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Rinn und Holker
Rinn und Holker
Rinn raschelte und rauschte.
Rau und heftig war der Wind heute und rüttelte an Krone und Geäst.
Rinn hatte Mühe, nicht umzufallen und gerade zu stehen.
Holker, ein stämmiger Karnickelmann, der sich bei Rinn untergestellt hatte, versuchte, seinen alten Freund aufzumuntern:
"Hui, du hälst dich gut, Rinn!
Hast eben ein großes Herz aus Holz."
Holker lächelte zu Rinn hinauf, der grimmig und angestrengt dreinschaute, sich aber ein dankbares Nicken abrang.
"Ruhig bleiben lautet die Devise, das wird schon", war der schlichte Kommentar der alten Eiche.
Recht kalt war es und so rückte Holker noch ein wenig näher an den Stamm, in eine Nische.
Regen und Wind wurden stärker und verbaten jedes Gespräch zwischen den beiden Leidensgenossen.
Heiseres Husten wäre eh das einzige gewesen, was Holker hervorgebracht hätte.
Hauptsache zusammen dadurch, dachte Holker und nahm ein paar Rückblenden zu vergangenen Erlebnissen mit Rinn in Kauf.
Hach, was waren das für schöne Zeiten, als die zwei noch kleiner waren!
Holker ein kurzes Langohr mit Stummelschwanz.
Rinn ein junger Spross voller Tatendrang und Unternehmungslust.
Rufend und lachend tollten sie damals durch Wälder und über Wiesen.
Riesige Berge wurden erklommen,
Heidetäler erkundet,
Hummeln gepiesackt,
Heimchen gefangen und wieder freigelassen,
Hektische Rehe erschreckt.
Rein kameradschaftlich war ihr Verhältnis seit Holker denken konnte.
Rinn war schon immer für einen Kalauer gut und Holker lachte gern.
Richtig, wir passen einfach wunderbar zusammen, beendete Holker den Erinnerungsfetzen zufrieden und widmete sich wieder der Gegenwart.
Hatschi!
Holker hatte sich offenbar erkältet, auch das noch.
Hoch oben nahm Rinn davon Kenntnis und sah sich besorgt nach seinem alten Freund um.
"Hallo, alles klar, nur ein leichter Schnupfen", rief Holker hinauf.
Rinn zog eine Augenbrauhe hoch, sagte aber nichts.
Reichten ihm doch Holkers Worte, denen er blind vertraute.
Rechterhand krabbelte ein Borkenkäfer über einen Ast.
Holker würde nicht erfahren, dass Rinn seit geraumer Zeit mit einer Plage zu kämpfen hatte.
Heiter gab sich Rinn schon länger nicht mehr.
Hier, tief in seiner Rinde, hatten sich die Käfer eingenistet.
Heute erst hatten sich die ersten in den Bast gefressen.
Rinn wusste, dass es zu Ende ging, doch er schwieg beharrlich.
Rast machte er nun immer öfter.
Reden ließ er andere schwingen, er war alt und krank.
Holker merkte, dass mit Rinn etwas nicht stimmte und er machte sich Sorgen.
Hatten sie sich nicht immer alles anvertraut?
Hingen nicht Erinnerungen, Glück und Trauer an dieser Freundschaft?
"Holz für Haut! Haut für Holz!", murmelte Holker traurig den alten Freundesschwur.
Revue,
Ring und
Regen einer Freundschaft.
Hell und sonnig wurde es heute nicht mehr.
Hatte dieser Tag einen Sinn, so wussten es nur
Harz und
Hase.