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(Personale) Erzählperspektive

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12.02.2020
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(Personale) Erzählperspektive

Hallo liebe Wortkrieger,

ich kaue da nun schon eine Weile dran rum.
Also es gibt: Ich-, Du- oder Er-Erzähler. Und alle können unterschiedlich viel wissen und unterschiedlich nah dran sein an den Figuren.
Ich-Erzähler kann im Präsens schreiben und - außer in Ausnahmefälle - nicht wissen, was in der Zukunft kommt, was in anderen vorgeht (außer im Rahmen von Interpretationen etc.). Ein Ich-Erzähler kann auch in der Vergangenheit schreiben, dann weiß er, wie schon alles ausgeht, er kann einordnen und weiß vielleicht etwas über andere Figuren, was die ihm später erzählt haben usw. Die Struktur des Ich-Erzählers ist einfach zu erfassen.

Du-Erzähler lass ich mal weg, weil es mich gerade nicht so interessiert, mich interessiert vor allem der Er-Erzähler.

Beim Er-Erzähler wird ja vor allem in personale und auktoriale Erzähler unterteilt und der personale Erzähler ist eigentlich ein verkappter Ich-Erzähler, richtig? Also ich könnte einen Ich-Text in die Er-Perspektive umschreiben und hätte dann die personale Perspektive, oder? Also es gibt bei der personalen Perspektive eigentlich keinen eigenständigen Erzähler, oder? Sobald ich einen eigenständigen Erzähler habe, der eine eigene bzw. andere Meinung hat als die perspektivtragende Figur usw. ist das ein auktorialer Erzähler, oder? Der auktoriale Erzähler kann entscheiden aus nur einer Perspektive die Geschichte zu erzählen, aber sobald ich einen Erzähler visualisiere, der vielleicht nur das weiß, was die Perspektivfigur weiß, aber darüber hinaus ja quasi mehr weiß (nämlich etwas über sich selbst), weil er selbst ja auch eine Figur ist, ist dass dann ein auktorialer Erzähler, richtig? Aber auktorial ist ja auch nicht richtig, weil allwissend ist er vielleicht ja nicht, aber zumindest ist er nicht personal, oder? Also ob ich einen Ich-Erzähler oder personalen Erzähler wähle ist am Ende reine Geschmackssache, ändert aber rein inhaltlich nichts. Ist das richtig?

Habt vielen Dank für eure Gedanken und
viele Grüße
Katta

 

Liebe @Katta ,

ich bin eigentlich gerade im Pausenmodus und schau nur wegen der Lesung vorbei. Bin aber an Deinem Thread hängengeblieben.

Ich kann heute nur kurz antworten. In zwei Wochen gerne mehr.

Entgegen Deiner Annahme ist der Ich-Erzähler eigentlich der Anspruchvollste. Weile Schreibende und Lesende 1:1 im Prota sind. Sie fühlen, spüren miteinander. Nirgendwo darf weniger tell sein. Vor allem ist der Horizont sehr begrenzt, nämlich auf die Wahrnehmung des Ich-Erzählers.
Du musst auch jeden Satz daran messen, ob der/die Prota wirklich so denken würde. Auch Filterwörter sind tabu.


Beim personalen Erzähler bist Du freier. Du kannst zwischen verschiedenen Charakteren switchen, unterschiedlich nah an sie und in sie herein zoomen, während Du beim Ich-Erzähler im Erzähler gefangen bist.

Auktoriale Erzähler, die von oben auf die Story blicken, sind selten geworden, haben aber z. B. die Freiheit das Verhalten der Figuren zu bewerten. Erich Kästner hat das gerne gemacht.

Liebe Grüße
Mae

P. S.: Schicke Dir einmal Links dazu; wird aber etwas dauern. Real Life ist gerade sehr stressig.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Katta, ich kann die Fragestellung bzw. den dazu gehörigen Knoten im Kopf voll verstehen. Eventuell könne wir uns ja gegenseitig helfen, bzw. die schlauen Wortkrieger helfen uns auf die Sprünge.

Wir hatten die Diskussion im Hintergrund auch gerade und ich habe @Katla gebeten, mir mal vier Sätze auseinander zu puzzeln. Einfach damit ich sehe, was überhaupt gemeint ist.
Mir hat der Ansatz schon mal geholfen, denn die tolle Theorie dazu überfordert mich noch.

Hier sind meine Sätze aufgedröselt in auktorial & personal und etwas, das beides sein kann, das würde man in einem rein auktorialen Umfeld auktorial lesen und in einem rein personalen personal :
Charlotte sieht gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Den Schriftzug der Behindertenwerkstatt kennt Charlotte, man sieht sich ab und an auf den Märkten der Umgebung.
Verwirrt läuft sie Richtung Anleger über die Dünen. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.

Jetzt ist mein nächstes Vorhaben, das auf meine ganze Geschichte zu übertragen (wahrscheinlich kapituliere ich nach einer Seite). Und dann eine Perspektive sauber zu schreiben.

Wenn ich das hier richtig verstehe, dann müsste ich jetzt bei personal etwa so formulieren:

Charlotte sieht gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Das ist der Schriftzug der Behindertenwerkstatt, man sieht sich ab und an auf den Märkten der Umgebung.
Sie weiß nicht, was sie davon halten soll, läuft aber endlich Richtung Anleger. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.

In auktorial vielleicht in diese Richtung?
Charlotte sieht gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Den Schriftzug der Behindertenwerkstatt kennt Charlotte, oft ist sie ihnen auf den Märkten der Umgebung begegnet. Verwirrt läuft sie weiter Richtung Anleger. Wenn sie nicht alles täuscht, hat sie gerade die neuen Bewohner des Boldschen Hofes kennengelernt.

Ich-Perspektive
Ich sehe gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Den Schriftzug der Behindertenwerkstatt kenne ich, oft ist er mir auf den Märkten der Umgebung begegnet. Was hat das zu bedeuten? Wenn ich mich nicht täusche, habe ich gerade die neuen Bewohner des Boldschen Hofes kennengelernt.

Wenn das jetzt auch wieder völliger Blödsinn ist, bitte ich um Korrektur.
Du siehst, ich bin mega unsicher, die Formulierungen sind natürlich jetzt auch zerschossen, denn offensichtlich springe ich munter zwischen den Perspektiven hin und her. Keine Ahnung, ob ich mir das abgewöhnen kann, aber ich will es gerne versuchen.

Also versuchen wir es vielleicht gemeinsam, @Maedy s Erklärung ist ja auch schon ein Ansatz (freue mich auf den Link).

Liebe Grüße
witch

 

Ich sehe gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Den Schriftzug der Behindertenwerkstatt kenne ich, oft ist er mir auf den Märkten der Umgebung begegnet. Was hat das zu bedeuten? Wenn ich mich nicht täusche, habe ich gerade die neuen Bewohner des Boldschen Hofes kennengelernt.
So viel zum Thema, Pause bei mir. Du beginnst gleich mit einem Filterwort „Ich sehe, höre, spüre, fühle, dass …“
Besser:
Die Frau winkt, zeigt auf ein näherkommendes Auto. Ich kneife die Augen zusammen. „Be…Behindertenwerkstatt Sonnenheim.“ Das ist doch der Schriftzug, der auf den Plakaten auf den Wochenmärkten immer steht? Ich strenge mich an, aber kriege das Bild nicht ganz zusammen. Sind das die neuen Bewohner des Boldschen Hofes?“

 

So viel zum Thema, Pause bei mir. Du beginnst gleich mit einem Filterwort „Ich sehe, höre, spüre, fühle, dass …“
Ich wollte Dich nur rauslocken, lese Dich halt gern ... :lol:

Superhinweis, da muss ich ran! Leuchtet mir ein!
Darfst Dich wieder hinlegen :kuss:
Liebe Grüße
witch

 

@Katta ,

cooler Thread, daran bin ich auch schon gescheitert. Zumindest bei Fremdtexten meine ich, inzwischen durchzublicken, das mag aber eine Fehleinschätzung sein. :D

Charlotte sieht gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Das ist der Schriftzug der Behindertenwerkstatt, man sieht sich ab und an auf den Märkten der Umgebung.
Sie weiß nicht, was sie davon halten soll, läuft aber endlich Richtung Anleger. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.
Liebe Witch,

personal wäre imA so:
Eine Bekannte von den Wochenmärkten winkt, zeigt auf ein Auto, das näherkommt. Inzwischen ist der Schriftzug deutlich zu erkennen: Behindertenwerkstatt Blusenbüttel. ("man sieht sich" kommt hinter dem Schriftzug, ich nehme hier aber an, es bezieht sich auf die Zeigende) Seltsame Sache, aber das sind dann wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes. Und nun ab zum Anleger.

Spannender Thead, @Katta , zu deinem OP hab ich morgen mit mehr Zeit auch ein paar 5 Cent, die stimmen mögen oder nicht.
Aber klarer und differenzierter als Wood in How Fiction Works hat es wohl niemand geschafft, auseinanderzuklamüsern.

Liebe Grüße in die Runde,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh wie schön, Antworten. Vielen lieben Dank.
Danke, @Katla, dann schau ich noch mal bei Wood rein, das ist eine gute Idee, den hab ich ja hier, hab aber gar nicht mehr auf dem Schirm, was er dazu schreibt.
Und liebe @Maedy, ich weiß jetzt gar nicht, ob ich dich taggen soll, aber du kannst ja einfach weiterpausieren und dann in zwei Wochen noch mal reinschauen, ich antworte aber jetzt trotzdem schon mal.

Entgegen Deiner Annahme ist der Ich-Erzähler eigentlich der Anspruchvollste.
Möglicherweise beim Schreiben, ich meinte aber, dass die Ich-Erzähler-Struktur einfach zu durchschauen ist. Es ist klar, was der wissen kann und was nicht. Viel schwieriger finde ich beim Ich-Erzähler, warum der überhaupt erzählt und wem er was erzählt. Witzig ist, wenn ich jetzt drüber nachdenke, dass alle drei Texte, die ich hier eingestellt habe, Ich-Erzähler haben. Ich glaube, dass das auch so ist, weil ich das einfacher finde. Einer der Texte ist in 1.Person Präsens und da habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt, wem erzählt sie das eigentlich? Das ist ja kein innerer Monolog, sondern sie kommentiert ja auch, was sie macht. Niemand denkt: Ich setze mich an den Computer.

Beim personalen Erzähler bist Du freier. Du kannst zwischen verschiedenen Charakteren switchen, unterschiedlich nah an sie und in sie herein zoomen,
Das verstehe ich nicht bzw. mglw anders. 1. Frage: Wenn ich zwischen bspw drei Figuren switche, hat dann jede der Figuren einen eigenen personalen Erzähler? Muss ja, oder? Das heißt, ich brauche für drei Perspektiven 3 Erzähler. Das wäre im Grunde das gleiche wie beim Ich-Erzähler. Schriebe ich diese drei Perspektiven aus der Ich-Perspektive, bräuchte ich auch drei Ich-Erzähler.
Ich denke auch (lerne aber gerne dazu, deswegen habe ich ja hier gepostet), dass ein Ich-Erzähler unterschiedlich nah von sich erzählen kann, also sehr intim oder auch distanziert. Dass das also kein Unterschied ist zwischen Ich-Erzähler und personalem Erzähler. Außerdem denke ich, dass auch ein auktorialer Erzähler rein- und rauszommen kann. Also ich denke, dass das Nähe-Distanz-Verhältnis etwas ist, das nicht an die Perspektive (1., 2. oder 3. Person) gebunden ist, sondern jeweils einen individuellen Erzähler auszeichnet. Aber kann auch sein, dass ich mir da irgendwas zusammengereimt habe, wo jeder Literaturwissenschaftler den Kopf schüttelt.

Auktoriale Erzähler, die von oben auf die Story blicken, sind selten geworden, haben aber z. B. die Freiheit das Verhalten der Figuren zu bewerten.
Das ist auch etwas, was ich mich frage: Ein personaler Erzähler kann das nicht? Das Verhalten von Figuren bewerten? Auch nicht in seinem begrenzten Wissensrahmen? Ein Ich-erzähler kann doch auch andere Figuren und auch sich selbst bewerten. Kann das ein personaler Erzähler nicht? Insbesondere im Rückblick kann ein Ich-Erzähler ja bewerten und einordnen.
Und ist es notwendigerweise so, dass auktoriale Erzähler von oben auf die Story blicken? Klar, sie können von oben auf die Story blicken, aber sie wollen ja eine Geschichte erzählen und dafür können sie doch beliebig dicht an eine Person ranzoomen und aus der Sicht dieser Person erzählen, oder nicht? Und dann können sie wieder rauszoomen und in eine andere Person reinzoomen. Das heißt, ich kann, wie du oben geschrieben hast, zwischen Personen switchen, muss aber bei der auktorialen Perspektive nicht den Erzähler switchen.

Was ich mich frage, wenn ich einfach schön geschriebene Geschichten mag, mit viel Setting oder bspw Naturbeschreibungen, dann wäre ich doch darauf angewiesen, dass beim Ich-Erzähler und auch personalen Erzähler (oder nicht?) die Perspektivfigur das kann, dann muss doch am Ende die perspektivtragende Figur immer eine sensible und eloquente Figur sein. Oder bin ich gerade total auf dem Holzweg. Keine Ahnung. Knoten im Kopf.

Ja, liebe @greenwitch, gerne gegenseitig helfen. Ich schaue mir mal deinen Originaltext an. Das ist der hier, oder?

Charlotte sieht gerade noch, dass die Frau winkt und auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug zeigt. Den Schriftzug der Behindertenwerkstatt kennt Charlotte, man sieht sich ab und an auf den Märkten der Umgebung.
Verwirrt läuft sie Richtung Anleger über die Dünen. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.
Blau ist auktorial: Wieso darf ein personaler Erzähler nicht sagen, was Charlotte kennt? Ist das tatsächlich so? Der weiß doch, was Charlotte weiß und der weiß also auch, dass Charlotte den kennt. Wieso ist das auktorial? Die gleiche Frage habe ich zum zweiten blauen Satz. Das könnte doch auch personal sein?

Ich finde die Sequenz schwierig, weiß aber nicht, ob das an der Perspektive liegt. Das ist ja ein Auszug aus etwas und mir ist nicht klar, was das gerade für eine Szene ist, warum Charlotte verwirrt ist und was der Boldsche Hof ist, darum ist das Folgende jetzt vielleicht Schmarn.
Ich verstehe nicht, warum jemand (d.h. der Erzähler) sagt, dass jemand etwas sieht, wo doch eine Beschreibung immer impliziert, dass es jemand sieht. Oder ist das "gerade noch" irgendwie relevant für die Geschichte? Dann: Man sieht sich ab und an auf den Märkten. --> Aber wer ist "man"? Die Mitarbeiter der Werkstatt, die Bewohner? Ist es wichtig, woher Charlotte den Schriftzug kennt bzw. die Werkstatt? Der bestimmte Aritkel "der" vor Behindertenwerkstatt impliziert zumindest, dass es eine bekannte ist, weil es sonst ja "mit dem Schriftzug einer Behindertenwerkstatt" heißen würde.

Beispiel: Die Frau winkt und zeigt auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug mit dem Schriftzug der Behindertenwerkstatt. Verwirrt läuft Charlotte über die Dünen Richtung Anleger. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.

Ich denke, das erfüllt wohl die Kriterien für eine personale Perspektive, oder? Insbesondere der letzte Satz ist ja erlebte Rede, oder? Das ist ja, was sie zu sich selbst sagt: Dann sind das wohl die neuen Bewohner. Meine Frage ist: Kann/Darf ein auktorialer Erzähler erlebte Rede benutzen? Mit "darf" ist es ja eh immer so eine Sache, letztlich ist ja die Frage, ob es funktioniert. Aber wenn du dann im nächsten Absatz/Kapitel etwas aus einer anderen Sicht schreibst, der Erzähler aber der gleiche ist, ist es mMn eigentlich ein auktorialer Erzähler, der hier in diesem Abschnitt als personaler Erzähler in Erscheinung tritt. Aber keine Ahnung, wieder Knoten im Kopf.

Bsp:
Die Frau winkt und zeigt auf ein langsam näherkommendes Fahrzeug mit dem Schriftzug der Behindertenwerkstatt. Verwirrt läuft Charlotte über die Dünen Richtung Anleger. Dann waren dies wohl die neuen Bewohner des Boldschen Hofes.
..... TEXT ....
Die neuen Bewohner des Boldschen Hofes haben ihre Sachen ausgepackt und sitzen im Gemeinschaftsraum, als Charlotte kommt.

--> das wäre ja dann auktoriale Perspektive, weil Charlotte das mit den Sachen nicht wissen kann, aber wäre es ein Fehler zu oben? Würde jemand sagen, die Perspektive stimmt nicht, weil es oben personal ist? Aber wieso kann mein auktorialer Erzähler denn nicht phasenweise personal erzählen, wenn er denkt, dass ist für die Geschichte von Vorteil ist?

Fragen über Fragen.

Liebe Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Blau ist auktorial: Wieso darf ein personaler Erzähler nicht sagen, was Charlotte kennt?
Darf er, aber nicht so beschreibend als Außenstehender.
Auktorial: Charlotte geht die Straße hinunter, beinahe rutscht sie auf dem nassen Kopfsteinpflaster aus.
Personal: Das Kopfsteinpflaster ist rutschig, sie wird noch stürzen, wenn sie nicht aufpasst.
Personal, erlebte Rede: Verdammte neue Stiefel, sie wird sich noch hinlegen, wenn sie nicht aufpasst.

Daher gilt auch als unelegant, wenn ein auktorialer Erzähler anfängt mit 'Sie/er denkt blablabla'. Das wäre besser in erlebter Rede aufgelöst.

Auktorial: Verwirrt läuft sie Richtung Anleger über die Dünen.
Personal: Die Behindertenwerkstatt würde noch den Boltschen Hof beziehen, dabei ist sich Charlotte sicher, die hätten in der Gegend nur auf dem Markt zu tun. Hinter den Dünen liegt der Anleger in der Morgensonne, noch ein gutes Stück Weg bis dorthin.
Personal, erlebte Rede / SoC: Behindertenwerkstatt Holzhusen ... einfach seltsam, die sind doch sonst nur auf dem Markt, ziehen die dann im Boltschen Hof ein? Verdammt mühsam, so durch die Dünen zu stapfen, der Anleger ist ja ewig weit weg.

Würd ich mal aus dem Ärmel schütteln.
Auktorial + personal altmodisch geswitcht (was einem heute eher rauslektoriert würde) wäre:
Die Behindertenwerkstatt würde noch den Boltschen Hof beziehen, denkt Charlotte vewirrt, während sie sich über die Dünen zum Anleger kämpft.

Meine Frage ist: Kann/Darf ein auktorialer Erzähler erlebte Rede benutzen?
Wenn es ein wertender auktorialer Erzähler ist, der eine eigene Stimme hat, ohne aber selbstverstänldich als Figur aufzutauchen, ja. Aber dann sollte es auch seine Sicht und Idiolekt sein, nicht die der Figur.
Sowas gibt es, z.B. bei einem meiner Lieblinsgautoren, Antoine Volodine. Da kommentiert der allem zugrundeliegende Erzähler sogar mit persönlich-wertenden Bemerkungen den auktorial-neutralen oder auch mal den personalen Erzähler. Dabei schreibt er nur unter Pseudonymen und einige nom de plumes sind Erzähler in seinen anderen Erzählungen. Das kann man so machen, wenn man es so gut im Griff hat wie er.

Letztlich ist auktorial -> personal eine slippery slope. In den meisten modernen Stücken wird es gemixt verwendet, aber nicht arbiträr, nicht 'ruckelnd'. In postmodernen Stücken seit Ende der 90er wird der Erzähler immer stärker aus den Texten geschrieben und eine Extremform der Erlebten Rede zelebriert: auf Englisch Deep Point of View.

Das ist keine dritte Person, die eine umgeschriebene erste wäre. Denn ein Icherzähler übernimmt auch die Funktion eines auktorialen Erzählers, ohne, dass es groß auffällt: Fakten zum Setting erzählen z.B.. In einer Situation, in der eine lebende Person das so in dem Moment wohl nicht gesehen / gedacht hätte.

Jede Form von einem Erzähler verlangt eine Art suspension of disbelief: Man muss den Eindruck bekommen, die Geschichte entwickle sich, ohne dem Leser vorgekaut zu werden. Ob man nun einen starken Erzähler mag, der sich einmischt, oder den absolut negieren will und alles hören, als ob man im Kopf des Protas steckte, ist wohl Zeitgeist und Geschmacksache.

 

Moin zusammen,

Ja, liebe @greenwitch, gerne gegenseitig helfen. Ich schaue mir mal deinen Originaltext an. Das ist der hier, oder?
Nicht falsch verstehe, ich hatte das "gegenseitig helfen" eher so gemeint, dass wir beide (und bestimmt noch ein paar mehr Neugierige und Lernwillige) hier ihren derzeitigen WIssensstand beitragen und miteinander abgleichen. Im besten Falle sind wir hinterher alle schlauer. Ich habe aus dem Tread jetzt schon vieles gelernt, also hab vielen Dank fürs Anstoßen.

Fragen über Fragen.
Ja, es gibt richtige Knoten im Kopf. Aber so allmählich kristalisiert sich die Richtun heraus. Und dann bleibt wohl nur üben.

Katta schrieb:
Blau ist auktorial: Wieso darf ein personaler Erzähler nicht sagen, was Charlotte kennt?
@Katla s Antwort:
Darf er, aber nicht so beschreibend als Außenstehender.
Auktorial: Charlotte geht die Straße hinunter, beinahe rutscht sie auf dem nassen Kopfsteinpflaster aus.
Personal: Das Kopfsteinpflaster ist rutschig, sie wird noch stürzen, wenn sie nicht aufpasst.
Personal, erlebte Rede: Verdammte neue Stiefel, sie wird sich noch hinlegen, wenn sie nicht aufpasst. Daher gilt auch als unelegant, wenn ein auktorialer Erzähler anfängt mit 'Sie/er denkt blablabla'. Das wäre besser in erlebter Rede aufgelöst.
Aha! Das ist aber ziemlich dicht beieinander. Ich verstehe den Unterschied, bin aber verunsichert, wie ich das beim Schreiben umsetzen/berücksichtigen will, wo ja auch noch die Geschichte am Entstehen ist. Ich ziehe gerade in Gedanken meinen Hut, was Ihr alles parallel zueinander umsetzt.

Meine Frage ist: Kann/Darf ein auktorialer Erzähler erlebte Rede benutzen?
Wenn es ein wertender auktorialer Erzähler ist, der eine eigene Stimme hat, ohne aber selbstverstänldich als Figur aufzutauchen, ja. Aber dann sollte es auch seine Sicht sein, nicht die der Figur.
Das liest sich wie eine Stimme aus dem Off. Seltsam, habe ich wahrscheinlich nur noch nie beachtet. Ich suche am Wochenende mal nach einem Beispiel, um mir das besser vorstellen zu können.

Man muss den Eindruck bekommen, die Geschichte entwickle sich, ohne dem Leser vorgekaut zu werden. Ob man nun einen starken Erzähler mag, der sich einmischt, oder den absolut negieren will und alles hören, als ob man im Kopf des Protas steckte, ist wohl Zeitgeist und Geschmacksache.
Ja, das leuchtet ein. Ich werde mir dann wohl am besten erstmal eine auswählen, die mir beim eigenen Lesen zusagt und versuchen, diese sauber umzusetzen. Zumindest klackert es allmählich, wie das aussehen sollte/könnte.

Das Problem muss doch zu lösen sein!
Liebe Grüße
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Witch, ihr Lieben,

Das ist aber ziemlich dicht beieinander.
nrgh. :shy: Das liegt im ungünstigen Fall an mir.
Zwischen 1 und 3 sollte ein deutlicher Unterscheid sein: der auktoriale kann zwar in den Kopf der Figur/ren schauen, aber beschreibt alles wie von außen, selbst ihre Gedanken (wenn er Einsicht darin hat). Wie jemand, der körperlos über allem schwebt, mal Einsichten gewährt und die mal zurückhält (wenn es ein eingeschränkter auktorialer Erzähler ist, nicht alle sind allwissend).

Bei der erlebten Rede oder reinem personalen Erzähler hast du diese Außensicht nicht unbedingt bzw. nicht immer, denn es klänge extrem unnatürlich. Da muss man ggfs. auch anders verpacken, dass sie eine Straße langgeht, nämlich durch das, was ihr dabei beim Gehen auffällt.

Also ob ich einen Ich-Erzähler oder personalen Erzähler wähle ist am Ende reine Geschmackssache, ändert aber rein inhaltlich nichts. Ist das richtig?
Jein. Dein auktorialer Erzähler kann Dinge als Fakt / Statement an den Leser bringen, dazu gehören auch Gedanken der Protas (so er Einsicht hat). Aber ein personaler Erzähler kann sich nicht hinstellen, und Setting / Geschehen und Einsichten als Fakten runterzuerzählen. Er sollte eher klingen, als ob das Erzählte eher (und bei erlebter Rede vollständig) genau so von ihm in dem Moment des Erzählens wahrgenommen wird, gefiltert durch seine Sicht.

Wenn man die Informationen, die ein auktorialer Erzähler geben könnte, personal sagt, kommt dabei eben oft so eine unnatürliche Sache raus wie: Ihr rotes Seidenkleid schmiegte sich weich an ihre Beine, als sie die Bar betrat. Weil man das so in Innensicht nie denken würde.
Auktorial von außen erzählt wäre das aber möglich (wenn auch Kitsch und unnötige Info, außer es geht irgendwie bedeutsam um das Kleid): Sie trug ein rotes Kleid, das sich an ihre Beine schmiegte. Klingt schlimm, wäre aber imA korrekte auktoriale Perspektive.

Ich verstehe den Unterschied, bin aber verunsichert, wie ich das beim Schreiben umsetzen/berücksichtigen will, wo ja auch noch die Geschichte am Entstehen ist.
Na ja, aber jemand erzählt diese Geschichte ja. Du erzählst ja nicht als Autorin eine Geschichte und schreibst sie im Nachhinein in eine Perspektive um. Sondern die Erzählhaltung / Perspektive sollte als erstes festgelegt werden, weil das sonst Chaos gibt. Man kann bestimmte Sachen in bestimmten Perspektiven gar nicht schreiben (das gilt sogar für einen Icherzähler, da gibt es dann diese Meine langen blonden Locken ringelten sich über meine Schultern, was ja kein Mensch so denken würde. Liest man das aber auktorial in einem Pulp-Roman ... why not?).

Und dann wird es eben richtig montrös schwer (daran scheitere ich selbst), das im Nachhinein auszubügeln (sagen wir: von einem ungeschickten Mix auktorial + personal in Richtung reine erlebte Rede umzuschreiben). Weil man dann Infos im Text hat, die einem als Autor wichtig sind, die man aber nicht mehr anbringen kann (oder nicht auf gleiche Art), wenn man die Erzählstimme vereinheitlicht. Die ganze Erzählhaltung ändert sich, je nachdem, welche Stimme bzw, welchen Stimmenmix du wählst.

Willst du dich näher an die erlebte Rede rantasten und vom auktorialen Standpunkt weg, versuch doch mal, eine ganz neue, hiervon unabhängige Szene in reinem Stream of Conciousness zu schreiben. Vielleicht hilft das, weil du dann an gar keiner Stelle eine offensichtliche Background-/Setting-Info zu irgendwas an den Leser bringen darfst.

Ich wühle mal in meinem unausgebügelten alten Langtext, vielleicht finde ich auch ein Bsp. wo es deutlich wird, dass ich das vergeigt hab. :D Das sind jetzt alles meine Überlegungen, die ich durch die Beschäftgung mit meinen Fehlern anstellte, will also nicht behaupten, ich schaffte das selbst in best practice.

Liebe Grüße,
Katla

 

Ich finde des Thema toll, ist ja etwas, womit man sich echt beschäftigen muss. Meine Überlegung war, ob Beispieltexte in den verschiedenen Perspektiven nicht praktisch sind, um die Unterschiede zu verdeutlichen.

Ich bin da jetzt nicht unbedingt sattelfest, würde mich jedoch dazu hinreißen lassen,

@GoMusic s aktuelle KG https://www.wortkrieger.de/threads/passt-doch.67745/, als personaler Erzähler einzustufen

sowie @AWM s aktuelle KG https://www.wortkrieger.de/threads/das-leben-endet-mit-einem-lachen.67748/ als neutralen auktorialen Erzähler.

richtig? falsch?
Hat jemand andere Beispiele?

LG
feurig

 

Hey ho,

bei Wood hab ich jetzt noch nicht reingeschaut, aber mir trotzdem noch Gedanken gemacht und ich bin zu dem Schluss gekommen, die Unterteilung in Ich-, personal und auktoriale Erzähler ist ganz großer Mist und überhaupt nicht hilfreich :sealed:

Mein Ausgangspunkt und warum ich gefragt habe ist übrigens, dass ich beim NaNoWriMo mitmachen will und mir einen Plot überlegt habe (ohne bin ich schon mal am NaNo gescheitert) und nun gerade über die Erzählperspektive grüble. Und da stimme ich @Katla auf jeden Fall zu, dass das etwas ist, was bekannt sein muss, wenn man mit dem Schreiben beginnt - sonst kann es wohl sein, dass man alles noch mal umschreiben muss und ... naja ... puh ... Aber die Diskussion hier hilft mir irgendwie nicht richig weiter und diese Erkenntnis hat mir dann doch weitergeholfen. Ich bin nämlich zu der Meinung gelangt, dass die Einteilung der Erzählperspektiven unsystematisch und willkürlich ist. Ich muss irgendwie an Statistik denken: Es gibt die Variable Erzähler und die scheint ordinalskaliert: Ich, Personal, auktorial - so als wäre es eine Rangfolge von irgendetwas.
Ich sehe das aber so, dass die Variable Erzähler verschiedene Merkmale aufweist:

1. grammatische Person (ein nominalskaliertes Merkmal)

  1. Person
  2. Person
  3. Person
    alles Singular (die Borg würden wahrscheinlich im Plural schreiben ;-))
2. Das Wissen, dass der Erzähler über die Geschehnisse und die Figur hat.
MMn ist das intervallskaliert, d.h. es kann kontinuierlich verteilt sein, vom allwissenden Erzähler, zum eingeschränkt allwissenden, aber immer noch vielwissenden, zum Ich-Erzähler, wo das Wissen auch variiert, je nach Zeitform (Präsens sehr eingeschränkt und Präteritum mitunter die erzählte Geschichte betreffend fast sowas wie allwissend)

3. Nähe-Distanz zu den Figuren (auch: Beschreibungen von Außen- und Innenleben)
Auch das ist meiner Meinung intervallskaliert und kann über alle drei grammatischen Personen hinweg variieren. Ich wüsste nicht, warum ein allwissender Erzähler nicht sehr mitfühlend oder emotional dicht dran berichten sollen dürfte. MMn könnte er an einer Stelle tiefer in eine Figur eintauchen, und dabei die Emotionen der Figur transportieren (vielleicht sogar in Form erlebter Rede) und selbst vielleicht kurz in den Hintergrund treten. Die Frage ist am Ende, ob es funktioniert, aber wenn ich mir jemanden vorstelle, der am Lagerfeuer eine Geschichte erzählt, über die er alles weiß, fände ich es nicht schlimm, wenn er sich an einer Stelle so sehr in eine Figur hineinbegibt und dann an dieser Stelle die Figur quasi für einen Augenblick "spielt". D.h. Ich glaube, dass dieses Merkmal (im Gegensatz zu den anderen) auch über eine Geschichte hinweg variieren kann, je nachdem was gut für die Erzählung ist.

4. Meta-Ebene: Bewertungen/Meinungen/Interpretationen
Auch das ist ein Merkmal, das mMn intervallskaliert ist. Wie sehr tritt der Erzähler mit eigenen Bewertungen in Erscheinung. Auch ein Ich-Erzähler könnte ganz einfach eine Geschichte "runtererzählen", ohne etwas einzuordnen, oder seine Meinung kundzutun oder dies eben doch tun.

5. Publikum?
Da frage ich mich gerade, ob es das braucht. Sollte ich als Autor neben dem Erzähler auch ein Publikum visualisieren/imaginieren, dem der Erzähler, die Geschichte erzählt? Stichwort: Lagerfeuer oder eine Hexe, die Kindern eine Geschichte erzählt oder ein Tagebucheintrag (=kein Publikum).

Das sind so die Merkmale, die mir zur Erzählperspektive in den Kopf gekommen sind. Ich bin im Hinblick auf mein eigenes Projekt jetzt zu dem Schluss gekommen, dass ich einen für mich klar fassbaren Erzähler visualisieren will, der die Geschichte erzählt. Denn am Ende geht es, glaube ich nicht um die Frage: Ist das personal oder auktorial oder geht da etwas durcheinander?, sondern darum, ob der Erzähler in sich konsistent ist.

So, ich muss jetzt erstmal los.
Viele Grüße
Katta

Nicht falsch verstehe, ich hatte das "gegenseitig helfen" eher so gemeint, dass wir beide (und bestimmt noch ein paar mehr Neugierige und Lernwillige) hier ihren derzeitigen WIssensstand beitragen und miteinander abgleichen. Im besten Falle sind wir hinterher alle schlauer.
Hab das auch genauso verstanden, ich meinte nicht, dass wir uns beide gegenseitig helfen, sondern hier eben austauschen. Habe mich nur auf deinen Text bezogen, weil du ja genau den gepostet hast. Und wie gesagt, ich glaube nicht, dass es wirklich hilfreich ist, die einzelnen Sätze in personal und auktorial einzuteilen, sondern ob der Erzähler zu transportieren schafft, was du als Autor willst, dass er transportiert. Oder so ... ach Mensch, keine Ahnung. Wichtig ist für mich zB, dass ein Erzähler präszise spricht, nicht zu ausufernd, nicht zu kurz, dass er ein Bild entstehen lässt - das ist mit so einem kurzen Abschnitt halt schwer und ich glaube, dass es nicht hilfreich ist die Frage der Perspektive so runterzubrechen, weil es eben wie gesagt, um den Erzähler geht. Ich glaube, dass hat @Katla auch irgendwo geschrieben. Sinnvoll finde ich zB @feurig s Vorschlag sich einen längeren Text anzusehen und im Hinblick auf den Erzähler zu untersuchen. Das schaffe ich jetzt aber nicht ... das Kind drängelt, in etwa so: :bounce:

 

sondern ob der Erzähler zu transportieren schafft, was du als Autor willst, dass er transportiert. Oder so ... ach Mensch, keine Ahnung. Wichtig ist für mich zB, dass ein Erzähler präszise spricht, nicht zu ausufernd, nicht zu kurz, dass er ein Bild entstehen lässt - das ist mit so einem kurzen Abschnitt halt schwer und ich glaube, dass es nicht hilfreich ist die Frage der Perspektive so runterzubrechen, weil es eben wie gesagt, um den Erzähler geht
Hallo @Katta ,

Das sehe ich auch so und wenn die Erzählstimme perspektivisch gleich bleibt, bleibt die Erzählung auch präzise und die Bilder bleiben stimmig. Wackelt die Perspektive, dann wackelt auch das erzeugte Bild.
Ich persönlich finde es jedoch nicht schlimm, wenn man nicht ganz genau benennen kann was man da jetzt für eine erzählperspektive benutzt, wenn diese unbenannte Perspektive scharf gestellt bleibt.
Ich habe einen Roman von Greg Iles gelesen, der kapitelweise zwischen Ich-Erzähler und personalem Erzähler wechselt. Das hat mir ganz gut gefallen.
In diesem Sinne würde ich sagen, dass wenn du bei deinen Punkten, die für dich bei einer Erzählstimme relevant sind (grammatikalische Person etc)
für ein Set entscheidest und das dann durchgängig verwendest, hast du deine Erzählstimme kreiert und kannst danach immer noch fragen, wie die heißt.

Auch wenn man mich jetzt naiv nennen will
:shy:

LG
feurig

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Katta

Ich bin nämlich zu der Meinung gelangt, dass die Einteilung der Erzählperspektiven unsystematisch und willkürlich ist.
:sconf: Sakrileg! :dagegen: *steig auf die Barrikaden* :lol:
Du kannst allerhöchstens sagen arbiträr, aber Konvention - so wie in der Linguistik das mit dem Bezeichnendem und dem Bezeichnetem. Gäbe es keine Konvention, könnten wir nicht in gesprochener Sprache kommunizieren und erst recht nicht schreiben. Das ist sicher sinnvoll und ebenso sinnvoll sind die Begriffe bei den Erzählperspektiven.
Unsystematisch ganz sicher nicht (das wiederlegst du im Grunde selbst weiter unten, wenn du die fließenden Übergänge auflistest).

Ob dir das alles hilft oder nicht, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt.

Ich wüsste nicht, warum ein allwissender Erzähler nicht sehr mitfühlend oder emotional dicht dran berichten sollen dürfte.
Kann er doch auch. Mit 'Nähe' und 'Distanziertheit' hat das auktorial vs personal nur unwesentlich bis gar nicht zu tun.
Denn am Ende geht es, glaube ich nicht um die Frage: Ist das personal oder auktorial oder geht da etwas durcheinander?, sondern darum, ob der Erzähler in sich konsistent ist.
Naja, aber wenn du mit anderen darüber sprechen willst oder das für dich strukturell analysieren, geht es eben doch um die Frage. Denn wie willst du ausdrücken / erklären, ob eine Erzählhaltung konsistent ist oder nicht, wenn du kein Vokabular hast, deine Beobachtungen auszudrücken?
das ist mit so einem kurzen Abschnitt halt schwer und ich glaube, dass es nicht hilfreich ist die Frage der Perspektive so runterzubrechen, weil es eben wie gesagt, um den Erzähler geht.
Die Perspektive ist die Erzählhaltung.
Ich sehe das auch so: kurze Ausschnitte sind manchmal, aber nicht immer sinnvoll für eine Analyse. Weil manche Sätze je nach Umgebung eher auktorial oder personal vestanden werden können. Manche aber eben nicht: der Satz mit 'man' da z.B.

Aber wenn du dank dieser Diskussion einen Weg für dich gefunden hast, das zu lösen, war es doch schon die Sache wert. :gelb:
Liebe Grüße,
Katla

 
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Hey @Katla,

:sconf: Sakrileg! :dagegen: *steig auf die Barrikaden*:lol:
:D schon auch süß deine Empörung :lol:

Du kannst allerhöchstens sagen arbiträr, aber Konvention - so wie in der Linguistik das mit dem Bezeichnendem und dem Bezeichnetem. Gäbe es keine Konvention, könnten wir nicht in gesprochener Sprache kommunizieren und erst recht nicht schreiben. Das ist sicher sinnvoll und ebenso sinnvoll sind die Begriffe bei den Erzählperspektiven.
Auch hier musste ich lachen, denn: Sagen können, tue ich natürlich viel, aber ich sage nicht, dass alles sinnvoll ist ;-). Und ja, insgesamt mag das alles etwas aus der Hüfte geschossen sein. Das Bezeichnende? Das Bezeichnete? Sagt mir gar nix, hab kurz bei Wiki reingelesen, aber auf die Schnelle nix verstanden und für mehr fehlt mir gerade die Zeit. Ich weiß auch nicht, ob ich dich richtig verstehe. Die Konvention ist ja, die Erzählperspektive nicht zu brechen, richtig? Dass das sinnvoll ist, sehe ich auch so. Bei den Begriffen allerdings ... da finde ich es nach wie vor schwierig, eben weil ich finde, dass diese Begriffe, (und zwar besonders der Begriff "personaler Erzähler" gerade als Gegenüber von dem Begriff "auktorialer Erzähler") das Diskutieren über Erzähler unglaublich kompliziert machen, andauernd taucht irgendwo ein "Aber" in meinem Kopf auf, wenn ich die Begriffe verwende.

Unsystematisch ganz sicher nicht (das wiederlegst du im Grunde selbst weiter unten, wenn du die fließenden Übergänge auflistest).
Naja, aber wenn du mit anderen darüber sprechen willst oder das für dich strukturell analysieren, geht es eben doch um die Frage. Denn wie willst du ausdrücken / erklären, ob eine Erzählhaltung konsistent ist oder nicht, wenn du kein Vokabular hast, deine Beobachtungen auszudrücken?
Aber ich liste doch gar keine Übergänge auf, sondern Merkmale eines Erzählers. Und ich bin der Meinung, dass diese Merkmale kontinuierlich sind und dazu über alle Ich- und Er-Erzähler jedwede Merkmalsausprägung annehmen können und dass es eben nicht so ist, dass bestimmte Merkmalsausprägungen per se auf personale oder auktoriale Erzähler zutreffen (müssen). Darum hilft es mMn nicht, wenn man sagt: Du hast da einen personalen Erzähler und hier einen auktorialen. Weil das alles und nichts bedeuten kann und eben nichts über die Ausprägungen der einzelnen Merkmale aussagt. Um wirklich zu analysieren, warum man als Leser eine Erzählperspektive als nicht konsistent erlebt, braucht es doch mehr als diese zwei Begriffe und das ist, was ich damit meine, dass ich sie nicht hilfreich finde (und ja, auch immer noch unsystematisch). Man muss es doch runterbrechen auf die einzelnen Merkmale. Als Leserin nehme ich einen Er-Erzähler wahr. Was weiß dein Erzähler über die Geschehnisse? Kann der wissen, was er da schreibt? Und an einer Stelle könnte es sein, dass er auf einmal dicht dran ist an einer Figur oder eben weit weg und ich mich wundere und sagen kann, dass kommt jetzt für mich unmotiviert, ich habe den vorher anders erlebt. Das ist doch was ich mglw als Inkonsistenz erlebe und was auch nicht an Ich- personal oder auktorial gebunden ist. Klar, innerhalb der Begriffe, werden diese Merkmale ja auch charaktersiert und benannt, die hab ich mir ja nicht ausgedacht. Aber ich finde diese Zuordnung der Merkmalsausprägungen zu den Begriffen tatsächlich nicht nachvollziehbar. Aber ich will mich da gar nicht an solchen Bewertungen wie unystematisch oder willkürlich aufhängen, und ziehe mich zurück auf ein: Ich finde es hilfreicher, tatsächlich über diese Merkmale zu sprechen als über die "vermeintlichen" Oberbegriffe personaler Erzähler oder auktorialer oder Ich-.

Ich habe jetzt übrigens noch mal in Wood reingeschaut und das Buch beginnt mit einem Kapitel zum Erzähler. Interessanterweise taucht in diesem ersten Kapitel der Begriff "personaler Erzähler" überhaupt gar nicht auf. Er schreibt: "Allerdings sind beide Seiten [Ich-Erzählung und allwissende Er-Erzählung] ... bis zur Karikatur überzeichnet worden."(Nr 3) Er schreibt dann viel über erlebte Rede, bzw. feiert sie, weil sie ermöglicht rein- und rauszuzoomen oder bspw. "mindestens drei verschiedene Perspektiven auf einmal mitzuerleben"(Nr 13). Und ja, das würde sicher als die "personale Perspektive" bezeichnet.

Die Perspektive ist die Erzählhaltung.
Ich sehe das auch so: kurze Ausschnitte sind manchmal, aber nicht immer sinnvoll für eine Analyse. Weil manche Sätze je nach Umgebung eher auktorial oder personal vestanden werden können. Manche aber eben nicht: der Satz mit 'man' da z.B.
Ja, genau und wenn die Haltung nicht klar ist, ist es schwer, die in so kurzen Sequenzen zu analysieren, weil zu wenig da ist, an dem man sich dann orientieren kann, um eine Ahnung davon zu bekommen, in welche Richtung es gehen soll ...

Aber wenn du dank dieser Diskussion einen Weg für dich gefunden hast, das zu lösen, war es doch schon die Sache wert.
Yep. Absolut. Ich danke dir und euch sehr für eure Gedanken dazu. Es ist doch viel einfacher, meine Gedanken zu ordnen, wenn ich mich dabei an Gedanken anderer ein bisschen abarbeiten kann ...

Liebe Grüße
Katta

 
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Moi Katta,

Sagt mir gar nix, hab kurz bei Wiki reingelesen, aber auf die Schnelle nix verstanden und für mehr fehlt mir gerade die Zeit. Ich weiß auch nicht, ob ich dich richtig verstehe. Die Konvention ist ja, die Erzählperspektive nicht zu brechen, richtig?
Nein, ganz anders.
Aber die Klärung erscheint mir hier grad nicht zielführend zu sein. Macht ja auch nix, wir nähern uns dem Problem offenbar nur anders als ich erwartete.
Bei den Begriffen allerdings ... da finde ich es nach wie vor schwierig, eben weil ich finde, dass diese Begriffe, (und zwar besonders der Begriff "personaler Erzähler" gerade als Gegenüber von dem Begriff "auktorialer Erzähler") das Diskutieren über Erzähler unglaublich kompliziert machen, andauernd taucht irgendwo ein "Aber" in meinem Kopf auf, wenn ich die Begriffe verwende.
Naja, dann wird es aber auch schwierig, sich darüber zu verständigen.
Wenn du sagst, Begriffe schränkten dich ein, kannst du natürlich sagen, ob Tisch oder Stuhl ist egal, weil die Begriffe eh willkürlich sind und wenn jemand ein falsches Bild im Kopf hat, weil du sagst, du säßest auf einem Tisch beim Frühstück, ist das eben deren Problem und nicht deins. Klar. Aber sinnvolle Kommunikation wird dann eben unmöglich.
Ich finde es hilfreicher, tatsächlich über diese Merkmale zu sprechen als über die "vermeintlichen" Oberbegriffe personaler Erzähler oder auktorialer oder Ich-.
Wieso "vermeintlich"? :susp: Du nutzt doch Sprache, da ist es mir ein Rätsel, wie du das Verhältnis von Wort und Wortkonzept in Frage stellen kannst.

Aber wenn das Problem ja bereits gelöst ist, ist das doch auch super. Also, versteh mich da bitte nicht falsch.
Liebe Grüße,
Katla

 

Blau ist auktorial: Wieso darf ein personaler Erzähler nicht sagen, was Charlotte kennt?
Weil es dem personaler Erzähler nicht auffallen würde, dass sie (er) kennt, was sie kennt. Drehen wir den Spieß mal um: Könnte der personale Erzähler bemerken, was sie nicht kennt? Sicher, aber das würde sich auf die Formulierung an Stellen auswirken, die man leicht vergisst:

Das Auto, das Charlotte kennt, biegt um die Ecke. (auktorial)
Falsch, d.h. immer noch auktorial: Das Auto, das Charlotte nicht kennt, biegt um die Ecke. Richtig, da personal: Ein Auto biegt um die Ecke. In der Wahl des unbestimmten Artikels spiegelt sich wieder, dass die Protagonistin das Auto nicht kennt, und dies nicht für bemerkenswert hält, da das auf eine Milliarde weiterer Autos, die es gibt auf der Welt (eben gegoogelt, Stand '15 sind es gar 1,3), ebenso zutrifft.
Wolltest du obigen Satz in eindeutig personaler Erzählperspektive sagen: Das Auto mit dem zerbeulten Kotflügel biegt um die Ecke. Dass das Auto einen zerbeulten Kotflügel hat, ist dabei gar nicht wichtig, sondern das hat nur die Funktion, wiederzugeben, dass Charlotte schon früher darauf aufmerksam geworden ist und jetzt keinen Fokus mehr darauf legt, wie etwa in: Meyers Toyota bog knatternd in ihre Straße ein, der Kotflügel war sichtbar zerbeult.

Oder eben:
Der leicht ungelenk selbstgemachte Schriftzug der Behindertenwerkstatt prangt ... (personal)
Der Schriftzug, den Charlotte kennt, prangt ... (auktorial)

Was den personalen Erzählstil kennzeichnet ist der subjektive Sinneseindruck, Erinnerungen, Assoziationen. Der auktoriale Erzählstil zeichnet sich aus durch häufige Bezüge auf die Hauptperson auf distanziert analytische Weise.

Du siehst, nicht das, was gesagt wird, entscheidet die Perspektive, es ist eher das Wie.

 

Hallo @wörther und alle anderen natürlich auch!

Ich kämpfe ja auch noch mit der Perspektive, das Beispiel stammt aus einer meiner Geschichten. Auch wenn so rausgerissene Fetzen nicht leicht zu interpretieren sind, helfen sie mir für das grundsätzliche Verständnis. Und Deine Erklärung macht das auch.

Jetz lege ich noch einen drauf, zumindest theoretisch. Wenn Charlotte in der Ich-Perspektive erzählt, würde sie es ja noch anders beschreiben. Vieles ist ja für sie logisch, zum Beispiel ein zerbeulter Kotflügel würde wohl eher in einem Gedanken wie: "Wo sind die denn reingeknallt, letzte Woche sah der Kotflügel noch okay aus." oder halt gar nichts in die Richtung.

Hier wäre dann wohl eher eine Formulierung wie: Ich kneife die Augen zusammen. Seltsam, dass ist doch ein Fahrzeug von der Behindertenwerkstatt. Mir ist das Logo auf einem der Wochenmärkte aufgefallen.
Oder liege ich jetzt falsch?

So langsam schnackelt es bei mir (falls das jetzt nicht auch völliger Blödsinn ist).
LG
witch

 
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Ich kneife die Augen zusammen. Seltsam, dass ist doch ein Fahrzeug von der Behindertenwerkstatt. Mir ist das Logo auf einem der Wochenmärkte aufgefallen.
Genau. Und jetzt macht es auch keinen Unterschied mehr hinsichtlich der Perspektive, ob "mir" oder Charlotte das Logo auf einem der Wochenmärkte aufgefallen ist. Der inliegende zweite Satz, der ohne viel Aufhebens ihr Denken widerspiegelt, verankert die Perspektive sehr fest.

Wenn mir mal die Theoretisierlaune erlaubt ist: Es gibt objektive und es gibt subjektive Beschreibungen. Objektive Beschreibungen, wie ob X Y kennt oder nicht (das Ob ist hier das Objektivierende, stünde im Satz bildhaft-assoziativ, wie gut sie den Schriftzug kennt, wäre das möglicherweise anders: Die Bewertung, wie gut sie ihn kennt, wäre ja wiederum subjektiv), deuten eher auf eine auktoriale Perspektive hin, unabhängig ob ich oder sie Y kenn(t). Subjektive Beschreibungen deuten dagegen auf eine persönliche Perspektive hin, ebenso unabhängig vom Pronomen.

Vorsicht ist natürlich geboten, wenn die Frage, ob X Y kennt oder nicht, in ein subjektives Framing eingebettet ist. Wurde Charlotte ausgeraubt und steht bei der Polizei und die Polizei zeigt ihr Bilder von Verdächtigen, dann ist die Frage des (Wiederer-)Kennens für sie im Rahmen der Handlung von höchstem konkretem Belang und hat nicht mehr die Funktion, ihre Handlungswelt dem außenstehenden Leser zu vermitteln, was ihr bekannt ist und was neu und so weiter.

Perspektivwechsel ist kein Ding des Umformulierens. Die Autorin muss sich wirklich in die Figur hinein denken wie ein Schauspielerin in ihre Rolle. [Geschlecht der Wörter nachträglich geändert. ;)]

 

Der Autor muss sich wirklich in die Figur hinein denken wie ein Schauspieler in seine Rolle.

Genau, als Autor:in ist man auch Schauspieler:in oder besser vielleicht: Schreibspieler:in.

 

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