechte Laune heute Abend. Sebastian kann in jedem Menschen lesen wie in einem Buch, das hat nichts mit mir zu tun. Diese Lektion habe ich kürzlich erst wieder lernen müssen, als ich ihn eines Samstags zufällig auf dem Markt traf.
„Mein Vertrag wird verlängert“, stand ich lächelnd vor ihm und erwartete seine Glückwünsche.
„Dir macht Dein Job doch längst keinen Spaß mehr, Kleines. Klar, dass Du Dich nicht freust“, antwortete er, ohne eine Sekunde zu zögern. Seine Feststellung traf den Kern der Sache ohne Umwege. Ich war wie erschlagen, hatte mich ohne es zu merken tagelang angestrengt, Begeisterung zu heucheln vor den Kollegen und vor mir selbst. Sebastian kannte meine Gefühle, bevor sie mir bewusst geworden waren und zerrte sie gnadenlos hervor, ohne dass ich sie der gewohnten Zensur unterziehen konnte.

Das Café füllt sich mit den Besuchern vom Musiktheater, Madame Butterfly ist zu Ende. Die Bedienung tritt an unseren Tisch, bringt Sebastian ein neues Hefeweizen und leert den Aschenbecher. Sebastian ist hier Stammgast, die beiden scheinen sich zu kennen. Sie erzählt einen Witz, den ich flach gefunden hätte, selbst wenn er mir neu gewesen wäre. Überraschenderweise beginnt Sebastian, schallend zu lachen. Sein Herz legt er offen in seinen Grübchen, jede Falte strahlt, die Zähne, die Augen, die Welt ist schön. Er ist minutenlang nicht in der Lage zu sprechen. Sein Lachen durchschüttelt seinen ganzen Körper, sein Bauch bewegt sich auf und ab, in regelmäßigen Abständen verlassen schrille Hickser seinen Mund und nicht nur die Mädchen blicken wieder zu uns herüber. Einen Moment lang denke ich ernsthaft darüber nach, mit diesem Mann zu schlafen, diesen Körper in Ekstase zu erleben. Sebastian ist so präsent in dem, was er tut. Wenn Sebastian sich freut, dann freut er sich unbändig, wenn er traurig ist, dann geht die Welt unter, wenn er wütend ist, gibt es keinen Gegenpol. Ungewollt beginne auch ich, leise zu lachen.

Genauso plötzlich, wie seine Freude entstand, verebbt sie auch wieder. Sebastian ist so unberechenbar. Ich bin nicht in der Lage, mich so schnell auf ihn einzustellen. Niemand ist das. Ich beobachte argwöhnisch, wie er auf dem Boden kriecht, um ein kürzeres Tischbein durch einen Bierdeckel zu verlängern und das stete Wackeln des Tisches damit zu beenden. Wenn wir fünf Sinne haben, muss Sebastian eine vielfache Anzahl besitzen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Mensch so stimulierbar, so abhängig von äußeren Reizen sein kann. Während Sebastians Hand über der Tischkante auftaucht und nach einem zweiten Bierdeckel greift, kommt mir ein Nachmittag vor einigen Wochen in den Sinn.

Sebastian hatte mich im Büro angerufen, ich verstand ihn kaum unter seinen Schluchzern. Sebastian weinte wie so oft - nachdrücklich und in einer Intensität, wie ich sie sonst nur von Kindern kenne. Alles, was ich während des Telefonats von der Tragödie erfasste war, dass Natalie, seiner damaligen Freundin, sein neustes Werk nicht gefiel. Diese Beziehung, gar das ganze Leben sei damit sinnlos geworden, weinte er. So früh es ging verließ ich an diesem Tag die Firma, setzte mich auf mein Fahrrad und raste in die Nordstadt, zu Sebastian. Ich traf ihn in euphorischer Stimmung beim Malen an, Natalie huschte in ein weißes Betttuch gehüllt durch seine Wohnung. Das Laken verdeckte ihren Körper nur unzureichend, in der Hand hielt sie eine Flasche Prosecco, sie sah mich spöttisch an. Ich verzichtete darauf, den beiden Gesellschaft zu leisten und verschwand. Es waren höchstens zwei Stunden seit unserem Telefonat vergangen und schon wirkte Sebastian auf mich, als hätte sich sein Leben um 180 Grad gedreht. Das überraschte mich, sicherlich auch ihn. Diese Wechsel sind garantiert auch sehr anstrengend für ihn.

Natürlich ist auch Sebastian anstrengend. „Basti, der Energievampir“, nenne ich ihn oft liebevoll. Er nimmt sich stets das, was er braucht, hat mich schon tagelang für irgendwelche irren Kunstsessions oder die Farbauswahl für sein neustes Werk eingespannt. Ich habe nie Nein gesagt, wenn er während eines Übergriffes meine hundertprozentige Aufmerksamkeit schonungslos eingeklagt hat. Er hat mich auch nie gefragt. Hält man ihm seine Rücksichtslosigkeit vor Augen, schaut er betroffen und sagt: „Ich hoffe, Du kannst damit umgehen.“ Das kann ich oft nur unter Qualen. Entschuldigt hat er sich bei mir noch nie. Ich kenne niemanden, den Sebastian jemals um Verzeihung gebeten hat.

„Hast Du schon mein neues Bild gesehen", fragt Sebastian mich plötzlich mit vor Begeisterung glitzernden Augen und holt mich zurück in die Gegenwart. Jemand vom Personal hat das neue Album von Norah Jones eingelegt, das Café leert sich bereits. Ich sehe ihn fragend an.
„Im Laden in der Seilerstraße, wo früher das Bettengeschäft war.“ Sebastian malt, seit ich ihn kenne. Irgendwo muss er sie ja lassen, seine überschäumenden Empfindungen, die Vielzahl an Reizen verarbeiten. Wir Menschen haben nicht die nötige Kapazität für seine unzähligen Eindrücke.
„Ein neues Konzept der Wirtschaftsförderung“, fährt er fort, „die lassen uns in leerstehenden Geschäften in der Innenstadt ausstellen, jeweils für einige Wochen. Art Hopping, ist das nicht spannend?“ Es würde mich nicht wundern, wenn Sebastians Bilder tatsächlich hüpfen könnten.
„Sie haben gesagt, meine Exponate wären genau das Richtige für das Projekt, so ausdrucksstark, so bewegend.“ Auffordernd sieht er mich an. Er wird nie begreifen, dass er der Falschfahrer auf der Straße der Gleichförmigkeit ist. Manchmal habe ich Angst um Sebastian. Obwohl er nahezu zwanzig Jahre älter ist als ich, möchte ich der Helm über seiner rosa Brille sein, um ihn vor der Welt zu schützen.
„Ich schau es mir an, morgen, versprochen“, versichere ich ihm und streiche leicht mit meiner Hand über seine. Sebastian und unsere Gesellschaft sind einfach nicht kompatibel. Diese Realitätsunreife freut ihn sehr, wenn ihn jemand darauf hinweist.
Meine Antwort hat ihn zufrieden gestellt. „Gut, gucken wir es uns morgen an.“ Selbstverständlich will er mich begleiten. Er ist nur wirklich glücklich, wenn er die Begeisterung auch in anderen Augen sieht, seine Perfektion sich in uns widerspiegelt. Ich hoffe, dass ich ihm diese Verzückung werde liefern können.

Ich bin überrascht, wie spät es bereits ist, als Sebastian schließlich seine Zeichenutensilien zusammenklaubt, in die alte Ledertasche packt, sich seine Jacke überzieht und die Mütze auf den Kopf setzt. Ich bin erschöpft, in den letzten Stunden hat er in meine Seele geschaut, ohne dass er mich vorher um Erlaubnis gebeten hat. Dennoch geht es mir besser. Der Regen ist längst vorbei gezogen, auch meine Hose ist wieder trocken.
„Kommst Du mit?“, fragt er zärtlich grinsend. Er versucht es immer wieder. Sebastian hält mir meinen Parka hin und ergründet mit seinem Blick meine Gedanken. Rasch weiche ich seinen Augen aus, sehe in die leere Kaffeetasse, spiele mit dem Löffel und murmle betreten: „Ich kann nicht.“
Er fragt nicht warum. „Schade“, antwortet er, legt meine Jacke über das Sofa, ein paar Münzen auf den Tisch und verlässt das Café.

 

hallo juschi!
deine geschicht hat mir sehr gut gefallen! finde es toll, wie du sbastian charakterisierst! ich kann mir diesen menschen vorstellen während ich lesen, sehe ihn noch lange nach ende der geschichte! wirklich schön!!!
auf die vielen details und liebevollen kleinigkeiten machen deine gschichte interssant unnd schön!

keine konstruktive, dafür eine gute kritik;)
hoffe du kannst damit leben, dass ich jett nichts gefunden habe, was mich stört, die atmosphäre und alles an deiner geschichte hat mich einfach in den bann gezogen!!
daumen hoch :)

liebe grüße
frotte

 

Hallo frotte,

danke für deinen Kommentar und dein Lob. Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat :) Es freut mich besonders, dass Sebastian für dich lebendig geworden ist, da der Hauptpart der Geschichte ja schon seine Charakterisierung ist und es kaum Handlung gibt.

Liebe Grüße
Juschi

 

Einige Sätze sind einfach nicht rund. Das mag am Anfang der Geschichte gut sein, wo "Bruchstücke" sprachlich gezeichnet werden:

Jeder Tropfen, der auf mich prasselte, sickerte als Bruchstück dieses Tages in meinen Kopf ein. In Form der misslungenen Präsentation bei der Vertriebsleitung am Nachmittag, in Gestalt des deshalb anberaumten Termins bei meinem Chef am nächsten Morgen, als der immer noch unter meinem Schreibtisch liegende Regenschirm.
Aber an anderen Stellen stockt das Lesen, stolpert. Schade. Denn die Geschichte hat mir gut gefallen. Es finden sich darin einige wunderbare Formulierungen, ein sehr plastischer Charakter entsteht da beim Lesen. Kann frotte also nur recht geben.

Dennoch muß ich das oben Erwähnte in einem Wunsch formulieren: lies noch einmal über den Text. Ich bin davon überzeugt, daß er dabei gewinnen wird.

Eine Merkwürdigkeit aber noch: am Ende hofft die Protagonistin, ihren Bekannten nicht zu enttäuschen, wenn sie mit ihm gemeinsam seine ausgestellten Bilder betrachten geht. Es klingt, als bereitete sie sich bereits darauf vor, ihn täuschen zu wollen. Wie stimmt das mit seiner Kenntnis der Emotionen Anderer überein? Wie die Dame von der Wirtschaftsförderung, die ihn auch gleich durchschaut, er sie aber nicht? Wenn Du herausstellen willst, daß er nur blind ist, wenn es um ihn selbst geht, dann solltest Du diesen Aspekt vielleicht noch ein wenig besser herausarbeiten.

 

Hallo Claus,

schön, dass diese Geschichte doch noch einen Leser gefunden hat :)

Einige Sätze sind einfach nicht rund.
Es wäre mir eine riesige Hilfe, wenn du das präzisieren könntest - welche Sätze? Dann kann ich schauen, ob es beabsichtigt ist oder nicht. Wieso der Stil manchmal etwas fetzenhaft wirkt, ist natürlich auch die Situation: jemand erinnert sich an den vergangenen Abend, an dem neben der realen Cafesituation auch noch Erinnerungsstücke an Erlebnisse die länger zurückliegen eine Rolle spielen.
lies noch einmal über den Text.
das werd ich mit Sicherheit tun, vermutlich noch viele male, denn diese Geschichte bedeutet mir sehr viel. Nur: während anderer meiner Geschichten eher schnell entstanden sind, hat diese einen Entstehungsprozess von vielen Monaten hinter sich. Ich hab sie also so oft gelesen, wie wahrscheinlich keine meiner Geschichten. Aber selbstverständlich schaue ich sie mir nochmal in Hinblick auf die von dir kritisierte Sprache an.

Vielen Dank für deinen letzten inhaltlichen Hinweis, die Sache mit der Mitarbeiterin der Wirtschaftsförderung ist wirklich problematisch, da hast du recht. Mal sehen, was sich da machen lässt.

Es klingt, als bereitete sie sich bereits darauf vor, ihn täuschen zu wollen.
Nein, das will sie nicht, sie weiß genau, dass sie ihn nicht täuschen könnte. Sie hofft lediglich, dass sie auch begeistert sein wird von seinen Bildern, sie weiß, dass sie ihm die Begeisterung nicht vorspielen könnte.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
Juschi

 

Mal für den Anfang, Rest als pn, falls Du nicht genug hast:

  • "Ich kannte ihre Reaktion nur zu gut. Viele Leute halten Sebastian für verschroben."
    Schreib die ganze Geschichte im Präsens. Du wechselst ohnehin an Stellen, wo Du deutlich machen willst, daß die Geschichte nicht vorbei ist, daß Sebastian noch immer da draußen ist, irgendwo. Ist vielleicht erst einmal das Hervorstechendste. Seltsam, daß ich diese Wechsel gestern gar nicht bemerkt hatte. Ich halte sie nicht für zulässig. Wenn Du Dich mit der Gegenwartsform nicht anfreunden kannst, dann mußt Du m.E. alles im Präteritum schreiben.
  • "Meine feuchten Hosenbeine hielt ich zum Trocknen vor die Heizung und bestellte mir einen Milchkaffee, als die Bedienung mich nach meinem Wunsch fragte."
    Umstellung erforderlich.
  • "Du bist nass. Warte einen Moment, ich bin gleich fertig, ja?", bat mich Sebastian lächelnd
    "Du bist nass", lächelte Sebastian erstaunt, um dann zusammenhanglos fortzusetzen: "Warte einen Moment, ich bin gleich fertig, ja?" Oder so ähnlich.
  • "in einem erstaunlichen Ausmaß der Selbsterkenntnis"
    Merkwürdig.
  • "sind intensiver und durchdringen mich stärker"
    Intensiver als?

Was mir gestern nicht auffiel, mich heute morgen aber ereilte: gibt es hier nicht sehr deutliche Berührpunkte zu Gebremste Nähe?

 

Hallo Juschi!

Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Sie entwickelt schnell eine Sogwirkung, so dass man sich gut in die ganze Szenerie hinein versetzen kann. Allerdings hatte auch ich mehrfach, wie schon von cbrucher angesprochen, Probleme mit den Zeitwechseln. Sebastian gefällt mir! :D

Viele Grüße
Nadine

 

Hallo Juschi
Ich bin derselben Meinung wie frotte, honkine und cbrucher.
Die Geschichte ist einfach toll. Sebastian ist super dargestellt und plastisch. So einen Typen würde ich auch gerne kennen. Und er ist genau der, die ich einmal werden will. Kindlich bleiben (nicht kindisch) immer ehrlich und offen
und einfach Spaß haben am Leben. Wie du selber gesagt hast, viel Handlung hat die Geschichte nicht, aber das fehlt hier auch nicht. Die Protagonistin erzählt soviel von Sebastian, dass es einer Handlung schon gar nicht mehr benötigt. Also :thumbsup: top :D toll ;)

 

Hallo cbrucher, honkine, Leana 222,

vielen Dank für´s Lesen und eure Kommentare.

@ Claus: schön, dass du einige Stellen nochmal rausgefischt hast. Bezüglich der Zeiten weiß ich zwar, was du meinst, habe aber ein Problem: ich habe sie in der Vergangenheit geschrieben, um einige reflektierende Passagen einbauen zu können. Ich schaue mir aber nochmal genau an, was sich mit den Zeiten machen lässt. Das selbe gilt für die anderen Formulierungen, danke. Ich werde mir die Geschichte als Ganze in den nächsten Tagen nochmal vornehmen.
Bezüglich der Parallelen zu "Gebremste Nähe": Die sehe ich nur in sofern, dass in beiden Geschichten die Frau sich vor dem Mann zurückzieht. Allerdings aus zwei ganz unterschiedlichen Gründen, einmal werden sie durch die Person der Frau erklärt und der Mann bleibt im Dunkeln, hier wird hauptsächlich Sebastian charakterisiert. Er wird aufgrund seines Andersseins, seiner Extravaganz bewundert, aber nicht als potentieller Partner gesehen. Aber schön, dass du dich noch so sehr an die Geschichte erinnerst, dass du vergleichen kannst :)
@ honkine: dir ein Dankeschön für dein Lob :) Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Die Zeiten schaue ich mir wie gesagt nochmal an.
@ Leana 222: auch dir Danke für dein überschwängliches Lob. Ja, kennen möchten Sebastian wohl alle. Ich habe nur beobachtet, dass gerade diese außergewöhnlichen Menschen alleine sind, weil das Leben an ihrer Seite nicht einfach ist, sondern sehr anstrengend. Und so geht es auch der Prot in meiner Geschichte - sie ist fasziniert von ihm, kann aber nicht mit ihm leben.

Euch allen liebe Grüße,
Juschi

 
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Hallo Juschi,

hatte Deine Geschichte schon gestern gelesen, aber keine Zeit gehabt, zu antworten. Jetzt ist schon soviel gesagt worden, dass ich dem eigentlich nicht mehr viel hinzu zu fügen habe.

Die Geschichte hat mir gefallen. Ich hatte den Eindruck, dass Du Sebastian mit viel Liebe und Gefühl beschrieben hast. Und das hat sich beim Lesen auch auf mich übertragen :)

Insgesamt geht es mir mit solchen Menschen wie Deiner Prot., sie faszinieren mich und ich bin gerne mit ihnen zusammen, dann aber auch wieder "froh", wenn ich in mein eigenes, mehr oder weniger geordnetes, Leben zurück kann :)

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo gori,

das freut mich, dass auch dir diese Geschichte gefallen hat :)

Insgesamt geht es mir mit solchen Menschen wie Deiner Prot., sie faszinieren mich und ich bin gerne mit ihnen zusammen, dann aber auch wieder "froh", wenn ich in mein eigenes, mehr oder weniger geordnetes, Leben zurück kann
Hast du vorhin nicht noch unter deine Geschichte geschrieben, dass du auch ein wenig "verrückt" bist? ;) Scherz beiseite, ich weiß natürlich genau was du meinst.

Danke für´s Lesen und Kommentieren und liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Juschi,
die Charakterisierung dieses einmaligen Mannes fand ich auch wunderschön! Mir fällt auf anhieb niemand ein, der so extrem ist, aber ich kann es mir gut vorstellen. Einerseits bewundere ich Menschen, die so total leben, anders tun sie mir Leid, wenn sie alles so persönlich nehmen. Vom Ende der Geschichte war ich dann allerdings ein bisschen enttäuscht, sie versandet unbefriedigend. Ich kann mir zwar ausmalen, warum die Protagonistin ihm einen Korb gibt, hätte es aber gerne gelesen.

Folgende Sätze haben mir besonders gefallen:
Jeder Tropfen, der auf mich prasselte, sickerte als Bruchstück dieses Tages in meinen Kopf ein.
jeden einzelnen Regentropfen durch die Kerzen auf den Bistrotischen verdampfen zu lassen.
das Strahlen seiner stahlblauen Augen sich wieder fand in den sanften Strichen auf seinem Block.


Aber jetzt noch ein bisschen Kritik.
Das mit den Zeit ist schon kompliziert. Wie beschreibe ich eine Eigenschaft von jemandem, der noch lebt? Da falle ich auch immer wieder ins Präsenz. Dann habe ich mir klar gemacht, wenn jemand die Geschichte in einhundert Jahren liest (schön wär's was? :D), dann ist mein Prot ja bestimmt tot und dann stimmt die Zeit nicht. Also schreibe ich lieber in der Vergangenheitsform, das stimmt ja auf jeden Fall. Das heißt, bis jetzt hat derjenige sich so verhalten. Oder ist das ein Fall für den Rechtschreibthreat? Hier sollte meiner Meinung nach auf jeden Fall die Vergangenheit hin:
Dass er sie in seiner Empfindsamkeit sofort registriert hatte, das hat nichts mit mir zu tun.

Folgenden Satz musste ich mehrmals lesen, mach lieber zwei draus:
Alles, was ich von der Tragödie während des Telefonats erfasste war, dass Natalie, seiner damaligen Freundin, sein neustes Werk nicht gefallen hatte, diese Beziehung, gar das ganze Leben, damit sinnlos geworden war.
Ein anderer, komplizierter, holpriger Satz ist ja schon von cbrucher kritisiert worden

Hier klingt der erste Teil schräg, er ist auch überflüssig:
dann zeichnet er ausschließlich, mit jeder Pore seines Daseins.

Für die Geschichte ist es völlig uninteressant, wann dein Prot bestellt hat, lass die Bedienung weg.
bestellte mir einen Milchkaffee, als die Bedienung mich nach meinem Wunsch fragte.
liebe Grüße
tamara

 

Hallo Juschi,

ich habe hier noch nicht viele Geschichten gelesen, in denen jemand so genau charakterisiert war, wie dein Prot.!
Das fand ich wirklich sehr schön!
Man konnte ihn regelrecht in diesem Café sitzen sehen... Sehr schön!!

Allerdings hat mir das offene Ende auch nicht so gefallen. Eine winzige Andeutung, warum sie nicht mit geht hätte schon gereicht - ist er ihr zu anstrengend oder oder oder....

LG
Bella

 

Hallo tamara, hallo Bella,

danke für´s Lesen, Kommentieren und natürlich euer Lob :)

@ tamara:

Einerseits bewundere ich Menschen, die so total leben, anders tun sie mir Leid, wenn sie alles so persönlich nehmen.
Ja, Bewunderung ist eine häufige Reaktion auf diese Menschen, das geht mir ähnlich. Ich finde sie aber auch sehr kraftraubend.
Danke für die Formulierungsvorschläge und den Hinweis auf die Zeiten, ich muss mir da wirklich dringend was überlegen. Ich nehm mir die Geschichte und eure gesammelten Anregungen in den nächsten Tagen nochmal vor.
Interessant, dass du was zum Ende sagst. Da hab ich eigentlich die ganze Zeit drauf gewartet weil ich gespannt war, ob die Geschichte erklärt warum sie so handelt oder nicht. Ich hatte gehofft, durch zahlreiche Anspielungen auf sein Extremsein, die Kraft die er kostet, die Unruhe die er ausstrahlt die Gründe geliefert zu haben. Ursprünglich hatte ich Sätze eingeflochten wie "Ich kennen niemanden, der so sehr lebt wie Sebastian. Dennoch fehlen mir der Mut und die Kraft, es gemeinsam mit ihm zu tun". Dann dachte ich mir - show, don´t tell, und versuchte, die Gründe in der Geschichte deutlich werden zu lassen. Ich schau mal, ob ich die Andeutungen noch verstärken kann.

@ Bella:
schön, dass Sebastian für dich lebendig geworden ist. Bezüglich des Hinweises auf das Ende - ich werde wie gesagt versuchen, ihr Verhalten noch deutlicher zu begründen.

Liebe Grüße
Juschi

 

@Juschi: "Ich kennen niemanden, der so sehr lebt wie Sebastian. Dennoch fehlen mir der Mut und die Kraft, es gemeinsam mit ihm zu tun". Das wären ja die Gedanken deiner Heldin, das finde ich durchaus legitim und wichtig zu schreiben. Abgesehen davon, würde das viele Frauen nicht von einer schönen Nacht mit einem sensiblen Mann abhalten! ;)
Gruß
tamara

 

Hallo Zusammen,

so, "Sebastian" ist überarbeitet und ich bin etwas unsicher, ob wirklich zum besseren.

Die Geschichte wird weiterhin in der Vergangenheit erzählt, mir ist es im Präsens definitiv nicht gelungen, der Erzählung die Tiefe zu geben, weil das sich und die Situation reflektieren weggefallen wäre. Ich habe die Passagen, die in der Gegenwart waren, also größtenteils auch in die Vergangenheit versetzt und die Grundeigenschaften von Sebastian exemplarisch an der konkreten Situation verdeutlicht. Aus folgenden Gründen wird euch an wenigen Stellen die Gegenwart noch begegnen: und zwar an den Stellen, die wirklich festliegende Eigenschaften/CHarakterzüge beschreiben (die grau werdenden Haare usw.), und außerdem, um deutlich zu machen, dass es Sebastian noch in ihrem Leben gibt. Das Ende des Caféabends bedeutet keinesfalls, dass es Sebastian nicht mehr in ihrem Leben gibt, die durchgängige Vergangenheitsform hätte das unterstellt. So, jetzt sagt mir doch mal bitte, ob diese wenigen Stellen in der Gegenwart noch mehr stören als vorher, weil sie umso mehr auffallen, oder ob sie nicht mehr stören :shy:

@cbrucher: die Mitarbeiterin der Wirtschaftsförderung ist untergetaucht ;) Ich habe auch sprachlich ein bißchen was geglättet, falls dir noch was auffällt und du die Beschäftigung mit der Geschichte noch nicht leid bist, tu dir keinen Zwang an. Gilt natürlich auch für dich, tamara.
@tamara und bella: das Ende ist geblieben, habe aber versucht durch ihre Gedanken ihr Verhalten noch stärker zu begründen. Reicht´s? Irgendwie sträube ich mich noch, es sie wirklich in aller Deutlichkeit sagen zu lassen.
@tamara:

Abgesehen davon, würde das viele Frauen nicht von einer schönen Nacht mit einem sensiblen Mann abhalten!
Ich glaube, selbst diese Nacht hätte sie überfordert ;)

Liebe Grüße euch allen,
Juschi

 

Hallo Juschi,

Thomas Mann spricht im "Vorsatz" vom "Zauberberg" davon, daß es sich beim Erzähler um "den raunenden Beschwörer des Imperfekts" handelt. Die Geschichte könnte Dich überdauern. Sie könnte in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit gehandelt haben, verwende die Vergangenheit. "Sebastian war ein außergewöhnlicher Mensch" impliziert weder seinen vorzeitigen Tod, noch eine Veränderung seines Wesens. Es ist nur die Zeit der Erzählung.

Dem Dilemma könntest du entgehen, wenn Du Dich entscheiden könntest, die Geschichte im Präsens zu schreiben. Was ihr vielleicht angemessen wäre.

Eine weitere Möglichkeit wäre, sie in einen Erzählrahmen einzubetten, der im Präsens steht. Ein Bekannter kommt zu Besuch und der Erzähler beginnt, von Sebastian zu erzählen. Vielleicht ist das ein besserer Rahmen, als das Treffen im Café, vielleicht nicht. Es ließe sich dann konstruieren, ich will skizzieren, was ich damit meine: Ich blicke X ins Gesicht. "Es reicht ihm ein Blick. Dann weiß er schon, was wirklich in einem vorgeht. Ich erinnere mich, wie ich ihn an einem Samstag auf dem Markt getroffen habe, mein Vertrag war gerade verlängert worden..."

Einige Stellen sind mir noch aufgefallen, eine unüberlegte Auswahl:

  • "Sebastian erkundigte sich nicht, wie es mir geht," - 'ging/ ginge'
  • "In Form der misslungenen Präsentation bei der Vertriebsleitung am Nachmittag, in Gestalt des deshalb anberaumten Termins bei meinem Chef am nächsten Morgen, als der immer noch unter meinem Schreibtisch liegende Regenschirm. Hämisch, ungefragt, nass." - 'Form ... Gestalt ... Manifestation(?)' als Dreiheit, auf die sich dann 'hämisch, ungefragt, trocken (sic!)' beziehen könnte
  • "Sebastian spürte, wie ich mich fühlte, er brauchte mich nicht zu fragen." - vielleicht 'mich nicht erst zu fragen'
  • "Ich seufzte erlöst, vergaß den Krimi und die Kuscheldecke, die mich Zuhause erwarteten, und betrat das verrauchte und lärmerfüllte Café." - Vorschlag: 'Kuscheldecke und Krimi waren vergessen. Ich seufzte erlöst und betrat das verrauchte Café.'
  • "deren Braun bereits durch die ersten grauen Strähnen durchzogen wird, und brachte damit den Grund für meine Nässe in seine Haare." - Weshalb 'bereits'? Ich bin siebenundzwanzig und finde auch schon graue Haare. Zudem: 'durchzogen wurde', aber das ist die obige Diskussion. Zuzudem: "Grund für meine Nässe" erscheint mir etwas merkwürdig.
  • "Ich war erstaunt, dass er mich überhaupt draußen vorbeilaufen sah." - 'gesehen hatte', vgl. o. Zudem: Der Satz klingt vielleicht besser, wenn man ihn umstellt
  • "Ich musterte ihn, wie er aufging in seiner Zeichnung, das Strahlen seiner stahlblauen Augen sich wieder fand in den sanften Strichen auf seinem Block." - 'aufgehen' stört mich an dieser Stelle.
  • "Ich war in Sebastians Kontemplation versunken." - Ist logisch problematisch, weil die Protagonistin dann doch die Teenies bemerkt, zudem finde ich es schwierig, in eines anderen Menschen Kontemplation einzutauchen. Diese ist vielleicht ansteckend oder faszinierend.
  • "Gestern rückte ich ein Stück zur Seite, um den Mädchen den Blick auf ihn zu versperren." - 'war ich ein Stück zur Seite gerutscht', vgl. o.
  • "Wenn Sebastian sich freut, dann freute er sich unbändig, " - 'sich freute'
  • "Rasch wich ich seinen Augen aus, sah in die leere Kaffeetasse, spielte mit dem Löffel in ihr" - 'spielte mit dem Löffel' reicht völlig, das "in ihr" ist etwas seltsam; wenn Du Assoziationen wecken willst, dann bitte besser, das kannst Du nämlich.

Es tut mir leid, daß das jetzt alles so negativ kommt. Du kannst das besser. Der Text hakt noch.

 

So, jetzt überschlagen sich die neuen Versionen ;) Claus, danke für deine Hartnäckigkeit, ich hab´s jetzt tatsächlich mal im Präsens versucht, wenn´s auch ein harter Kampf war. Jetzt ist meine Prot wahrscheinlich nur keine angenehme Gesprächspartnerin mehr, da sie vor lauter Beobachten und Nachdenken über ihr Gegenüber sich ihm kaum noch widmen kann :D Nein, ich bin recht zufrieden. Ich trauere lediglich um meinen Eingangssatz, weil ich jetzt natürlich nicht mehr damit starten kann, dass er sie nicht fragt wie es ihr geht. Dafür finden die einzigen Zeitenwechsel jetzt nur noch dann stand, wenn sie eine Episode aus der Vergangenheit erzählt.

@ cbrucher: Nochmal im Detail:

Sie könnte in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit gehandelt haben, verwende die Vergangenheit.
Das war ja die Schwierigkeit an der Sache - meine Erzählerin hatte ihn am Abend zuvor erst im Café getroffen und bei der Vergangenheit hatte ich immer das Gefühl, sie hätte schon mit Sebastian abgeschlossen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, sie in einen Erzählrahmen einzubetten, der im Präsens steht.
Lustig, die Gesprächsform hatte ich tatsächlich auch probiert, hat mich aber nicht zufrieden gestellt.
Danke auch für die Detailanmerkungen, ein Großteil ist umgesetzt. Brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich bin ja froh, dass du so penetrant auf die Fehler hinweist :)

Liebe Grüße
Juschi

 

Besser. Viel, viel, viel besser. Richtig gut sogar. So, wie ich es eigentlich auch von Dir erwarte.

 

:bounce: Danke! Sowohl für´s Lob als auch die Arbeit, die Du reingesteckt hast.

 

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