Niemand
Niemand
Eines Tages, ich ging gerade im Wald spazieren, verlor ich mich.
Eine Krähe war aus einem Busch aufgeflogen, so plötzlich, dass ich mich erschrak und mit einem Fuß den Weg verfehlte; er suchte vergebens nach Halt, aber der Abhang hinter ihm bot keinen. Mit einem Aufschrei rollte ich die Schräge hinunter, büßte jede Orientierung ein. Mein Kopf schlug unten gegen einen Baumstamm und ich verlor nach dem Halt auch noch die Besinnung. Wie lange ich dort so gelegen hatte, wusste ich nicht; die Sonne war durch die Baumwipfel nicht mehr zu erkennen, und es war merklich kühler geworden. In meinem Kopf schwärmte ein ganzes Bienenvolk auf den Kriegspfad aus.
Zerschlagen betastete ich meinen Körper, konnte aber keine größeren Schäden feststellen. Gerade, als ich zu mir sagen wollte, ich solle mich nicht so haben, es wäre ja nichts passiert, stockte meine Zunge. Sie brachte meinen Namen nicht über die Lippen, bis ich feststellte, woran es lag: ich erinnerte mich nicht mehr an ihn!
Ich zuckte mit den Schultern, vielleicht hatte ich ja auch nie einen gehabt? Außerdem: wer sollte mich hier schon rufen? Und überhaupt: hatte ich jemanden, der mich suchen würde?
Mein Zittern gab mir zu Verstehen, dass ich hier nicht länger liegen bleiben könne, so erhob ich mich, und schleppte meinen geschundenen Körper in irgendeine Richtung. Bodennebel erhob sich langsam, was das Finden eines Weges unmöglich machte; nicht, dass ich gewusst hätte, welchen Weg ich suchte: ich wusste nicht woher und nicht wohin, nicht ein, noch aus. Doch, durch die merkwürdige Leere in meinem Kopf betäubt, empfand ich keine Angst, keine Hast. Alles war ruhig, bis auf das leiser werdende Summen in meinem Kopf. Nichts erschreckte mich.
Nachdem ich, wie es schien, eine Ewigkeit ziellos herumgeirrt war, fing ich an, mir Gedanken zu machen. War ich ein Waldgeist, der hier zu Hause war? Die eintretende Müdigkeit, der Hunger und die Kälte sagten mir etwas anderes. Nein, mein Körper schien durchaus stofflich zu sein, also musste ich irgendwo hingehören, irgendwo anders, als hierher, in den Wald.
Und so kam es, dass ich beschloss, nach Hinweisen zu suchen, nach Hinweisen wer ich war, wo ich hinging und woher ich kam. Doch gefunden habe ich nichts.
Gefunden habe ich auch mich immer noch nicht. Sollte mich jemand im Wald herumirren sehen, so möge er mir bitte helfen. Vielleicht werde ich aber auch nicht reagieren; woher soll ich wissen, ob ich gemeint bin? Und überhaupt: wer könnte mir die gesuchten Antworten geben? Ich kenne niemanden und ich bin vielleicht auch Niemand.