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Nie wieder!
„Scheiße! Das könnt ihr doch nicht machen!“, schrie er und sah nach oben zum Gitter in der Decke. Lauschte. Kein Geräusch. Bis auf das Plätschern. Mit unverminderter Wucht schoss der Wasserstrahl aus der Wandöffnung und sammelte sich in einer immer größer werdenden Lache auf dem Boden des Kellers.
„Ihr Schweine!“
Wieder antwortete ihm nur das Plätschern.
Er wand sich am Boden hin und her, spannte alle Muskeln an. Die Fesseln gaben nicht nach. Im Gegenteil, immer tiefer schnitten sie in Handgelenke und Knöchel. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie Suchscheinwerfer durchmaßen seine Blicke den Raum. Wo war der rettende Strohhalm? Nichts als kahle Steinwände.
Halt! Da war was. Auf der Treppe. Etwas anderes als grauer Stein. Schwach spiegelte sich das Licht, das spärlich von oben durch das Gitter drang, darin. Eine Colaflasche. Ein krächzendes Lachen entrang sich seiner Kehle. Zum Teufel mit der Flasche. Moment ... Ein Gedanke durchzuckte ihn. Sich wie eine Schlange am Boden windend näherte er sich der Treppe, deren unterste Stufe bereits vom Wasser umspült wurde. Zentimeter um Zentimeter robbte er die Stufen hoch, und die Kanten bohrten sich in seine Rippen. Fast wäre er wieder zurück gefallen Im letzten Moment gelang es ihm sich zu fangen. Wie ein Fisch nach dem Köder schnappte sein Mund nach der Flasche, knallte sie auf die Stufen – ein Klirren und sie zerbrach. Vorsichtig drehte er sich auf den Rücken und spürte dabei, wie etwas Scharfes in das Fleisch seiner Hände schnitt. Egal. Was kümmerte ihn das jetzt. Er tastete nach einer Scherbe. Nach mehrmaligem Probieren hatte er sie endlich zwischen seinen zitternden Fingern, balancierte sie unendlich behutsam an die Fesseln heran. Das Wasser war nicht untätig geblieben. Als ob es ihn zur Eile mahnen wollte, benetzte es jetzt seine Schuhe und die untersten Stufen waren im Wasser verschwunden.
„Ich lass mich nicht hetzen“, murmelte er. War das Galgenhumor? Merkwürdigerweise schlug seine Stimmung nun um und es kam ihm so vor, als wäre er ein amüsierter Beobachter seiner selbst. Methodisch begann er die Fesseln durchzuschneiden. Er hatte im Moment nichts Besseres vor. Andere Termine mochten warten. Prioritäten setzen war der Schlüssel zum Erfolg. Und Panik stand in der Prioritätenliste weit unten. Ganz ruhig waren seine Finger. Tatsächlich. Es klappte. Na, also! Die Fesseln an den Händen gaben nach und wenig später waren auch seine Füße befreit. Keinen Moment zu früh.
Das Wasser füllte jetzt bereits die Hälfte des Kellers aus und nur der oberste Teil der Treppe war noch trocken. Was jetzt? Oben die Öffnung in der Decke? Zwecklos. Armdicke Gitterstäbe verbarrikadierten sie. Blieb die Kellertür. Mehrere Stufen auf einmal nehmend rannte er nach oben und stand vor der Tür. Er drückte die Klinke herunter. Hätte ja sein können. Dann eben nicht.
Das Rauschen des Wassers war in ein gurgelndes Geräusch übergegangen. Offenbar hatte der Wasserspiegel bereits die Eintrittsöffnung erreicht.
Ein Blick zurück.
War ein Fehler. Ein neuer Anfall von Panik packte ihn. Was hatten die ihm einzuhämmern versucht? Niemals zurück blicken. Positiv denken. Jetzt wurde sein Körper von einem Adrenalinstoß überschwemmt, so wie er in wenigen Minuten von den Wassermassen überschwemmt werden würde. Wie lange schaffte er es wohl die Luft anzuhalten. Drei Minuten, fünf? Wie lange hielten seine Lungen aus, bis er dem übermächtigen Drang Tribut zollen musste und den Mund aufriss um dem Atemreflex nachzugeben. Dann spüren würde, wie das Wasser Mund, Luftröhre, Lungen ... Stopp!, schrie der letzte Rest seines Verstandes. Wie ein gehetztes Tier blickte er sich um. Da! Der Schlüssel! Ganz weit hinten in einer Mauerritze neben der Tür blinkte der ihn höhnisch an. Er fasste danach und schürfte sich die Haut blutig. Wie Schlangen wanden sich seine Finger in der Spalte hin und her, schoben sich nach vorn. Nur ein paar lächerliche Zentimeter fehlten aber ebenso gut hätte es ein Kilometer sein können.
‚Drrrrrrr‘. Das Rasseln eines Weckers. Ungläubig starrte er auf das Ding zu seinen Füßen. Diese Schweine. Wollten die ihn noch verhöhnen? Ihm auf perfide Art mitteilen, dass seine Zeit abgelaufen war?
Sein Blick fiel auf eine Scheibe oberhalb des Weckers. Dahinter waren eine Packung Kaugummi und ein Schild zu sehen. Kau uns, forderte das Schild ihn auf. Perverser Humor. In ohnmächtiger Wut drosch er gegen die Scheibe ein, doch die hielt stand. Aber es half. Jetzt konnte er wenigstens wieder klar denken. Improvisieren, ermahnte ihn eine Stimme in seinem Kopf. Hin und her wanderte sein Blick zwischen dem Wecker, dem Kaugummi und dem Schlüssel. Dann griff er entschlossen nach dem Wecker, knallte ihn gegen die Scheibe und formte wenig später aus der breiigen Masse in seinem Mund eine lange Schnur, während das Wasser seine Beine umspülte.
Nach zwei Versuchen hatte er es geschafft und mit der Schnur den Schlüssel herangezogen.
Dem ersten, der ihm in dem Gang hinter der Tür mit ausgestreckter Hand entgegen kam, rammte er seine Faust ins Gesicht. Nie wieder würde er einen Selbsterfahrungskurs für Manager absolvieren.