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Nahfern
Die Soße ist komplett im Topf festgebrannt. Es wird ewig dauern, alle Reste wieder rauszukratzen. Ich starre auf die staubige Vase, die auf dem Brotkasten steht. Wie hässlich sie ist. Ich friere. Das Licht ist schummrig. Seit die zweite Glühbirne kaputt gegangen ist, wird es nicht mehr richtig hell. Ich schütte die Nudeln direkt aus dem Sieb in den Mülleimer. Sie sind kalt und zusammengeklebt. Ich habe keinen Hunger. Ich weiß nicht, wofür ich sie gekocht habe. Ich wusste doch, dass ich sie wegschmeißen würde. Vielleicht um irgendetwas zu tun.
Dann stehst du da. Stehst da und sagst nichts. Siehst die Soße nicht, aber siehst mich. Ich kämpfe gegen mich an und wende dir den Rücken zu. Ich frage nicht wo du warst. Was du gemacht hast. Starre auf den Kalender, der schon längst abgelaufen ist.
Aber du stehst da und schaust mich an. Mit deinen großen dunklen Augen. Sie sind so entschuldigend und bittend. Und ich versinke darin. Wie ich es immer tu. So dass du mich festhalten musst. Und du hältst mich fest. Drückst mich an dich und fängst mich auf. Ich spüre, wie deine schlanken Finger sanft durch mein Haar streichen. Wie du ganz zärtlich und mit unglaublicher Langsamkeit meinen Hals küsst. Ich spüre deine weichen Lippen und deinen warmen Atem. Du küsst mich mit einer solchen Konzentration und Hingabe, dass es mir wehtut. So sehr liebe ich dich. Weil du mich wirklich liebst. In diesem Moment.
Du schaust mich wieder an. Deine wilden dunklen Haare umrahmen dein blasses Gesicht. Du siehst so unschuldig aus wie du so vor mir stehst. So verletzlich.
Eine Träne rinnt mir über die Wange. Du wischt sie vorsichtig mit deiner Fingerkuppe weg. Du summst mir unsere Melodie ins Ohr. Wie oft hast du dir eine Melodie für mich ausgedacht. Du wiegst mich in deinen Armen hin und her. Ich fühle mich wie ein Baby, dass von seiner Mutter in den Schlaf gesungen wird. So geborgen. Nirgendwo sonst auf der Welt möchte ich sein. Nur hier. Bei dir. Die Wärme die du ausstrahlst. Nur wegen ihr durchlebe ich diese ganzen Qualen. Die endlose Kälte.
Wie oft wollte ich gehen. Aber du brauchst mich nur anzuschauen und schon weiß ich dass ich gar nicht wirklich gehen wollte. Und es niemals könnte. „Ich liebe dich. Du bist mein Leben.“ Ich weiß dass, du mich liebst. Ich weiß, dass ich dein Leben bin. Und du weißt, dass du meines bist. Auch wenn ich die Worte nicht über meine Lippen bekomme. Aber du weißt es.
Als ich dich später in mir spüre, bin ich berauscht von deiner Nähe. Du gibst dich mir ganz hin und ich liebe dich mit jeder Faser von mir. Mit welcher Vertrautheit du meine Lippen küsst. Und mit welcher Intensität. Und doch sehe ich immer noch diesen Blick in deinen Augen.
Der niemals verschwindet. Nicht einmal jetzt. Der suchende Blick. Der niemals fündig wird. Der immer weit weg ist. Ich würde dir so gerne helfen. Dir geben was du suchst. Es geht nicht. Niemand kann es. Du weißt es. Du weißt wie du mich verletzt. Und wie du dich selbst verletzt.
Und jetzt wo ich mit dir verschmelze und dich so unbeschreiblich liebe versuche ich mich selbst zu belügen. Zu denken, dass du nachher nicht wieder dasitzen wirst und aus dem Fenster sehen. Mit diesem fernen Blick. Und dann mich anschauen. Mir übers Haar streichen und so tun als ob du nicht bemerken würdest, dass ich mich nur schlafend stelle. Und dann leise die Tür hinter dir schließen.
Es klappt nicht. Ich habe mich schon zu oft belogen.