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Ronja

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10.09.2016
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Ronja

Ich hatte meine braune Bomberjacke angezogen, die abgewetzte, die mit den Patches und dem kaputten Reißverschluss. Am U-Bahnhof Eberswalder Straße stieg ich aus. Ich schüttelte mich vor Aufregung. Wenn das heute klappte, würde aus mir doch noch ein Star werden. Ein Jobpraktikum bei ‚Indigo‘, dem vielleicht coolsten Label der Stadt. Shepheard Will, Thorben Saßnitz und Preload. Meine Helden. Ihr Name, Ronja. Scheinbar war sie Labelchefin, noch nie was von ihr gehört. Wir hatten Mails ausgetauscht und schließlich hatte sie mich eingeladen. Allein das hatte mich gekickt wie sonst was. Betrunken vor Euphorie spazierte ich ins Indigo-Studio – gewöhnliche Büroräume, dunkel, kalt. Wirklich: An einem der Schreibtische saß Preload selbst, das Idol! Ich konnte es kaum fassen, ihn mal woanders als hinterm DJ-Pult zu sehen. Weiter vorne ein Mädchen, lächelnd.
„Theo?“, fragte sie.
Ich nickte. „Bist du Ronja?“
Preload sah kurz in unsere Richtung und wieder auf seinen Bildschirm. Wahrscheinlich schraubte er gerade an einem neuen Track. Er wirkte übellaunig.
„Warum willst du hier Praktikum machen?“, fragte er.
„Also ich mag eure Musik, also Indigo, außerdem … kennt ihr Ulmann Kowicz?“
Beide schüttelten den Kopf. Ronja während sie mich ansah.
„Einer der geilsten Typen. Wir machen so Parties.“
„Aha“, sagte Preload, ohne die Augen vom Bildschirm zu lassen.
„Ihr macht ja auch Parties und so, deswegen …“
„Ja, ich glaube, wir sind da bestens aufgestellt“, sagte Preload.
Ronja lächelte, als könnte das davon ablenken, dass Preload mich wahrscheinlich hasste.
„Wir gehen mal ein bisschen spazieren, Timo“, sagte sie zu Preload.

„Mach dir keine Gedanken. Der ist immer so.“
„Wirklich?“
„Wollen wir uns was zu trinken holen und Sandwiches?“, fragte Ronja.
„Du bist die Labelchefin. Ich mach alles, was du sagst.“
Ronja grinste und ich lächelte.

Wir gingen durch den Kollwitzkiez, kauften Sandwiches und Getränke und setzten uns in irgendeinen Park. Das Ganze war auf eine Art persönlich, die sich weniger nach Bewerbungsgespräch und viel mehr nach Date anfühlte. Seit den ungefähr zwanzig Minuten, die wir unterwegs waren, achtete ich auf jede Bewegung, wollte nur im besten Licht stehen, die Gedanken, die Ronja über mich haben würde, steuern, sie denken lassen, dass ich jemand Besonderes war, jemand seltsam Attraktives, in den sie sich heimlich bei einem Bewerbungsgespräch verknallte.
Ronja erzählte von einer Freundin, die in irgendeinem Laden arbeitete, von der Seltenheit entspannter Momente und der Schwierigkeit mit dem Rauchen aufzuhören. Ich hatte nicht danach gefragt. Fast kam es mir vor, als gäbe Ronja sich absichtlich Mühe, möglichst normal zu wirken, tiefzustapeln. Aber weshalb? Wäre ich in ihrer Rolle gewesen, wahrscheinlich hätte ich die ganze Zeit damit angegeben Labelchefin zu sein. Nichtsdestotrotz verlieh ihr diese Zurückhaltung etwas Anziehendes – dazu kam nicht unwesentlich, dass ich seit einigen Minuten zu verstehen versuchte, warum mir diese Mulde zwischen ihrer Nasenscheidewand und Oberlippe so überaus perfekt erschien. Ronja hatte schwarze, mittig gescheitelte Haare, schwarze Augen, schwarze Augenbrauen und einen fast weißen Teint. Nur ihre blassroten Lippen verliehen dem Gesicht Farbe.
„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte ich.
„Neunzehn.“
„Was bitte?“
Ronja grinste.
„Ich fass es nicht. Wir sind gleich alt und du bist eine verdammte Labelchefin.“
„Stimmt. Ist aber nicht so rosig, wie du es dir vorstellst. Ich hatte keinen Abschluss. Bin einfach in die Stadt gekommen, weg von zu Hause, mit nichts. Hätte genauso gut schiefgehen können.“
„Und dann?“, fragte ich.
„Hab ich Timo kennengelernt. Damals war Indigo richtig klein und eigentlich waren das nur eine Handvoll Skater, die eben auch Musik gemacht haben.“
„Und wie konntest du deren Chefin werden?“
„Ich kann eben gut organisieren. Und wer Geld verdienen muss, gibt sich Mühe. Ich bin nicht viel, aber ein bisschen ehrgeizig schon.“
„Ziemlich beeindruckend“, sagte ich.
Wir saßen so nah beieinander, ich konnte das Puder auf ihrer Haut riechen, den Duft ihres Shampoos.
„Darf ich einen Schluck von deiner Cola haben?“, fragte ich. Etwas gab mir das Gefühl, das fragen zu dürfen.
„Klar. Kannst ruhig meinen Strohhalm benutzen. Darf ich einen Schluck von deiner Sprite?“
„Klar.“ Ich ließ mir nichts anmerken, doch die Vorstellung, dass ihre Lippen diesen Strohhalm berührt hatten, erschien mir wahnsinnig erotisch.
Von sich aus erzählte Ronja vom Stress, den es bedeutete, für Shows, Booking und Vertrieb ihrer „musikalisch genialen Riesenbabys“ verantwortlich zu sein. Auch dass sie unter Panikattacken litt, mit siebzehn ein Magengeschwür gehabt hatte und es aktuell mit Entspannungsmusik und Räucherstäbchen versuchte.
„Hatte mal was Ähnliches“, sagte ich. Und dann belaberte ich sie mit meiner scheinbaren Expertise und angeblichen Entspannungstechniken. Ich hätte ihr sonst was erzählt. Sicher nicht zu Unrecht fühlte ich mich neben ihr wie ein Zwerg, wenngleich ich sie um einen Kopf überragte.
An diesem Nachmittag stellte Ronja mich auch Shepheard Will und Thorben Saßnitz in einem Plattenladen vor, wo die beiden abhingen.
„Der neue Praktikant“, sagte sie locker und mir ging einfach die Pumpe. Ronjas Wort in Gottes Ohr! Das wäre der Anfang meines neuen Ichs.

Drei Tage später erfuhr ich, dass es ‚nicht ihre Entscheidung‘ gewesen wäre. Zwar hätte sie das letzte Wort, aber wenn einer der drei kein gutes Gefühl bei der Sache hätte – natürlich verriet sie nicht, wer, lag ja eh auf der Hand – dann wollte sie keinen Ärger anzetteln. Es wäre für alle das Beste, wenn ich mir erst mal woanders ein Praktikum suchte. Muss ich erwähnen, wie sich das anfühlte? Da schloss sich nicht nur eine Tür, genau genommen, waren es zwei.

Eine Woche später fragte ich meinen besten Freund, ob es unfair wäre, sich in ein Mädchen zu verknallen, wenn man eigentlich in einer Beziehung war.
„Ich glaube, dass ist kein Problem“, sagte er.
„Soll ich es Ida erzählen?“, fragte ich.
„Nein, besser nicht. Manchmal muss man was für sich behalten können.“

Drei Jahre behielt ich die Sache für mich. Mittlerweile lebte ich in München und Ida, vor der ich die Sache geheim gehalten hatte, interessierte sich längst nicht mehr für meine Angelegenheiten. Ich war frei, unglücklich und gerade noch Anfang zwanzig. Auf Facebook schrieb ich Ronja eine Nachricht und wie aus dem Nichts waren wir für nächsten Freitag verabredet.
Als ich nach einer Zugfahrt und einigen S-und-U-Bahnstationen im Kollwitzkiez ankam, war es dunkel. Ich stand dort, pustete graue Wolken und schüttelte mich vor Aufregung. Endlich kam sie.

In einem super hippen Restaurant gingen wir eine Suppe essen. Alles hier war bio, besonders der Kellner. Ich nutzte das, um mich über ihn und überhaupt den Prenzlauer Berg lustig zu machen. Das war sicher keine tolle Strategie, aber sie zog. Wir lachten, ich war so aufgeregt und trotzdem fand ich gute Worte.
„Der ist privat auf jeden Fall Birkenstock-Träger“, sagte ich.
„Ach ja? Woran erkennt man das?“
„Hast du nicht den Bart gesehen?“
„Einfach nur ein Schnauzer, oder?“, flüsterte sie.
„Nein! Das ist absolut ein Birkenstock-Bart!“
Ronja zog einen Mundwinkel hoch und dann den anderen.
Irgendwie hatte ich einen Lauf, es klappte, obwohl ich mich wie ein lustiger Barde aufführte, der um die Hand einer Königstochter buhlte. Wie ein Seiltanz. Mit Geschick zu meistern, aber bestimmt kein Dauerzustand. Als die Rechnung kam, zahlte jeder für sich. Ich hatte gehört, dass es beknackt war, Frauen zum Essen einzuladen.
Wir liefen zum Edeka, um Zigaretten und Bier zu kaufen und weil Ronja noch eine Zeitung brauchte, um daraus einen Weihnachtskalender zu basteln – ich verstand nur Bahnhof.
Wir rauchten, tranken und hatten uns – wie das auch gekommen war – untergehakt. Ich war schon länger nicht mehr ich. Nur so ein Typ, bei dem es unwahrscheinlich lief und durch dessen Augen ich nun einmal zufällig die Welt sah. Als wir vor einer Haustür angekommen waren, fragte Ronja, ob ich noch mit hochkommen wolle. So schnell wie mein Kopf nickte, konnte ich das überhaupt nicht mitgeschnitten haben.

Der Raum und die spärlich aufgestellten Designermöbel verrieten, dass Ronja nicht reich, aber doch werktätig war. Keine Studentenbude.
Sie legte ihren Mantel ab, setzte Wasser auf und breitete die Zeitung aus.
„Hilfst du mir?“, fragte sie und nahm meine Hand. Ihre Finger waren kalt und glatt wie polierter Stein. Ich fühlte mich so unwohl wie selten.
Alles an Ronja strahlte Stil und Coolness aus, während alles, was hinter meiner herausgeputzten Fassade steckte, ein etwas zu dicker Bauch und zwei langsam zu riechen beginnende Achseln waren. Der Kalender erschien mir ungefähr das Süßeste zu sein, das ich je gesehen hatte. Er bestand aus etwa zwanzig Zigaretten und ein paar Schokoladentäfelchen, die wir nun Stück für Stück in Zeitungspapier wickelten. Ich hätte heulen können, so sehr berührte mich dieser Kalender auf eine mir nicht erklärliche Weise.
„Mach ich jedes Jahr, seit ich in Berlin bin“, sagte sie, während ich aus unerfindlichen Gründen innerlich starb.
Als sie mir und sich Tee eingegossen hatte, rückte sie ein Stück näher und jetzt sah sie mich aus ihren kaffeeschwarzen Augen an.
„Mit mir ist heute nicht mehr viel anzufangen.“
„Oh, kein Problem“, sagte ich.
„Wir können einen Film schauen, wenn du willst – aber ich glaub, ich schlaf gleich ein. Wenn du magst, kannst du hier übernachten, aber du kannst auch einfach gehen. Wie du willst.“
„Lass uns einen Film schauen“, sagte ich.
Es schien das Natürlichste überhaupt zu sein, dass sie ihre Hose auszog und ich meine Hose auzog, dass sie unter das weiße Federbett stieg und ich unter das weiße Federbett stieg.
„Was wollen wir schauen?“, fragte sie.
„Mir egal“, sagte ich.
Wir schauten einen Thriller. Ronja sagte, sie liebe Thriller. Thriller wären sowieso das Beste zum Einschlafen. Ich war dazu übergegangen, alles was sie sagte, mit einem nervösen Lachen oder irgendeinem Satzfragment zu beantworten. Der Plot war sicher gut und mir unfassbar, also wirklich unbegreiflich egal. Während Ronja immer ruhiger atmete, also gar nicht geblufft hatte, lag ich wach wie ein Erdmännchen, dass auf ein Rudel anderer Erdmännchen aufpasste. Vor allem hatte ich eine ziemliche Erektion. Warum verfolgte ich nicht einfach den scheiß Plot? Ich richtete mich auf, wobei ich die Decke wegzog, entschuldigte mich, zuppelte an meinem T-Shirt und legte mich zurück. Löffelchen, ohne sie mit meinem Ding zu berühren, dann wieder auf den Rücken. Nur einschlafen lassen durfte ich Ronja nicht. Wenn das geschähe, würde sie es sich morgen im Tageslicht besehen noch einmal anders mit mir überlegen. Meine Socken juckten, die Zehen waren kalt, feucht und ganz sicher waschbedürftig. Gerade wurde im Film ein Mann mit einer Axt zerlegt. Wortwörtlich. Ich ahnte, dass Ronja soeben meine Erektion gespürt haben musste. „Sorry“, flüsterte ich. Ungefähr fünfzehn weitere Minuten vergingen und in mir wechselten Hunger, Erregtheit und der unbedingte Wunsch, Ronja am Leben halten zu wollen.
Irgendwann, wahrscheinlich nachdem ihr meine latente Unruhe ausreichend auf die Nerven gegangen war, drehte sie sich zu mir, legte ihre Hand auf meine Brust und küsste mich einfach. Ich fühlte mich wie ein bedürftiger Hund – ihr Kuss kam mir wie ein reiner Akt der Gnade vor. Trotzdem versuchte ich etwas herauszuholen. Während ich die Achselhöhlen möglichst verschlossen hielt, begann ich sie dort zu berühren, wo sie mich berührte. Meine Hand streichelte ihren Hals, durchkämmte ihr Haar. Fast wie ein Schweben. Für einen Augenblick wurde ich ruhiger. Ihre Hand strich über meine Hüfte, daran entlang und legte sich – ohne eine Vorwarnung – mitten auf die Stelle. Während ein Schwarm elektrischer Aale durch meinen Körper zuckte, bewegten ihre Finger sich weiter, ertasteten die Konturen, die sich unter dem Stoff meiner Boxershorts abzeichneten und weiter oben zur Erhebung wurden. Ihre kalten Fingerspitzen schoben sich unter den Stoff. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wollte nicht, dass sie aufhörte, war nicht mehr in der Position, mich überhaupt zu rühren. Ihre Hand schloss sich, drückte, bewegte sich auf und ab – sie küsste mich, den Hals, die Brust, ich fühlte ihre Zunge auf meiner Hüfte. Soeben hatte ich meinen Namen, meine Postleitzahl vergessen. Nur noch das Schließen ihrer Lippen fühlte ich und wie alles plötzlich warm und weich wurde. Langsame, gleitende Bewegungen, alles, was ich spürte, war unablässige Wärme. Dann unterbrach sie sich, wieder küsste sie mich. Ich wollte meine Hand in ihren Slip stecken, doch sie schob sie beiseite.
„Ich bin echt ziemlich kaputt“, sagte sie. „Vielleicht …“
„Auf jeden Fall“, sagte ich schnell.

Ich lag so wach wie zehn Erdmännchen. Es zog – ein Gefühl zwischen Pinkeln- und Ejakulierenwollen. Unauffällig berührte ich mich selbst. Warm, geschwollen. Bewegte die Hand ein, zwei Mal auf und ab.
„Kann ich noch mal zum Späti und mir ein Bier holen?“, fragte ich. „Bin irgendwie ziemlich aufgekratzt.“
„Klar“, sagte sie.
„Ach egal. Ich lass es.“
„Wie du magst. Aber ich muss jetzt wirklich bald schlafen.“
„Klar“, sagte ich.
Eine ewige halbe Stunde später küssten wir uns wieder. Vielleicht war es doch nicht vorbei. Dieses Mal führte sie meine Hand von selbst zu sich. Eigentlich war ich raus, völlig überspannt, ein Nervenbündel und seidener Faden. Ich rieb ihre Klitoris, hatte alles verlernt – gesetzt, ich hatte jemals etwas gewusst.
„Ich bin irgendwie verloren“, sagte ich.
„Nicht schlimm.“ Sie küsste mich und ich konnte nicht umhin, mich wie ein Vorschüler zu fühlen. Warum war Ronja so verdammt lässig? Im Grunde war das alles vorgegriffen – hätte ich nicht diese scheiß Nacht warten können? Ich kannte Ronja doch nicht mal und fühlte mich bereits so unglücklich verliebt, so unglücklich. Oder war das nur eine Form von Geilheit? Sie ließ mich ihren Slip ausziehen und dann suchte sie wirklich nach einem Kondom. Ihre Finger rissen die Folie auf, legten es vorsichtig an und rollten es gleichmäßig herunter. Ein unkontrollierter Impuls. Ich spürte, ein winziges bisschen, zuckte. Ronja kam über mich. Ich hatte doch nichts getan. Wo kam das her? Warum war sie plötzlich so?
„Warte“, sagte ich.
„Was?“, fragte sie.
Ich drehte sie auf den Rücken. „Ist einfach zu intensiv.“
Sie schwieg, also küsste ich sie, küsste ihre Brust, tiefer, die Innenseiten ihrer Schenkel. So richtig wusste ich nicht, was ich tat. Meine Zunge kreiste, baute Druck auf, drang ein, strich, umspielte, kreiste wieder, baute Druck auf. Ronjas Hand kraulte meinen Kopf. Ihr Körper war zierlich fast, ohne das etwas daran fehlte. Sie zog mich an den Haaren hoch – ich wusste, dass ich mich nicht entziehen konnte.
„Bitte“, sagte sie nur und ich drang in sie und wusste im selben Augenblick, dass die Sache gelaufen war. Alles bäumte sich auf, meine Hände griffen leer. „Warte“, sagte ich noch, aber kam nicht gegen mich an. Ich gab auf, versuchte keine Miene zu verziehen. Endlich schmiss ich mich auf die Seite.
„Sorry, bin übel müde“, sagte ich.
„Wie jetzt?“
„Tut mir leid, ich glaube, ich kann nicht.“
„Okay … also …“
„Tut mir echt leid.“
„Ja. Schon gut.“
Ich spürte, wie ich erschlaffte.
„Soll ich ganz ehrlich sein“, fragte ich.
„Ich weiß nicht. Willst du?“
„Ich bin eben gekommen“, sagte ich.
„Ach so.“
„Tut mir leid. Du bist einfach … so hübsch“, sagte ich.
„Ist das ein Kompliment?“
„Ja. Natürlich.“
„Hmm. Ich fühle mich ein bisschen blöd.“
„Sorry.“
„Weißt du was?“
„Was denn?“
„Ich glaube, es wäre doch besser, wenn du gehst.“
„Wirklich?“
„Ja, schon. Ich glaube, ich krieg sonst heute kein Auge mehr zu.“
„Tut mir leid, dass ich so überdreht bin.“
„Gar nicht schlimm.“
Ronja setzte sich auf.
„Dann fahre ich jetzt nach München.“
„Fährt da denn noch was?“
„Bestimmt“, sagte ich.
Kurz darauf war ich angezogen, sie noch halb nackt und sicher unglaublich warm. Sie führte mich zur Tür.
„Das Label ist bald mal wieder in München.“
„Kommst du mich dann besuchen?“, fragte ich.
„Klar doch.“ Sie gab mir einen Kuss und schob mich aus der Tür. Mit aller Kraft versuchte ich mir ihr Gesicht einzuprägen. Als die Tür zufiel, flimmerte es noch kurz auf der Netzhaut.

Scham ist so ein winziges Ding. Das sitzt nicht zwischen gekräuselten Haaren unterhalb des Bauchnabels – das ist ein Fleckchen im Kopf. Ich hab Ronja noch mal gegoogelt. Sie hat jetzt ein Kind. Zwei, drei Jahre alt, schätze ich. Mal ist Scham ein Instinkt, mal eine Narbe. Mal weiß man gar nicht wofür, nur dass man sich schämt. Scham bleibt und erinnert einen an alles, was man hätte sein können. Hätte dies … Hätte das … hätte – nein – hat jetzt ein Kind. Ist gut und trotzdem schreibst du einen Text drüber, weil es da noch etwas gibt, das dich pikst. Scham ist ein Paradox. Wenn du sie empfindest und pflegst, hilft sie dir dich zu verwandeln. Erst hasst du sie, dann suchst du sie hin und wieder freiwillig auf und irgendwann, wenn richtig Zeit ins Land gegangen ist, fängst du an, die Scham zu zelebrieren wie einen verdammt wertvollen Teil von dir.

 

Lieber @Carlo Zwei ,

Aha, (fett markiert für mich) das hatte @lakita auch moniert. Wie wäre es denn mit "Ich schüttelte mich vor Nervosität"? Ist das logischer? Sonst muss ich es mit einem Nebensatz lösen oder auf eine andere Formulierung.

Nein, ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie das aussehen soll. Es geht also um diese Schüttelbewegung.
Was genau macht er, wenn er sich schüttelt? Schlackert er mit den Armen, zittern seine Oberschenkel, zucken seine Mundwinkel, fliegen seine Hände unkoordiniert durch die Luft,
trippelt er hin und her, blinzelt er, als hätte er Sand in den Augen, oder schüttelt er sich wie man sich ausschüttelt, wenn man Gymnastik gemacht hat und dann die Arme ausschüttelt?
Was ich andeuten möchte ist, dass ich nicht glaube, dass er sich schüttelt, sondern ein völlig anderer Begriff dafür gesucht werden müsste.
Wir kennen ja den Begriff: "Es schüttelt mich", zum Beispiel, wenn man sich vor etwas ekelt.
Was genau tut man da? Man wackelt mit dem Oberkörper, schwenkt ihn sozusagen in kurzen Rucken. Oder man bleibt eher mit dem Oberkörper starr und schüttelt den Kopf.

Lieben Gruß

lakita

 

Hey @feurig ,

danke für deinen Besuch, dass du den Text mehrfach gelesen hast und die natürlich undankbare Rolle eines Gesamtverrisses übernimmst. Nicht ironisch. Ich weiß, dass man das nicht gerne tut, sondern weil man jemanden wachrütteln will. So geht es mir zumindest, wenn ich das tue.

bei dem ich deinen Protagonisten gerne anschreien möchte
Na dann schrei den Protagonisten doch an.
Das hat für mich leider überhaupt gar keinen erotischen Ton, sondern lediglich einen sehr unangenehmen
Das sehe ich wie du. Ich glaube aber nicht – so erscheint mir das –, dass du ein Problem mit der Bettszene oder dem Prota hast, sondern damit, dass er diese Geschichte erzählen darf, sich das quasi herausnimmt als Macho (für den du ihn wahrscheinlich zu recht hältst, ich ihn zumindest ein Stück weit). Und da steckt ja auch eine Kritik am Erzähler, der das zulässt und am Ende natürlich auch mindestens ein großes Fragezeichen gegen den Autor. Nun ja, während ich dir unbedingt darin zustimmen würde, dass das höchstens in seiner romantisch verkitschten Welt erotisch ist, finde ich es (im Gegensatz zu dir? Ich will dich auch nicht falsch verstehen, sag gerne, wie du es siehst) sehr legitim diese Geschichte zu erzählen. Warum? Weil ich denke, dass das ein Einblick ist in ein (gerne auch machohaft) sozialisiertes Denken. Es entlarvt etwas und macht es sichtbar, ABER ja, es bietet dem auch eine Bühne. Dazu stehe ich und bin bereit dafür deine Kritik inkauf zu nehmen und danke dir auch dafür. Finde es auch gut, dass du dich daran stößt. Vielleicht bist du da gedanklich einfach noch einen Schritt weiter als ich.

Viele Grüße
Carlo


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Nein, ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie das aussehen soll. Es geht also um diese Schüttelbewegung.
Was genau macht er, wenn er sich schüttelt? Schlackert er mit den Armen, zittern seine Oberschenkel, zucken seine Mundwinkel, fliegen seine Hände unkoordiniert durch die Luft,
trippelt er hin und her, blinzelt er, als hätte er Sand in den Augen, oder schüttelt er sich wie man sich ausschüttelt, wenn man Gymnastik gemacht hat und dann die Arme ausschüttelt?
Was ich andeuten möchte ist, dass ich nicht glaube, dass er sich schüttelt, sondern ein völlig anderer Begriff dafür gesucht werden müsste.
Wir kennen ja den Begriff: "Es schüttelt mich", zum Beispiel, wenn man sich vor etwas ekelt.

alles klar. Danke für deine Rückmeldung. Knöpfe ich mir vor und setze dich, wenn ich darf und sich eine Gelegenheit bietet noch mal ins Zitat.

 

@Carlo Zwei ,

sehr gern darfst du das, denn mich interessiert ja selbst, wie man so etwas gut lösen kann.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @Carlo Zwei ,

danke, dass du meinen kurzen Kommentar so aufgefasst hast, wie ich es erhofft habe :shy:

Du hast recht, es spricht nichts dagegen eine solche Geschichte zu erzählen. Im Prinzip wird über das schwerwiegende solcher Geschehnisse zu wenig erzählt.

Was mich allerdings verwundert, oder ich als problematisch erachte, ist, dass du seine Sichtweise nicht brichst. Wenn der Leser in diesem Thema nicht bereits sensibilisiert ist, gibt es keinen Moment, in welchem du die Bedenklichkeit der Situation anreißt und damit dem Leser die Chance gibst sich von seinem gelernten Bild zu lösen.

Das liegt meiner Meinung nach daran, dass du seine Scham auf den vorzeitigen Samenerguss reduzierst, das Mitleid und Verständnis liegt letztlich bei ihm. Eigentlich sollte es ihn aber - wenn du das darunterliegende Thema des erzwungenen Sex' tatsächlich zeigen möchtest - beschämen in welche Situation er Ronja gebracht hat.

Das wäre tatsächlich sehr sandig, die Frage bliebe jedoch, wo der Leser dann noch Erotikpunkte verteilen soll.

Grüße
Feurig

 

Eigentlich sollte es ihn aber - wenn du das darunterliegende Thema des erzwungenen Sex' tatsächlich zeigen möchtest - beschämen in welche Situation er Ronja gebracht hat.
Wo hat er den Sex erzwungen? Wo genau steht das? Woran machst du das fest?

Dieses Mal führte sie meine Hand von selbst zu sich.
Sie initiiert dieses zweiten Versuch, und auch den ersten. Oder irre ich? Wenn sie nicht will, kann sie dann nicht sagen: Ich will keinen Sex mit dir? Bitte zieh dich an und gehe? Ist der Erzähler so bedrohlich? Wirkt er so aggressiv? Ich finde, der wirkt lammfromm und würde sich sofort trollen, wenn sie das so sagen würde. Wo bedrängt er sie? Wo verlangt er etwas? Wo suggeriert er oder fordert subtil etwas ein? Wo ist der Druck?
Wenn der Leser in diesem Thema nicht bereits sensibilisiert ist, gibt es keinen Moment, in welchem du die Bedenklichkeit der Situation anreißt und damit dem Leser die Chance gibst sich von seinem gelernten Bild zu lösen.
Sollte das die Aufgabe von Literatur sein, irgendwelche Leser von ihrem von wem auch immer erlernten Bilder zu lösen? Kann der Leser nicht alleine entscheiden, was und wie moralisch verwerflich er etwas findet? Ich meine, du kannst das doch auch. Du traust dir das ja selbst schon zu, aber den anderen irgendwie nicht? Die anderen müssen vorher sensibilisiert werden? Brauchen ein Workshop? Da sind wir schon nahe bei der Ideologie, findest du nicht?

Dein Kommentar liest sich so, als habe Carlo eine astreine Vergewaltigungsphantasie hier veröffentlicht. Tatsache ist aber, dass du beim Lesen ein relativ exklusives Gefühl hattest, dass der Sex nicht ganz freiwillig geschah. Ich wiederhole: Ein Gefühl! Das ist noch alles cool. Den Text aber jetzt im Nachhinein diese einseitige Färbung zu geben, erzwungener Sex und alles, das hat schon einen Geschmack, vor allem weil du ja direkt deine angebliche Außenseiterposition hier offenlegst, als seist du die Einzige, die das überhaupt geblickt hat und alle anderen damit zu Komplizen machst. Vielleicht haben sich andere Kommentatoren eher auf den Text konzentriert und nicht darauf, hinter jeder Zeile toxic masculinity zu finden.

PS: Sorry an alle Mods und alle anderen Kommentatoren für den offtopic.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

tatsächlich habe ich mit einem solchen Kommentar gerechnet und das ist auch der Grund warum ich mich lange davor gedrückt habe. Und deswegen hatte ich meinen ersten Kommentar unkonkreter gehalten.

Allerdings schrieb Carlo das hier

sehr legitim diese Geschichte zu erzählen. Warum? Weil ich denke, dass das ein Einblick ist in ein (gerne auch machohaft) sozialisiertes Denken. Es entlarvt etwas und macht es sichtbar,

Das zeigt für mich, dass er das von mir konkretisierte Problem auf dem Schirm hat und deswegen habe ich meine Problem mit dem Text deutlicher ausgedrückt.

Ich wollte meine Hand in ihren Slip stecken, doch sie schob sie beiseite.
„Ich bin echt ziemlich kaputt“, sagte sie. „Vielleicht …“

Wie du magst. Aber ich muss jetzt wirklich bald schlafen.“

Das sind zwei "Kein Sex" und der Protagonist gibt ihr weiterhin deutlich zu verstehen, dass er aber will und sie nicht schlafen lassen wird. Er lässt sie nicht in ruhe, bis sie nachgibt.

Mir ist die blöde Situation für einen Mann in dieser Lage sehr wohl bewusst. Und mir wäre es auch lieber, wenn Frauen einfach

Ich will keinen Sex mit dir? Bitte zieh dich an und gehe?
sagen würden.
Tatsache ist jedoch, dass Frauen das leider! nicht sehr oft tun.
Weil sie dem Konflikt aus dem Weg gehen wollen. Weil sie den Mann eigentlich mögen und wollen dass er sie weiter mag. Weil sie Angst haben dass die Situation kippen könnte. Weil sie gelernt haben, dass Mitleidsex völlig okay ist, obwohl das ja schon impliziert, dass die Frau eigentlich gar nicht will. Weil, ja, es manchmal einfacher ist sich einfach hinzulegen, die Beine breit zu machen und es über sich ergehen zu lassen, weil die Wahrscheinlichkeit dass man ihn dann in fünf Minuten aus der Wohnung geleiten kann sehr hoch ist, ohne dass man einen Eklat ausgelöst hat.


Gerade mit den beiden Zitaten von oben ist mir! diese Geschichte zu arg auf der grenzwertigen Seite. Ich sehe nirgends ein wirkliches ja, ich will dich. Lediglich zweimal ein hach, eigentlich eher nicht, auf die der Protagonist nicht eingeht und lediglich ihr weiter mit seinem begehren wachhält, bis sie kippt und sich "erbarmt". Wenn du das Gefühl hast, eine Frau erbarmt sich, hast du dann wirklich den Eindruck sie will dich? Sie hat Bock auf Sex mit dir? Und wenn sie keinen Bock hat, keine Lust, sondern sich lediglich erbarmt, was ist das dann?

Tut mir leid, dass mein Kommentar dich dermaßen vor den Kopf stößt. Ich bin nicht in den Köpfen anderer Kommentatoren, ich kann nur lesen was geschrieben wurde.

Grüße
Feurig

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo in die Runde, lieber @Carlo Zwei ,

ich sehe in dem Text selbst absolut nix Grenzwertiges, nichts Gewaltsames und es wird imA auch ganz klar gezeigt, dass das Mädel ihm in puncto Selbstbewusstsein, Entscheidungsfreudigkeit, Risikoabwägen, vielleicht sogar Realitätssinn allgemein weit überlegen ist. So weit, dass ich hier - wäre das Fantasy und die beiden hätten magische Kräfte - von einem overpowered character reden würde.

Gibt sie ihm nach, ist das ein reiner mercy fuck, oder eher eine rein physische Müdigkeit (keine verdeckte Ablehnung) und sie gibt dann ihrer Lust nach? Das zu interpretieren wird dem Leser überlassen.
Die zwei sind ja auch noch Teenager, das sind keine erfahrenen Erwachsenen im mittleren Alter, da spielen Hormone verrückt, da hat man vielleicht lieber einmal zu viel Sex als zu wenig (sozusagen). Das alles ist so der Kontext, in dem ich das lese.

Nicht als ein 'Frauen geben immer nach' oder 'sie weiss wohl nicht, was sie will', 'sie kann sich nicht durchsetzen' - es sind Ambivalenzen in den Figuren, die sie im Rahmen des Alltäglichen interessant machen. Und dann gibt es keinen Grund, in Prosa immer ein best practice zu zeigen - es geht bestenfalls um Konflikte. Und bei einem Text im Erotik-Genre ist das dann bestenfalls auch show, don't tell der Konflikte durch den Sex selbst. Besser gehts handwerklich kaum - weil nämlich sonst der alte Vorwurf kommt: Hey, bei dir trägt der Sex nicht zum Plot / der Charakterisierung bei, der ist nur Selbstzweck und das ist Porn!

Ich denke, es ist grundsätzlich ein Problem, bei starken Emotionen / aufgeladenen Themen (Sex, Gewalt) eine Haltung zu erwarten wie beim Wachturm: Es gibt ein Credo, jeder einzelne Satz im Text untermauert dieses Credo und lässt dem Leser keinen anderen Ausweg, als dem unbedingt zuzustimmen.
In Prosa gibt es Haltungen, die rein textimmanent sind (auf Ebene des Erzählers, nicht des Autors), oder ein Mix aus textimmanenten und denen - den realen - des Autors selbst. Sind alle Haltungen und Erfahrungen des Autors auch 1:1 auf der textimmanenten Ebene zu finden, liest sich das sehr schnell wie eine Mary Sue oder gutgemeinte, sozialpolitische Propaganda.

Prosa benötigt einen literarischen Konflikt. Carlos Text hat genau das - und weil es eine Erotikgeschichte ist, wird ein Teil des Konfliktes in entsprechenden Szenen auserzählt. Mehr sehe ich darin nicht.

Ich hole jetzt keine Zitate aus dem Text, weil ich nicht denke, dass man den Text über isolierte Sätze verstehen kann. Es geht um die Entwicklung, um die Nuancen und kleinen Verschiebungen, die sich aus den Fachgesprächen und dem Näher-Kennenlernen bis zum Ende der Sexszene ergeben - insgesamt. (Dabei ist das hier nicht unbedingt mein fav Genre und nichts, was ich außerhalb dieses Forums lese.)

Eine Sache @Carlo Zwei : Der letzte Abschnitt hat mich nun wieder rausgekegelt, weil das ein Resümee ist, das mir eine ganz bestimmte Sicht auf den Text und seine Figuren diktiert. Es ist eigentlich das Gegenteil zu allem vorher. Der Ansatz fällt aus der Erzählstimme (selbst wenn man davon ausgeht, dass Zeit vergangen ist), klingt imA unangenehm pathetisch und auch inhaltlich hab ich massiv Probleme, dem zu folgen. Das jedenfalls war so gar nicht mein Fazit, das ich aus der Figurenzeichnung zog oder ziehen wollte. Den Abschnitt vielleicht kicken und mit einem open end rausgehen?

Euch allen einen schönen Tag noch,
Herzlichst, Katla

 

Ich sehe nirgends ein wirkliches ja, ich will dich. Lediglich zweimal ein hach, eigentlich eher nicht, auf die der Protagonist nicht eingeht und lediglich ihr weiter mit seinem begehren wachhält, bis sie kippt und sich "erbarmt".
Was du sehen möchtest oder von dem Text verlangst, dass da irgendwo ein eindeutiges Bekenntnis ausgesprochen wird, spielt aber keine Rolle. Dann hättest du mal schön selber einen Text mit dem Gegenstand schreiben sollen. Sich hinzustellen und dann Bedarf an einen fremden Text anmelden, das finde ich, mit Verlaub, reichlich unverschämt. Und sich dann bei Kritik hinstellen und behaupten: Ja, also, ich habe mit mir gerungen, weil ich wusste, dass SOLCH ein Kommentar kommt, als seist du hier irgendwo das Opfer.

Wenn du das Gefühl hast, eine Frau erbarmt sich, hast du dann wirklich den Eindruck sie will dich? Sie hat Bock auf Sex mit dir? Und wenn sie keinen Bock hat, keine Lust, sondern sich lediglich erbarmt, was ist das dann?
Als ich jung war, habe ich alles flachgelegt was nicht bei drei auf den Bäumen war: habe ich da junge Frauen zu Sex überredet? Ganz sicher. Habe ich das immer bewusst getan? Wahrscheinlich nicht, ich war jung und dumm und geil. Fühle ich mich deswegen super? Nein, aber das sehe ich natürlich heute in der Retrospekte erst etwas anders. Aber auch hier gilt: Zum Überreden gehören immer zwei. Dann müsstest du ganz grundsätzlich bei jedem Text die eindeutige Erklärung zu irgendeiner Aktion mitliefern. Bei South Park gibt es eine Folge, wo junge Studenten sich vorher schriftlich die Erlaubnis abholen, die jeweilige Frau vögeln zu dürfen, und dann so a.) mit Cunnilingus, das ist aber ein anderes Formular etc. So müsste das dann hier in den Texten dargstellt werden, es wird dann wie verbeamtet. Dabei wird aber die Verantwortung ausgelagert. Der Leser wird damit nicht beschäftigt, der bekommt seine Antwort direkt mit.

Ich sage nicht, das ist grundsätzlich falsch. Es gibt Texte, die sind unangenehm zu lesen, weil sie einen mit etwas konfrontieren, dass man eben selber in sich spürt und vielleicht auch zu einem großen Teil verneint. Aber das ist dann der Effekt, den dieser Text haben soll, und den darf man nicht beschneiden, in dem man das erklärt. Manchmal muss ein Text eben wie eine offene Wunde sein, die schlecht verheilt.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

Was du sehen möchtest oder von dem Text verlangst, dass da irgendwo ein eindeutiges Bekenntnis ausgesprochen wird, spielt aber keine Rolle. Dann hättest du mal schön selber einen Text mit dem Gegenstand schreiben sollen. Sich hinzustellen und dann Bedarf an einen fremden Text anmelden, das finde ich, mit Verlaub, reichlich unverschämt.
Wo melde ich denn bitteschön Bedarf an?
Ich habe den Text auf eine offenbar spezielle Weise gelesen und Carlo das mitgeteilt.
Seine Antwort habe ich so verstanden, dass es eine Leseart ist, die er auf dem Schirm hatte und habe ihm daraufhin mein Problem mit dem Text detailliert.
Der von dir zitierte Absatz
Ich sehe nirgends ein wirkliches ja, ich will dich. Lediglich zweimal ein hach, eigentlich eher nicht, auf die der Protagonist nicht eingeht und lediglich ihr weiter mit seinem begehren wachhält, bis sie kippt und sich "erbarmt".
ist meine Leseart.
Du kannst jetzt daraus schließen, dass ich von Carlo erwarte, dass er das entsprechend ändert - falls ich das "mit Bedarf anmelden" richtig interpretiere, das tue ich allerdings gar nicht.
Ich habe lediglich Carlo auf meinen Leseeindruck hingewiesen und angemerkt was das verursacht und wie er es mehr in den Vordergrund rücken könnte, wenn er das denn wollte.
Was er mit dem Text macht ist seine Sache.

Grüße
Feurig

 
Zuletzt bearbeitet:

Du kannst jetzt daraus schließen, dass ich von Carlo erwarte, dass er das entsprechend ändert - falls ich das "mit Bedarf anmelden" richtig interpretiere, das tue ich allerdings gar nicht.

Nun ja, anmelden ... sagen wir so, wenn man einen Text kommentiert und dann sagt: Well, das liest sich für mich als ob der eine Prot da so den anderen aber wirklich richtig sexuell nötigt und im Grunde fast vergewaltigt, das finde ich fürchterlich problematisch, aber das ist natürliche (m)eine Außenseiterposition, ich weiß, und eigentlich möchte ich den Prot dann deswegen anschreien, dann tust du meineserachtens drei Dinge: Du baust mehr oder weniger subtil Druck auf den Autoren auf, weil wer möchte schön gerne als der Rapist-Dude im Forum gelten? Zweitens machst du alle anderen Kommentatoren vor dir zu Komplizen an genau dieser Sache: ist es euch nicht aufgefallen? Findet ihr das nicht problematisch? Also, mhm, wollt ihr dass das so stehenbleibt? Da arbeitest du schon mit dem schlechten Gewissen und der fehlenden wokeness. Drittens bist du es, die dann sanktionierendes Verhalten androht, du willst ja schließlich den Protagonisten anschreien und verlässt damit den Raum der rationalen Diskussion, wenn auch nur im übertragenen Sinne.

Du hättest Carlo einfach eine PM schreiben können. Sag mal, wie meinst du das in dem Text? Oder wenn du kommentierst: Verstehe ich das hier richtig? Ich weiß nicht, ich lese das so. Du stellst ja keine Frage, sondern du stellst fest. Damit habe ich eben meine Schwierigkeiten.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

werde ich beim nächsten Mal tatsächlich beachten, bisher hatte ich den Eindruck, dass hier auch unangenehme Sichtweisen geäußert werden können und nachdem Carlo recht entspannt mit meinem Kommentar umgegangen ist, habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht.

Grüße
Feurig

 

bisher hatte ich den Eindruck, dass hier auch unangenehme Sichtweisen geäußert werden können
Das hat dir ja niemand verboten, oder? Du kannst äußern, was du möchtest, nur musst du eben damit rechnen, dass sich eben auch dazu jemand äußert und erwidert.

 
Zuletzt bearbeitet:

Was für eine Diskussion.

@feurig ,
verstehe den Punkt mit der Brechung. Vielleicht lasse ich mir da noch etwas einfallen. Ich denke ja schon, dass es einige Momente gibt, in denen Leser hier veranlasst werden Position zu beziehen und der Text konnotiert ja auch die Gesamtsituation als schamhaft. Es ist sozusagen auch ein Buße-Text. Da kann man verständlicherweise fragen, ob hier nicht eine falsche Viktimisierung stattfindet. Allerdings empfinde ich es als übertrieben oder einfach weit hergeholt, da ein Thema von erzwungenem Sex draus zu machen. Um deine Frage zu beantworten. Nein, das ist in keinem Fall das hier vordergründige Thema und das beabsichtige ich auch nicht. Ich würde es aber auch so machen wie du, wenn ich das zeigen wollen würde. Dann würde ich ihn auch mehr noch sich wegen der Situation schämen lassen, in die er Ronja gebracht hätte. Aber so ist sie als Figur für mein Erachten nicht angelegt und ist die Situation nicht angelegt. Für mich geht diese Diskussion an der Figurenzeichnung vorbei.

Ich bin insofern bei @jimmysalaryman als ich diese Lesart genausowenig vom Text initiiert sehe. Ich wiederhole es einfach noch mal: Figurenzeichnung. Das ist hier für mich der springende Punkt, wo die Diskussion vorbeigeht und ich dir da auch nicht folgen kann. Wo ich Jimmy nicht ganz zustimme oder vielleicht eine Mittlerposition einnehme: ich finde schon das Literatur auch helfen kann erlernte Bilder abzulösen. Wo ich aber wieder zustimme: Es ist nicht ihre Aufgabe. Sie kann das tun und tut das im Übrigen auch immer ein kleines bisschen zwischen den Zeilen (so subtil wie Sozialisation vielleicht). Und wo ich dem auch zustimme: es ist nicht Aufgabe des Textes den Holzhammer rauszuholen. Allerdings habe ich dich, Feurig, auch nicht so verstanden. Ein Bruch ist ja auch kein Holzhammer. Brüche gibt es aber doch – aus meiner Sicht – sehr viele in diesem Text; nur nicht solche, die die Sichtweise des Protas gegenüber einem erzwungenen Sex brechen. Warum? Weil ich dir dort nicht folge. Weil ich das nicht in dem Text oder den Figuren sehe, mir aber, wie gesagt, da gerne deine Sichtweise anhöre – wie vermessen wäre es auch zu denken, dass ich nie was dazulernen könnte. Ich war als Teenager in vielen Dingen sehr sehr vorurteilsbehaftet und merke auch heute noch, dass ich es in einigen oder sogar vielen Punkten bin (man kriegt so was ja meist auch nur häppchenweise mit). Ich finde das immer interessant. Aber ich projiziere mich da nicht sofort rein. Es gibt Haltungen, denen ich Misstraue und irgendwann komme ich dahinter – oder umgekehrt, Dinge, deren wahren Kern ich verstehe, aber erst nach einiger Zeit annehmen kann. Es gibt aber auch Punkte, wo ich Leute sehe, die reagieren noch viel empfindlicher, sind viel progressiver; ja, vielleicht sehe ich die Welt in fünf Jahren genau wie sie. Wenn man in die Zukunft schauen möchte, spielt es immer eine Rolle, woran man glaubt. Ich glaube, Stand jetzt, daran, dass dieser Text in Ordnung ist, wie er ist. Aber er wird sicher nicht allzu gut altern, daran glaube ich auch, und trotzdem habe ich ihn gerne geschrieben.

In der Diskussion zwischen dir, Feurig, und Jimmy kristallisiert sich für mich heraus, dass du das eben wirklich als (implizit) erzwungenen Sex siehst. Das will ich noch einmal betonen: so sehe ich das nicht. Das sollte das Verständnis in meinem Kommentar nicht ausdrücken. Es ist offen, ob das hier ein reiner 'Mitleidsex' ist, oder nicht. Aber die Problematik die du dazu beschreibst (die ich interessant finde und streckenweise teile), sehe ich in dieser Geschichte nicht. Das klingt für mich nach einseitiger Interpretation.

Jimmy hat die rhetorische Wirkung deines Kommentars ziemlich gut analysiert. Ich habe mich über deinen Kommentar auch ein bisschen geärgert. Andererseits höre ich mir gerne lieber eine feministisch progressive Haltung mehr ab als eine zu wenig. Da geht es nicht darum, dass ich eben vielleicht nicht dasselbe Level fahre oder gut heiße, sondern dass das meine (vielleicht auch schneckenmäßige) Form von Progressivität ist. Merkwürdige Haltung, aber was soll ich machen?

Danke, dass ihr das hier diskutiert habt!

 

Liebe @Katla ,

danke für deinen Kommentar und die Stellungnahme. Meine Textwahrnehmung geht in dieselbe Richtung. Ich denke, diese Dinge werden über die Figurenzeichnung geklärt. Und über den Kontext. Genau das sagst du ja – und da bin ich froh, dass du das so siehst. Ich könnte jetzt auch nur nickend zitieren, was du dazu erläutert hast. Hat, wie gesagt, gut getan das zu lesen und sich da auch wiederzufinden.
Also vor allem noch mal zu der Sache mit dem Ende. Ich nehme das auf. Es ist verdammt schwer für mich, das mit dem Epilog zu entscheiden. Ich sehe darin großen Mehrwert und bekomme das von (noch) dem Großteil der Kommentatoren gespiegelt. Und ja, das ist schon auch pathetisch. Aber Pathos kann ja auch geil sein oder Stilmittel/-bruch. Ich bräuchte noch ein paar mehr Stimmen, um mich irgendwie davon zu überzeugen, dass der letzte Absatz wirklich weg sollte. Aber ich werde das bei der nächsten Überarbeitung (fett markiert für mich) noch mal umstellen. Auch mal rausnehmen und den Text so lesen und liegen lassen und noch mal lesen. Und noch zwei Nächte darüber schlafen. Und vielleicht will ich es dann ändern :D

Vielen, vielen Dank, dass du vorbeigeschaut hast. Habe deinen Text gelesen – starkes Teil! Muss schauen, wie ich noch zum Kommentieren komme, bei mir brennt gerade wirklich 'ein bisschen' die Hütte.

Liebe Grüße
Carlo

 

Moin, moin @Carlo Zwei ,

wie toll, auch von Dir ein Challengenbeitrag, habe mich riesig drüber gefreut, ich mag Dein Schreiben meist sehr. Und dann wieder ein völlig anderes Gemisch, da sage mal einer "na, bei Erotik geht es doch nur um da eine ..." - wir haben hier definitiv den Gegenbeweis erbracht. Ich hangle mich mal an den Zitaten lang, ist ja eigentlich schon alles gesagt, nimm es also nur als zusätzlichen Leseeindruck.

Ich hatte meine braune Bomberjacke angezogen, die abgewetzte, die mit den Patches und dem kaputten Reißverschluss. Am U-Bahnhof Eberswalder Straße stieg ich aus. Ich schüttelte mich vor Aufregung. Wenn das heute klappte, würde aus mir doch noch ein Star werden.
Für mich ein wirklich gelungener Einstieg, schöne Details, der Erzähler wird eingeführt und so ungefähr ist die Verortung auch klar.

Ein Jobpraktikum bei ‚Indigo‘, dem vielleicht coolsten Label der Stadt. Shepheard Will, Thorben Saßnitz und Preload. Meine Helden.
Hier oute ich mich denn mal. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung, was mit "Label" gemeint ist, in mein Leben würde da wohl 'Amiga' gehören. Aber mir entzieht sich total der Zusammenhang zwischen dort arbeiten und berühmt werden. Aber weißt du was, es ist hier nicht wichtig, die Geschichte funktioniert auch so, denn Du bringst mir sehr nahe, wie wichtig das Ganze für Deinen Protagoisten ist. Gekauft!

Betrunken vor Euphorie spazierte ich ins Indigo-Studio – gewöhnliche Büroräume, dunkel, kalt. Wirklich: An einem der Schreibtische saß Preload selbst, das Idol! Ich konnte es kaum fassen, ihn mal woanders als hinterm DJ-Pult zu sehen. Weiter vorne ein Mädchen, lächelnd.
Das passt für mich alles, ich bin voll dabei.

„Einer der geilsten Typen. Wir machen so Parties.“
„Aha“, sagte Preload, ohne die Augen vom Bildschirm zu lassen.
„Ihr macht ja auch Parties und so, deswegen …“
„Ja, ich glaube, wir sind da bestens aufgestellt“, sagte Preload.
Hier stehe ich als älteres Landei halt wiederim Regen, da ich ja von Musikverkaufen ausging. Aber die Ablehnung, die Reserviertheit bringst Du gut rüber, ein schöner Kontrast zu der ja übersprühend liebenswerten und vertrauensseeligen Chefin. Muss ichmir mal merken, ich neige ja eher zu Einheitsbrei, meist alle nett.

„Wollen wir uns was zu trinken holen und Sandwiches?“, fragte Ronja.
„Du bist die Labelchefin. Ich mach alles, was du sagst.“
Ronja grinste und ich lächelte.
Ja, dieses - 'Du bist der Boss, ich folge Dir, ich tue alles für Dich' zieht sich hier so durch. Ich habe mich am Ende ein bisschen gefragt, ob er mit zeitlichem Abstand nicht auch ein bisschen aus der Schamecke heraus könnte, einfach, weil er so jung und so heiß auf die Chance war. So ein bisschen Gnade vor sich selbst? Aber das ist ja irgendwie schon wieder eine andere Dimension und nicht Deine Geschichte.

Seit den ungefähr zwanzig Minuten, die wir unterwegs waren, achtete ich auf jede Bewegung, wollte nur im besten Licht stehen, die Gedanken, die Ronja über mich haben würde, steuern, sie denken lassen, dass ich jemand Besonderes war, jemand seltsam Attraktives, in den sie sich heimlich bei einem Bewerbungsgespräch verknallte.
Sehr schön geschrieben und ich tippe mal, dass sich da manche einer wiederfindet. Ich hatte jedenfalls auch mal eine ähnliche Situation, total lächerlich, aber sooo wichtig.

Nichtsdestotrotz verlieh ihr diese Zurückhaltung etwas Anziehendes – dazu kam nicht unwesentlich, dass ich seit einigen Minuten zu verstehen versuchte, warum mir diese Mulde zwischen ihrer Nasenscheidewand und Oberlippe so überaus perfekt erschien. Ronja hatte schwarze, mittig gescheitelte Haare, schwarze Augen, schwarze Augenbrauen und einen fast weißen Teint. Nur ihre blassroten Lippen verliehen dem Gesicht Farbe.
Ich finde, hier bringst du dieses in einer Diskussion als entscheident bezeichnetes Kriterium für Erotik gut ins Spiel - die Sehnsucht!
Sehr gut gemacht, hätte ich gerne ein bisschen mehr von gehabt.

„Darf ich einen Schluck von deiner Cola haben?“, fragte ich. Etwas gab mir das Gefühl, das fragen zu dürfen.
„Klar. Kannst ruhig meinen Strohhalm benutzen. Darf ich einen Schluck von deiner Sprite?“
Hier wächst für mich diese Vertrautheit auf eine neue Stufe, erklärt sich das ganz selbstverständliche im Bett landen, wobei da irgendwie auch der grundstein fürs Scheitern liegt - das hier ist ja eher so ein "Gute freunde for ever" oder "Brüderchen und Schwesterchen" Ding, also schon viel zu kumpelhaft, nix mit heißer Erwartung, Anziehung, Spannung. Da ist er die Sache leider falsch angegangen - schwierig aus der so vertrauten Ecke auf heißen Sex zu kommen, wie man ja sieht.

Ich hätte ihr sonst was erzählt. Sicher nicht zu Unrecht fühlte ich mich neben ihr wie ein Zwerg, wenngleich ich sie um einen Kopf überragte.
Irgendwo beim Überfliegen hatte ich das schon gesehen, ich würde die Abschwächung rausnehmen, warum sollte er so denken? Er fühlt sich wie ein Zwerg, Ende!

„Ich glaube, dass ist kein Problem“, sagte er.
„Soll ich es Ida erzählen?“, fragte ich.
„Nein, besser nicht. Manchmal muss man was für sich behalten können.“
Klasse! Also mal davon ab das mich dieser Dialog sofort zum Lachen gebracht hat, in Erinnerung der Gespräche mit den ca. zwanzigjährigen Freudnen meines Sohnes beim Sport. Das könnte O-Ton von denen stammen, herrlich! Und ich sollte nicken, war aber natürlich auf Seiten der Mädels (meistens :-)

Drei Jahre behielt ich die Sache für mich. Mittlerweile lebte ich in München und Ida, vor der ich die Sache geheim gehalten hatte, interessierte sich längst nicht mehr für meine Angelegenheiten.
Aber das hier erschließt sich mir nicht. Er ist solo! Seit wann? Vor wem hat er es denn noch geheim gehalten. Ahh? Jetzt klingelt es, Ida ist erst gerade weg? Die Info fehlt mir hier irgendwie doch deutlich.

Ich war frei, unglücklich und gerade noch Anfang zwanzig. Auf Facebook schrieb ich Ronja eine Nachricht und wie aus dem Nichts waren wir für nächsten Freitag verabredet.
Das erklärt natürlich auch, warum er "unglücklich" ist und jetzt Ronja googelt. Also wenn das so soll, dann fehlt mir hier ein "Ida ist seit drei Tagen /Wochen ... weg." Aber vielleicht bin ich ja auch nur begriffsstutzig ...

pustete graue Wolken und schüttelte mich vor Aufregung.
Ich schlage mich auf die Seiter derjenigen, die Schütteln hier nicht verstehen.

„Einfach nur ein Schnauzer, oder?“, flüsterte sie.
„Nein! Das ist absolut ein Birkenstock-Bart!“
Ronja zog einen Mundwinkel hoch und dann den anderen.
Irgendwie hatte ich einen Lauf, es klappte, obwohl ich mich wie ein lustiger Barde aufführte, der um die Hand einer Königstochter buhlte. Wie ein Seiltanz.
Es gibt nichts schöneres, als ganz solidarisch über andere Leute abzulästern!

Ich hatte gehört, dass es beknackt war, Frauen zum Essen einzuladen.
Im Ernst? Dann sollte ich langsam wieder anfangen, Geld mit ins Restaurant zu nehmen, ich genieße es, eingeladen zu werden (revanchiere mich aber auch gerne)

Als wir vor einer Haustür angekommen waren, fragte Ronja, ob ich noch mit hochkommen wolle. So schnell wie mein Kopf nickte, konnte ich das überhaupt nicht mitgeschnitten haben.
Sehr überzeugend!

„Hilfst du mir?“, fragte sie und nahm meine Hand. Ihre Finger waren kalt und glatt wie polierter Stein. Ich fühlte mich so unwohl wie selten.
Den Teil habe ich erst nicht verstanden, ich glaube, bei solchen Stellen denke ich andersrum, denn die Erklärung folgt natürlich sofort danach.

Alles an Ronja strahlte Stil und Coolness aus, während alles, was hinter meiner herausgeputzten Fassade steckte, ein etwas zu dicker Bauch und zwei langsam zu riechen beginnende Achseln waren.
Gerade weil er sich nicht als "den Hecht" sieht, ist er eine, so symphatisch. Als mir jedenfalls!

Ich hätte heulen können, so sehr berührte mich dieser Kalender auf eine mir nicht erklärliche Weise.
Aber das habe ich echt nicht verstanden, er aber ja wohl auch nicht. Was bitte soll an eingewickelten Zigaretten so rührend sein?

Es schien das Natürlichste überhaupt zu sein, dass sie ihre Hose auszog und ich meine Hose auzog, dass sie unter das weiße Federbett stieg und ich unter das weiße Federbett stieg.
Wunderbares Beispiel, wie Wortwiederholungen gelungen als Stilmittel eingesetzt werden können.

Ich war dazu übergegangen, alles was sie sagte, mit einem nervösen Lachen oder irgendeinem Satzfragment zu beantworten.
Herrlich, ich denke, man könnte die ganze Geschichte auch aus Frauensicht schreiben, würden sich genauso viele drin wiederfinden.

Meine Socken juckten, die Zehen waren kalt, feucht und ganz sicher waschbedürftig. Gerade wurde im Film ein Mann mit einer Axt zerlegt. Wortwörtlich.
Hier stirbt die Erotik! Männer mit nackten Beinen, aber Socken an? Dazu noch triefendes Blut im Fernsehen. Ich hoffe, der Typ hat irgendwann dazu gelernt und ist jetzt in einer glücklichen Beziehung.

Soeben hatte ich meinen Namen, meine Postleitzahl vergessen.
Geht doch! Schon sehr witzig, dieses umeinander herum und vielleicht doch oder auch nicht. Ich habe die Disskussion über eventuell, wie auch immer dahinter liegenden erzwungenen Sex gelesen. Für mich (und ich halte mich für eine aufmerksame Leserin) hast Du das hier gut austariert, die Figuren handeln absolut glaubhaft und da ist nirgens etwas von Zwang zu spüren. Natürlich kann man so eine Geshcichte schreiben, das aber dieses hier ist eine andere.

„Ich bin echt ziemlich kaputt“, sagte sie. „Vielleicht …“
„Auf jeden Fall“, sagte ich schnell.
Ja, wir wollen immer gefallen. In dieser Situation eindeutig eher er.

Eigentlich war ich raus, völlig überspannt, ein Nervenbündel und seidener Faden. Ich rieb ihre Klitoris, hatte alles verlernt – gesetzt, ich hatte jemals etwas gewusst.
Die erstenbeiden Beschreibungen kenne ich, aber normalerweise heißt es "es hängt am seidenen Faden" - hat mich iritiert, worauf bezieht es sich? Er ist ein seidener Faden?

Im Grunde war das alles vorgegriffen – hätte ich nicht diese scheiß Nacht warten können?
Und diesen Satz lasse ich auch immer wieder hin und herrollen und komme zu keinem schlüssigen Ergebnis. Was möchte er? Nicht gleich mit ihr im Bett gelandet sein?

. Ronja kam über mich. Ich hatte doch nichts getan. Wo kam das her? Warum war sie plötzlich so?
„Warte“, sagte ich.
„Was?“, fragte sie.
Die ersten Sätze beziehen sich auf den Schnellschuß, oder? Aber der Letzte?
Das waren die einzigen Stellen, wo ich ihm nicht folgen konnte, wobei sich der große Zusammenhang dennoch erschließt.

„Bitte“, sagte sie nur und ich drang in sie und wusste im selben Augenblick, dass die Sache gelaufen war. Alles bäumte sich auf, meine Hände griffen leer. „Warte“, sagte ich noch, aber kam nicht gegen mich an. Ich gab auf, versuchte keine Miene zu verziehen. Endlich schmiss ich mich auf die Seite.
„Sorry, bin übel müde“, sagte ich.
„Wie jetzt?“
„Tut mir leid, ich glaube, ich kann nicht.“
„Okay … also …“
„Tut mir echt leid.“
„Ja. Schon gut.“
Ich spürte, wie ich erschlaffte.
„Soll ich ganz ehrlich sein“, fragte ich.
„Ich weiß nicht. Willst du?“
„Ich bin eben gekommen“, sagte ich.
„Ach so.“
„Tut mir leid. Du bist einfach … so hübsch“, sagte ich.
Was für ein toller Dialog. Ja, das kannst Du, lese ich bei Dir immer gern.

„Weißt du was?“
„Was denn?“
„Ich glaube, es wäre doch besser, wenn du gehst.“
„Wirklich?“
„Ja, schon. Ich glaube, ich krieg sonst heute kein Auge mehr zu.“
„Tut mir leid, dass ich so überdreht bin.“
„Gar nicht schlimm.“
Auch das ist so super. Ja, sie löst es und im Prinzip ist es ja genauso, es passt einfach nicht und mit solchen nicht harmonierenden Situationen geht man am besten klärend um, taffe Frau!

„Das Label ist bald mal wieder in München.“
„Kommst du mich dann besuchen?“, fragte ich.
„Klar doch.“ Sie gab mir einen Kuss und schob mich aus der Tür.
Noch ein Trostpflaster, er hat ja nichts falsch gemacht, die Chemie stimmt einfach nicht.

Scham ist so ein winziges Ding. Das sitzt nicht zwischen gekräuselten Haaren unterhalb des Bauchnabels – das ist ein Fleckchen im Kopf. Ich hab Ronja noch mal gegoogelt.
Braucht es dass oder nicht? Es ist gut geschrieben, es gibt dem Leser einen Blick auf den heutigen Protagonisten, zeigt eine zunehmende Reife. Ja, ich denke, das ist legitim.

Erst hasst du sie, dann suchst du sie hin und wieder freiwillig auf und irgendwann, wenn richtig Zeit ins Land gegangen ist, fängst du an, die Scham zu zelebrieren wie einen verdammt wertvollen Teil von dir.
Wie vorhin schon irgendwo erwähnt, für mich dürfte er sich hier auch gerne anfanegn ein bisschen selbst zu vergeben, denn diese Situationen gehören doch für uns alle zum erwachsen werden dazu. Vielleicht läuft er ihr ja nocheinmal durch Zufall über den Weg. Manchmal braucht man ja ein klärendes Wort ...

Lieber Carlo,
für mich eine wirklich schöne Geschichte übers erwachsen werden und vom Leben zu lernen. Erotik - ein wenig, da knickt halt nicht nur er ein. Auf alle Fälle sehr gern gelesen!
Beste Wünsche
witch

 

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