Was ist neu

Opa Blue

Monster-WG
Seniors
Beitritt
10.09.2014
Beiträge
1.786
Zuletzt bearbeitet:

Opa Blue

Der Rücken schmerzt fürchterlich. Diese Haltung beim Rasieren ist Gift für seine Wirbelsäule. So stand John Lántos über vierzig Jahre an den Küchenherden der Containerschiffe.
Nun muss er sich erst einmal hinsetzen.
Noch schöner wäre es, sich auf die Couch zu legen – doch die beste Stunde des Tages lockt viel zu sehr. Also kleidet er sich sorgfältig an, überprüft jedes Detail.
Mühsam geht er die Treppe hinunter, stützt sich am Geländer ab. Die Kniegelenke brennen wie Feuer, es ist jedes Mal eine Qual. Er öffnet die Haustür, tritt hinaus und atmet tief ein, um sich von der Anstrengung zu erholen.
Ein Radfahrer flitzt vorbei, sonst ist kein Mensch zu sehen. Dennoch bemüht er sich um Haltung und geht mit forschem Schritt; man soll denken, er sei unverwüstlich.
Kühl ist es und trocken, zu Mantel und Hut trägt er einen leichten Schal.
John Lántos wirft dessen Ende über die Schulter. Nicht übermütig wie früher, sondern ärgerlich, denn es hindert ihn bei der Suche nach dem Brillenetui. Er hatte es doch in die Manteltasche gesteckt? Nein, auch in den anderen Taschen ist es nicht; wohl oder übel muss er sich noch einmal in seine Wohnung bemühen.

Durch den schmerzhaften Aufstieg vergeht ihm die gute Stimmung, er setzt sich für einen Moment auf die Couchlehne. Im Spiegel gegenüber betrachtet er den alten Herrn mit verwegenem Hut und einigen Lebensschrammen im Gesicht und findet sich ganz passabel. Vor Shirley will er eine gute Figur machen.

Auf dem Vertiko liegt die Brille samt Etui. Wieder vierzehn schmerzhafte Stufen zurück, doch beim Öffnen der Haustür strafft er sich und marschiert los. Endlich der gerade, akkurat gepflasterte Weg.
Den geht er auch bei Regen, oft denkt er dabei an seine Jugend.
Wie er trotz aller Ermahnungen und Verbote bei jedem Wetter irgendwo in der Landschaft verschwand, ganz gleich, ob die Erwachsenen mit Kapuzen und Regenschirmen gegen die Böen ankämpften oder die Schirme in die Ecke stellten und zu Hause blieben.
Da ist er der Gewitzte, der über Bäche balanciert, in den Baumwipfeln zu Hause ist, ohne Sattel reiten kann – Räuber und Gendarm in einer Person.
Und Krusenstern, James Cook und La Pérouse hat er hundertmal gelesen, ist mit ihnen an Land gegangen, hat kaum zu atmen gewagt, als die Eingeborenen mit Speeren und Geschrei auf sie zustürzen.
Seine Kindheit fällt ihm immer häufiger ein. So viele Mosaiksteinchen, kunterbunt gemischt. Es werden immer mehr. Er erinnert sich an die Namen der Klassenkameraden. An seine selbstgebaute Maus, die sich im Katechismusunterricht von der Lampe abseilte, dass die Mädchen schreiend hinausliefen, an den beißenden Schwefelgestank im Chemielabor, ans gebrochene Nasenbein beim Barrenturnen. Und an Tessas zarte schmale Lippen.

Abrupt bleibt er stehen.
Das kommt davon, wenn auch die Gedanken spazieren gehen.
Wieso hat er den Schlüsselbund noch in der Hand? Hätte er das Haus ordentlich abgeschlossen, wären die Schlüssel doch in der Hosen- oder Manteltasche. Hat er nur die Tür hinter sich zugezogen? Er muss sich vergewissern, sonst begleitet ihn diese Unsicherheit für den Rest seines Spaziergangs.
Nur ruhig Blut, gleich wird sie ihn begrüßen, ganz in Weiß, die Konditorenmütze im blonden Stoppelhaar, und ihn anschauen mit diesen Bernsteinaugen, die er nicht enträtseln kann.
Sie wird ihn nach seinen Wünschen fragen, obwohl sie die schon kennt, und als Stammgast wird er entweder „So wie immer“ sagen oder „Haben Sie etwas Neues?“

Er verehrt sie, erinnert sich an ihre ersten Marmeladenschnecken mit stumpfer Glasur und ihre Unsicherheit beim Servieren. Wenn aber heute Nachmittag ein herrliches Quitten-Karamell-Biskuit auf seiner Zunge schmilzt, dann bewundert er ihre Kraft durchzuhalten, weiterzumachen, den Gästen stets ein freundliches Wort zukommen zu lassen, sich dabei nicht nur um ihre Mädchen zu kümmern, sondern auch sich selbst voran zu bringen. Ihn überkommt ein warmes, herzliches Gefühl – jedoch völlig unangebracht, schließlich ist Shirley nicht seine Tochter. Und auch nicht seine – Blödsinn, verdammter. Sie ist eine tapfere Frau, und dafür gebührt ihr seine Hochachtung. Vorher aber muss er, wenn auch widerwillig, noch einmal zurück zum Haus, um endlich Gewissheit zu erlangen: richtig zu oder nicht?
Es wird wie so oft sein: Die Tür ist abgeschlossen, aber er ist genervt von seiner Zerstreutheit. Ist das normal in seinem Alter oder wird er gaga? Sein Schritt verlangsamt sich, die Vorfreude auf einen schönen Nachmittag ist dahin.
Seine straffe Haltung lässt nach, die Schulterpartie wird etwas rundlich, der Kopf neigt sich ein wenig. Er dreht sich um, unendlich langsam, als ob er Widerstände überwinden müsse, und tritt verdrossen den Heimweg an. Die schöne Stunde bei Shirley – er muss sie fahren lassen, mit großem Bedauern, denn heute, das weiß er, heute hätte er ihr mehr sagen wollen, als sie Zeit gehabt hätte, zuzuhören.
Ein sonderbares Ziehen verspürt er in der Brust, er schafft es aber noch, die Haustür aufzuschließen.
Diesmal erscheint ihm die Treppe wie eine Steilwand. Er bewältigt sie mit größter Anstrengung und lässt sich ächzend auf der Couch nieder. Seine Finger wollen den Krawattenknoten lösen, jedoch ist er schon eingeschlafen, bevor das gelingt.

Nach Stunden schrillt das Telefon, er schreckt auf, greift benommen zum Hörer: „John Làntos, ja bitte?“
Er hört Räuspern und Papierrascheln. „Hier ist Shirley Hill, guten Abend, Herr Làntos. Bitte ...“
„Ah, Frau Hill, ich meine Shirley! Das freut mich aber!“
„Ja, entschuldigen Sie vielmals, dass ich störe. Es ist nur, weil Sie gestern sagten ‚Bis morgen’, aber Sie waren nicht hier, also ...“
„Oh, Shirley, das tut mir sehr leid ...“
„Aber nicht doch! Ich wollte nur fragen, ob es Ihnen gut geht und ob alles in Ordnung ...
„Doch, doch, alles in bester Ordnung.“
„Ah, Gott sei Dank. Ich hab’ mir schon Sorgen gemacht. Oder soll ich Ihnen etwas aus der Apotheke bringen?“
John Làntos ist hellwach. Die Shirley ruft ihn an!
Das ist völlig verrückt, er hat gar keine Zeit, eine gescheite Antwort zu formulieren, sagt einfach: “Oh, das ist ganz lieb von Ihnen. Aber nein, ich brauche wirklich nichts. Ich war tatsächlich schon auf dem Weg, leider fühlte ich mich nicht sehr wohl und bin wieder umgekehrt – aber dass Sie sich um mich sorgen, das freut mich, nein, Quatsch, ich meine, das berührt mich.“
„Aber ich bitte Sie, Herr Làntos – so ein freundlicher und treuer Stammgast wächst einem schon ein bisschen ans Herz. Ich habe Pavlova gemacht, die Sie so mögen. Soll ich Ihnen ein Stück vorbeibringen? Das würde mir Freude machen.“
„Aber Shirley, das kann ich unmöglich annehmen.“ Er steht auf, das übliche Stöhnen muss er sich verkneifen. Diese großartige Frau ist am Telefon und sie will ihn besuchen – das ist überhaupt nicht zu fassen. Doch ziert er sich, statt sich zu freuen! Ist er jetzt total verrückt? Schnell korrigiert er sich: „Ach, was rede ich für einen Unsinn? Nein, Shirley, ich freue mich sehr, dass Sie mich besuchen wollen.“
„Ganz ehrlich?“
„Bei allem, was mir lieb und teuer ist.“
„Dann muss es ehrlich sein – ich brause los!“
„Sie sind wirklich fabelhaft. Eines noch: Die Namensschilder sind nicht beleuchtet – es ist das zweite von oben.“
„Oh, keine Sorge. Ich werde Sie schon aufspüren. Bis gleich, Herr Lántos!“
John legt auf, holt das Teegeschirr aus dem Schrank, Kandis, Milch, Zuckerzange, Servietten, geht in die Küche und sorgt für kochendes Wasser – die Teebeutel lässt er in der Schublade und bereitet einen Tee der Meisterklasse.
Der Gedanke, die Nachbarn bekämen es mit, dass eine attraktive Frau am Abend den Herrn Làntos besucht, amüsiert ihn. Eine Serviette segelt zu Boden, er fängt sie im Flug. Eine überschwängliche Laune überkommt ihn, vielleicht will er ihr einen Heiratsantrag machen? Jetzt ist er völlig übergeschnappt. Trotzdem nimmt er die feine Schere und die Vergrößerungsseite des Rasierspiegels, schnippelt hier und da, stutzt die Brauen, entfernt ein Härchen, das aus der Nase lugt und eines am Ohr. Er muss an eine Filmszene denken, bei der sich eine Dame Parfüm hinters Ohr tupft. „Shirley tut das nicht“, sagt er leise, „aber wenn ich jünger wäre?“ Ein bisschen grinsen muss er schon – wird er sich solche Illusionen nie aus dem Kopf schlagen? Und als er noch sein Aussehen überprüft, schellt es.
Statt den Türöffner zu drücken, eilt er die Treppe hinunter, um Shirley persönlich die Tür zu öffnen.

„’n Abend, Herr Lántos, hier ist Ihre süße Fee“, begrüßt sie ihn gutgelaunt und will ihm das Kuchenpäckchen überreichen.
„Sie sind wirklich ein Schatz, herzlichen Dank. Ich habe, ehm, ich meine – ich weiß nicht, ob Sie in Eile sind, ...“
„Nein, bin ich eigentlich nicht. Die Mädchen kommen erst gegen halb neun“, sagt sie und fügt stolz hinzu: “Heute Abend ist Generalprobe für die Gala am Sonntag.“
John wird ein bisschen euphorisch: „Am Sonntag! Das wird sicher eine großartige Sache, meine Vermieterin hat mir eine Karte besorgt. Ich freue mich riesig auf Ihre Töchter, auf ihren Auftritt. Wie Sie die zwei über all die Jahre begleitet haben, das bewundere ich. Fast wie ein Großvater hab ich sie aufwachsen sehen; immer wenn sie ins Geschäft kommen, strahlen sie so eine Lebensfreude aus, eine Fröhlichkeit ... aber was reden wir zwischen Tür und Angel? Ich habe Tee gemacht, wenn Sie mögen ...?“
Ein feiner Duft von Vanille und Himbeeren kommt mit ihr ins Haus.
John hat Kerzen und Teelichte angezündet, beinahe feierlich präsentiert sich der kleine Tisch. „Oh, Herr Lántos, das haben Sie wirklich schön gemacht“, sagt sie und folgt seiner Einladung, sich zu setzen.
Es sind zwei Portionen Pavlova, John Lantos kann nicht widerstehen und nimmt ein Stück. Himbeeren, Sahne, Baiser – für einen Moment schließt er genießerisch die Augen und fragt dann: „Shirley, nehmen Sie nichts?“
„Ich darf nicht. Jill und Claire bringen noch Pizza mit, wenn sie nachhause kommen“, sagt sie, „da werd’ ich immer schwach nach all den süßen Sachen.“
„Aber hier haben Sie sich wieder einmal selbst übertroffen, wirklich köstlich. Übrigens, dieses schöne Kettchen“, er zeigt auf ihr Dekolleté, „haben Sie das in England gekauft?“
„Nein, von meiner Mutter hab ich das. Wieso?“
„Ach, ich frag nur. Könnte aus Asien sein. Schönes Stück, das Changieren zwischen Grün und Gelb lässt an ein Tigerauge denken.“
„Tigerauge? Ja, genau. Hat meine Mutter auch immer gesagt. Und das stimmt ja auch.“
„War sie mal in diesen Ländern?“
„Nein, ich glaube nicht. Ich weiß aber, dass ihr erster Freund dort war, der war Seemann.“
„Seemann war der? Ich bin auch mein ganzes Leben zur See gefahren – aber in der Kombüse.“
„Und haben dabei die Welt gesehen?“
„Darauf kam es mir an. Ich mag meinen Beruf, aber ich muss immer schauen, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Hab in meiner Jugend zu viele Abenteuerschwarten gelesen. Da kann man nicht an Land bleiben.“
„Dann sind Sie ein echter Abenteurer! Ich dachte, die wären schon ausgestorben. Hatten Sie nie Familie?“
„Nein, leider nicht. Ich war schon als Junge anders, und die Arbeit auf den Schiffen war für mich genau das Richtige. Die anderen waren schon verheiratet, aber ich war noch bei meiner Freundin.“ Er zeigt auf die Teekanne. „Darf ich noch ...?“
„Eine halbe Tasse, bitte.“
„Allerdings“, fährt John fort, „stellte sie mir ein Ultimatum: Entweder sie oder die See. Das waren die schwersten Tage in meinem Leben. Ich habe fürchterlich gesoffen, Streit und Schlägereien angezettelt und war nicht wiederzuerkennen. Da hab ich meine besten Freunde verloren, die dachten alle, ich sei verrückt geworden. Und Tessa ...”
“Tessa?” Sie setzt abrupt die Tasse ab, es scheppert ein wenig.
„Ja, Tessa Adamsson, das schönste Mädchen unter der Sonne.“ Johns Stimme wird eindringlich: „Ich hab mir nie verziehen, dass ich gegangen bin, aber ich konnte nicht anders.“ Leise fügt er hinzu: „Die See hab ich gehasst dafür; die war immer stärker als ich.“
Shirley nimmt eine Himbeere und fixiert sie wie eine Wahrsagerin die Kristallkugel. „John –“, sagt sie, „hat Tessa Sie so angesprochen? Einfach nur John?“
„Mich? Die Tessa? Eh, nein, sie rief mich ‚Blue’ – weil ich so seeverrückt war.“ John tupft die Mundwinkel ab.
„Tessa Adamsson hat Sie ‚Blue’ genannt?“, ruft Shirley, ungläubig bleibt ihr Mund offen. „Wahnsinn, das ist ja irre! Ich kann das gar nicht glauben – mein charmanter Herr Lántos war der wilde ‚Blue’!“
„Na, so wild war ich nun auch nicht. Nur ein bisschen anders, vielleicht."
Beide schweigen, dann sagt Shirley: „Meine Mutter hat mir oft von ‚Blue’ erzählt; ich glaube, sie hat viel für Sie empfunden.“
„Shirley, warten Sie mal, ich versteh’ nicht. Ihre Mutter ist Tessa?“
„Ja, das ist sie. Ich will Ihnen nicht wehtun, aber es gibt nur einen ‚Blue’ – und sie hat lange gewartet, ob der vielleicht doch der Seefahrt Ade sagt, aber das wissen Sie ja selbst. Sie hat sich dann von einem Gärtnermeister heiraten lassen.“
„Das war sicherlich die bessere Wahl.“
„Nein, bestimmt nicht. Ich weiß, so sollte ich nicht über meinen Vater sprechen, aber der wollte möglichst viele Kinder mit ihr haben; das wären alles fleißige Hände in der Gärtnerei gewesen – doch er hatte sich verrechnet. Schon kurz nach meiner Geburt hat sie ihn verlassen."
John Lántos legt die Kuchengabel ab und zwingt sich, ihrem Blick standzuhalten. So zerknirscht hat ihn Shirley noch nie gesehen, begütigend legt sie die Hand auf seine. Er rührt in der Tasse herum, der Kandis ist längst aufgelöst. „Ich brauch’ einen Schnaps“, sagt er und steht auf.
Dann ruft er aus der Küche: „Willst du auch einen?“
Shirley erhebt sich ebenfalls. „Aber ja! Einen dreifachen!“
„Abgelehnt, ich kann nicht zusehen, wie sich eine junge Frau zu Tode säuft.“ An der Küchentür stoßen sie fast zusammen, John stellt die Gläser mit Schwung auf einen Sims und hat beide Hände frei, Shirley zu umfassen und sie mit einer Armlänge Distanz anzuschauen. „Ich war ein Riesen-Egoist, Schande auf mein Haupt. Kann’s nicht mehr rückgängig machen.“ Sein Blick löst sich von ihren Augen. „In jungen Jahren ist eben doch alles anders.“
„Ach, John. Niemand macht dir einen Vorwurf.“
Sie nippen am Calvados, reden und reden, bis Shirley sagt: „Gott, schon nach acht! Ich muss los.“
“Aber die beiden haben doch Handys?", sagt John Lántos. "Dann könnten sie doch mit der Pizza hierher kommen."

 

Liebe Gemeinde,

hier ist mein erster Lore-Roman im Kleinformat. Nur zur Warnung.
Bedenkt aber, Ihr werdet auch mal alt. (Leider gibt’s dafür keine Garantie:baddevil:.)

Dennoch drücke ich Euch die Daumen!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo josefelipe
Rechtschreibfehler habe ich beim ersten lesen nicht gefunden, genauso wenig unschöne Wiederholungen, oder ähnliches. Tatsächlich habe ich nur ein Detail gefunden, dass mir nicht so ganz gepasst hat:

oder wird er gaga?
Dieses Wort passt nicht zu seiner restlichen Sprache und Ausdrucksweise. Klingt irgendwie zu "neu".
Lieber sowas wie dement.

Und ich weiß nicht so recht, wie ich es finden soll, dass Teile des dritten Absatzes kursiv stehen.
Klar, ich kann mir vorstellen, was du dir dabei gedacht hast, aber na ja. Es ist ja nicht wirklich ein Rückblick, da du immer wieder erwähnst, dass er sich an diese Szenen erinnert.
Und bei Sätzen wie Seine Kindheit fällt ihm immer häufiger ein ist es gar nicht mehr nachvollziehbar, warum der jetzt, logisch betrachtet, kursiv stehen sollte. Klar, es gehört auch noch zu dem Erinnerungspaket, aber wie gesagt denke ich, auch das sollte nicht kursiv sein.
Dieser Punkt ist aber wohl Geschmachssache, mal sehen, was die anderen dazu sagen.

Das war auch schon alles, was ich an deinem Text zu meckern finde.

Dafür finde ich, dass du mit der Geschichte sehr gut deine Figur zeichnest, mit leicht nachvollziehbaren Gedanken und sehnsüchtigen Erinnerungen. Da du so genau die kleinen Mäkel aufzeigst, die seinem Alter geschuldet sind, kann man sich sehr gut hineinversetzen, selbst ich, obwohl ich noch sehr jung bin, also noch keinerlei diesbezügliche Erfahrungen gemacht habe.

Auch, dass er am Ende fast die Vaterrolle annehmen kann, in der er sich ja eigentlich schon die ganze Zeit zu Hause fühlt, finde ich sehr schön gemacht.

Sorry, mein Kommentar war jetzt weder sonderlich lang, noch besonders konstruktiv, ich hoffe, du kannst trotzdem irgendetwas damit anfangen.

Viele Grüße,
Anna

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo josefelipe,

Opa Blue mit seinen alltäglichen Gewohnheiten und altersbedingten Gebrechlichkeiten hast du gut gezeichnet. Auf seine Darstellung legst du im Text auch viel Gewicht. Das fand ich stark. Shirleys Alter konnte ich zu Beginn nicht einordnen. Das ist vllt. Absicht von dir.
Gut, dass Shirley nun ausgerechnet die Tochter SEINER Tessa ist, ist schon ein riesiger Zufall. :Pfeif:

Kühl ist es und trocken, zu Mantel und Hut trägt er einen leichten Schal – weniger des feschen Aussehens wegen als den Hals zu wärmen.
John Lántos wirft dessen Ende über die Schulter.
Dessen Ende klingt, als hätte der Schal nur ein Ende (und einen Anfang).

Er konnte mit Alkohol nicht umgehen, es war einfach widerlich, wenn er seine Wodka-Tage hatte.“
„Ich brauch’ einen Schnaps“, sagt er und steht auf.
Dann ruft er aus der Küche: „Willst du auch einen?“
Sie berichtet von einem traumatischen Kindheitserlebnis im Zusammenhang mit Alkohol und er bietet ihr daraufhin einen Schnaps an? :schiel:

Bei dem kursiven Textteil sehe ich es ähnlich wie annami. Für mich müsste lediglich das hier...

Da ist er der Gewitzte, der über Bäche balanciert, in den Baumwipfeln zu Hause ist, ohne Sattel reiten kann – Räuber und Gendarm in einer Person.
... kursiv gesetzt sein.

Das nur ein kleiner Leseeindruck von mir.
Viele Grüße und schönes Wochenende.
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola josefelipe,

na, da hab ich ja was erwartet. :lol: So ein Loreheft hatte ich tatsächlich vor 35+ Jahren mal gelesen, und soweit ich mich erinnere, triffst du den Ton v.a. beim Teegespräch wirklich gut. (Meine Mutter und ich haben eine ausgesprochene Allergie gegen Liebesromane und Romantik, aber in einem Spanienurlaub so ein Heft am Flughafen gekauft und uns das dann gegenseitig Tränen lachend vorgelesen. Von daher hab ich durchaus gute Erinnerungen an das Genre. :D)

Ich hab's richtig gern gelesen, das ist eine schöne Geschichte, bei der weder Ironie noch Melancholie zu sehr betont werden. Der ganze Text hat eine angenehme Leichtigkeit, die aber nie banal wirkt.

Ein paar Anmerkungen:

Durch den schmerzhaften Aufstieg vergeht ihm die gute Stimmung, er setzt sich für einen Moment auf die Couchlehne. Im Spiegel gegenüber betrachtet er den alten Herrn mit verwegenem Hut und einigen Lebensschrammen im Gesicht und findet sich ganz passabel. Vor Shirley will er eine gute Figur machen.
Ich bin da keine Expertin, aber sicher, du wechselt im ganzen Text zu hart und grundlos zwischen erlebter Rede und auktorialem Erzähler hin und her. Die meisten 3.-Person-Erzähler sind ja eine Mischung aus personal und auktorial, allerdings sehe ich hier zu oft unmotivierte Brüche anstelle sinnvoller Wechsel. Das war die einzige Sache, die mich hier durchgehend etwas gestört hat, das wär aber schnell zu beheben, so du wolltest. -> Hier: Vor Shirley wird / würde er eine gute Figur machen (oder abgeben).

Kühl ist es und trocken, zu Mantel und Hut trägt er einen leichten Schal
-> Subjektwechsel in einem Satz (s.u.)

Auf dem Vertiko liegt die Brille samt Etui. Nochmals vierzehn schmerzhafte Stufen,
-> Sorry, ich bin vielleicht schwer von Begriff, aber das klingt, als seien die Stufen in der Wohnung.
man soll denken, er sei unverwüstlich.
-> man ist hier zu vage (das wird ja auch oft für den Erzähler genommen, „man könnte denken“. Die Leute auf der Straße / anderen Passanten oder so fände ich besser.

– weniger des feschen Aussehens wegen als den Hals zu wärmen.
-> wegen KOMMA. Weniger – wegen ist eh nicht die schönste Kombi, den Satz könntest du etwas begradlinigen.

Es wäre zu überlegen, aus dem Intro ein paar Zipperlein zu kürzen. Ich war kurz davor, den Prot als nervigen, selbstzentrierten Jammerlappen zu sehen, der er ja gar nicht ist. Hier wär weniger eventuell mehr, seine Situation und Haltung dazu wird schon schnell genug deutlich. Ich rede nur von zwei, drei Sätzen, also nur so ein dezentes Entschlacken. Du brauchst ja auch den langsamen Einstieg, das erkenne ich durchaus.

Krusenstern -> Was gelernt, das wollte ich dir schon anstreichen, aber deine Version ist korrekt. Ich kenne nur den internationalen Namen des Schiffes, der überall als Kruzenshtern transkribiert wird.

ans gebrochene Nasenbein am Barren
-> Da ist die Syntax kaputt, die Nase hinge am Sportgerät. Vielleicht: ans vom / am Barren gebrochene Nasenbein.

Sie wird ihn nach seinen Wünschen fragen, obwohl sie die schon kennt, und als Stammgast wird er entweder „So wie immer“ sagen oder „Haben Sie etwas Neues?“
Red Herring Alarm, du Schelm! (Oder war ich auf dem falschen Dampfer mit meiner Freier –Assoziation?)

Er verehrt sie, erinnert sich an ihre ersten Marmeladenschnecken mit stumpfer Glasur
-> Klasse Übergang.

Ein sonderbares Ziehen verspürt er in der Brust, er schafft es aber noch, die Haustür aufzuschließen.
-> Subjektwechsel innerhalb eines Satzes ist unelegant, und hier unnötig.

Seine Finger wollen den Krawattenknoten lösen, jedoch ist er schon eingeschlafen, bevor das gelingt.
-> Schönes show, don’t tell, ein toller Satz.

„Nein, bin ich eigentlich nicht. Die Mädchen kommen erst gegen halb neun“, sagt sie und fügt stolz hinzu: “Heute Abend ist Generalprobe für die Gala am Sonntag.“
-> Ich hab das so verstanden, dass die Mädchen ihre Töchter sind, ein Fingerzeig, dass sie verheiratet ist. Das scheint sich aber später nicht mehr zu bestätigen, oder hat er mit der Flirtidee endgültig abgeschlossen und lädt dann ihre Familie zum freundschaftlichen Pizzaessen ein?

ich versteh’ nicht
-> da fände ich schöner: entweder ich verstehe nicht oder das versteh ich nicht (ansonsten klingt das nach Register-Mix.)

John Lántos legt die Kuchengabel ab und zwingt sich, ihrem Blick standzuhalten.
-> Hahaha, super!!! Kuchengabel und standhalten. Die Namen sind überhaupt klasse.

„Ich brauch’ einen Schnaps“, sagt er und steht auf.
-> Der Wechsel von förmlich werbend zu dieser lakonischen Vertrautheit ist echt sympathisch.

„Ach, John. Niemand macht Dir einen Vorwurf.“
Sie nippen am Calvados, reden und reden, bis Shirley sagt: „Gott, schon nach acht! Ich muss los.“
“Und wenn die beiden mit der Pizza hierher kämen?“, sagt John Lántos, „Ihr habt doch diese modernen Telefone.“
-> dir klein, da das kein wiedergegebener Brief ist. (Nur Sie bliebe groß.) "moderne Telefone" - ich kenne Rentner, die nichtmal einen Anrufbeantworter haben, aber sogar die wissen, dass das Ding "Handy" heißt.
Hm. Der Schluss ist ein bissl abrupt. Das mit dem Calvados, dieser Wechsel von flirtigem Tea for Two zum Schocktrinken und Duzen ist richtig schön gemacht. Dann bricht die Atmosphäre für mich mit dem banalen Pizzaessen, das ist ja so ex und hopp, und ehrlich gesagt hab ich keinen Plan, was die Implikationen sein sollen. Sind das ihre Töchter und hat er sich da von seinen romantische Gedanken verabschiedet? Sind das WG-Mitbewohnerinnen / Freundinnen, und die Einladung ist ein Zeichen für den zaghaften Beginn einer Beziehung? Sind beide jetzt einfach nur gut befreundet, und das Pizzaessen hat gar nichts zu sagen? Nicht, dass es am Ende super dramatisch sein muss, aber etwas Spezielleres, Eindeutigeres oder zumindest (denn das könntest du sicher) etwas Geistreich-Schräges hätte wesentlich besser zur Geschichte gepasst. So wird man etwas rüde abgefertigt. (Wie gesagt, es kann sein, dass ich weiter oben was missverstanden hab. Trotzdem ist mir die Pizza zu alltäglich, das riecht nach Aldi Tiefkühl).

Schöne Geschichte, obwohl das überhaupt nicht mein Genre ist (meine: melancholisch-humorvolle Alltagsromantik). Ich hab mich leicht verschämt wirklich dabei ertappt, mit John mitzufiebern, ob er nun das junge Mädel kriegt.

Zum Titel: Opa finde ich sehr wertend vom Erzähler, und diese Haltung taucht so nie wieder in der Geschichte auf. Bei dem Titel hab ich überhaupt spontan an Blauschimmelkäse gedacht, sorry. (Dabei ist die Auflösung so schön.) Ich finde, die Geschichte hätte einen weniger (ab)wertenden Titel verdient, denn die Ironie darin ist sehr viel subtiler und eleganter.

Da kann man nicht an Land bleiben.
-> Ja, das hab ich auf meine alten Tage auch erkannt.

Herzliche Grüße und ahoi, Katla

 

Hola annami,

besten Dank für Deinen Leseeindruck.

Rechtschreibfehler habe ich beim ersten lesen nicht gefunden, genauso wenig unschöne Wiederholungen, oder ähnliches.
Na, das ist doch schon die halbe Miete! Hat aber nix mit Können zu tun, eher mit Geduld. Ich kann es jüngeren Autoren nicht verdenken, ihre Texte zu posten, ohne sie mit aller Gründlichkeit überprüft zu haben. Man will schnell Anerkennung und Lob – aber das wiederum ist schwierig, wenn nicht genug Sorgfalt aufgewendet wird.

Deinen Einwand verstehe ich gut:

... oder wird er gaga?
Dieses Wort passt nicht zu seiner restlichen Sprache und Ausdrucksweise.
Unbestritten! Dachte mir schon, dass das ein falscher Zungenschlag sein könnte.
Lieber sowas wie dement.
Gerade das wollte ich vermeiden. Schrecklich langweilig. Zudem erfreut sich ‚gaga’ in meinen (Alters)-Kreisen großer Beliebtheit, weil man damit so schön jugendlich kokettieren kann: Auch wenn die anderen abbauen – man selbst ist noch lange nicht gaga. Doch bleibt es dabei:
Klingt irgendwie zu "neu".

Den kursiven Teil – da muss ich Dir selbstverständlich recht geben – habe ich auf ‚normal’ umgestellt. Danke für den Tipp.

Sorry, mein Kommentar war jetzt weder sonderlich lang, noch besonders konstruktiv, ich hoffe, du kannst trotzdem irgendetwas damit anfangen.
Ja, das kann ich wirklich. Ich finde das toll, dass hier Jung und Alt einen gemeinsamen Nenner finden.

Danke schön, annami, und viel Freude beim Frühlingserwachen!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola wegen,

besten Dank für Deinen Post.

... dass Shirley nun ausgerechnet die Tochter SEINER Tessa ist, ist schon ein riesiger Zufall.
Das ist genau das, was ich umgehen wollte. Das mit dem Lore-Roman wollte ich nicht übertreiben; ich sehe aber, dass es bei Dir so angekommen ist.
Um diesen Unfall zu vermeiden, hatte ich mMn den Text so ausgerichtet, dass dieser Schluss eigentlich nicht gezogen werden kann – eigentlich.
Whatsoever, nun hab ich’s verdeutlicht:
... so sollte ich nicht über meinen Vater sprechen, ...
... den Gärtnermeister:cool:...
So ein Loreheft hatte ich tatsächlich vor 35+ Jahren mal gelesen, und soweit ich mich erinnere, triffst du den Ton v.a. beim Teegespräch wirklich gut.
Gell? Hab’s bisserl aufgepeppt: Im wahren Leben war John Lántos ein echter Graf und Shirley des Waschermaderl.
John Lántos wirft dessen Ende über die Schulter.
Dessen Ende klingt, als hätte der Schal nur ein Ende (und einen Anfang).
Und was ist daran so störend, meine Dame? Selbstverständlich hat er nur ein Ende, wie auch nur einen Anfang. Wie ein Leben auch, oder eine Natter, eine Salami.
Von wegen: Alles hat einmal ein Ende, nur die Wurst hat zwei – sie hat nur eines, denn da, wo Du anschneidest, ist der Anfang.
Sie berichtet von einem traumatischen Kindheitserlebnis im Zusammenhang mit Alkohol und er bietet ihr daraufhin einen Schnaps an?
Nicht gut. Ist jetzt gestrichen – und danke für den Hinweis.
Bei dem kursiven Textteil sehe ich es ähnlich wie @annami.
Ja, da war nicht viel Überzeugungsarbeit zu leisten, hab’s auf ‚normal’ umgeändert.

Liebe wegen, besten Dank für einige Anstöße. Ich wünsche Dir einen schönen Frühling.
José

[QUOTE wegen:]PS: 35+
Hey José,
da bist du mit den Kommentaren durcheinander gekommen. Vor 35+ Jahren gabs für mich noch Bilderbücher.
[/QUOTE]
Nein, Irrtum! Ich bringe nie etwas durcheinander!

John Lántos;)

 

Ahoi josefelipe,

schöne Geschichte über einen Gentleman der alten Schule, der selbst auf einem Spaziergang die Krawatte nicht vergisst. Dafür aber, warum er die Schlüssel noch in der Hand hat.
Durch diese kleinen Vergesslichkeitsdetails hast du Johns Angst vor der Verkalkung glaubhaft dargestellt, auch, dass der Verfall des Körpers eine schleichende, ernüchternde Sache ist, obwohl man doch gestern noch jung war und es auf gewisse Art auch immer bleiben wird, wie der Gedanke an den Heiratsantrag zeigt. Das fand ich sehr rührend.

Es wurde schon gesagt, dass Johns Gebrechlichkeit etwas zu viel Raum einnimmt. Sicherlich wolltest du damit einen Kontrast zu seinem Innenleben schaffen, aber auch mir war das etwas zu viel des Guten. Ich habe ihn so gebrochen vor mir gesehen, als wäre er schon über hundert, und das hat mich irritiert. MMn könntest du die Gebrechlichkeit etwas reduzieren und dafür die Gentleman-Ebene mehr hervorheben.

Kleinkram:

Ist sicher Geschmackssache, aber es irritiert mich immer, wenn zunächst von "er" die Rede ist, und plötzlich kommt der Name. Ich hätte es besser gefunden, wenn der Name eher gekommen wäre.

" ... gleich wird sie ihn begrüßen, mit diesen Bernsteinaugen unter blondem Stoppelhaar anschauen, die er nicht enträtseln kann ..."
Der Satz klingt holprig. So als könne er das Stoppelhaar nicht enträtseln. Vielleicht kannst du den ja noch umformulieren.

" ... wirklich köstlich - Er zeigte auf ihr Dekolletè ..."
Huch, was ist denn jetzt los. Was für ein Wüstling, dachte ich, aber dann:
"Übrigens dieses schöne Kettchen ..." vielleicht sollte er erst jetzt auf ihr Dekolletè zeigen. Um Missverständnissen vorzubeugen.

"Meine Mutter hat mir oft von Blue erzählt ..." Hier kommt mir das zu gelassen, zu sehr im Plauderton. Ich würde es besser finden, wenn der Schockmoment noch mehr herausgezögwrt würde, das Entsetzen über diesen unglaublichen Zufall wird mir hier zu früh ausgebremst.

Ansonsten hoffe ich, sie haben sich alle zusammen die Pizza schmecken lassen.

Herzliche Grüße von Chai

 

[ @wegen:]PS: 35+
Hey José,
da bist du mit den Kommentaren durcheinander gekommen. Vor 35+ Jahren gabs für mich noch Bilderbücher.
Nein, Irrtum! Ich bringe nie etwas durcheinander!

John Lántos

Hey José,
hm ok, ich check es nicht. Btw, gar nicht charmant, meine PN hier ungefragt in dem Post zu zitieren! :p

VG
wegen

 

Hola wegen,

ein arger Fauxpas, das muss ich eingestehen. Hirnlos.
Ich hoffe, Du nimmst meine Entschuldigung an.

José
PS:
Natürlich bin ich durcheinander gekommen, wollte nur meine Zerstreutheit mit der von John Lántos vergleichen. Vielleicht ist es bei mir noch schlimmer.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Katla,

meinen Dank für Deinen kolossalen Kommentar! Deine Anmerkungen haben allesamt Hand und Fuß. (Deutschlehrerin?)

... du wechselt im ganzen Text zu hart und grundlos zwischen erlebter Rede und auktorialem Erzähler hin und her. Die meisten 3.-Person-Erzähler sind ja eine Mischung aus personal und auktorial, allerdings sehe ich hier zu oft unmotivierte Brüche anstelle sinnvoller Wechsel.
Da hast Du recht. Hab keine Ahnung, wie das zustande kam.
... das wär aber schnell zu beheben, so du wolltest.
Wollen tät ich schon, hab allerdings das Gefühl, dieser Text ist schneller verschwunden als ich ihn verbessern kann.
Macht aber nix – irgendwann schreib ich wieder mal was, und da werde ich den Fokus drauf richten. Jedenfalls Danke für diesen Hinweis, das ist eine Schwachstelle bei mir.
Kühl ist es und trocken, zu Mantel und Hut trägt er einen leichten Schal
Subjektwechsel in einem Satz
Natürlich hast Du recht, trotzdem bin ich hier aufsässig: Trennte ich mit Semikolon oder Punkt, wäre es korrekt – so aber ist es ein Fehler. Abgesehen von unserer wahnsinnigen Groß- und Kleinschreibung ist unsere Sprache nicht starr. ‚Ich hab / find ...’ ist ja schon salonfähig, und auch dieses Beispiel liest sich mMn gut und glatt – aber ich rufe ‚Peace’ und verzichte auf private Sonderegelungen:).
Auf dem Vertiko liegt die Brille samt Etui. Nochmals vierzehn schmerzhafte Stufen,
Sorry, ich bin vielleicht schwer von Begriff, aber das klingt, als seien die Stufen in der Wohnung.
Vor der Wohnung, im Treppenhaus – ist doch egal. Jedenfalls muss er hoch und wieder runter. Er wohnt in der ersten Etage. Dachte ich so.
... man soll denken, er sei unverwüstlich.
man ist hier zu vage (das wird ja auch oft für den Erzähler genommen, „man könnte denken“. Die Leute auf der Straße / anderen Passanten oder so fände ich besser.
Ist geändert. (Aber ehrlich gesagt finde ich keinen Unterschied zwischen ‚man’ und ‚die Leute ...’. Ich glaube, hier gebricht es mir an Feingefühl (oder Geist).
– weniger des feschen Aussehens wegen als den Hals zu wärmen.
wegen KOMMA. Weniger – wegen ist eh nicht die schönste Kombi, den Satz könntest du etwas begradlinigen.
Hab’s gestrichen. Jetzt heißt es:
... zu Mantel und Hut trägt er einen leichten Schal. John Lántos wirft dessen Ende über die Schulter.
ans gebrochene Nasenbein am Barren
Da ist die Syntax kaputt, die Nase hinge am Sportgerät. Vielleicht: ans vom / am Barren gebrochene Nasenbein.
Heißt jetzt:
... ans gebrochene Nasenbein beim Barrenturnen.
Red Herring Alarm, du Schelm! (Oder war ich auf dem falschen Dampfer mit meiner Freier –Assoziation?)
Ganz und gar nicht. Hab selbst gekichert.

Ich hab das so verstanden, dass die Mädchen ihre Töchter sind, ein Fingerzeig, dass sie verheiratet ist. Das scheint sich aber später nicht mehr zu bestätigen, oder hat er mit der Flirtidee endgültig abgeschlossen und lädt dann ihre Familie zum freundschaftlichen Pizzaessen ein?
Von ihrer Familie kann keine Rede sein, sie hat lediglich zwei Töchter. Und niemand hat jemanden zum Pizzaessen eingeladen – wo hast Du das denn gelesen?

Ich habe nicht von einer ernsthaften Flirtidee geschrieben, sondern von solchen Gedanken, die er schon seit ewigen Zeiten kennt und die ihm auch im Alter gelegentlich in die Quere kommen.
Liebe Katla – bis hierher hast Du mir auf handwerklichem Gebiet unter die Arme gegriffen, vielen Dank.
Jetzt lese ich allerdings:

... es kann sein, dass ich weiter oben was missverstanden hab.
Da bin ich ganz sicher. Du hast gezielt nach Fehlern Ausschau gehalten, und dazu reicht es, querzulesen. Nur ist es irritierend, welche Interpretationen dabei herauskommen:
... flirtigem Tea ...
Von Flirt war nie und nimmer die Rede.
... Schocktrinken ...
Wie bitte? Er spricht von ‚einem Schnaps’.
Sie nippen am Calvados, reden ...
Dann bricht die Atmosphäre für mich mit dem banalen Pizzaessen, das ist ja so ex und hopp, ...
Das Pizzaessen ist nicht banal, viel mehr böte es die Möglichkeit, einander kennenzulernen, vielleicht sogar irgendwann Enkel und Opa ‚Blue’ zu sein.
Und „Ex und hopp“ ist auch Quatsch, denn Mutter und Töchter haben schon weit vorher das gemeinsame Pizza-Abendessen geplant, und wenn John, sehr berührt von der Anwesenheit eines geschätzten Menschen, gerade beginnt, sich großartig zu fühlen und das so abrupt abgeschnitten werden soll, dann versucht er eben, eine Verlängerung zu erzielen. Ich würde mich nicht anders verhalten.

Sind das ihre Töchter und hat er sich da von seinen romantische Gedanken verabschiedet?
Diese Frage stellt sich wirklich nicht. Und die nächste ist auch Quark:
Sind das WG-Mitbewohnerinnen / ...
Das ist wirklich daneben. Da weiß ich auch nicht, was ich darauf antworten soll.
Trotzdem ist mir die Pizza zu alltäglich, ...
Ich habe ‚Alltag’ getaggt, und Pizza ist nun einmal alltäglich.
... das riecht nach Aldi Tiefkühl).
Aber, aber - wer kauft denn schon bei Aldi ein?:D:D

LG
José

 

Hallo Josefelipe,
Zuerst mal ein wenig. Krittelei: Für eine von der Anstrengung ermüdete Schulterpartie passt für mich „rundlich“ nicht. Da denk ich eher an eine Polsterung. Rund? Gerundet? Gebeugt?
Und seinen Namen würde ich noch nicht am Anfang nennen. Liest sich so nach bemüht um Klärung.
„John Lántos wirft dessen Ende über die Schulter…“ Ich finde, da kommt er früh genug.
Dir ist da ein wunderbarer feiner Text gelungen. Alt werden ist nichts für Feiglinge. Aber dieser John Lántos hat viel leise Ironie für sich selbst übrig, viel Würde, viel Freude am Leben. Ich habe ihn sehr gern begleitet in seine Gefühlswelt und durch seine Mühen.
Das Geschenk, das er am Ende bekommt, gönnt man ihm von Herzen!
Herzlichen Gruß von
wander

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber josefelipe,

ich finde „Opa Blue“ als Titel absolut schön und passend für deine kleine Geschichte, da schwingt Melancholie mit und Selbstironie und ein bisschen Trotzigkeit – also, ich empfinde den „Opa“ gar nicht abwertend. Wie du deinen John Lántos einführst, gefällt mir gut, ich kann mir den richtig vorstellen, so einen Old-School-Gentleman, sehr sympathisch.

Durch den schmerzhaften Aufstieg vergeht ihm die gute Stimmung, er setzt sich für einen Moment auf die Couchlehne. Im Spiegel gegenüber betrachtet er den alten Herrn mit verwegenem Hut und einigen Lebensschrammen im Gesicht und findet sich ganz passabel. Vor Shirley will er eine gute Figur machen.

Auf dem Vertiko liegt die Brille samt Etui. Nochmals vierzehn schmerzhafte Stufenn, doch beim Öffnen der Haustür strafft er sich und marschiert los.

Der Absatz hat mich irgendwie gestört und den Lesefluss gebremst, da ist doch eh schon ein Umbruch, der genügt mMn. Und, nur ein Vorschlag: besser finden würde ich an der fett gesetzten Stelle „Wieder vierzehn schmerzhafte Stufen zurück“, weil man sonst das Gefühl hat, er muss noch weiter hoch nach der Pause - unlogisch, ich weiß, aber Gefühl ist Gefühl.;)

Schön finde ich auch, wie er sich seinen Gedanken an die Jugend bis ins letzte Detail hin gibt und sich an alles erinnern kann, und dann plötzlich dasteht und nicht mehr weiß, ob er abgeschlossen hat. Der Arme.

So, dann habe ich aber ein wenig den Faden verloren, ein typischer Fall von Hä? Erst sagt er, dass er sich vergewissern muss, dass abgeschlossen ist, also will eigentlich zurückgehen, dann redet er davon, dass „sie“ ihn gleich begrüßen wird, dann merkt er, dass abgeschlossen ist und dann tritt er den Heimweg an:

Er muss sich vergewissern, sonst begleitet ihn diese Unsicherheit für den Rest seines Spaziergangs.
Nur ruhig Blut, gleich wird sie ihn begrüßen …. Es ist wie so oft: Die Tür ist abgeschlossen, aber er ist genervt …. und tritt verdrossen den Heimweg an
Vllt. habe ich das falsch interpretiert, oder vllt. meinst du mit „Es ist wie so oft“ eher „Es wird wie so oft sein“?

Du hast da ja inzwischen etwas geändert, habe ich gesehen, mit der Konditorenmütze, so dass man gar nicht erst auf falsche, schmutzige Gedanken kommt, was er bei ihr wohl macht und nach welchen Wünschen sie fragt – schade … Mir hat das gut gefallen, ich habe ja auch kurz gedacht, Oha, der geht jetzt in den Puff, aber da es im nächsten Absatz gleich klar wird, dass es das nicht ist, habe ich mich auch gar nicht veralbert gefühlt und fand das eher witzig, selbst dran Schuld, wenn man immer nur an das Eine denkt ... ;)

John Làntos ist hellwach. Die Shirley ruft ihn an! Das ist völlig verrückt, er hat gar keine Zeit, eine gescheite Antwort zu formulieren
Das ist soooo süß … :herz:

Der Gedanke, die Nachbarn bekämen es mit, dass eine attraktive Frau am Abend den Herrn Làntos besucht, amüsiert ihn. Eine Serviette segelt zu Boden, er fängt sie im Flug. Eine überschwängliche Laune überkommt ihn, vielleicht will er ihr einen Heiratsantrag machen? Jetzt ist er völlig übergeschnappt. Trotzdem nimmt er die feine Schere und die Vergrößerungsseite des Rasierspiegels, schnippelt hier und da, stutzt die Brauen, entfernt ein Härchen, das aus der Nase lugt und eines am Ohr. Er muss an eine Filmszene denken, bei der sich eine Dame Parfüm hinters Ohr tupft. „Shirley tut das nicht“, sagt er leise, „aber wenn ich jünger wäre?“ Ein bisschen grinsen muss er schon – wird er sich solche Illusionen nie aus dem Kopf schlagen? Und als er noch sein Aussehen überprüft, schellt es.
Statt den Türöffner zu drücken, eilt er die Treppe hinunter, um Shirley persönlich die Tür zu öffnen.
Diese Szene finde ich auch wunderbar, dieser ganze emotionale Höhenflug, das macht richtig Spaß und man gönnt es ihm richtig, dieses Gefühl, und sicher tut überhaupt nix weh, als er die Treppe hinuntereilt.

Shirley nimmt eine Himbeere und fixiert die wie eine Wahrsagerin die Kristallkugel
Ich finde „sie“ klingt schöner.

Na, dass sich dann alles am Ende so ergibt, ist ja schon ein großer Zufall, aber wie das Leben eben manchmal spielt, und ich kann mir vorstellen, dass John jetzt nach den ganzen Jahren ohne Familie doch noch richtigen Anschluss bekommt und ein richtiger Opa werden kann.

Eine schöne Geschichte, Josefelipe!
Viele Grüße von Raindog

 

Hola Chai,

sei gegrüßt und bedankt für Deinen Kommentar. Viel hast Du nicht kritisiert, doch in allen Punkten muss ich Dir recht geben – und hab sie auch entsprechend verändert:

Ist sicher Geschmackssache, aber es irritiert mich immer, wenn zunächst von "er" die Rede ist, und plötzlich kommt der Name. Ich hätte es besser gefunden, wenn der Name eher gekommen wäre.
Hab’s geändert.
" ... gleich wird sie ihn begrüßen, mit diesen Bernsteinaugen unter blondem Stoppelhaar anschauen, die er nicht enträtseln kann ..."
Der Satz klingt holprig. So als könne er das Stoppelhaar nicht enträtseln. Vielleicht kannst du den ja noch umformulieren.
Stimmt. Jetzt heißt es:
Nur ruhig Blut, gleich wird sie ihn begrüßen, ganz in Weiß, die Konditorenmütze im blonden Stoppelhaar, und ihn anschauen mit diesen Bernsteinaugen, die er nicht enträtseln kann.

" ... wirklich köstlich - Er zeigte auf ihr Dekolletè ..."
Huch, was ist denn jetzt los. Was für ein Wüstling, dachte ich, aber dann:
"Übrigens dieses schöne Kettchen ..." vielleicht sollte er erst jetzt auf ihr Dekolletè zeigen. Um Missverständnissen vorzubeugen.
Da fängt bei Dir schon der Wüstling an? Jedenfalls heißt es jetzt:
„Aber hier haben Sie sich wieder einmal selbst übertroffen, wirklich köstlich. Übrigens, dieses schöne Kettchen“, er zeigt auf ihr Dekolleté, „haben Sie das in England gekauft?“
"Meine Mutter hat mir oft von Blue erzählt ..."
Hier kommt mir das zu gelassen, zu sehr im Plauderton. Ich würde es besser finden, wenn der Schockmoment noch mehr herausgezögwrt würde, das Entsetzen über diesen unglaublichen Zufall wird mir hier zu früh ausgebremst.
Recht hast Du! Mit dieser Plauderton-Coolness wollte ich Shirley als eine Frau darstellen, die am Leben gereift ist und ihre Emotionen im Griff hat – aber das funktioniert wohl nicht so gut:shy:.Neue Version:
„Tessa Adamsson hat Sie ‚Blue’ genannt?“, ruft Shirley, ungläubig bleibt ihr Mund offen. „Wahnsinn, das ist ja irre! Ich kann das gar nicht glauben – mein charmanter Herr Lántos war der wilde ‚Blue’!“
„Na, so wild war ich nun auch nicht. Nur ein bisschen anders, vielleicht."
Beide schweigen, dann sagt Shirley: „Meine Mutter hat mir oft von ‚Blue’ erzählt; ich glaube, sie hat viel für Sie empfunden.“

Es wurde schon gesagt, dass Johns Gebrechlichkeit etwas zu viel Raum einnimmt.
Absolut richtig. Es zieht sich. Etwas weniger Lamento tät’s auch. Nur muss ich zugeben, dass ich mich schwer tue mit Textveränderungen, auch schon bei einem einzigen Satz. Jedes Mal hakelt es an den Anschlussstellen, irgendetwas knirscht immer.
Klingt nach fauler Ausrede, aber wenn der Text wie ‚aus einem Guss’ wirken soll, ist es wirklich schwierig, Veränderungen möglichst nahtlos einzubringen.

Ansonsten hoffe ich, sie haben sich alle zusammen die Pizza schmecken lassen.
Da bin ich mir sicher – ein bislang verhinderter Großvater kann vom Himmel gefallenen Enkeln von der großen weiten Welt erzählen – und die hören gerne zu. Ich weiß nicht mehr genau, wer von beiden wollte, dass sich Opa Blue einen Bart wachsen lässt.

Liebe Chai, mithilfe Deines Komms konnte ich ein paar Unschönheiten bereinigen – dafür besten Dank und viele gute Wünsche!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola josefelipe,

Deutschlehrerin? Über meine tote Leiche. :lol: In der Grundschule hatte ich ziemlich vage Berufswünsche, aber von Dreien wusste ich sicher, dass ich das nicht will: Krankenschwester, Kindergärtnerin und Lehrerin. Das hat sich nie geändert.

Du hast gezielt nach Fehlern Ausschau gehalten, und dazu reicht es, querzulesen.
Na, das ist aber eine ehrenrührige, beleidigende Unterstellung, hör mal. Wenn ich nach Überfliegen was kommentiere, sage ich das. Außerdem lese ich nicht entweder mit einem Korrekturblick oder emotional engagiert. Ich kann Analyse nicht von Genusslesen trennen, und das läuft gleichzeitig, egal, ob hier online oder in Büchern.

Nach dem dritten Lesen nach meinem Komm hab ich das gesehen:

„Am Sonntag! Das wird sicher eine großartige Sache, meine Vermieterin hat mir eine Karte besorgt. Ich freue mich riesig auf Ihre Töchter, auf ihren Auftritt. Wie Sie die zwei über all die Jahre begleitet haben, das bewundere ich. Fast wie ein Großvater hab ich sie aufwachsen sehen;
Falls das von Anfang an drin war: mea maxima culpa. Das ist dann aber eindeutig deine Schuld, weil ich so gespannt war, wie es weitergeht, dass ich das ohne zu merken tatsächlich überlesen habe. :Pfeif: Ich bin aber sonst nicht durch den Text gesprungen, glaub mir. Ich hab nur die Generalprobe in Erinnerung, nicht den Satz mit dem Aufwachsen / Töchtern. Bin auch nur ein Mensch (mehr oder weniger jedenfalls:D).

Dass er von der alten Schule ist und bis ins Detail elegant-korrekt gekleidet in die Öffentlichkeit geht, ist klar. Aber dann: er würde sie beeindrucken; er ist plötzlich beschwingt, als es um sie geht, Zipperlein vergessen; er verhaspelt sich fast vor Aufregung als sie anruft, schaut ihr ins Dekolleté (das ist ja wie die Erwähnung einer Pistole im Krimi, die man später abfeuern muss – heißt, keine neutrale Stelle, die wegen einer Kette erwähnt wird, sonst wäre es Hals), dann seine Aufregung und Fahrigkeit beim Tee.
Falls du damit etwas anderes beschreiben wolltest, als seine Aufregung, dass eine junge, attraktive Bekannte ihm freundlich-interessiert zugewandt scheint, fürchte ich, du riskierst, dass es Leser anders interpretieren. Vor allem, wenn du scherzhaft Loreromane erwähnst, die das Synonym für Liebeskitsch sind.

Schocktrinken - das war eine scherzhafte Übertreibung, aber wie ich darauf komme, dass die zwei auf den Schreck einen heben:

Er rührt in der Tasse herum, der Kandis ist längst aufgelöst. „Ich brauch’ einen Schnaps“, sagt er und steht auf.
Shirley erhebt sich ebenfalls. „Aber ja! Einen dreifachen!“
Wenn ich gemütlich entspannt mit jemandem plaudere, sag ich nicht: „Ich brauche jetzt nen Schnaps!“ – das ist doch schon ne stehende Redensart für „ach du liebe Scheiße“.

Von Flirt war nie und nimmer die Rede.
Okay, das sehe ich durch die Beschreibungen des Erzählers anders, sorry. Dann lese ich den Text einfach anders, als er gedacht war, und das liegt u.a. daran:
alten Herrn mit verwegenem Hut und einigen Lebensschrammen im Gesicht und findet sich ganz passabel. Vor Shirley will er eine gute Figur machen.
mit diesen Bernsteinaugen, die er nicht enträtseln kann.
Er verehrt sie,
Die schöne Stunde bei Shirley
John Làntos ist hellwach. Die Shirley ruft ihn an! Das ist völlig verrückt, er hat gar keine Zeit, eine gescheite Antwort zu formulieren,
Diese großartige Frau ist am Telefon und sie will ihn besuchen – das ist überhaupt nicht zu fassen. Doch ziert er sich, statt sich zu freuen! Ist er jetzt total verrückt?
Der Gedanke, die Nachbarn bekämen es mit, dass eine attraktive Frau am Abend den Herrn Làntos besucht, amüsiert ihn. Eine Serviette segelt zu Boden, er fängt sie im Flug. Eine überschwängliche Laune überkommt ihn, vielleicht will er ihr einen Heiratsantrag machen? Jetzt ist er völlig übergeschnappt. Trotzdem nimmt er die feine Schere und die Vergrößerungsseite des Rasierspiegels, schnippelt hier und da, stutzt die Brauen, entfernt ein Härchen, das aus der Nase lugt und eines am Ohr. Er muss an eine Filmszene denken, bei der sich eine Dame Parfüm hinters Ohr tupft. „Shirley tut das nicht“, sagt er leise, „aber wenn ich jünger wäre?“ Ein bisschen grinsen muss er schon – wird er sich solche Illusionen nie aus dem Kopf schlagen? Und als er noch sein Aussehen überprüft, schellt es. Statt den Türöffner zu drücken, eilt er die Treppe hinunter, um Shirley persönlich die Tür zu öffnen.
Der ganze Text hat ja eine leichte Ironie (-> überhöht-dramatische Sprache für ein Alltagsgeschehen). Wenn das hier so ironisch war, dass es nicht zeigen soll, dass er ein klein wenig in sie verschossen ist, sondern nur euphorisch, dass eine geschätze Person ihn besucht, ist das in diesem Fall aber – für mich zumindest – nicht von einer tendenziell romantischen Sachlage zu unterscheiden. (Und glaub mir, ich bin die letzte, die in Texten krampfhaft nach Romantik sucht.) Du meinst das anders, und klar, kann man das so sehen; aber du lässt eben Raum für andere Möglichkeiten, und das liegt für mich eben an diesem "hehren" Stil.

Und niemand hat jemanden zum Pizzaessen eingeladen – wo hast Du das denn gelesen?
Hier (Du hast aus dem modernen Telefon ein Handy gemacht, ansonsten stand das da aber so.):
“Aber die beiden haben doch Handys?", sagt John Lántos. "Dann könnten sie doch mit der Pizza hierher kommen."
Sag mal, veräppelst du mich? Zwei Leute sitzen in einer Wohnung, zwei andere sind irgendwo draußen mit Pizza. Einer aus der Wohnung sagt: die zwei können doch vorbeikommen (wobei es vielleicht kein abwegiger Gedanke ist, dass dabei die Pizza gegessen wird) – was anderes ist das, wenn keine Einladung zum gemeinsamen Pizzaessen? :susp:

Eine kleine Stelle auf 7 Seiten und eine - am Text begründete - alternative Leseweise sind jedenfalls kein Grund, seinen Kritiker so anzugehen.

Es tut mir leid, wenn mein Komm dich so derart entrüstet hat, aber alternative Leseweisen / Interpretationen sind vom Autor nicht immer zu verhindern. Und wie gesagt, falls ich die zwei Sätze mit dem Töchter aufwachsen sehen übersehen hatte, war das der Grund für einige Missverständnisse (einen zarten Flirt hätte ich dennoch interpretiert btw.)

Der Text ist immer noch schön, auch wenn du dich gegen jede Kürzung entscheidest – ich scheine aber nicht die einzige zu sein, die denkt, es würde in deinem eigenen Sinne der Geschichte guttun.

Ahoi, *salutier* Matrosin Katla

 

Hola Ronja,

ich danke Dir für Deinen Post. Hat mich sehr gefreut; Du gehst mit eigenen Gedanken durch den Text und ich erfahre, wie er wirkt:

... zuerst dachte ich auch, dass Shirley die Tochter von Tessa ist, wirkt leicht konstruiert.
Ohne Frage, und es hätte noch dicker kommen können – wenn nämlich Shirley die Tochter von Tessa und John wäre. Aber wir wollen’s nicht übertreiben.
Andrerseits ist es, wie Du es siehst:
... denn Zufälle passieren im wirklichen Leben.
Und nicht zu knapp! Nach einigen Jahrzehnten hält man alles für möglich:shy:.
Ich spekuliere aber, dass es sich um eine Stadt handelt.
... eine Idee, dass die Verortung den Zweifel an der Glaubwürdigkeit entschärfen könnte.
Diesem Punkt – ich muss es zugeben – habe ich nach der Straffung des Textes wohl nicht genug Beachtung gezollt. Ursprünglich war von Hecken, Häusern und Bäumen die Rede wie in vielen Vorstädten, da liegst Du schon richtig.
Ich habe mich wie @Katia dabei ertappt, dass ich mit John mitfiberte. Das ist ein großes Kompliment an Dich und Deine Erzählweise.
Dankend angenommen!
Mich hätte interessiert, ob sich seine Gefühle für Shirley geändert haben, seitdem er weiß, dass sie die Tochter seiner großen Liebe ist.
Ich bin dabei ...
Ich habe das so interpretiert, dass sexuelle Gedanken auch eine Rolle spielen.
... einen teuflischen Plan ...
Sind die romantischen Gefühle weg? Weil es für ihn einen Tabubruch darstellt?
... auszuhecken und den ...
Oder eher stärker, weil sie Tessa ähnlich sieht oder ähnlich ist?
... jetzt gleich umzusetzen.
Er bereut ja, Tessa verlassen zu haben und jetzt tritt ihre Tochter in sein Leben.
Ich weiß nicht, ob sie ‚in sein Leben tritt’. Schwer vorstellbar, sie hat genug am Hals. Einen alten Menschen, der irgendwann Hilfe oder Pflege benötigt, kann sie bestimmt nicht gebrauchen.
Tessa ist ja bereits tot, oder? Zumindest redet Shirley über ihre Mutter in der Vergangenheitsform.
Ja, das ist richtig. Er bewundert Shirley, wie sie sich mit ihren zwei Mädchen behauptet – sonst hätte ihre Mutter sie unterstützt.

Liebe Ronja, ich danke Dir, dass Du Dich so intensiv mit dem Text beschäftigt hast. Da fühlt sich der Autor bevorzugt behandelt, aber ich habe eh großes Glück mit meinen Kommentatoren – die sind alle ganz lieb zu mir.
Wie bitte – Altersbonus? Na, und wenn schon!

Viele Grüße!
José

Ach verdammt, jetzt hab ich den teuflischen Plan vergessen! Aaalso, der geht so: Ich lasse Deine Fragen unbeantwortet, ich lasse Dich teuflisch schmoren. Was der Leser dem Text entnimmt, ist wie's Hütchenspiel. Jeder Typ hat andere Erfahrungen, Vorlieben, Erwartungen.
Ich will mich vorsichtig herantasten an die Themen von Leben und Schicksal, denen ich bislang immer ausgewichen bin, denn das ist äußerst schwieriges Gelände.
Na klar hab ich meine eigenen Vorstellungen, wie ich oder John Lántos mit der Situation umgehen würden – doch warum musst Du das wissen? Vielleicht mach ich was kaputt, wenn ich Dir meine Version erzähle?
Ist es nicht besser, Deine ganz eigene Lesart bestimmt Deine Beurteilung der Geschichte und sonst nichts? Um diese Lebens-Schicksals-Thematik zu überdenken, ist jeder gut beraten, der wie Du an die Sache herangeht:

Zufälle passieren im wirklichen Leben s. o.
.
Und nicht wenige sind beinahe so unglaublich, dass ein Autor sie nicht ausbrüten könnte. Mit dieser Tatsache müssen wir Schreibenden umgehen und das rechte Maß finden. Ich lasse deshalb den Prota in „Lisboa“ sagen:
„Das Meer und Du und ich und auch sonst das ganze Leben –
das alles ist so hoch und tief und weit und breit.
Und niemand weiß rein gar nichts und kann’s auch gar nicht wissen.
Nicht einmal ich selbst weiß,
wer ich bin oder war.“

Genug geschwätzt. Alles Gute für Dich!
José

 

Hola wander,

will mich für Deinen Komm bedanken. Hat bisschen gedauert, weil mich die knifflige Frage ‚rundlich’ oder ‚gerundet’ zwei schlaflose Nächte kostete und ich dann tagsüber zu nichts zu gebrauchen bin. Jetzt aber habe ich mich gegen Deinen Vorschlag durchgerungen und lasse alles beim Altem.
Mit der Nennung seines Namens habe ich es zuerst so, wie Du vorschlägst, gemacht. Dann aber schrieb mir Chai:

... es irritiert mich immer, wenn zunächst von "er" die Rede ist, und plötzlich kommt der Name. Ich hätte es besser gefunden, wenn der Name eher gekommen wäre.
Das hab ich entsprechend geändert – und jetzt kommst Du und willst es wieder anders herum haben. Soll man da nicht verrückt werden? Nach zwei Nächten ohne jeglichen Schlaf!
Aber ich halt’s wie die fromme Helene – ich habe Liqueur.
wander: schrieb:
Alt werden ist nichts für Feiglinge. Aber dieser John Lántos hat viel leise Ironie für sich selbst übrig, viel Würde, ...
Du sagst es: Würde! Das ist der Dreh- und Angelpunkt im Alter. Wer sich gehen lässt, hat schon verloren.
wander: schrieb:
Das Geschenk, das er am Ende bekommt, gönnt man ihm von Herzen!
Eigentlich bekommt er zwei: doppelte Portion Pavlova plus zwei Enkel – wenn ich mal optimistischerweise auf weitere Besuche der drei Damen beim neuen Opa hoffe.

Jetzt muss ich noch etwas abheften. Ich habe zwei Aktenordner – einer für Verrisse und den anderen, in den ich jetzt das von Dir packe:

Dir ist da ein wunderbarer feiner Text gelungen.
Vielen Dank!

José

 

Hola Raindog,

das freut mich sehr, dass Du Dir mein Textchen vorgenommen hast.

... besser finden würde ich an der fett gesetzten Stelle „Wieder vierzehn schmerzhafte Stufen zurück“, weil man sonst das Gefühl hat, er muss noch weiter hoch nach der Pause - unlogisch, ich weiß, aber Gefühl ist Gefühl.
Wenn mir jede Frau ihr Gefühl so einleuchtend erklärt hätte, wäre manches Missverständnis vermieden worden:hmm:.
Ich hab’s geändert.
So, dann habe ich aber ein wenig den Faden verloren, ein typischer Fall von Hä?
... vllt. meinst du mit „Es ist wie so oft“ eher „Es wird wie so oft sein“?
Oha, da hab ich nicht aufgepasst! Natürlich hast Du recht – hab’s entsprechend verändert. Und vielen Dank.
Du hast da ja inzwischen etwas geändert, habe ich gesehen, mit der Konditorenmütze, so dass man gar nicht erst auf falsche, schmutzige Gedanken kommt, was er bei ihr wohl macht und nach welchen Wünschen sie fragt – schade … Mir hat das gut gefallen, ...
Die Mütze brauchte ich, weil der ursprüngliche Satz kritisiert wurde:
Nur ruhig Blut, gleich wird sie ihn begrüßen, mit diesen Bernsteinaugen unter blondem Stoppelhaar anschauen, die er nicht enträtseln kann.
Jetzt könnte ich eine Münze werfen: Durch’s Weglassen der Konditorenmütze könnte die erotische Vermutung noch zwei Zeilen verlängert werden ...
schade … Mir hat das gut gefallen, ich habe ja auch kurz gedacht, Oha, der geht jetzt in den Puff, ...
Hm, war gar nicht beabsichtigt. Das fiel mir erst beim Durchlesen auf, und weil das so nett ist, hab ich’s gelassen.
... habe ich mich auch gar nicht veralbert gefühlt und fand das eher witzig, selbst dran Schuld, wenn man immer nur an das Eine denkt ...
Freu’ Dich drüber! Ich sinniere nur noch ‚da war doch was?’.
Statt den Türöffner zu drücken, eilt er die Treppe hinunter, um Shirley persönlich die Tür zu öffnen.
Diese Szene finde ich auch wunderbar, dieser ganze emotionale Höhenflug, das macht richtig Spaß und man gönnt es ihm richtig, dieses Gefühl, und sicher tut überhaupt nix weh, als er die Treppe hinuntereilt.
Bist wirklich eine aufmerksame Leserin.
Shirley nimmt eine Himbeere und fixiert die wie eine Wahrsagerin die Kristallkugel
Ich finde „sie“ klingt schöner.
Stimmt.
Und dass Du mit dem Happyend einverstanden bist, freut mich natürlich auch.
Zwei Mädchen bekommen einen Opa, ein Opa bekommt zwei Enkel – hätte ich früher mit Schreiben begonnen, hätte mich der Lore-Verlag unter Vertrag genommen. Aber, nun ja.

Raindog – besten Dank für die guten Tipps und alle guten Wünsche!
José

 

Hola Katla,

sehr anschaulich, wie geist- und wortreich Du mir die verschiedenen Möglichkeiten, einen Text zu lesen – und auch zu kürzen – darlegen konntest. Manches konnte ich nicht so richtig nachvollziehen, aber das macht ja die Sache um so interessanter.
Eigentlich antworte ich auf Deinen Post vom 14.03. nicht, um die Debatte ins Endlose fortzuführen, sondern um nicht unhöflich zu erscheinen, denn Du hast Dir mit Deiner Rechtfertigung viel Arbeit gemacht.
Aus meiner Sicht unnötig; jeder kann analytisch lesen, querlesen und kommentieren, wie er lustig ist. Ich war jedoch angesäuert über Deine Frage:

Katla: schrieb:
Sind das WG-Mitbewohnerinnen / ...
Was zum Teufel ...? Das hat mit meinem Text nicht das Geringste zu tun – und diesen Punkt hast Du in Deiner Antwort (verständlicherweise) ausgespart.

Josefelipe: schrieb:
Du hast gezielt nach Fehlern Ausschau gehalten, und dazu reicht es, querzulesen.
Katla: schrieb:
Na, das ist aber eine ehrenrührige, beleidigende Unterstellung, hör mal.
Matrosin Katla, Du hast bei der Kriegsmarine gedient, nehme ich an? Viel zu schweres Kaliber!

Ich sag lieber Aloha.
José

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom