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Museumsbesuch

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10.09.2001
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Museumsbesuch

19.07.1993
Er betrat den riesigen Saal, der vor Verzierungen nur so strotze. 20m hoch musste sie sein, wenn die Angaben in dem Prospekt stimmten, das ihm die freundliche Dame am Eingang angeboten hatte. Ebenfalls entnahm er den Zeilen, dass es sich hier wohl um das königliche Wohnzimmer handeln musste, was auch unschwer an dem Mobilar zu erkennen war.

Langsam ging er in den Saal hinein, während er nach einem passenden Platz suchte, um seinen Wunschtraum zu erfüllen. Seine Blicke gingen vorbei an den braun lackierten Schränken, die durch die Verzierungen an den Türen ihren Wert erhalten hatten, weiter über den Kamin, dessen Feuer erloschen war, über die königliche Couch, dort stoppten sie. Die königliche Couch! Das war der richtige Platz. Er ging, immernoch im gleichen Tempo wie vorher, darauf zu und lies sich auf dem roten Pelzüberzug nieder. Sein Traum würde in Erfüllung gehen, und niemand könnte ihn daran hindern.
Minutenlang saß er. Besucher des Schlosses gingen an ihm vorbei, ohne ihn wahrzunehmen. Er kannte dieses Gefühl. Keiner nimmt ihn wahr. Aus den Minuten wurden Stunden.
Schließlich beschloss er, sich seinen langersehnten Traum endlich zu erfüllen. Endlich. Langsam griff er die weiße Stofftasche, die er vorher neben sich gelegt hatte, aber nahm die Hand nach wenigen Augenblicken wieder heraus. Sein Traum würde erfüllt werden.


21.07.1993, Ausschnitt aus der Tageszeitung:

...Heute fand man in der Wohnung des Bombenattentäters, der sich vorgestern im Schloss Neustein zusammen mit etlichen Besuchers des Schlosses gesprengt hatte, einen Abschiedsbrief. Offenbar hatte der Täter schon längere Zeit Selbstmordabsichten, und erfüllte sich durch den Tod einen langersehnten Traum, wie er in seinen Brief schrieb.

 

Nun stilistisch ist die Geschichte gelungen, jedoch hättest du die Idee spannender umsetzen sollen. Der Zeitungsausschnitt am Ende erklärt zwar das Geschehen, jedoch erzeugt er keine Spannung.

Die Absicht das er sich umbringen will, weil er sowieso schon für die Mitwelt gestorben ist, finde ich nicht ausreichend. Da wäre es vielleicht besser gewesen du hättest den ästhetischen Aspekt des Museum-Schlosses in die Emotionen des Protagonisten miteinbeziehen sollen. Wie beispielsweise: "Er fühlte sich wie verschmolzen mit dem Saal. Sein Herz pochte in gleichmäßigem Rythmus und ließ ihn zu einem Teil des Museums werden, der den Menschen in ewiger Erinnerung bleibt." oder ähnlich. Ich bin ja auch nicht gerade ein Mensch der Schriftkunst, aber das fehlte mir eigentlich. Die Geschichte konnte man trotzdem gut lesen, hätte aber ruhig etwas ausführlicher gestaltet sein können.

Ist das eigentlich Zufall das du DIESE Geschichte an DIESEM Tag (11.09.2001) veröffentlicht hast? Du weist was ich damit meine, das ist mächtig verdächtig. ;)

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Für mich sind Autoren Denker, die ihre Erkentnisse in eine unterhaltende Geschichte verwandeln. - prodesse et delectare

 

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