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Reine Ahnung

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24.02.2005
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Reine Ahnung

Gegenüber einer Kirche. Am Rande von Treppenstufen. In einer Blumenvase lehnte sich eine gelbe Rose lässig gegen leeres Glas. Die Rose war echt, oder täuschend echt. Als ich mir Gewissheit verschaffen wollte, näherten sich Stöckelschuhe. Lange Beine. Langer Pelzmantel. Kurze schwarze Haare. Sie war es. Ich bot ihr einen Stuhl an. Sie blieb stehen.
„Ich bin eigentlich gar nicht offen für dich“, begann sie. „Ich habe gerade jemand anderen im Kopf. Und der hat Bleiberecht. Wenn Du also mit mir sprichst, kann es sein, dass ein Teil von ihm mithört, und ein Teil von mir hinter ihm steht, um ihm ins Ohr zu flüstern, dass das, was zwischen uns gerade abläuft, rein gar nichts zu bedeuten hat.“
„Die Rechnung bitte“, sagte ich.
Der Kellner drehte sich wie geschlagen um.
„Möchten Sie nicht noch etwas trinken?“, fragte er sie.
„Einen Café doble mit drei Päckchen Zucker”. Sie setzte sich, nahm einen Kosmetikspiegel aus der Manteltasche und legte ihn so auf den Tisch, dass ich mich in ihm spiegelte. Die Kirche schlug zur vollen Stunde. Wir redeten so lange mit den Augen und fanden keine gemeinsame Sprache. Schließlich zog sie ihren Mantel über die Schultern.
“Du hast meine Arme noch nicht gesehen.”, sagte sie.
“Schau sie an. Siehst du nicht, wie dick sie sind?”
Ich schaute ihr stur in die Augen. Im Straßencafé nebenan wurde gesungen. Jemand hatte Geburtstag. Sie starrte gegen die Wand. Hinter mir bröckelte es, wahrscheinlich hatte sich ein Steinchen aus der Fassade gelöst.
“Anyway, ich bin nicht zu haben. Mich gibt es gar nicht”, sagte sie und knöpfte wieder ihren Mantel zu. “Du kannst mit mir reden, aber ich höre dir mit keinem Ohr zu. Du glaubst, dass es zwischen uns etwas gibt oder geben könnte. Doch da ist nichts. Du gefällst dir bei deinem Orgelspiel. Doch deine Kirche ist verwaist. Du baust im Sturm dein Kartenhaus. Das sieht echt drollig aus. Wie Pantomime.”
Ich griff nach der Rose. Sie war echt. Täuschend echt. So wie ihre langen Beine.
“Ich blase in einen Ballon“, sagte ich und blies gegen Daumen und Zeigefinger. „Du kannst ihn nicht sehen, aber es ist ein schöner bunter Ballon. Er hat nur ein klitzekleines Löchlein. Das könnten ich flicken, wenn ich wollte.“
“Da sind lauter Löcher. Die Luft ist ein einziges Loch. Das hier ist deine Luft. Und ab hier beginnt meine.”
Der Kellner kam und servierte den Kaffee. Tasse klirrte gegen Untertasse. Es war ein junger Kellner und er war genauso nervös, wie er cool wirken wollte. Ich ließ meinen Blick wie eine Fledermaus über ihre Arme gleiten. Sie waren gar nicht so dick. Und tief im Innern wusste sie das auch. Plötzlich stand sie auf und verschwand so schnell wie sie gekommen war.
Ein paar Pflastersteine kullerten die Treppen hinunter. Der Kellner kurbelte den Kirchturm herunter. Sein Gesicht zerschmolz zu einer beigen Fläche.
„Nicht schlecht“, sagte er, bevor sein Mund verschwand, mit einer weiblichen, mit ihrer echten Stimme. Wir wurden nicht synchron entkabelt. Ich wollte mir die Synoden vom Kopf reißen. Doch meine Hände waren gefesselt. „Ein wenig zu gut, um genau zu sein“, sagte sie. "Doch was ist ein Sieg im Synapsator schon gegen eine Niederlage in der Wirklichkeit?"
Ich kniff die Augen fest zusammen und riss sie so weit wie möglich auf. Doch alles was ich sah, war der starre Blick des gesichtslosen Kellners. Er kam auf mich zu. Die Treppen rissen entzwei. Ein Stich im Oberarm. Ich ahnte, womit die Spritze geladen war. "Ich kenne ihn. Ich weiß, wo er ist", sagte ich. Doch es klang nicht nach meiner Stimme. Noch nicht. Noch. Nichts..

 

Schöner Titel,

Nicolaijewitsch!,

aber weil ja das Raucherzimmer heutigentags nicht in öffentlichen Räumen wie Café, Kneipe, Restaurant und/oder Wettbüro, sondern vor der Tür und somit an der frischen Luft liegt, wüsste man ohne Angabe auch, wo die beiden sitzen. Und zu mosern gibt's da wenig, sieht man von ab, dass nach einem gelungenen Ende der wörtl. Rede

<..., rein gar nichts zu bedeuten hat.“>
der Punkt gelegentlich (also nicht nur beim Zitat jetzt)

<„Einen Café doble mit drei Päckchen Zucker”.>

eingefangen werden sollte und auf den dafür vorgesehenen Platz vor den auslaufenden Gänsefüßchen verwiesen wird - und der absurde Dialog gefällt mir - kann mir sogar vorstellen, dass ab hier

<“Anyway, ich bin nicht zu haben. ...">

der Konjunktiv eine Bereicherung und Anpassung an das von der Frau gesagte wäre, etwa wie in Kafkas "Wunsch, Indianer zu werden".

Am Schlusssatz

<Und tief im Innern wusste sie das wusste auch.>

scheint mir allerdings was schiefgelaufen zu sein.

Gruß und vorsorglich schöne Tage dieser Tage vom

Friedel

 

Hallo Friedel,
danke für deine Anmerkungen und Korrekturen. Bin noch mal drüber gegangen.
Dir auch noch viele fröhliche Feiertage,
N

 

Hallo Nicolaijewitsch,
eigentlich hatte ich vor, alle Texte, die in der Challenge gepostet werden, zu kommentieren, aber es sind zu viele Autoren dabei, die ihren Kommentatoren noch nicht mal antworten (vom Kommentieren anderer Texte will ich gar nicht erst reden). Du hast wenigstens mal dem Friedel gedankt, also kriegst du auch einen Kurzkommentar.

Ich fand die Idee, dass da mehrere Personen sich so unverbunden und abgrenzend aufeinander beziehen, ganz schön. Es gibt auch Stellen im Text, die mir recht gut gefielen.
Aber insgesamt ist mir die Durchführung zu kryptisch, die Erzählabsicht zu undurchsichtig, die Charaktere auch. Ich verstehe im hinteren Teil des Textes noch nicht mal, wer da jeweils spricht.
Kurze Texte sind wohl furchtbar schwierig, ich merke das immer wieder. Wenn du Lust hast, hier in der Challenge gibt es noch ein paar kurze Texte, zum Beispiel der von Jimmysalaryman, das finde ich ein ganz gutes Anschauungsmaterial, da kann man mal vergleichen, wie die Autoren jeweils an ihre Sache gehen.

Viele Grüße an dich von Novak

 

Lieber Nicolaijewitsch,

ich klaue jetzt einfach mal:

Novak schrieb:
insgesamt ist mir die Durchführung zu kryptisch, die Erzählabsicht zu undurchsichtig, die Charaktere auch. Ich verstehe im hinteren Teil des Textes noch nicht mal, wer da jeweils spricht.

maria.meerhaba schrieb:
Ich habe es gelesen und ich habe keine Ahnung, was die Anspielungen bedeuten sollen, was der tiefere Sinn des Ganzen ist und was die Botschaft sein soll.

Haargenau so geht es mir auch mit deiner Geschichte. Ich suche nach einem Zusammenhang und nach einer Aussage, denke die ganze Zeit, dass ich wohl den Schlüssel zu deinem Text übersehe und bin natürlich jetzt froh, dass es mir nicht alleine so geht.
Vielleicht würde es uns in diesem Fall wirklich weiterhelfen, wenn du uns deine Autorenintention vermitteln könntest. Würde mich schon sehr interessieren.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo in die Runde,
ja interessant, dasselbe Echo hatten wir ja schon mit meiner letzten Geschichte. Offensichtlich bekommt ihr von mir nicht das, was ihr euch von einer Geschichte erwartet. Ein geschlossenes Weltbild, eine klare Intention des Erzählers. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein offenes Weltbild habe und mich eher für die Unschärfen, das halb zu erkennende und halb zu deutende Bilder interessiere. Es ist mir bewusst, dass ich damit so manchen Leser schlichtweg überfordere. Aber das ist nun mal mein Erzählstil, ich liebe es kryptisch, ich möchte mich als Leser auch ein wenig nach dem Sinn einer Erzählung recken, ansonsten langweile ich mich.
Novak Habe deutlicher gemacht, wer da gerade redet, danke dafür. Und klar kann man das so machen wie Jimmy. Ich habe die Story, die er in der Challenge gepostet hat, auch gerade gelesen und fand sie technisch gut, tip=top, habe ich gar nichts daran auszusetzen. Sie rührt auch gekonnt an tief im Menschen verwurzelten Instinkten. Und trotzdem ist es keine Geschichte, die mich anmacht, weil mich die Prämisse der Story ("Es ist schrecklich, Babies an Autobahnraststätten auszusetzen") nicht weiter zum Denken anregt. Das Offensichtliche interessiert mich nicht. Ich möchte auch als Leser Fährten folgen, keiner ausgeschilderten Autobahn.
barnhelm Deiner Bitte, meine Geschichte komplett für euch aufzuschlüsseln, kann ich natürlich nicht komplett nachkommen, obwohl ich sehr gut weiss, was ich mit dieser Geschichte ausdrücken wollte. Gibt der Titel nicht schon genug Aufschluss? Meine Geschichte soll ein kleines psychologisches Rätsel bleiben..ich finde es super, wenn der Leser den Sinn erahnen muss, wittern, für sich selbst finden muss.

Macht euch noch einen schönen Abend
N

 
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Hallo Nicolaijewitsch,

Dein Hallo

in die Runde
klingt niedergeschlagen, aber es gibt keinen Grund zu resignieren, sagt Dir der Kryptischste der Kryptischen hierort, der aneckt, wenn er deutlich wird und dennoch sind bisher drei kryptische Texte "empfohlen" worden, über die es mehr als drei Deutungen gibt.

Also, kein Grund aufzugeben - denn so klingt's jetzt in meinem Hirn unterm Vietnamnahkampfschnitt. Nach dem Profil bistu ein ganzer Kerl, denn auch was nicht empfohlen wird, kann eine langwährende Wirkung erzielen. Sag ich Dir aus reiner Erfahrung. Und ich bin überzeugt, dass es was werden wird, wenn die Illusion verweht ist, von Literatur leben zu können.

Also, halt die Ohren steif und setz ein jetzt erst recht darauf und es wird ...

Bisschen Wut gehört zum Schreiben, sonst landen wir alle in der Gartenlaube.

Friedel

 

Hej Nicolaijewitsch,

eine interessante Begegnung, ein toller Dialog.
Es kommt mir vor wie im Theater, ohne Kulisse, oder im schwarzen Raum. Ich höre die beiden kommunizieren, alles an ihnen kommuniziert miteinander. Die verärgerte Frau, der abwartende Mann.
Und sie missverstehen sich, es scheint paradox. Selbst der Kellner dient nicht als Verbindung.
Und ich wünschte, ich könnte diese Sprache, die Symbolik verstehen, deuten, weil sie kurz und kräftig ist, Bilder zeigt und Abstraktion.

Sie öffnete einen Kosmetikspiegel und ließ ihn auf den Tisch prasseln wie Dreck.

Ich dachte, prasseln können nur viele Dinge auf etwas, wie Regentropfen oder Steine, nicht ein einziger Spiegel.

Ich verfolge dieses Thema mit großem Interesse.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Nicolaijewitsch,
mein Lieblingssatz in der Geschichte: "Sie waren gar nicht so dick."
Ansonsten aber nicht mein Ding - Leser sind keine Dechiffrierapparate. Irgendwie geheimnisvoll reden kann großartig sein (Bolano), aber eben auch sehr leicht sehr selbstverliebt klingen. In der Erwiderung auf die Kommentare schreibst Du, dass Dir schon klar ist, dass Du die Leser "schlichtweg" überforderst. Vielleicht unterforderst Du sie aber eher?
Auf gewisse Weise ist Dein Text wohl aber durchaus ein schönes Rätsel - nur dass ich als Leser eben nicht gern Rätsel löse. Ist aber natürlich mein Problem und nicht Deins.
Viele Grüße
Jürgen Hoffmann

 

Hi Nikolaijewitsch!

Keine Ahnung, was du mit diesem Text sagen willst.

Ich zündete mir meinen Joint noch mal an.
Wenn das ganze hier einen missglückten Drogentrip darstellen soll, dann meinetwegen.

Andernfalls ergibt das aber hier wohl nur für Leser wie Friedel irgend einen Sinn.
Sorry, bin raus!

Viele Grüße und ein schönes Weihnachtsfest wünscht dir der EISENMANN

 

Hola Nicolaijewitsch,

Deinen kurzen Text habe ich mit Interesse durchgelesen, nur habe ich keine Ahnung, was zum Teufel da vorgeht. Muss ich dafür Drogen nehmen, um auf die relevante Bewusstseinsebene zu kommen? An sich unterhaltsam natürlich, das alles. Ich check mal deine anderen Texte ab. Vielleicht gewinne ich dadurch Erkenntnisse.

Liebe Grüße
Grayson

 

Lieber Nicolaijewitsch,

einer Bitte, meine Geschichte komplett für euch aufzuschlüsseln, kann ich natürlich nicht komplett nachkommen, obwohl ich sehr gut weiss, was ich mit dieser Geschichte ausdrücken wollte.

Lies noch mal genau: Von ‚komplett’ war bei mir überhaupt nicht die Rede. Aber sei’s drum.

Gibt der Titel nicht schon genug Aufschluss?
Wie's bisher aussieht, wohl nicht.

Meine Geschichte soll ein kleines psychologisches Rätsel bleiben..ich finde es super, wenn der Leser den Sinn erahnen muss, wittern, für sich selbst finden muss.

Ich auch. Nur muss da auch die theoretische Möglichkeit bestehen, das ganze Ahnen, Wittern und Finden auf einen (oder mehrere) Fluchtpunkt(e) zulaufen zu lassen. Sonst bleibt die Auseinandersetzung mit deinem Text u.U. ein eher konfuses Rumirren, das durchaus Spaß machen kann und sogar zum Denken anregt,

weil mich die Prämisse der Story ("Es ist schrecklich, Babies an Autobahnraststätten auszusetzen") nicht weiter zum Denken anregt.

vielleicht aber mit deinem konkreten Text nicht mehr viel zu tun hat. Und dann bleibt die Frage, ob das nicht mit irgendeinem beliebigen anderen Anlass auch hätte geschehen können. (Beuys Intuition-Holzkasten böte sich da an, weil es den Assoziationsspielraum um ein Vielfaches vergrößeren würde.)

Das Offensichtliche interessiert mich nicht.

Das ist ein Allgemeinplatz, da es wohl den meisten mit Literatur Beschäftigten genau so gehen wird. Nur sollte mMn auch das Nicht-Offensichtliche tendenziell dechiffrierbar sein. Sonst macht das Ganze irgendwie keinen Sinn.

Ich warte also gespannt, ob sich endlich der Schleier hebt und hier irgendjemand einen Interpretationsansatz präsentiert. Mir wäre dabei jede Deutung recht, gerne auch mehrere. Für's erste würde mir aber schon eine sehr gefallen. Bis jetzt finde ich nur Statements des Nicht-Verstehens. Irgendjemand wird doch sicher eine Ahnung haben oder wittern, was du uns mit deinem Text sagen willst.

In diesem Sinne auch dir schöne Festtage.

barnhelm

 
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Hi,Nicolaijewitsch,

ich habe die Geschichte gelesen und die Diskussion mitgelesen und mir ist aufgefallen dass ich beide Seiten kenne, beide Positionen kommen mir sehr bekannt vor. als Autor der als Resonanz vermeintlich nur Unverständnis erntet und als Leser der Geschichten lesen will, mit denen ich was anfangen kann.

ich habe den Text jetzt mehrmals gelesen und mir überlegt, was da los ist und wie das bei mir ankommt. also ich gehe immer wieder sehr naiv in den Text und glaube das was da steht. Sie ist eine Frau und er ist ein Typ und es geht um Begierde, Besitzdenken in der Liebe, wechselseitge Hingerissenheit. sie hat aber auch Furcht wegen ihrem festen Freund oder so was. :) mir ist das völlig klar, auch wenn es nicht deine Intention ist. und meine Lesart geht darüber auch nicht hinaus, ich finde nichts zum Anknüpfen, Weiterspinnen. was vielleicht auch an meinem zu geschlossenen Weltbild liegen kann, aber ich glaube, so was lässt sich nur schwer einschätzen, abmessen und vergleichen. ich bin so 77 % Prozent zyklisches Weltbild, die fünzehn unvermeidlichen Prozent lineares Weltbild zum Klarkommen und der Rest besteht aus Twin Peaks und MC Bomber?
über die Intention der Leser zu spekulieren, ist zwar möglich und okay, die spekulieren ja auch gern im Rudel über einen Text, das ist ja auch nur eine Konvention, die wir für selbstverständlich halten. aber ich weiß nicht was es deinem Text oder deinem Schreiben oder dir bringen soll, wenn dein Resumee wäre - die anderen haben mich nicht verstanden. sie sind nicht clever, nicht offen genug, wenn sie meine Geschichten nicht verstehen könnt - das steckt da für mich hinter und das ist eine Falle die vom Gott des absurden Erzählens da aufgestellt wurde. nicht reintappen! bleib bei dir und kucke dir an wo das ist und überleg dir was du vermitteln willst welche Resonanz erreichen und kommuniziere das etwas offener, wenn es geht. ich gehe wenigstens mal davon aus, dass du eine Motivation hast, hier was zu veröffentlichen.

es gibt sicherlich so viele verschiedene Wege wie Menschen sich übers Schreiben ausdrücken können und was sie vom Schreiben erwarten. welcher Resonanzwunsch deutlich oder unerkannt in uns schlummert, lauert, arbeitet. wenn ich als Resonanz mit in den Text gehen soll, wenn die Figuren, ihr Miteinander oder Nebeneinander mich interessieren sollen, brauche ich nicht zwangsläufig Klarheit in den literarischen Sphären oder geschlossene Logiken, die sich eng an der Alltagsrealität orientieren, unsrem gemeinsamen Grund, den wir uns täglich erbauen. aber ich werde leider auch automatisch anspruchsvoller in der Wahl meiner Speise, wenn es keinen Realismus gibt, an dem ich mich durch die Geschichte hangeln kann. den gibt es ja hier. es ergibt nur keinen tieferen Sinn für mich. wenn ich das Gefühl habe der Autor schreibt bewusst kryptisch oder hermetisch, da frage ich mich, warum ich das lesen soll. also ehrlich, es ist schon so schwierig, das erzählenswerte Unerkannte in Worte und Bilder zu fassen, die was vom Wesen dieser Gegenstände vermitteln. Ahnungen, Ideen, assoziatives Anknüpfen ermöglichen. ich glaube die Tendenz könnte hier wichtig sein - nicht die Unterschiede zu den anderen markieren - ihr geschlossen, ich offen. sondern vllt beim Offenen, Porösen bleiben aber zwischendurch mal kucken, welche Signale vermittelt werden und was vermittelt werden soll und ob das wirklich kool so ist mit der immer wieder gleichen und also erwartbaren Reaktion von Unverständnis und Aufdröseln und Kopf hoch, wenn unverständliche Texte veröffentlicht werden.
ich meine, was soll man mit einem Text machen, der vielleicht was bedeuten will, aber dessen zweite Ebene keine Bedeutung für mich haben kann, weil Literatur eben kein eindeutig auslesbarer Code ist, und der sich auf der ersten Ebene anhört, als sollten zwei altbekannte Positionen (hier: er will sie / sie will nicht // gibts auch andersrum) scheinargumentativ begründet werden - was für mich immer Distanz schafft.
ein anderes Problem ist für mich: hier steckt so viel Vernunft und rationale Zuspitzung der einzelnen Gedanken und Sätze drin, was mir die Wahrnehmung eines poetischen Mehrwerts oft sehr erschwert.

vllt kannste was mit anfangen,
Grüße
Kubus

ps: wenn die figuren aneinander vorbei aufgestellt werden ist es mir glaube ich noch wichtiger dass die ins handeln kommen, nicht im dialog bleiben, das ist auch so eine falle, ein netz, dialog zweier figuren an einem tisch. so was auf egal welcher strecke so auszuerzählen dass ich das lesen will, puh. da ist schon das anfangshandicap verdammt hoch dass du dir damit gibst. es erschwert alles ungemein. ich will nicht das gefühl haben ein verschriftlichtes selbstgespräch des autors mitzulesen.

bei beckett oder ror wolf gibt es mE relativ wenig Dialog, und auch nicht unbedingt in einer anderen Frequenz als beim realistischen erzählen. ich erinnere mich gerade an eine endlose szene aus becketts trilogie wo die beiden figuren nur versuchen, mit dem fahrrad aus dem dorf rauszukommen. auf hundert vorstellbaren wegen die alle durch alles mögliche andere vorstellbare verstellt werden so dass die beiden sich was neues ausdenken müssen und auf dem hundertundersten weg versuchen mit dem fahrrad aus dem dorf zu kommen. da haben die zwischendurch auch gesprochen aber es gab auch was zum anfassen und kucken.

 

Vielen Dank für Euer Feedback Leute! Ich freue mich über eure sehr unterschiedlichen Sichtweisen. Und womöglich baue ich das Geschichtchen noch ein wenig aus, um es auch zugänglicher zu machen. Lets see. Werde mir eure Sichtweisen jedenfalls gründlich durch den Kopf gehen lassen. Alles wichtige Fragen, die sich da auftun. Werde nach den Feiertagen auf eure jeweiligen Kommentare eingehen und wünsche erstmals das Übliche mit nem Schuss Sahne drauf :)

 

Hi Nicolaijewitsch,

kurzer Text, kurzer Kommentar: Das passt gut zusammen, deswegen greif ich dich mir schnell. Liest sich flott, hübsche Einfälle, fröhliche Absurditäten. Ich find's cool.

Zur Begrüßung knöpfte sie ihren Mantel zu.
„Ich bin eigentlich gar nicht offen für dich“
Die Gegenüberstellung ist ja erst mal ein bisschen platt, passt aber dann doch zum Text - nicht als Plattitüde, sondern weil's halt passt, weil der Text das schließlich verträgt.

„Die Rechnung bitte“, sagte ich.
Gut gekontert. Und noch besser, dass es dann doch nahtlos weiter geht, als hätte er das nicht gesagt.

Sie öffnete einen Kosmetikspiegel und ließ ihn auf den Tisch prasseln wie Dreck.
Spiegel prasseln lassen? Hat die den zerbröselt? Das find ich mal nicht so gelungen.

Das könnte ich flicken, wenn ich wollte
Huch, da hab ich erst ein anderes Wort gelesen. Das hätte ich für das feinsinnige Gespräch zu derb gefunden. Deine Version ist besser.

Wie auch immer, das hier ist deine Luft.
"Wie auch immer" - könnte man streichen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Nicolaijewitsch,

ich bin ganz ehrlich: Als ich das hier von dir las, verging es mir erst einmal:

Offensichtlich bekommt ihr von mir nicht das, was ihr euch von einer Geschichte erwartet. Ein geschlossenes Weltbild, eine klare Intention des Erzählers. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein offenes Weltbild habe und mich eher für die Unschärfen, das halb zu erkennende und halb zu deutende Bilder interessiere.

Ich sage dir auch, warum: Ich verstehe, dass du deine Geschichte verteidigst, das ist völlig klar und legitim, macht jeder. Aber wenn mehrere Leute dir sagen, dass sie deinen Text schlichtweg nicht verstehen und zwar in dem Maße, dass nicht mal irgendeine Deutung möglich wird, dann denke doch darüber auch einmal nach, bevor du ihnen eine bestimmte Erwartungshaltung unterstellst oder ein geschlossenes Weltbild, gegen das du dein offenes Weltbild stellst. Denn es geht hier nur darum: Dir wurde gesagt, dass der Text für fast alle, wenn ich das richtig sehe - und ja, auch für mich - zu abstrakt ist, zu aneinander vorbei geredet, als dass er Interpretationen zulässt. Da kann man als Autor schon auch einmal in sich gehen und darüber nachdenken, ob vielleicht an den Meinungen anderer auch etwas dran ist und es nicht nur daran liegt, dass man sie überfordert. Vielleicht war dieser Kommentar von dir eher impulsiv, deshalb will ich da auch nicht ewigst drauf herumtrampeln, ich wollte dir nur sagen, dass jeder von uns noch lernen kann und an Kritik wachsen.

Warum ich dann aber doch dachte, ich hinterlasse dir einen Kommentar, ist, dass mir der Text an sich gefällt. Ich mag absurde Geschichte, ich lese wahnsinnig gerne Vian, der ja teilweise auch so verpeilte Sachen schreibt, dass man nicht mehr so ganz hinterherkommt, aber dennoch ergibt es irgendwie einen Sinn. Diesen Sinn habe ich bei dir leider nicht gefunden, ich check's schlichtweg nicht. Ohne Witz, ich habe nicht die leiseste Ahnung, was hier erzählt wird.

Aber gut, dennoch gab es Stellen, die ich mochte:

Ich saß schon da, als sie kam. Zur Begrüßung knöpfte sie ihren Mantel zu.
Das ist zum Beispiel ein geiler Start. Zur Begrüßung knöpft sie ihren Mantel zu. Da musste ich richtig lachen.

“Schau sie nur an, meine dicken Arme. Siehst du sie?”
Ich schaute ihr stur in die Augen.
Auch eine gute Stelle!

Das könnte ich flicken, wenn ich wollte“
- hier fehlt ein Punkt nach "wollte"

Was ich dir sagen will: Ich mag es total, wie du das aufbaust. Und es spricht nichts gegen Absurditäten. Aber naja, es spricht auch nichts dagegen, ansatzweise sichtbar oder fühlbar zu machen, um was es überhaupt geht.

Viele Grüße
RinaWu

 

Liebe Wortkrieger,
danke noch mal für eure Kommentare und Anregungen. Ich habe die Geschichte überarbeitet und ihr einen Rahmen verpasst. Sie schwebt jetzt nicht mehr so orientierungslos im Raum. Und das ist auch für mich besser so. Danke also noch mal an alle, denen das alles zu schwammig war. Lasst es weiterhin krachen.

P.S: RinaWu. Ja, ich bin Impulsschreiber. Ich verharre nicht am Puls der Zeit, sondern fließe mit ihr, so gut ich kann.

 

Hallo Nicolaijewitsch,

in deinem Text finden sich einige starke Bilder, in denen die Welt zerfließt, als wäre sie ein Traum, die Wirklichkeit eine Illusion, die sich auflösen könnte, was sowohl für die Szenerie als auch für die Gespräche der Protagonisten gilt. Wie sich das zu ein einem Gesamttableau fügt, tja, das bleibt offen, verschließt sich mir und es fehlt mir die Kraft und Notwendigkeit das Geschehen zu interpretieren, dem Ganzen eine Bedeutung zu verleihen. Darin besteht die Schwierigkeit, die ich mit dem Text habe, den ich an sich gern gelesen habe, weil er versucht, die Zerbröselung der Realitäten darzustellen. Die Bilder an sich ließen sich verstärken, ausweiten, damit sie einen deutlicheren Kontrast zum Geschehen zeigen, das Rätselhafte könnte dadurch an Rlevanz gewinnen, damit der Text den Leser mitten ins Herz trifft und nicht nur streift.

Textstellen:

„Ich bin eigentlich gar nicht offen für dich“, begann sie. „Ich habe gerade jemand anderen im Kopf. Und der hat Bleiberecht. Wenn Du also mit mir sprichst, kann es sein, dass ein Teil von ihm mithört, und ein Teil von mir hinter ihm steht, um ihm ins Ohr zu flüstern, dass das, was zwischen uns gerade abläuft, rein gar nichts zu bedeuten hat.“
an sich witzig, aber so spricht nur eine Kunstfigur, die Dialogsätze müssten kürzer sein, weniger ineinander verschlungen.

„Die Rechnung bitte“, sagte ich.
Der Kellner drehte sich wie geschlagen um.
wie sieht er aus, der geschlagene Kellner, zieht er die Schultern zum Beispiel ein?

Du gefällst dir bei deinem Orgelspiel. Doch deine Kirche ist verwaist. Du baust im Sturm dein Kartenhaus.
mm, der erste Teil ist noch deutlich, aber der Übergang zur verwaisten Kirche empfinde ich als reichlich intellektuell.

Ein paar Pflastersteine kullerten die Treppen hinunter. Der Kellner kurbelte den Kirchturm herunter. Sein Gesicht zerschmolz zu einer beigen Fläche.
starkes Bild

viele Grüße
Isegrims

 

Moin Nicolaijewitsch,

okay, es ist Challange und der Plan ist alle Geschichten zu lesen, wenn irgend geht zu kommentieren. Da Du ja die Vorkommentare kennst, ist Dir mein Problem bestimmt bewusst. Aber ich liebe es, wenn Worte Bilder in meinen Kopf zaubern, schauen wir mal, was passiert.

Der Titel ist Klasse und schon beim Einstellen, hab ich sofort reingelesen bzw. es versucht. Ja, ich bin dann wohl auch eine von denen, mit dem anderen Weltbild (obwohl mir sogar das nichts sagt)
Aber, wenn jemand sich die Mühe macht, schöne Worte in Sätze zu fügen und diese dann zur allgemeinen Unterhaltung/Interesse oder Auseinandersetzung (ließe sich sicherlich fortführen) hier einstellt, dann möchte ich da auch etwas von haben. Also zweiter, .... Versuch:

Ich gebe Dir mal, was in meinem Kopf passiert.
Eine Person (Frau) sitzt in einer "Bar" am Fenster. Sie beobachtet sich selbst, schaut sich zu, ist entrückt, im inneren Zwiegespräch.
Sie nimmt diese Trennung relativ deutlich wahr, ist übersensible, hört sogar den Putz fallen, ist aber vielleicht auch eine Spiegelung ihres Selbst.
Es sind zwei sehr unterschiedliche Stimmen in dieser "Frau?". Eine fühlt sich unschön, dick.
Eine Hälfte von ihr ist positiv - der Ballon (das Leben?) hat nur ein klitzekleines Loch.
Die negative Hälfte sieht lauter Löcher, zieht eine Grenze. Vielleicht das Ende ihres Lebens?

Tja, und dann ist aus. Ab den kullernden Pflanstersteinen fehlt mir der Bezug zu irgendetwas. Raten ist nicht mein Ding, es fehlen für mich erlebbare Fixpunkte, ein Rahmen von Vertrautem. Gefühlt, würde ich sagen, ein Traum im Krankenhaus, Ruhigstellen eines Schwerverletzen, für den Joint bin ich zu sehr Landei ...hört sich aber alles falsch an.

Sorry, Nicolaijewitsch, ich warte dann wohl auch auf etwas mehr, so ist es unbefriedigend und zu einer Geschichte gehört doch auch der Leser, oder?
Beste Wünsche
witch

PS
die schlagende Kirche empfand ich als falsch, ich weiß was Du meinst, aber entgegen der anderen Bilder ist es für mich unsauber

 

Hi Nicolajewitsch,

kurzer Zwischenruf: Ich fand's besser ohne Vor- und Abspann. Der runtergekurbelte Kirchturm usw. ist zwar witzig, aber mir hätte es nichts ausgemacht, wenn du dir das für eine neue Geschichte reserviert hättest.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

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