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Mein Freund der Schneemann

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05.06.2002
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Mein Freund der Schneemann

Mein Freund der Schneemann

In diesem Winter begann es sehr früh zu schneien. Dicke Flocken tänzelten vom Himmel und bedeckten die Häuser, das kleine Wäldchen, die Autos und Straßen mit einer weißen Haube. Die Kinder hatten besonders viel Spaß an der weißen Pracht. Sie gingen rodeln, führten Schneeballschlachten oder bauten Schneemänner.

Auch Martin, ein kleiner Junge, baute mit seiner Schwester Helga im Garten seiner Eltern einen Schneemann. Ihre Mutter hatte ihnen einen alten Kochtopf gegeben, diesen setzten sie dem Schneemann als Hut auf. Er bekam eine Karotte als Nase, einen gebogenen Zweig als Mund und zwei Nüsse als Augen. Anschließend drückte Martin noch einige Tannenzapfen als Mantelknöpfe in den Schneemann.

Martin trat einige Schritte zurück und schaute sich prüfend den Schneemann an. Martin war sichtlich zufrieden, denn so einen schönen und perfekt gebauten Schneemann hatte er bisher nicht zustande gebracht. Darum wollte Martin seinem Schneemann auch einen Namen geben. Nur, welchen? "Karl oder August", meinte seine Schwester. Das war Martin gar nicht recht. Sein Schneemann sollte nicht den Namen eines Clowns tragen. Denn tatsächlich, wenn man genau hinsah, wirkte der Schneemann klug und intelligent. Jedenfalls kam es Martin so vor, wenn er in das Gesicht seines Schneemannes blickte. Darum sagte er bestimmend:

"Er soll Herr Schröder heißen!" Helga verzog beleidigt das Gesicht. "Herr Schröder?! So heißt doch dein doofer Klassenlehrer!?" "Herr Schröder ist nicht doof!", erwiderte Martin empört. Martin mochte seinen alten Klassenlehrer, denn er war immer nett zu ihm. Es machte Spaß, bei Herrn Schröder zu lernen. Er behandelte die Kinder wie kleine Erwachsene. Der Schneemann trug seinen Topf auf dem Kopf genau so würdevoll, wie Herr Schröder seinen schwarzen Hut.

Also bekam der Schneemann seinen Namen. Martin wünschte dem Schneemann jeden Abend aus seinem Fenster eine gute Nacht. Er stellte sich vor, daß der Schneemann ihn zurück grüßte und fröhlich winkte. Aber das konnte der Schneemann natürlich nicht. Doch Martin schlief viel ruhiger, weil er wußte, daß der Schneemann draußen Wache hielt, um ihn vor bösen Schneemonstern zu beschützen. Jeden Morgen, bevor Martin in die Schule mußte, lief er zu dem Schneemann hin. Martin erzählte ihm, was er geträumt hatte oder was sonst so seit dem letzten Abend passiert war. Der Schneemann war ein geduldiger Zuhörer. Für Martin wurde er im Laufe des Winters zu einem richtigen Freund. Ihm konnte Martin alles anvertrauen. Probleme in der Schule, Geheimnisse, die kein anderer erfahren durfte, oder die Gründe, weshalb er sich mit seiner Schwester gestritten hatte.

Eines Abends, es war der Tag vor Heiligabend, saß Martin wieder auf der Fensterbank und wünschte Herrn Schröder, seinem Schneemann, eine angenehme und nicht allzu frostige Nacht, als er das Gefühl hatte, daß der Schneemann seinen Kopf hob, um mit seinem ewig lächelnden Gesicht Martin anzusehen. Dieser erschrak, sprang von der Fensterbank und trat einige Schritte vom Fenster zurück. "Das kann nicht sein! So etwas gibt es nicht! Herr Schröder ist nur ein Schneemann!" Das sagte sich Martin immer wieder. Nachdem er sich ein wenig gefangen hatte, holte er tief Luft, faßte Mut und ging langsam ans Fenster. Martin starrte durch die Scheibe auf den Garten. Dort war es das gewohnte Bild. Der Schneemann stand an seinem Platz und schaute einfach geradeaus, so wie Martin ihn gebaut hatte. Beruhigt und erleichtert ließ er die Luft aus seinem Mund entweichen und ging an diesem Tag ohne zu murren ins Bett, denn er wollte für den heiligen Abend ausgeschlafen sein.

Am nächsten Morgen stand er früh auf und fragte aufgeregt, wann es Zeit für die Geschenke war. Obwohl er genau wußte, daß es die Pakete immer nach dem Abendessen gab. Martin stellte sich vor, was er alles für Geschenke bekommen würde. Immerhin hatte er einen langen Wunschzettel geschrieben. Als er mit dem Frühstücken fertig war, lief er zu seinem Schneemann und erzählte ihm von seinen Wünschen. Wie gewohnt hörte der Schneemann zu. Martin und seine Schwester gingen mit Freunden rodeln, da ihre Eltern keine Zeit hatten und sie nur im Weg herumstanden. Nachdem sie keine Lust mehr zum Rodeln hatten, führten sie eine richtig erbitterte Schneeballschlacht, wobei die Gruppe von Martin mehr einstecken mußte. Denn die Gruppe hatte Torsten, der war zwei Klassen höher. Er machte die Schneebälle so fest, daß es weh tat, wenn man von ihnen getroffen wurde.

Gegen Nachmittag gingen Martin und seine Schwester nach Hause. Es wurde Zeit sich zu waschen und für den Abend umzuziehen. Im Haus roch es nach frisch gebackenen Keksen und einer Weihnachtsgans, die im Ofen schmorte. Die Fenster waren mit bunten Lichterketten geschmückt, und die waren schon von weitem zu sehen.

Es war alles so wie jedes Jahr, und doch war etwas anders, an diesem Heiligabend. Draußen stand der Schneemann und schaute durch die mit Weihnachtsmotiven beklebten Fenster. Er erkannte Martin, der sich mit seiner Schwester über irgend etwas stritt. Der Vater schmückte den Tannenbaum mit Kugeln und goldenem Lametta. Der Schneemann bewegte seinen Kopf und schaute sich weiter um. Herr Schröder wußte nicht, was geschehen war, doch er nahm die Welt um sich herum wahr. Der Schneemann sah sich das Haus an, die blätterlosen Bäume, die mit Schnee bedeckt waren. In einem Vogelhäuschen pickte gerade eine Kohlmeise Sonnenblumenkörner. In dem Schneemann stiegen Gefühle des Friedens und der Idylle auf. Während Herr Schröder seine Umgebung beobachtete, verging die Zeit und es wurde dunkel. Er schaute zu, wie Martins Mutter den Gänsebraten in das Wohnzimmer hineintrug. Der Vater half die restlichen Schüsseln hinein zu tragen.
Herr Schröder, war mit seinen scharfen Augen beim Essen dabei und auch bei der feierlichen Bescherung. Die Kinder packten mit offenen Mündern und weiten Augen ihre Pakete aus, und er bemerkte das Leuchten in den Augen von Martin und dessen Schwester. Dem Schneemann wurde es richtig warm ums Herz. So warm, daß er im wahrsten Sinne des Wortes dahingeschmolzen wäre. Es war alles so festlich und feierlich, daß er sich wünschte, mitfeiern zu können. Doch als er an das gut geheizte Wohnzimmer dachte, wo nichts mehr von ihm übrig geblieben wäre, war er froh im Vorgarten zu stehen.

Die Tage flogen nur noch so dahin, am Jahreswechsel sah der Schneemann die vielen, bunten Lichter, die Raketen an den Himmel zauberten. Das neue Jahr verging noch schneller. Die Tage blieben immer länger hell, und von Tag zu Tag wurde die Sonne stärker, und schon bald war das Ende des Winters dar. Dem Schneemann wurde schon so richtig warm im Vorgarten und er hatte das Gefühl, er würde kleiner. Ausgerechnet jetzt, wo er immer häufiger die Menschen auf den Wegen und Straßen beobachten konnte. Er brauchte nur leicht seinen Kopf zu drehen. Herr Schröder, der Schneemann, lernte die Menschen von Stunde zu Stunde besser kennen. Doch schon bald würde nicht mehr als eine große Wasserlache von ihm übrigbleiben.

Die warme Frühlingssonne taute auch den restlichen Schnee des Winters. Auf dem Rasen blüten die ersten Krokusse. Martins Vater stieg gerade aus seinem Wagen, als Martin mit seinem Fahrrad angefahren kam und sich neugierig nach Herrn Schröder erkundigte. Sein Vater kannte die Frage, denn Martin stellte sie jeden Abend. Seit jenem Tag, als Martin bemerkte, daß sein Freund der Schneemann zu schmelzen begann. Mit Tränen in den Augen flehte er seinen Vater an, etwas zu unternehmen, um den Schneemann zu retten. In einer gemeinsamen Aktion mit einigen Nachbarn und Freunden wurde Herr Schröder in das Kühlhaus, in dem Martins Vater arbeitete, geschafft. Dort lebte er als Dekoration für Werbeaufnahmen von Tiefkühlgemüse weiter.

 
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Hallo Jüdiver,

ich stehe deiner Geschichte zwiespältig gegenüber: Einerseits gefällt mir die Idee um den Schneemann namens "Herr Schröder", der für den kleinen Martin zu einem Freund wird. Das ist nett geschrieben und an der Stelle, an der Martin ihn mit Entschlossenheit nach seinem Klassenlehrer benannt, musste ich sogar kurz lachen.

Die zweite Hälfte der Geschichte hielt dann aber nicht das, was die erste versprach. Mir fehlte da ein Highlight, das ich irgendwie erwartete, z.B. dass etwas zwischen Martin und dem Schneemann passiert. Dass der Schneemann an Heiligabend sich für einen Augenblick bewegt und Martin zuzwinkert oder so etwas. Nichts Spektakuläres, einfach so einen kleinen Höhepunkt hätte ich mir gewünscht. Das was stattdessen kam, die Schilderung der Welt aus der Sicht Herrn Schröders bis nach Weihnachten, war mir dagegen zu langatmig.

Detailkram:

Sie gingen rodeln, führten Schneeballschlachten
Da fehlt was, oder? "Eine Schneeballschlacht führen" klingt sehr seltsam.
Ihre Mutter hatte ihnen einen alten Kochtopf gegeben, diesen setzten sie dem Schneemann als Hut auf.
1) "Diesen" sollte man nur in Ausnahmefällen verwenden, weil es zu gestelzt klingt.
2) Die zwei Hauptsätze so unverbunden hintereinderzusetzen liest sich holprig, mach lieber einen Haupt- und einen Nebensatz daraus, also z.B.: "Ihre Mutter hatte ihnen einen alten Kochtopf gegeben, den sie dem Schneemann als Hut aufsetzten."
Martin trat einige Schritte zurück und schaute sich prüfend den Schneemann an. Martin war sichtlich zufrieden, denn so einen schönen und perfekt gebauten Schneemann hatte er bisher nicht zustande gebracht. Darum wollte Martin seinem Schneemann auch einen Namen geben.
Das dritte "Schneemann" besser durch ein "ihm" ersetzen, sonst gibt's zu viele Wiederholungen.
Denn die Gruppe hatte Torsten, der war zwei Klassen höher.
Wieder dieses holprige Aneinanderfügen von zwei Hauptsätzen. Besser: "Denn die Gruppe hatte Torsten, der zwei Klassen höher war."
Die Kinder packten mit offenen Mündern und weiten Augen ihre Pakete aus, und er bemerkte das Leuchten in den Augen von Martin und dessen Schwester.
1) "mit weiten Augen" klingt seltsam - besser wäre "mit geweiteten Augen".
2) "Augen" ist eine Wortwiederholung. Vielleicht statt "das Leuchten in den Augen" zum Beispiel "das Leuchten in den Gesichtern" schreiben?
Dem Schneemann wurde schon so richtig warm im Vorgarten
Die Formulierung "so richtig warm" hast du einen Absatz zuvor schonmal, vielleicht fällt dir da ein Synonym ein.

Edit: Achja, im Titel gehört ein Komma rein.

Ginny :xmas:

 

Die Geschichte ist schön, allerdings passt die Überschrift nicht so richitg. Der nach denkt man, es passiert mehr mit dem Schneemann und Martin. Doch er baut ihn nur, geht jeden Tag zu ihm, erzählt ihm was usw. Alles sehr schön und nett geschrieben, nur halt ein andere Überschrift müsste her. ;)
Ich fand die Stelle recht schön, wo Martin glaubt, dass der Schneemann ihn anblickt. Denn da denkt er auch, dass Herr Schröder halt wirklich nur ein Schneemann ist, der sich nicht bewegen kann und ihn bestimmt auch nicht anlächelt. :)
Ein wenig gewundert hat es mich schon, als die Geschichte dann damit weiterging, das der Schneeman anfängt zu denken. Das er alles um sich herum wahrnimmt, und das auch noch an Weihnachten ;)
Das hat mich gewundert, war aber nicht schlecht :cool:
Ich finde nur dieses Überspringen der Zeiten schade, das nimmt der Geschichte so ein gewisses bisschen. Wo du dann geschrieben hattest dass das neue Jahr noch schneller verging und der Frühling bald kam. Aber nun gut, das ist jetzt nicht so dramatisch ;)
Das Ende gefällt mir dafür richtig gut. Herr Schröder schmiltz nicht weg sondert wird von Martins Vater und den Leuten in der Nachbarschaft gerettet. Nun, dann geht die Geschichte nächstes Jahr wohl wieder von vorne los ;)

Freundliche Grüße
Leana

 

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