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Thema des Monats Resignation

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03.08.2002
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Resignation

„Wie wäre es nun mit Ihrem Penis, Tom?“, fragt ihn der Diener mit französischem Akzent. Er trägt seinen Anzug, darunter sein weißes Hemd und dazu die rote Fliege um den Hals. Sein Haar ist schwarz und mit Gel zurück gekämmt. Das alles sieht Tom nicht, er weiß es aus seiner Erinnerung. Wie soll er auch sehen, hat ihm derselbe Diener vor zwei Tagen doch die Augen entfernt, um sie Monsieur im Nebenzimmer zu überbringen.
„Ich denke…“, beginnt Tom und spürt, wie die Beinstümpfe zu zucken beginnen. Er will es unterdrücken, doch seine Bemühungen scheinen es nur noch schlimmer zu machen.
„Ich denke…“
„Ich weiß, wie schwer Ihnen dieser Schritt fallen muss, Tom. Es ist nicht leicht für einen Mann, wenn es um sein Geschlechtsorgan geht. Selbst für Sie nicht. Doch wir wissen beide, dass es von Nöten ist.“ Der Diener spricht in seinem gewohnt unaufgeregten Tonfall. Es würde sich nicht anders anhören, fragte er Tom nach einer Tasse Kaffee.
„Wo sind Ihre Kollegen?“ Tom will Zeit schinden. Diese Erkenntnis ist ihm unangenehm, doch ändert dies nichts an ihrem Wahrheitsgehalt. Natürlich weiß dies auch der Diener.
„Tom, wir sollten jetzt wirklich nicht länger warten.“
Ein Klirren ist zu hören und Tom sieht vor seinem geistigen Auge, wie die weißbehandschuhte Linke des schmächtigen Dieners das Skalpell vom Tablett nimmt, welches er in der Rechten trägt. Tom hat sich an seinen blinden Zustand mittlerweile so gut gewöhnt, dass er das Geräusch ohne Probleme orten kann; der Diener steht neben seiner Hüfte.
Eigentlich müsste er aus dieser kurzen Entfernung einen Körpergeruch wahrnehmen, doch von dem Diener geht kein solcher aus, ebenso wenig wie von den anderen beiden, die für den heutigen Tag anscheinend frei bekommen haben.
Die Schwärze seiner Welt beeindruckt Tom mehr, als dass er es für möglich gehalten hatte, als ihn der Diener vorgeschlagen hatte, die Augen zu entfernen.
„Es wird in Maßen schmerzhaft für sie werden, Tom“, hatte er gesagt und sagt es auch jetzt wieder.
Hilflos in seinem Bett liegend, ohne Beine um aufzustehen, oder Arme, um mit ihnen die Umwelt zu ertasten, fleht Tom zu einem Gott, von den dessen Nichtexistenz er überzeugt ist, dass er ihm die Gnade der Bewusstlosigkeit schenkt, bevor der Schmerz seinen Verstand an die Grenze des Wahnsinns befördert.
Zwei Rinnsale Schweiß laufen synchron über je eine der verschlossenen Augenhöhlen und treiben dann weiter Richtung Oberlippe. Wie gern würde er sie wegwischen.
Die Arme waren bereits vor vier Tagen an der Reihe gewesen, als alles seinen Anfang genommen hatte, und der Monsieur das Gästezimmer seiner Wohnung in Anspruch genommen hatte. Ein aufrecht gehender Mann von großer Statur, gekleidet in einen schweren Mantel und mit beiden Händen den silbernen Knauf eines Gehstocks umfassend. Die Ausstrahlung, die aus ihm gewirkt hatte, war unbeschreiblich gewesen. Ein Charisma, das dem Helden eines antiken Epos mehr als würdig gewesen wäre.
„Es hat Ihnen viel Schande eingebracht, Tom“, spricht der Diener zu ihm und legt seine übergroße Hand auf seinen bloßen Bauch. Sie ist kalt, die Berührung unangenehm. Tom spürt, wie sich seine Haare um diese Hand herum aufrichten.
Er hat Ihnen Schande eingebracht. Viele Männer betrachten ihr Geschlechtsteil mit ausuferndem Stolz, sehen es als nicht zu geringen Teil ihres Wesens an. Jedenfalls die, deren Penis nicht eine gewisse Größe unterschreitet. Bei Ihnen war das anders, Tom. Nicht wahr?“
Die Hand verlässt seinen Bauch und legt sich auf seinen Penis. Aus dem Nebenraum dringt das unnachahmliche Gemisch aus Stöhnen und Röcheln zu ihm, wie es nur aus dem Munde des Monsieurs zustande kommt. Ein Laut irgendwo zwischen Ersticken und sexueller Ekstase.
„Ja“, bringt Tom heraus. Seine Lippen fühlen sich so trocken an. Er fährt mit der Zunge darüber und ertastet so die Risse, die sich auf ihnen gebildet haben. Nicht, dass dies Bedeutung hätte.
„Ihr Penis hat Ihnen Schande gebracht, sagen Sie es“, fährt der Diener fort.
Unwillkürlich steigt vor Toms innerem Auge das Bild der Narbe an seiner linken Wange auf. Nicht sehr groß und von einer Geradlinigkeit die ein Perfektionist geschaffen hat. Kann man sie als Makel in diesem sonst allen Idealen des Schönsinns erfüllendem Gesicht des Dieners bezeichnen?
„Sagen Sie es!“ Kalter Stahl setzt an der Peniswurzel an.
„Ja, er hat mir Schande gebracht.“ Wären die Augen noch an ihrer Stelle, würden nun Tränen fließen.
„Es war… Ich wünschte es mir so sehr, so sehr!“ Seine Stimme ist ein Winseln.
„Aber ich hatte nie die Möglichkeit, es war... Sie haben mir so wehgetan, dass ich es nicht ertragen konnte, mir beim… beim…“
„Beim Runterholen“, vervollständigt der Diener. „Sagen Sie es, sprechen sie es aus!“
„Ja, während ich mir einen runtergeholt habe, konnte ich nicht einmal an ihre Körper denken, an ihre Brüste… Stattdessen, Männer. Ich habe an Männer gedacht und mich dafür geschämt.“
Er hat gerade nur ein weiteres Geständnis seines Versagens von sich gegeben. Nicht das Letzte, nicht das heikelste.
„Entspannen Sie sich nun, Tom. Nur etwas Schmerz, dann sind Sie von dieser Last für immer befreit.“
Fingerspitzen mit weicher Haut ergreifen die Spitze seines Penis und heben ihn an. Die einzigen Geräusche, die die Welt um Tom herum zu bieten hat, sind das an Lautstärke gewachsene Röcheln des Monsieurs im Nebenzimmer mit den langen Seidenvorhängen vor dem Fenster in Scharlachrot, und das aufgeregte Pochen seines eigenen Herzens.
Der Gedanke, wie der Monsieur in seiner anbetungswürdigen Gestalt vor diesem Fenster steht, die Hände hinter dem Rücken gefaltet und die dunklen tiefgründigen Augen verschlossen, besänftigt seine Angst und bestärkt ihn, dass dem Allem ein Sinn innewohnt, wenn er sich einem einfachem Geist, wie dem Seinen auch niemals erschließen mag.
Dann kommt der Schmerz.

Drei Tage sind seit dem Verlust seines Geschlechtsteils vergangen. Woher Tom das weiß? Nun ja, er spürt es eben. Wie er spürt, welchen Ausdruck das Gesicht des Monsieurs gerade angenommen hat, oder wann die scharlachroten Seidenvorhänge von Sonnenlicht beschienen oder von der Nacht in Schatten getaucht werden.
Neben Armen, Beinen, Augen und Penis hat Tom nun auch seine Nase und sein rechtes Ohr eingebüßt. Bei Gott, er wünscht sich, sie hätten ihm gleich beide genommen. Das Geräusch, das die Wände seines kleinen Zimmers von sich geben, ist beängstigend. Es kommt ihm vertraut vor, und weshalb auch nicht, hat er es doch in den letzten Jahren ständig gehört, nur eben nicht wahrgenommen. Doch nun ist er der meisten seiner übrigen Sinne beraubt und das Knistern und Rieseln nicht mehr zu ignorieren.
Jede der Amputationen hat intensiven Schmerz mit sich gebracht, doch scheint es ihm, als würde der Zeitraum bis zu seinem Abklingen von Mal zu Mal kürzer ausfallen.
„Trinken Sie, Tom. Der Monsieur wünscht, dass Sie einen Schlucken von diesem vorzüglichen Roten nehmen, der seinem Gaumen in den letzten Tagen Freude geschenkt hat.“ Es ist wieder der Diener, der ihm den Penis abgeschnitten hat. Noch ein zweiter ist im Zimmer. Durch sein Gehör erfasst Tom, dass er die Skulpturen auf dem Bücherregel neben der Tür vom Staub befreit. Alle drei sehen sich äußerst ähnlich. Nicht gerade wie Drillinge, doch ein Betrachter muss zwangsläufig auf den Gedanken kommen, dass sie die gleiche Mutter hatten.
Ein Glas wird an Toms Unterlippe angesetzt. Er öffnet den Mund leicht und der Diener hebt das Glas an. Er schluckt nicht viel von dem Wein, doch es genügt, um die Trockenheit seiner Kehle zu lindern und den säuerlichen Geschmack in seinem Mundraum durch einen süßlichen zu ersetzen.
„Monsieur beglückwünscht Sie“, sagt der Diener, nachdem er das Glas wieder entfernt hat. „Sie haben diesmal das Richtige getan. Monsieur sagt sogar, dass ein Stückchen Mut in dieser Entscheidung liegt.“
Tom tun die Worte gut. Wären seine Gesichtsmuskeln nicht so verkrampft und würden schmerzen, würde sich jetzt ein Lächeln zeigen. Ihm drängt sich die Frage auf, die ihn schon beschäftigte, seit der Monsieur einen einzigen flüchtigen Blick auf ihn geworfen hatte, als er Toms Zimmer durchquert hatte, um ins Gästezimmer zu gelangen.
„Mag er mich?“, fragt er. „Mag mich der Monsieur?“
Zwei Sekunden Stille vergehen, dann dringt in sein eines Ohr Gelächter. Es ist ein bitterer, ungewohnter Laut. Bis jetzt hat jeder der Diener die Contenance in jeder Situation gewahrt, war der höchste Ausdruck von Emotion ein Schmunzeln gewesen. Das schrille Lachen zu hören, erschreckt und demütigt Tom in gleichen Teilen. Es scheint, als kann sich der Diener nicht mehr einkriegen. Auch der Zweite im Raum fällt in diese Symphonie aus hohen, Nerven zerfetzenden Tönen ein, und ebenso der Dritte, als er die Tür aufschiebt und in den Raum tritt.
Die Geräuschkulisse erstirbt schließlich so plötzlich, wie sie eingesetzt hat.
Gefasst, wie immer, und als wäre nichts gewesen, sagt der Diener, der den Wein gereicht hat: „Keiner mochte Sie wirklich, Tom. Keine der Personen, die Ihren Lebensweg kreuzten, brachte Ihnen ein Übermaß wohlwollender Gefühle entgegen. So sehr Sie sich dies auch in Ihren verworrenen und abstrusen Tagträumen gewünscht haben. Ich dachte, dies wäre Ihnen bewusst!“
Natürlich ist es ihm bewusst! Natürlich weiß er, dass er nie einem Menschen viel bedeutet hat, und dass das auch nie der Fall gewesen wäre, hätte er sein Leben normal weiter gelebt. Als ihm jetzt die Dummheit seiner Frage bewusst wird, und er sich wieder als Jugendlicher in seinem Bett liegen sieht, den Kopf voll Träumereien über Beliebtheit und Anerkennung, übermannt ihn die Scham. Er glaubt zu fühlen, wie sich seine Wangen unter den leeren Augenhöhlen rötlich färben.
„Ich dachte tatsächlich, dieses Stadium hätten Sie bereits endgültig hinter sich gelassen. Die Annahme, ein Mann wie der Monsieur könnte für ein Wesen wie Sie Zuneigung empfinden, beweißt das Gegenteil und ist anmaßend.“
Diesmal setzt Gelächter aus dem Nebenraum ein. Es dringt zu Tom, als wären die Tür aus massivem Holz und die Wand aus Stein und Mörtel nur Fatamorganas. Der Monsieur lacht und Tom schreit – er kann nicht anders.
„Du musst es einsehen!“, schreit der Monsieur in seinem Gelächter. „Narr, denke endlich wie ein Rationalist… löse dich von deinen Träu… men. Erkenne, gestehe! Beug dich… Schick…sal! Erkenne…
Musst es einsehen…Tor! Ratio, oh Ratio!“

Die Zunge wird als nächstes an der Reihe sein, dann das Herz, hat ihm einer der Diener vor wenigen Augenblicken offenbart. Für den Rest der inneren Organe hat der Monsieur keine Verwendung, doch der Verlust des Herzens ist ein wichtiger Schritt für Tom.
„Ist es der Höhepunkt?“, fragt er.
„Nein, noch nicht ganz. Ein was fehlt Monsieur noch, Tom. Der Höhepunkt wird Ihr Gehirn sein, ihr fehlgeleiteter Verstand, nicht fähig klar zu arbeiten und die Wahrheit gänzlich zu akzeptieren.“
„Aber ich habe bereits akzeptiert“, bringt Tom seinen Einwand vor, und glaubt den Worten, die seine brüchige Stimme spricht. „Vor Tagen bereits, ehrlich!“
„Nein, das haben Sie nicht. Es wäre wünschenswert gewesen, doch Sie besitzen immer noch Hoffnung. Dieser letzte Schritt muss getan werden, um das Werk zu vervollständigen. Da sind wir und der Monsieur uns einig. Und wenn Sie tief in sich hören – wenn Sie das wirklich schaffen sollten, Tom – wird Ihnen von dort dieselbe Erkenntnis entgegen strahlen.“
Tom bringt ein Nicken zustande.
„Zuerst werden wir Ihnen die Zunge entfernen, mit all ihren Versprechungen von einem Leben in Zufriedenheit, die sie Ihnen selbst gegeben hat. Dann das Herz, mit all seinen bohrenden Gefühlen, die doch nie erwidert wurden. Zu guter Letzt das Gehirn.“ Während der Diener zu ihm spricht, nimmt Tom deutlich die Geräusche unter seinem Bett wahr. Es sind die Kolonien von Käfern, die dort umtriebig werden. Letzte Nacht sind sie aufgetaucht, wie aus dem Nichts. Zeichen der Verdammnis, der Entsorgung eines Leichnams. Was auch immer dieser Leichnam zuvor gewesen war, ob ein Mensch oder Hoffnung, die wie ein Lebewesen dem Verenden preisgegeben war.
„Sie konnten es niemals schaffen, Tom. Bald ist es vollbracht und Sie werden akzeptieren!“

 

Hi kevin!


Das alles sieht Tom nicht, er weiß es aus seiner Erinnerung. Wie soll er auch sehen, hat ihm derselbe Diener vor zwei Tagen doch die Augen entfernt, um sie Monsieur im Nebenzimmer zu überbringen.
... wie soll er es auch sehen ... dem Monsieur im Nebenzimmer ...

Er will es unterdrücken, doch seine Bemühungen scheinen es nur noch schlimmer zu machen.
An Stellen wie diesen ist das scheint übeflüssig. Es scheint ja nicht nur so, in den Augen des Prots wird es doch auch schlimmer.

Hilflos in seinem Bett liegend, ohne Beine um aufzustehen, oder Arme, um mit ihnen die Umwelt zu ertasten, fleht Tom zu einem Gott, von den dessen Nichtexistenz er überzeugt ist, dass er ihm die Gnade der Bewusstlosigkeit schenkt, bevor der Schmerz seinen Verstand an die Grenze des Wahnsinns befördert.
Den Satz finde ich ein wenig zu hochgestochen formuliert. Und die vielen Nebensätze verwirren ein wenig. ;)

Die Ausstrahlung, die aus ihm gewirkt hatte, war unbeschreiblich gewesen.
Eine Ausstrahlung wirkt? Klingt komisch und kannst du locker umgehen:
Seine Ausstrahlung war unbeschreiblich gewesen.

Sprachliches Resteessen:

Die Geräuschkulisse erstirbt schließlich so plötzlich, wie sie eingesetzt hat.
Das Lachen erstirbt. Sonst verrennst du dich in diesen gezwungen gut klingenden Formulierungen. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Oder hier:

Keiner mochte Sie wirklich, Tom. Keine der Personen, die Ihren Lebensweg kreuzten, brachte Ihnen ein Übermaß wohlwollender Gefühle entgegen. So sehr Sie sich dies auch in Ihren verworrenen und abstrusen Tagträumen gewünscht haben. Ich dachte, dies wäre Ihnen bewusst!
Nur weils Franzosen sind, müssen die nicht zwanghaft so reden. ;)

Logischer Firlefanz:

Dass der Prot etwas sehen könnte, kann ich dir nicht vorwerfen, allerdings kann es der Leser. Und ich denke, dass es dann egal ist, ob der Prot blind ist oder nicht. Wenn ich genau weiß, wie alles um ihn herum aussieht, weiß, wer was gerade tut, dann sieht nämlich der Prot in meinen Augen doch.
Durcheinander? Beispiele? Da, bittesähr:

Drei Tage sind seit dem Verlust seines Geschlechtsteils vergangen. Woher Tom das weiß? Nun ja, er spürt es eben. Wie er spürt, welchen Ausdruck das Gesicht des Monsieurs gerade angenommen hat, oder wann die scharlachroten Seidenvorhänge von Sonnenlicht beschienen oder von der Nacht in Schatten getaucht werden.
Er spürt es eben, ist in meinen Augen eine etwas dürftige Erklärung dafür. Unter Schmerz, unerträgliche Schmerzen würde es mir sehr leicht fallen, den Zeitablauf aus den Augen zu verlieren. Eigentlich nur noch zu denken: Der Tod, oh bitte, bitte, der Tod.
Du beschreibst Dinge, die einem Nichtsehenden eigentlich verschlossen bleiben dürften.

Ein Klirren ist zu hören und Tom sieht vor seinem geistigen Auge, wie die weißbehandschuhte Linke des schmächtigen Dieners das Skalpell vom Tablett nimmt, welches er in der Rechten trägt.
Natürlich, hiermit erklärst du mehr oder weniger geschickt, weshalb er weiß, was abgeht. Für mich nur nicht besonders logisch.

Durch sein Gehör erfasst Tom, dass er die Skulpturen auf dem Bücherregel neben der Tür vom Staub befreit.
Wie kann er denn dieses Geräusch zuordnen?

Gefasst, wie immer, und als wäre nichts gewesen, sagt der Diener, der den Wein gereicht hat:
Woher soll er das denn wissen? Theoretisch könnte ja ein anderer das Glas gehalten haben, während dieser sprach.

Du verstehst sicher, worauf ich hinaus will. Der Prot soll nichts sehen > der Leser soll nichts sehen.
Und ich denke ja auch, dass du darauf hinaus wolltest.
Doch klappt es nicht. Der Prot hat scheinbar ein phänomenales Gehör, kann jedes Geräusch einer Szenerie zuordnen, die dann sogleich auch vor seinem geistigen Auge entsteht.


Und noch was:

Bei Gott, er wünscht sich, sie hätten ihm gleich beide genommen. Das Geräusch, das die Wände seines kleinen Zimmers von sich geben, ist beängstigend.
Ähm, haben sie ihn »taub gemacht« oder nur die Ohrmuschel entfernt?


So, bei all der Kritik ist doch die Idee hinter der Geschichte nicht schlecht. Auch wenn die Charakterisierung nicht perfekt funktioniert, dazu weiß man über den Prot einfach zu wenig. Er ist schwul, will es sich aber nicht eingestehen. Wurde vielleicht religiös erzogen und hält es für ne verdammt schmutzige Sache.
Vielleicht Selbstmord und nun der Aufenthalt in seiner Hölle, in die er sich selbst geschickt hat. Wenn man davon überzeugt ist schlecht/böse/unanständig zu sein, weshalb sollte dann Gott anderer Meinung sein?
Ein wenig mehr Hintergrundwissen hätte dem Prot ein farbigeres Gesicht gegeben.

Auch dein Stil, hinter all den gezwungen wirkenden Verschnörkelungen, lässt gutes Erahnen. Du hast auf alle Fälle Talent, auch wenn du dich hin und wieder ein wenig verzettelst. ;)

Alles in allem jedoch hat mir die Geschichte gefallen. Ich musste mich zwar weder vor Schmerz krümmen noch ekeln, allerdings gefällt mir, wie schon erwähnt, die Idee äußerst gut. Wenn du ein wenig mehr Tempo in die Geschichte hineinbekommst, indem du ein paar Übertreibungen rausstreichst, würde die Story noch um einiges gewinnen. ;)


Liebe Grüße
Tamira

 

Hallo ihr beiden und besten Dank fürs Kritisieren!

War auf jeden Fall einem Schock nahe, als ich die ganzen Zitate in euren Kommentaren gesehen hab - so viele unschöne Formulierungen in knapp zweitausend Wörtern dürfte kein allzu guter Schnitt sein.


@Tamira

Ich schreib jetzt einfach mal, welche Idee ich mit der Geschichte rüberbringen wollte: Also, der Protagonist sollte sich in seiner Wohnung befinden, die sich in etwas Surrealistisches verwandelt hat - das heißt, er hat neue Bewohner (Monsieur, Diener) bekommen.
Der Protagonist ist ein totaler Versager, der es zu nichts gebracht hat, und daran verzweifelt. Und weil er es irgendwie nicht schafft sich einzugestehen, was ihm sein logisches Denken immer schon gesagt hat (Das er anstellen kann, was er will, aber trotzdem nichts an seinem Schicksal ändern kann) hat er sich eben diese mysteriösen Gestalten unterbewusst 'erschaffen', die diese Tatsache dann eben unleugbar machen, indem sie ihm die entscheidenden Körperteile entfernen.

Das ganze Szenario sollte dann natürlich etwas undurchsichtig, die Botschaft einigermaßen verschlüsselt sein. Eben auf Lynch getrimmt.
Ich habs anscheinend nicht geschafft das richtig rüber zu bekommen: Das mit dem schwulsein, dass er sich nicht eingestehen will, wie du herausgelesen hast, war eine Sorge von mir. Vielleicht hätte ich mir was anderes als das Abschneiden des Penis wählen sollen, aber nun ja.

Ich hatte Angst davor mit Hintergrund mit einzubringen, weil ich dachte, dass würde viel von dem Mysteriösen auslöschen, von dem die Geschichte leben sollte.

Den Kritikpunkt mit der zu deutlichen Beschreibung des Umfelds und der Handlungen (so als könne er eben noch sehen) kann ich nachvollziehen, aber ich dachte, dass würde die Geschichte dann zu fade werden lassen.
Interessieren würde mich bei dem Punkt noch, ob du es nur unpassend des Monatsthemas wegen siehst, oder es generell nicht passt.

Das du in dem ganzhen Talent erkennen kannst freut mich natürlich, sowas hört man gern!

Zu den Übertreibungen/Verschnörkelungen: Naja, die Diener sollten halt mit ihrer Sprache und ihrer Erscheinung im Kontrast zu den Handlungen, die sie vollbringen, wirken. Ist anscheinend nicht gelungen.

So, vielen Dank nochmal!


@Lukas

Ein gewisser Hang zu beißenden Kommentaren ist dir nicht abzusprechen. Nur ich weiß nicht, wie ich diese unter den Zitaten der Geschichte einordnen soll.
Manche sind ernsthaft und zeigen Fehler auf, manche sind so ironisch, dass ich daraus schließe, dass das Geschriebene Mist ist, oder liege ich da falsch und du bringst auch manchmal lustige Sprüche über Stellen, die nicht schlecht sind?

Ich bin ja nicht böse, wenn du die geschichte nicht allzu ernst nimmst, aber mir erschließt sich eben nicht, ob du sie total für'n Arsch hällst, ob du vielleicht irgendwelche Lichtblicke gesehen hast, oder ob du sie vielleicht ein klein wenig unterhaltsam fandest.

Würde mich freuen, wenn ich von dir soetwas wie ein Gesamtfazit bekommen könnte, auch wenns nur in einem Wort erfolgt ('Scheiße','schlecht', was auch immer...).

Dennoch natürlich auch dir danke für die Arbeit, die du dir gemacht hast.

Ach so, und verrat mir noch, was 'alla mohl' heißt.

 

Hallo Kevin2,

ich hab mich eher zufällig in deine Geschichte reinziehen lassen, als ich in der Übersicht der neuen Beiträge mit dem Cursor über den Titel fuhr und

„Wie wäre es nun mit Ihrem Penis, Tom?“
las. Ein toller Anfang! Ich war neugierig.
Mir hat die Geschichte gefallen (sagt man das auch bei Horror?):diese Ausweglosigkeit, diese gruselige Situation mit dem Verlieren der Körperteile und dazu die Höflichkeit des Dieners, der von Vorschlägen des Monsieurs spricht. Ich finde, das hat was.

ach, beweist schreibt man so, nicht mit ß

Gruß, Elisha

 

Hi Kevin!

Schön dass du auch ein bisschen mehr Obst isst. :D Hat mich sehr gefreut!

Mir hat die Geschichte eigentlich ziemlich gut gefallen, die Ausweglosigkeit, diese Direktheit auf das Ende hin, ziemlich düster! Dass du auch keinen einzigen offenen Hinweis auf die Motive des Geschehenen gibst hat mir recht gut gefallen. Dein stil ist sehr schön, mit einzelnen Ausbrüchen, (Lukas hat ja gute Arbeit geleistet), und Tamira hat richtig angemerkt, dass du so manchen Schlenker in deinen Sätzen weglassen kannst, weil sie überflüssig (im günstigsten Falle) oder hinderlich (im ungünstigen Fall) sind. Du kommst sehr gut ohne Nachsätze wie:

und dazu die rote Fliege um den Hals.

aus. Man möchte fragen, wo sonst soll er die Fliege haben. Versuch es mal, lies die Sätze ohne solche Anhängsel und sehr oft wirst du sehen, dass es ohne sie sogar besser geht.

Aber, wie gesagt, dein Stil ist in jedem Fall...abgefuckter geworden, was als Kompliment zu werten ist.

Die Zeiten!!!

Wenn du die story im Präsens erzählst, ist die eingeschobene Vergangenheit im Perfekt zu halten.

als alles seinen Anfang genommen hatte

müsste dann heißen als alles seinen Anfang genommen hat.

Da sind einige Beispiele davon drin, geh mal drüber!

Aber, wie gesagt, ich hatte meinen Spaß, obwohl man dies vielleicht in der Art der Story nicht unbedingt so ausdrücken kann.

Ach so, das Thema ist hier natürlich eher beiläufig umgesetzt worden. Aber formal natürlich erfüllt! :D


Viele Grüße von hier!

 

Hi Kevin!

Also stilistisch ist die Geschichte richtig gut.
War gut und spannend zu lesen.
Zum Thema finde ich allerdings, das dein Prot tatsächlich zu viel "gesehen" hat.
Eigentlich sollte es ja speziell um die anderen Sinne gehen (so habe ich es zumindest verstanden) und gerade in deiner Geschichte hätte man doch viel mehr mit hören/riechen/fühlen/schmecken einbauen können.
Klappernde medizienische Instrumente machen bestimmt einen unangenehmen Klang wenn man ahnt wofür sie benutzt werden sollen.
Oder der regelmäßige Atem eines stummen Diener der immer näher kommt.
Rote Vorhänge und anderes Inventar fand ich jetzt für die Stimmung nicht unbedingt wissenswert.
Die Idee selbst find ich jetzt nicht so doll. Aber das ist meine Meinung, weil ich Amputationen und so einen Käse sowieso nicht sonderlich gruselig finde.
Aber ich bin gespannt mal wieder was von dir mit einem anderen Thema zu lesen!

Gruß,
die Sumpfkuh ;)

 

hallo,
ich bin erst seit kurzer Zeit Mitglied in diesem Forum, daher wage ich erstmal nur Leseeindrücke zu schildern. Kritisieren kann ich dann, wenn ich vielleicht mal so schreiben kann wie sehr, sehr viele hier.
Ich fand den Titel sehr passend. Nachdem ich das Ende gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass der Titel in einem Wort wiedergibt, was die ganze Geschichte happenweise aufbaut. Und das ist nicht immer der Fall.
Elisha muss ich mich anschließen wegen:

„Wie wäre es nun mit Ihrem Penis, Tom?“
Ein echt gelungener Einstieg, wie ich fand.
Dass es im Präsens erzählt ist, bringt diese Geschichte irgendwie näher an den Leser - lässt sie irgendwie im Zimmer nebenan erscheinen. :thumbsup:
Alles in allem finde ich die Geschichte echt gelungen.

lg
alex

 

Da haben ja noch einige die Geschichte gelesen und einen Kommentar abgegeben, schönen Dank!

@Lukas
Danke dass du nochmal näher darauf eingegangen bist...

@Elisha
Ja, der erste Satz hat etwas, ganz klar. Ein richtiger Eye-Catcher (sagt man das in diesem Zusammenhang?). Das war mir gleich bewusst, nach dem ich ihn geschrieben habe. Gedanken habe ich mir nur darüber gemacht, ob er nicht vielleicht etwas zu plakativ ist. Wie's aussieht unbegründete.

'Gefallen' darf einem glaube ich auch eine Geschichte, die unter Horror gepostet wurde. Ich als ihr Autor jedenfalls freue mich über dieses Kompliment!

Die Ausweglosigkeit kam für dich rüber, auch das freut mich, denn genau das sollte die Geschichte vermitteln. Und auch für mich macht einen Großteil der Atmosphäre die Höflichkeit des Dieners im Zusammenspiel mit den Greueltaten aus.

@Hannibal
Und mich hat es sehr gefreut, einen Kommentar von dir unter meiner Geschichte zu lesen! Natürlich auch (aber nicht nur) weil er so positiv ausgefallen ist.

Das mit den Zeiten ist schon ein starker Schnitzer, und ich war mir schon beim Schreiben nicht sicher wo oben und unten ist. Da muss wohl nochmals eine ausführliche Überarbeitung folgen, auch um die 'Anhängsel' zu eliminieren: Danke für den Tipp.

Düster und ausweglos: Wie schon gesagt, dass sollte rüberkommen, wenn es bei dir geklappt hat, umso besser!
Erleichtert bin ich darüber, dass dir die fehlenden hintergründe nichts ausgemacht haben. Das selbe gilt für den Stil. Ich weiß (dank einiger Kritiken zu vorrangegangenen Geschichten), dass ich diesbezüglich nicht gerade der held bin, deshalb freut mich diese Bemerkung fast schon am meisten. Und ja, 'abgefuckt' hört sich in diesem Zusammenhang ausgezeichnet für mich an...

@Sumpfkuh
Ja, einige Vorredner haben es ja auch schon bemängelt: Das Thema habe ich nicht richtig getroffen, bzw. nur irgendwie gestreift.
Die Ideen, die du anführst machen auf mich einen guten Eindruck, und sind es auf jeden Fall wert, bei einer Überarbeitung näher in Betracht gezogen zu werden - Danke dafür!

Die Idee hat dir nicht gefallen, damit kann ich leben. Ist halt, wie du schon andeutest, immer eine Geschmackssache.
Solange dir der Stil gefallen und es auch spannend für dich war, ist für mich alles in Ordnung.
Freut mich, dass dich die hier scheinbar nicht abgeschreckt hat, und du noch weitere Geschichten von mir lesen würdest...

@MoCO
Erst einmal ein herzliches Willkommen! Und nur Mut, man muss nicht unbedingt Germanistik studiert haben und schreiben können wie ein Nobelpreisträger, denke ich, um seine Meinung zu Geschichten abzugeben.

Den Titel halte ich auch für gelungen und aussagekräftig im Bezug zur Story. Diesmal fiel er mir relativ spät ein, im Vergleich zu anderen Geschichten.

Auch dir gefällt der erste Satz und bvernichtest so die letzten meiner Zweifel, dass er zu aufgesetzt und Aufmerksamkeit haschend ist!

In letzter Zeit habe ich einige Geschichten im Präsens geschrieben, was früher eigentlich gar nicht so mein Fall war. Gefällt mir auch, obwohls wohl eher der reiz des Ungewohnten ist.

 

Hallo Kevin!

MoCO hat mich neugierig auf deine Geschichte gemacht, und wenn ich mal neugierig bin hilft nichts mehr, dann muss ich wissen worums geht. Und angenehmerweiße wars im speziellen Fall auch nicht mein Schaden. ;)

Wie meine Vorredner hat auch mich der erste Satz gepackt, schöner Einstieg der Interesse weckt.
Die Beschreibungen des Dieners fand ich sehr gelungen, sehr eloquent der Gute. Mit wieviel Höflichkeit man doch andere Menschen verstümmeln kann. :D Monsieur taucht zwar persönlich nicht auf, doch von dem, was ich in der Geschichte über ihn erfahren habe, konnte ich mir ebenfalls ein relativ gutes Bild machen.

Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, ließt sich leicht und flüssig- wie aus einem Guss- allerdings hab ich tatsächlich erst komlett kapiert was der Clou ist als ich deine Erklärung gelesen habe. Von daher passt dein Lynch- Vergleich auch sehr gut, Mullholand Drive hab ich bis heute nicht 100%ig verstanden*räusper*
Mein Nicht- Verständnis tat dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch, unterhalten (ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber mir fällt spontan nichts besseres ein) wurde ich allemal.

Nur ein klitzekleiner Kritikpunkt: ich bin mir nicht ganz sicher ob der Titel wirklich passt. Meines Erachtens hat Tom noch nicht resigniert. Irgendwo in ihm schlummert noch ein Funken Hoffnung- so will er doch auch das der Monsieur ihn mag- er weiß vielleicht das seine Lage so gut wie aussichtslos ist, aber trotzdem scheint es nocht irgendwas zu geben an das er sich klammert. Der Diener selber sagt ja auch das Tom sein Schicksal noch nicht akzeptiert hat. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung (:shy:) vielleicht bin ich ja auch auf dem Holzweg.

Alles Liebe,
Susa


Ach ja, nur noch ne Kleinigkeit:

kevin2 schrieb:
Der Diener spricht in seinem gewohnt unaufgeregten Tonfall.
Nur ein ganz persönlicher Eindruck, aber ich finde "unaufgeregt" nicht besonders schön. Vielleicht sowas wie "gelassen"? Ist aber wie gesagt nur meine Meinung.

Wenn ich das richtig im Kopf habe hat einer meiner Vorredner dies eh schon angesprochen:

kevin2 schrieb:
„Beim Runterholen“, vervollständigt der Diener. „Sagen Sie es, sprechen sie es aus!“
"Runterholen" passt für mich irgendwie nicht so dem Diener, den ich mir doch recht gediegen und elegant vorstelle. So jemand, der mit Schlips und Pommade in den Haaren rumrennt, ein silbernes Tablett und weiße Handschuhe trägt würde eher "Masturbieren" sagen. Denke ich. ;)

 

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