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Nichts als die Wahrheit
Rainer Winkler war ein überaus ehrlicher Mensch.
Eines Tages, seine Frau kam von der Arbeit nach Hause, empfing er sie im Wohnzimmer, auf seiner Gitarre spielend. Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu, während sie den Mantel auszog. Die Zigarette in ihrem Mundwinkel wippte auf und ab, während sie sprach.
„Na, wieder den ganzen Tach Klampfe gespielt? Is ja wieder typisch. Anstatt sich ne Arbeit zu suchen …“
„Du, Liebling, ich hatte gestern einen Seitensprung.“
„Die Sprünge deiner Saiten kannste für dich behalten.“ Sie hielt inne. „Was issen das für’n Gequake hinterm Haus?“
„Ich dachte, der Garten könnte etwas Leben gebrauchen. Ich habe Frösche dort hingebracht – und zwei Leichen. Der Keim neuen Lebens.“
„Sag mal, dir hamse wohl völlig ins Hirn geschissen, wa? Laichen tun die auch? Morgen sind die Viecher weg, verstanden? Sonst kannste dir ne neue Absteige suchen, wo du vor dich hin klimpern kannst.“
Ihr Blick fiel auf den Tisch, wo ein geöffneter Brief herumlag. Der Bogen war mit heftigen Schriftzügen bekritzelt worden. „Was …“ Die Zigarette erstarrte mitten in der Bewegung. Sie nahm das Blatt auf. Die Zigarette wäre fast heruntergefallen.
„Das sind unsere Nachbarn. Schreiben, du hättst im Garten den Verstärker voll aufgedreht und deine E-Klampfe dröhnen lassen. Is das wahr?“
Rainer hörte auf zu spielen und senkte den Kopf. „Ja.“
Sie knüllte den Bogen zusammen und pfefferte ihn gegen seinen Kopf. „Sonst geht’s dir gut, wa? Jetzt gehste zu denen rüber und entschuldigst dich. Sonst kannst du deinen Scheißverstärker aus dem Teich fischen!“ Sie wandte sich in Richtung Schlafzimmer, um ihr Feierabendnickerchen zu machen.
„A-aber … Die Spinnen. Die sind voll gefährlich. Wenn du dich auch nur in die Nähe von denen begibst, bist du so gut wie tot.“
Sie ließ die Tür hinter sich zufallen. „Ist mir egal, ob die spinnen. Halt’s Maul und geh rüber, sonst werd ich gefährlich, verstanden?!“
Rainer wartete. Nach zwei Minuten kreischte sie plötzlich auf. Das Kreischen ging in Gurgeln über, als das Gift der Taranteln zu wirken begann.
Endlich frei! Bald konnte er mit seiner Freundin ein neues Leben anfangen. Zuvor musste er seine Frau nur noch neben ihren beiden Liebhabern verbuddeln. Sie waren bestimmt guter Humus für die Pflanzen.