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18.04.2002
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Rotverschiebung

Es ist überall rot.

Früher als erwartet, kommt halt darauf an, was man erwartet. Gestern noch dieses zarte Rosa, wie in den letzten Monaten – dann sowas. Die sanften Farbtöne hatten die meisten bald ignoriert, sich damit abgefunden. Es bestand die Hoffnung, dass diese etwas lästige Anomalität jetzt endgültige Normalität war, ungewohnt, aber weitgehend harmlos. Natürlich gibt es einige unangenehme Einschränkungen, darauf hat sich jeder eingestellt, die Umstände gefügig akzeptiert. Nun plötzlich diese kräftigen Rotschattierungen und ein Rest Schwarz. Das Rot hat mit seinen Tentakeln jede Ritze erobert, vibriert durch die Luft, wabert im Wasser. Es existiert wirklich überall, nur Menschen bleiben seltsamerweise von der Umfärbung verschont, wenigstens äußerlich. Ihre so unverschämt vertrauten Unschuldsmienen ergeben ein verwirrendes Bild: Sie scheinen inmitten dieser Rotheit zu schweben, gespenstische Irrlichter im alle Formen auflösenden Farbbrei. Wer weiß, wie viel davon ihren Köpfen entspringt, eigentlich ein Narr, wer hier rätselt. Unser Innerstes, dieses Menschsein: die Quelle verheerender Einfarbigkeit.

Die Zeit hämmert ihre entropische Beschaffenheit gnadenlos in selbstgerechte Gemüter: Sie ist keineswegs das einzige Problem, es gibt auch noch uns.

Menschliches Tun verwandelt sich in monochromen Rausch, Emotionen oszillieren bis zur Erschöpfungsexplosion in sich aufbäumender Resonanz. Stolz und das sonst allgegenwärtige Aufbegehren zerschellen an der rot-kreischenden, absurden Realität. Ein überhandnehmendes Rot, geboren aus Hochmütigkeit, Ignoranz und Gewalt – immer und immer wieder. Die filigranen Gebilde der Fürsorglichkeit werden rot zerstampft. Wir, nur wir: Wir Menschen haben dieses Monster mit gewissenlosen Taten genährt, gestärkt, lebensfähig gemacht; getrieben von Gier und Verblendung – bis hin zur taumelnden Vernichtung.

Es ist unser ureigenes ROT.

Putri blickte versonnen aus dem riesigen Panorama-Fenster. Das Rot erstreckte sich bis zu den Hochhäusern, die allmählich im Dunst des Abends verschwanden.

„Haben Sie sich entschlossen, Putri?“

„Ja, wir wollen diesen Weg gehen, klar, ganz sicher. Irgendwie muss man diesem Rot entkommen können. Wer weiß, wie lange wir dazu noch in der Lage sein werden. Uns stören jedoch die Digi-Gegner. Tayea, wie gefährlich können solche Querköpfe sein?“

Putri und Sagittarius zoomten Tayea näher zu sich heran, dadurch kam ihr freundliches Gesicht mit den goldenen Makropixeln unter der Haut erst richtig zur Geltung. Die Beraterin war bemüht, besonders sachlich zu wirken.

„Tatsächlich gibt es Ignoranten, die verdrängen, in welche Sackgasse unsere physische Existenz geraten ist. Noch haben wir sie unter Kontrolle. Problematisch werden momentan höchstens die anarchistischen Avatare, mit denen man Sie belästigt – eventuell sogar Ransome-Hacks. Man wird versuchen, Sie einzuschüchtern.“

„Woher wissen die denn, wenn jemand am Digital-Children Projekt teilnimmt? Könnt ihr das kryptographisch verhindern?“

Putri nippte an ihrem Phytocell-Drink. Früher leuchtete das Getränk hellgelb, nun war es blass rot – ungewohnt, aber immerhin gesund. Die leicht nervöse Frau musterte ihren Genpartner intensiv, im Moment erwartete sie von ihm keine Antwort. Er schien abwesend, fast überfordert. Sie streckte ihren schlanken Körper, schüttelte selbstbewusst ihre langen Glossy-but-Sticky-Look Haare, beobachtete konzentriert Tayea, wartete auf eine Erklärung.

„Jeder hinterlässt unabsichtlich Spuren im digitalen System. Wenn jemand mit fanatischem Eifer vermeintliche Übeltäter jagt, gibt es keinen ausreichenden Schutz. Leider gibt es Big-Data-Analysten, die relativ leicht nutzbare Hinweise finden. Die enorme Größe der für die digitale Zeugung benötigten Datenmenge macht es unmöglich, den Ursprung der transferierten Informationen zu verbergen.“

Das Gespräch hatte Sagittarius bis jetzt mit einer gewissen Anspannung verfolgt. Dem Zimmer gab er durch Gedanken-Input eine bläuliche Farbe mit einem dezenten Muster aus dunklen Strichen. Binnen weniger Sekunden wandelte sich das Blau in ein auffälliges Rot mit schwarzer Linien-Struktur um. Sagittarius nickte versonnen. Es machte den Eindruck, als wolle er sich vergewissern, inwieweit der Grund für ihre Entscheidung weiterhin existierte. Unvermittelt fixierte er Tayea intensiv mit seinen Sternchenmuster-Augen, ihre Aufmerksamkeit sollte ganz ihm gehören.

„Keine Ahnung, was ein paar ewig Gestrige gegen die Digital Children haben! Sobald man von der Naturgeburt zur Retorte überging, gab es heftige Proteste, ebenso bei der Genom-Optimierung – bis die Gesellschaft die Vorteile erkannte. So viel Leid ist verhindert worden! Anstelle der genetischen Rekombination werden nun halt algorithmische Ableitungen der Erbinformation ausgetauscht. Na und? Wir wünschen das Beste für unsere Tochter, sie soll unter keinen Umständen in einer menschenunwürdigen, von Rot bestimmten Wirklichkeit aufwachsen. Der Digi-Raum bedeutet Zukunft, wer will uns da Vorschriften machen? Niemand hat das Recht dazu.“

„Genau, niemand! Haben Sie noch eine Frage, Sie, Putri?“

„Ja – wie ähnlich wird sie uns sein?“

„Das werden Sie gemeinsam feststellen müssen. Aber Ihre Tochter wird wunderbar sein.“

_

„Warum besucht ihr mich als limitierte Avatare? Ohne euch bin ich doch allein! Kommt doch für immer in den Digi, wenigstens du, Mutter, bitte!“

„Liebling … leider geht das nicht, ständig sind Aufgaben zu bewältigen, die man nur mit einem Körper erledigen kann. Jedenfalls solange, bis das autonome Funktionieren des Digi-Raums sichergestellt ist. Aus gutem Grund hat man vorerst den KI-Robotern bloß bestimmte Verantwortungsbereiche überlassen. Vielleicht wird man ständig einige Spezialisten im analogen Leben brauchen. Kind – zumindest ein Teil der Menschheit hat die Chance auf einen Neuanfang. Bitte begreif endlich – du, du bist gesund, unabhängig, frei von allem Rot.“

Ahmux rief wütend etwas Unverständliches, rannte durch das hohe, feuchte Gras, bis sie eine etwa fünf Meter hohe, hölzerne Aussichtsplattform erreichte. Flink kletterte sie die Leiter empor.

„Schaut, ich bin ganz oben … und … und springe!“

Tatsächlich nahm Ahmux Anlauf, spurtete bis zum Geländer des Turms, um sich darüber zu schwingen. Sofort blieb sie in einer Art unsichtbarem, zähen Teig stecken. Notgedrungen musste sie, ein wenig beschämt, einige Schritte zurück gehen. Selbstverständlich hätte eine digitale Person den Sprung unbeschadet überstanden. Doch die nach dem Datentransfer eingesetzte Virtual-Life-Software verbot jegliche Aktionen, die unter analogen Bedingungen zu physischen Konsequenzen geführt hätten.

Mit verschränkten Armen wandte sich Ahmux trotzig an ihre Eltern:

„Ich will auch einen natürlichen Körper, möchte empfinden, wie ihr es könnt! Will unbehütetes Leben erfahren! Warum habt ihr mich zur Beta-Version eines Menschen verdammt!“

Ihr Vater wirkte wie jemand, der gleich die Beherrschung verliert, er schluckte. Nach einem kleinen Seufzer antwortete er mit ruhiger, deutlich rauer Stimme.

„Jederzeit kannst du die analoge Welt als Simulation erfahren, damit du verstehst, wie viel Aussichtslosigkeit dort herrscht. Wir lieben dich, spätestens seit deiner Zeugung durch Informationsverschränkung haben wir eine bessere Existenz für dich gewollt. Dir soll es gut gehen, ohne Schmerzen oder Alterserscheinungen, ohne dieses Rot, diesen belastenden Fluch. Nutze die riesigen Gestaltungsmöglichkeiten des Digi-Raums, erschaffe mit den anderen Digis einen lebenswerten Ort! Lernt aus unseren Fehlern, damit ihr vom Rot verschont bleibt.“

„Ahmux, versteh uns. Schließlich hast du erlebt, wie dein Vater trotz seiner erst 108 Jahre manchmal kämpfen muss, wenn er seine Pflichten erfüllen will. Er besitzt keinen Regenerationsanspruch mehr. Dir bleiben solche Einschnitte zum Glück erspart.“

Sagittarius saß zusammengesunken am hinteren Ende der Animations-Einheit. Er genoss es, das Grün der künstlichen Natur anzuschauen, den blauen Himmel mit seinen Wolken. Aber im Moment hätte er seinen virtuellen Stellvertreter am liebsten im Digi-Raum abgemeldet. Der erschöpfte Mann unterließ es, das würde ihm seine Partnerin nie verzeihen. Wo waren die tollen Digital-Children-Adviser, wenn man sie brauchte? Gut – sie waren total überlastet, ohne Selbsthilfegruppe waren DC-Familien ziemlich allein mit ihren Problemen.

„Ihr habt für mich, nein, über mich entschieden, mir keine Wahl gelassen, Putri, wie konntest du das zulassen!“

„Mein lieber Schatz! Eltern haben immer unbequeme Entscheidungen getroffen, in jedem Zeitalter. Menschen müssen handeln oder sie bleiben untätig und sind somit leblos: Das ist seit tausenden von Generationen so. Meinst du, es war früher einfach, zu sagen: ‚Dieses Kind adoptiere ich, das da bleibt im Heim? Dieses Kind gebäre ich, selbst wenn gerade Krieg tobt‘?"

Putri wirkte aufgebracht. Offensichtlich fühlte sie sich in der Verantwortung, eine Art Rechtfertigung zu geben.

"Wir haben uns deine digitale Entstehung ausgiebig überlegt, abgewogen, wollten einen Ausweg aus dem Rot erschließen. Gerne hätten dein Vater und ich manches besser bedacht, nur – jeder Mensch, auch du, kann lediglich das ihm Mögliche tun.“

Ahmux kauerte auf dem Boden, ihr digitaler Körper bebte. Sie weinte nicht – niemand wusste, ob sie es unterdrückte oder diese Emotion praktisch unmöglich war.

„Mutter …“

„… meine Liebe, ihr bestimmt, welche Welt ihr erschaffen werdet. Wir sind die letzte Generation, ihr seid die erste.“

„Rot ist mein Ballon,

er fliegt schnell davon,

in das viele Rot,

morgen sind wir tot,

keiner ist mehr da,

la, la; la, la, la.“

„Kind, lass das! Warum loggst du dich dauernd in die grässliche Realität dieser Kinder ein?“

„Weil ich richtiges Leben spüren will!“

 

Hallo Woltochinon,

Science Fiction ist ein altes Steckenpferd, gepaart mit Philosophie, da bin ich gespannt.

Rotverschiebung

Es ist überall rot.

Früher als erwartet, kommt halt darauf an, was man erwartet. Gestern noch dieses zarte Rosa, wie in den letzten Monaten – dann sowas.


Guter Einstieg, es versetzt mich in eine surreale verwirrende Welt. als Surrealist genau meine :)

Die sanften Farbtöne hatten die meisten bald ignoriert, sich damit abgefunden. Es bestand die Hoffnung, dass diese etwas lästige Anomalität jetzt endgültige Normalität war, ungewohnt, aber weitgehend harmlos. Natürlich gibt es einige unangenehme Einschränkungen, darauf hat sich jeder eingestellt, die Umstände gefügig akzeptiert.

Mit dem zarten Rosa, der letzten Monaten konnte man sich abfinden. Mit den kräftigen Rotschattierungen und einem Rest Schwarz nicht, weil es Tentakel hat, jede Ritze erobert, durch die Luft vibriert, im Wasser wabert. Und niemand fragt, wo das herkommt? Warum besteht diesmal die Hoffnung, dass das Rot nicht käme, wenn es doch periodisch geschieht?

Warum sind die Menschen so gefügig? Durch das Rosa zuvor? Warum wird das Rot immer wieder erwartet, diesmal aber vielleicht früher? Welche unangenehmen Einschränkungen gibt es?

Nun plötzlich diese kräftigen Rotschattierungen und ein Rest Schwarz. Das Rot hat mit seinen Tentakeln jede Ritze erobert, vibriert durch die Luft, wabert im Wasser.

Kann man überhaupt noch atmen, Sport machen, Gemüse anbauen? Du merkst, ich habe gleich am Anfang viele Fragen. Die Einführung besteht aus einer Beschreibung, die mehr Fragen aufwirft als erklärt, sogar, wenn es erklärt wird:

„Ein überhandnehmendes Rot, geboren aus Hochmütigkeit, Ignoranz und Gewalt“, „Wer weiß, wie viel davon ihren Köpfen entspringt, eigentlich ein Narr, wer hier rätselt.“ „Wir Menschen haben dieses Monster mit gewissenlosen Taten genährt, gestärkt, lebensfähig gemacht; getrieben von stinkender Gier, pochender Verblendung – bis hin zur taumelnden Vernichtung.“

Pompös, der Beginn. Ich bin gespannt wie sich das alles auflöst. Spannend, diese Annahmen.und Ausgangslage.


Es existiert wirklich überall, nur Menschen bleiben seltsamerweise von der Umfärbung verschont, wenigstens äußerlich.

Was bewirkt die Umfärbung innerlich?


Stolz und das sonst allgegenwärtige Aufbegehren zerschellen an der rot-kreischenden, absurden Realität.

Du schriebst voran, die Menschen seien gefügig.


Es ist unser ureigenes ROT.

Was ist uns ureigen im Rot? Unser Blut?

Irgendwie muss man diesem Rot entkommen können. Wer weiß, wie lange wir dazu noch in der Lage sein werden.

Na, so lange, bis das Rot wieder weg ist, das Rot tritt doch periodisches auf.


Uns stören jedoch die Digi-Gegner. Tayea, wie gefährlich können solche Querköpfe sein?“

„Woher wissen die denn, wenn jemand am Digital-Children Projekt teilnimmt? Könnt ihr das kryptographisch verhindern?“

Warum ist es so wichtig, die Rebellen zu bekämpfen, was machen sie Schlimmes? Können sie die digitalen Kinder löschen? Welche Eltern wären bereit, solch ein Risiko einzugehen?

Und wie könnten die Rebellen Vorschriften machen? Mal davon abgesehen, dass sie ein Recht auf eine Meinung ala „verschwindet nicht im digitalen Raum, nur um dem periodisch auftauchenden Rot zu entgehen, sucht lieber nach einer grundlegenden Lösung“ hätten.“


Dem Zimmer gab er durch Gedanken-Input eine bläuliche Farbe mit einem dezenten Muster aus dunklen Strichen. Binnen weniger Sekunden wandelte sich das Blau in ein auffälliges Rot mit schwarzer Linien-Struktur um.

Also genau so rotschwarz wie vorher? Warum gibt er dann den Impuls?


Es machte den Eindruck, als wolle er sich vergewissern, inwieweit der Grund für ihre Entscheidung weiterhin existierte.

Ja, kann ich gut verstehen.

_

Die Software verbot jegliche Aktionen, die unter analogen Bedingungen zu physischen Konsequenzen geführt hätten.

Warum denn nur? Ist doch im Grunde der Sinn in einer Simulation.
„Lernt aus unseren Fehlern, damit ihr vom Rot verschont bleibt.“

Sie können, wenn das Rot, wieder verschwindet, zurück in das reale Leben? Wenn dem nicht so ist, macht es kein Sinn, dann sind sie bereits vom Rot verschont und vom richtigen Leben.

Ahmux kauerte auf dem Boden, ihr digitaler Körper bebte. Sie weinte nicht – niemand wusste, ob sie es unterdrückte oder diese Emotion praktisch unmöglich war.

Tränenfluss ist digital leicht darstellbar, die Emotion, dass sie ihre Eltern vermisst darum geht es im Text ausführlich und wurde mit ja beschieden. Ansonsten lügt sie und macht ihren Eltern etwas vor.
„Rot ist mein Ballon,

er fliegt schnell davon,

in das viele Rot,

morgen sind wir tot,

keiner ist mehr da,

la, la; la, la, la.“

Ups, Schluss, da hatte es die letzten beiden Sätze nicht benötigt.
Auch, wenn es nicht erwähnenswert ist, dass der Ballon rot ist, es ist ja schließlich alles rot, ich würde die beiden Sätze vorwegnehmen, damit das Gedicht am Ende für sich alleine steht:
Almuth sang das Lied der Straßenkinder, die trotz der Röte, oder gerade ihretwegen fröhlich reimten:

„Rot ist mein Ballon… morgen sind wir tot.“ Warum sie meinen zu sterben bleibt mir ein Rätsel.

Die Geschichte lässt mich ohne jede Aufklärung zurück, die analogen Kinder haben alle Angst vor dem Tod. Ahmux würde diese Angst gern am eigenen Leibe spüren. Also lieber ein wirkliches Leben führen anstatt als Null oder Eins zu existieren. Soweit so gut, wenn auch nicht neu, der Gedanke. Es gibt ja schon reichlich Romane, die die Idee aufgreifen, wir lebten bereits als ein Programm innerhalb einer Matrix.

Blieben die vielen Fragen nicht ungelöst, wäre die Geschichte runder. Warum lese ich nicht einen Versuch gegen das Rot zu Felde ziehen? Es wird ja lediglich (immer wieder) darauf reagiert, über die Wurzel des Übels bekomme ich bis zum Schluss keine Erklärung. Nehmen wir mal an, die Welt morgen in einem aggressiven Rot getaucht und die überheblichen Gedanken und das Tun der Menschen wären verantwortlich: durch was oder wen? Gott, die Natur? Anunnaki? Gerade in der Sparte „Philosophisches“ ein Eldorado.

Und wäre der einzige Reflex, die lieben Kleinen in den digitalen Raum zu verfrachten? Das passiert ja schon ohne Rot, in einem anders übertragenen Sinne ;)

Und würden wirklich um ihr Kind besorgte Eltern das machen, wenn ihre Nachkommen gehackt oder gar gelöscht werden können?

Eine Rotverschiebung, das Werkzeug zur Messung der Entfernung und Geschwindigkeit von Galaxien, kann ich mir als Titel vorstellen, denke ich an die schnelle Entfernung des Menschen von der Natur - aber eigentlich ist es doch eher eine Verschiebung aus dem Rot ins Internet.


Danke für das Lesen lassen, auch, wenn es wohl nach mehr Kritik als Lob aussieht.

Ganz lieben Gruß,

Argus

 
Zuletzt bearbeitet:

@Rainbow Runner

Liebe Rainbow-Runnerin - ja, die Kürze scheint ein Problem zu sein ... danke für deine Rückmeldung!

Hallo Künstlerin!
@Salatze,

Gerade, was den Erzählton und die Dialoge anbelangt, ich gehe im Einzelnen darauf ein.
Das ist sehr nett, danke für deine Mühe!


aber es wäre schön gewesen, weniger allgemein zu bleiben, sondern vielleicht klarere Bilder zu verwenden. Auch bei der Entwicklung hin. Vielleicht, wie sich die Blätter der Bäume rot färben
Hier scheinen die Bedürfnisse der Leser sehr unterschiedlich zu sein. Dieser Absatz war in der 'Urfassung':
"Hinter den Resten der Wohnmodule, neben einem Schutthaufen, habe ich ein Loch gegraben – einen Moment sieht man die Erdfarbe, riecht den Boden, wie gewohnt. Innerhalb von Sekunden erobert das Rot vom Rand her das Loch, verdrängt mit fließenden Tentakeln die erdigen Brauntöne, verfärbt einen schüchternen Keimling. Als ich einen Stein zerschlage, leuchtet mir bald Rot aus seinem Innersten entgegen, weitere Tests unterlasse ich aus Angst vor der Konfrontation mit unserem manifestierten Versagen."

Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat dir so etwas vorgeschwebt. Ich habe es dann verworfen, weil es von der Essenz, was das Rot mit den Menschen zu tun hat, ablenkt. Bei einem längeren Format wär natürlich Platz für beides.

Ich persönlich hätte nach dem ersten Einleitungssatz hier weitergeschrieben:
"Es existiert wirklich überall, nur Menschen bleiben seltsamerweise von der Umfärbung verschont, wenigstens äußerlich."

Meines Erachtens nach fällt dann die Beschreibung der menschlichen Reaktionen auf die Rotheit weg, auch wie es sich entwickelt. Den Satz
"Nun plötzlich diese kräftigen Rotschattierungen und ein Rest Schwarz"

brauche ich auf alle Fälle - wenn alles nur rot wäre, könnte man kaum noch etwas unterscheiden.

Hier passt für mich der Farbbrei nicht zusammen mit der Rotheit. Eig. sollten ja nur die Menschen noch Farben haben, alles andere ist (so gut wie) einfärbig, oder habe ich das falsch verstanden?
Keinesfalls, hast du schon richtig verstanden. Aber warum siehst du einen Widerspruch?

Da sie 'normal' sichtbar sind, schweben ihre Gesichter wie Irrlichter in dem Farbbrei der Umgebung, heben sich von ihm ab. Da die Leute angezogen sind, ist die Kleidung auch rot, nur wenig sieht 'normal' aus. (Welche Konsequenzen für die Modeindustrie :lol:!)

aber das hier ist mir fast schon zu "involviert" für einen allwissenden Erzähler, der einfach nur drauf blickt.
Gut beobachtet, aber da hast du eine Information im Text übersehen: Er ist involviert, er ist ein betroffener Mensch (da muss ich wohl nachbessern, ist wohl nicht leicht genug erkennbar).
Der Erzähler sagt:

"Wir Menschen haben dieses Monster mit gewissenlosen Taten genährt, gestärkt, lebensfähig gemacht; getrieben von stinkender Gier, pochender Verblendung" auch hier: "Unser Innerstes,

Er erlebt das also selbst.


Im Nachhinein denke ich mir, dass gemeint ist, dass der Mensch, aufgrund dessen wie er agiert (hat), diese Einfarbigkeit produziert hat, ohne selbst einfarbig zu sein
Ja, knapp und treffend ausgedrückt!

so wie du es hier auch schön sagst:
Menschliches Tun verwandelt sich in monochromen Rausch,
Beim ersten Lesen kam mir die verherrende Einfarbigkeit allerdings so vor, als sei sie auf den Menschen selbst bezogen, das er einfarbig ist. Steht eig. eh so da, daher nur ein Leser-Eindruck an der Stelle, keine Kritik.
Das Rot ist wirklich präsent, aber auch eine Folge einer Art 'Fluch', unter der der Mensch leidet, nur allegorisch ausgedrückt.

Gefällt mir gut, der Satz (du hast einige Sätze/Aussagen da drinnen, die ich sehr gut finde). Mir gefällt wie du mit dem Rot "spielst".
Danke! 'Spielen' trifft es gut.

Und Tayea selbst, ich bin mir nicht sicher, ob sie dann im zweiten Teil (nachdem das Kind da ist) nochmal vorkommt, weil ich sie mit Putri verwechselt habe.
Deshalb hatte ich die Personen mit 'Äußerlichkeiten' ausgestattet: Tayea mit den Makropixeln usw. Das hat Lesern zum Teil nicht gefallen. Muss zugeben, dass ich im Moment nicht weiß, wie ich das lösen soll.

"Die elegante Frau" finde ich an der Stelle schwierig, weil ich mich frage: Wer denkt das, wer behauptet das?
Guter Hinweis, 'elegant' ist problematisch. In diesem Setting weiß man nicht, woran der Erzähler das festmacht.

Mein Problem mit den Dialogen ist, dass sie teilweise steif wirken, was sicher auch daran liegt, dass über sie sehr viele Informationen an den Leser vermittelt werden
Die Informationen müssen dem Leser vermittelt werden, das ist mein Problem.
Ich versuche mal zu verdeutlichen, wie ich mir das gedacht habe:
Die enorme Größe der für die digitale Zeugung benötigten Datenmenge macht es unmöglich, den Ursprung der transferierten Informationen zu verbergen.
Da hier eine Digital-Ratgeberin spricht, ist es nicht überraschend, wenn so fachspezifisch gesprochen wird.

Keine Ahnung, was ein paar ewig Gestrige gegen die Digital Children haben! Sobald man von der Naturgeburt zur Retorte überging, gab es heftige Proteste, ebenso bei der Genom-Optimierung – bis die Gesellschaft die Vorteile erkannte.
Der arme zukünftige Vater steht vor einer schweren Entscheidung, er rechtfertigt sich gewissermaßen selbst durch das erneute Reflektieren seiner Beweggründe. (Typisches Verhalten bei größeren Entscheidungen).
Vorher heißt es auch:
"Es machte den Eindruck, als wolle er sich vergewissern, inwieweit der Grund für ihre Entscheidung weiterhin existierte"


Liebling … leider geht das nicht, ständig sind Aufgaben zu bewältigen, die man nur mit einem Körper erledigen kann. Jedenfalls solange, bis das autonome Funktionieren des Digi-Raums sicher gestellt ist. Aus gutem Grund hat man vorerst den KI-Robotern bloß bestimmte Verantwortungsbereiche überlassen. Vielleicht wird man ständig einige Spezialisten im analogen Leben brauchen. Kind – zumindest ein Teil der Menschheit hat die Chance auf einen Neuanfang.

An dieser Stelle kann ich nicht so argumentieren, vielleicht sollte ich da den Dialog aufteilen, damit das Ganze auch kindgerechter wirkt. Auch bei den anderen von dir aufgeführten Dialogbeispielen könnte das unter Umständen helfen. Mal sehen, dass dies dann nicht 'künstlich' wirkt, wie das Kind dann fragt.

Ihr Vater wirkte wie jemand, der gleich die Beherrschung verliert, er schluckte. Nach einem kleinen Seufzer antwortete er mit ruhiger, deutlich rauer Stimme.
Hier wieder die Frage nach dem Erzähler – an der Stelle war ich nicht nur von den Figuren distanziert, sondern auch der Erzähler selbst wirkt auf einmal so unstet. Und ich frage mich: Was weiß er? Was weiß er nicht?

Woltochinon:
Ich wollte, dass er alles weiß, was man beobachten kann, sich in die Gefühle der Personen hineinversetzt ohne deren Gedanken zu kennen (so eine Art guter Psychologe).

am Ende auch eine moralische Botschaft, die nicht nur an das Kind allgemein gerichtet ist, sondern gleich an eine ganze Generation, die ja eig. gar nicht zuhört.
Ich denke, die Mutter (bzw. der Vater) rechtfertigt sich mehr selbst, als das Kind überzeugen zu wollen.

Insgesamt mag ich die Idee wie gesagt, ich würde daher auch einiges mehr an Text bevorzugen, der die Idee im gesamten aufarbeitet und der Geschichte den Raum gibt, den sie braucht.

Ja, da werde ich wohl nicht drumrum kommen, diesen Raum zu schaffen. Trotzdem - danke für den 'Arbeitsauftrag'!

LG,

Woltochinon


@linktofink
Hi, ich habe "Gestrichen voll" gelesen, danke für den Link! Vergleiche von Geschichten mit ähnlichen Motiven sind generell interessant - schon bei der Challenge ist es erstaunlich, wie viele Blickwinkel es auf Themen gibt.

 

Hej @Woltochinon

der Kommentar wird etwas ausführlicher, gerade weil ich glaube, dass die Idee des Textes richtig stark ist, eine Menge Potential bietet, aber mMn die Ausführung noch nicht ganz ausgereift ist

Zum Ort:
Der Text erfüllt das Challenge-Thema grundsätzlich, jedoch nicht auf klassisch-szenische Weise. Der „Ort“ ist hier kein klar lokalisierbarer geografischer Raum, sondern ein globaler, nahezu kosmischer Zustand: Eine Welt, die vollständig von der Farbe Rot überzogen ist. Dieser Ort fällt eindeutig aus dem Rahmen, weil er physikalische, ästhetische und existenzielle Gesetze gleichzeitig verändert.
Problematisch ist jedoch, dass dieser Ort überwiegend als Konzept vorgestellt wird. Er wird erklärt, gedeutet und philosophisch aufgeladen, aber nur selten konkret erlebt. Der Rahmen wird auf inhaltlicher Ebene gesprengt, aber auf szenischer Ebene nicht voll ausgespielt.

Atmosphäre und Sinnlichkeit:
Die Szenengestaltung bleibt im Verhältnis zur Grundidee auffallend zurück. Zwar gibt es einzelne räumliche Marker (Panoramafenster, Plattform, digitales Gras), doch diese Orte bleiben weitgehend funktional. Es fehlt an einer konsequenten sinnlichen Durchdringung: Gerüche, Temperaturen, Widerstände des Raums, akustische Ebenen oder körperliche Reaktionen werden kaum gezeigt.
Das Rot als allgegenwärtiges Phänomen wird zwar sprachlich verdichtet, bleibt aber abstrakt. Man begreift es intellektuell, spürt es jedoch selten körperlich.

KI- und Digital-Children-Thematik:
Die größte Stärke des Textes liegt in der ethisch aufgeladenen KI- und Digital-Children-Idee. Digitale Zeugung, der Konflikt zwischen Optimierung und echter Verletzlichkeit sowie die Spannung zwischen den Generationen sind klug gedacht und inhaltlich überzeugend.
Besonders wirkungsvoll ist der Gedanke, dass die digitale Existenz zwar Sicherheit verspricht, aber gleichzeitig Erfahrungsräume verwehrt. Ahmux übernimmt dabei eine zentrale emotionale Funktion, indem sie genau diese Lücke benennt: den Wunsch nach echtem Körper, echter Gefahr und echtem Schmerz.
Gleichzeitig entsteht dadurch ein Balanceproblem: Die KI-Thematik dominiert den Text. Die Geschichte liest sich stellenweise eher wie ein Zukunfts-Diskurs.

Figurenzeichnung und Dialoggestaltung:
Die Figuren sind vor allem als ideelle Träger von Haltungen angelegt: Putri und Sagittarius verkörpern die rationale Fortschrittshoffnung, Ahmux den emotionalen Widerstand gegen eine vollkommen kontrollierte Existenz.
Der Dialog erfüllt in erster Linie eine erklärende Funktion. Stilistisch wirkt er teilweise sachlich-technisch, was zur Thematik passt, aber zugleich emotionale Reibung verhindert. Hier verschenkt der Text erzählerisches Potenzial, das in stärkeren Konflikten, subtileren Brüchen oder verdeckteren Spannungen liegen könnte.

Stil und sprachliche Wirkung:
Sprachlich arbeitet der Text mit hohem Abstraktionsgrad, verdichteten Metaphern und starken Generalisierungen. Das verleiht ihm Wucht und einen manifestartigen Ton.
Gleichzeitig birgt diese Dichte die Gefahr der Überladung: Manche Passagen wirken weniger wie erzählte Literatur als wie ein programmatischer Essay in poetischer Form.

Insgesamt:
„Rotverschiebung“ ist wie ich den Text lese ein inhaltlich ambitionierter, gedanklich starker Text mit origineller KI-Thematik und klarer dystopischer Aussage. Das Challenge-Thema wird auf konzeptioneller Ebene erfüllt.
Kritisch bleibt jedoch, dass die Szenen blass wirken und Die KI- und Ethikdiskussion alles andere überstrahlt. Insgesamt wirkt der Text mehr wie ein philosophischer Zukunftsentwurf mit szenischen Elementen.
Eine stärkere Verlagerung hin zur unmittelbaren, körperlich erfahrbaren Umwelt würde mMn einen deutlichen Gewinn darstellen.

Paar Stellen:

Das Rot hat mit seinen Tentakeln jede Ritze erobert, vibriert durch die Luft, wabert im Wasser. Es existiert wirklich überall, nur Menschen bleiben seltsamerweise von der Umfärbung verschont, wenigstens äußerlich. Ihre so unverschämt vertrauten Unschuldsmienen ergeben ein verwirrendes Bild:
starke Idee, welches Bild entsteht?

Die Zeit hämmert ihre entropische Beschaffenheit gnadenlos in selbstgerechte Gemüter: Sie ist keineswegs das einzige Problem, es gibt auch noch uns.
zu intellektuell denke ich
Stolz und das sonst allgegenwärtige Aufbegehren zerschellen an der rot-kreischenden, absurden Realität.
wie?
Wir Menschen haben dieses Monster mit gewissenlosen Taten genährt, gestärkt, lebensfähig gemacht; getrieben von stinkender Gier, pochender Verblendung – bis hin zur taumelnden Vernichtung. Es ist unser ureigenes ROT.
wie?
„Tatsächlich gibt es Ignoranten, die verdrängen, in welche Sackgasse unsere physische Existenz geraten ist. Noch haben wir sie unter Kontrolle. Problematisch werden momentan höchstens die anarchistischen Avatare, mit denen man Sie belästigt – eventuell sogar Ransome-Hacks. Man wird versuchen, Sie einzuschüchtern.“
auch hier wünsche ich mir mehr
Glossy-but-Sticky-Look Haare,
:D
„Keine Ahnung, was ein paar ewig Gestrige gegen die Digital Children haben!
das wäre so ein Tonfall, der für einen passenden Dialog taugt
Ich will auch einen natürlichen Körper, möchte empfinden, wie ihr es könnt! Will unbehütetes Leben erfahren! Warum habt ihr mich zur Beta-Version eines Menschen verdammt!“
spricht so ein Kind?
„Rot ist mein Ballon, er fliegt schnell davon, in das viele Rot, morgen sind wir tot, keiner ist mehr da, la, la; la, la, la.“ „Kind, lass das! Warum loggst du dich dauernd in die grässliche Realität dieser Kinder ein?“ „Weil ich richtiges Leben spüren will!“
den Schluss finde ich ziemlich gut, könnte man mehr einschieben.

So, das war's erst mal. Nimm, was du brauchen kannst.

Viele Grüße sendet und einen entspannten Abend wünscht
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @lakita,

du schreibst im Moment so viele Kommentare, danke, dass du mir so einen ausführlichen geschickt hast, trotz deiner affinitätsminimalistischen (;) ) Beziehung zu dem Text!

ach, herrjee, da hab ich mich auf eine Geschichte von dir gefreut, die ich auf Anhieb verstehe und dann dies hier.
Ich hätte noch ne andere gehabt - dann hätte ich dauern zu hören bekommen 'na ja, so für zwischendurch ganz nett'. Ehrlich, 100%ig.


Mit großem Seufzer habe ich mich bemüht, mein kleingeistiges Hirn zu weiten, um deinen Text richtig interpretieren zu können
Du als Juristin bis doch ganz andere Texte gewohnt!

Ich hoffe, du verstehst ein wenig meinen Unmut über deine Geschichte.
Ja, auch wenn er mir Sorgen macht, weil ich solche Reaktionen nicht hervorrufen möchte.


Dieses sprichwörtliche: Ich sehe rot, taucht hier für mich als Idee auf. Und ich glaube, du hast es auch nicht wirklich in dieser Geschichte auf nur bestimmte Sachverhalte festgelegt.
Gut beobachtet - es geht um Grundlegendes, um aus meiner Antwort an linktofink zu zitieren:

"Schließlich versteht man bis heute nicht, warum menschliches Handeln so oft 'nach hinten los geht' - um, abgewandelt mit Goethe zu sprechen:
'Diese dunkle Kraft, die trotz Vernunft das Böse schafft.'"

Wie genau das aussieht und wie sie es gemacht haben, habe ich nicht verstanden. Aber als Fakt ist es vieleicht auch erstmal nicht so wichtig, denn deine Hauptaussagen scheinen mir zu sein, dass du dich gefragt hast, was dann passiert.
Vielleicht (ich schließe mich nicht aus) sind wir da bei den 'Kriegern' manchmal zu sehr an Hintergründen interessiert. Wie es gemacht wurde, weiß niemand, da es diese Technik nicht gibt. Ein wager Ansatz, wie es gehen könnte (das ist man bei SF den Lesern schuldig) wird gegeben.

"denn deine Hauptaussagen scheinen mir zu sein, dass du dich gefragt hast, was dann passiert" Und da sagst du, du hättest Verständnisprobleme!


bekommt, wie auch immer es passiert, habe ich nicht nachvollziehen können, Einblicke in die Welt, aus der sie ihre Eltern gerettet zu haben meinen. Und sie fühlt sich verloren und eingesperrt und möchte genau das haben, was man ihr verwehrt und das wahrscheinlich so intensiv und wuchtig, dass sie selbst dafür ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen würde.

Ich schrieb:

'Jederzeit kannst du die analoge Welt als Simulation erfahren, damit du verstehst, wie viel Aussichtslosigkeit dort herrscht.'
Deshalb hat sie eine Ahnung von der Welt da draußen.


"sie fühlt sich verloren und eingesperrt und möchte genau das haben, was man ihr verwehrt" - ein typisch menschliches Verhalten, natürlich auch von kindlicher Naivität geprägt. (So etwas gibts heutzutage auch, wie viele Auswanderer finden nicht ihr Glück am Ort ihrer Träume ...).


Oder ist ein glückliches, vor dem Rot geschütztes Leben vielleicht gar nicht lebenswert?
Wobei ich grad bei der letzten Frage etwas stutze, denn ich erfahre ja nicht, ob die Tochter nun noch ein Mensch geblieben ist oder ob sie komplett eine imaginäre digitale Figur umgewandelt worden ist. Könnte sie denn überhaupt etwas damit anfangen, wenn man sie in die menschliche Welt hineinließe?
Aus der Sicht der Eltern ist das digitale Leben die Rettung, das Mädchen kann dem Digi-Raum nicht verlassen, sie gibt es nur digital. Trotzdem verstehen die Eltern ihr Bedürfnis nach gefährlicher Freiheit nicht, diese Flucht in die Realität. Vielleicht so ein Bedürfnis, wie Horrorfilme oder Kriegsreportagen anzuschauen. (Heutzutage fliehen die Leute aus der Realität in den digitalen Raum ...).


Die Idee, dass du vielleicht darstellen wolltest, dass man nur glücklich sein kann, wenn man das Elend, die Vernichtung vor Augen hat und in der Gefahr ist, darin umzukommen und aus dieser Gefahrenposition heraus trotzdem zunächst erkennt, dass man gerade nicht oder noch nicht in diesem Elend unwiderbringlich versunken ist? Sozusagen Glück entsteht nur im Unglück?
So extrem ist es (zum Glück) im Alltag nicht, obwohl dies auch für uns ein historischer Ausnahmezustand ist. Aber es bleibt die Frage: Welche Wertschätzung kann man dem Guten geben, wenn man das Üble nicht kennt?

Dieses "kommt darauf an, was man erwartet" ist für mich eine Sackgasse und führt mich in die Irre
Dies ist so ähnlich, wie mit dem Verhältnis Glück - Unglück: das Rot kommt nur "früher als erwartet" wenn man sich eingebildet hat, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. (Nach dem Motto: falls es überhaupt noch mehr Rot, als dieses Rosa geben wird - wir erleben das nicht mehr! Kommt dir bekannt vor? Sicher ...).

Wieso bestand die Hoffnung, dass diese Anomalität, also das Rot jetzt Normalität war? Es bestand doch eher die Hoffnung, dass es die Ausnahme ist.

Ich sage:
"Die sanften Farbtöne hatten die meisten bald ignoriert ... Es bestand die Hoffnung, dass diese etwas lästige Anomalität jetzt endgültige Normalität war"

Man hatte die Hoffnung (den falschen Optimismus) gewissermaßen mit einem bißchen Rosa davonzukommen. Das Rosa ist halt jetzt Normalität (ich wiederhole mich: Kommt dir bekannt vor?), was solls!

Was macht jetzt das Schwarz da? Welche Bedeutung soll ich dieser Farbe beimessen? Ich hab doch schon meine Verständnisprobleme mit dem Rot.
Da sind wir wieder beim gleichen Thema wie vorhin: Wie schlüssig, wie erklärt muss ein Text sein. Dieses Schwarz musste ich erwähnen, weil sonst (zu recht) kritisiert worden wäre, dass man sonst kaum noch Dinge unterscheiden kann.

Ok, Rot mit Tentakeln, da gehe ich mit, soweit es im Wasser wabert und von mir aus auch jede Ritze erobert, das kann ich mir gut vorstellen, aber vibriert durch die Luft?
"und von mir aus auch jede Ritze erobert" - da musste ich schmunzeln - lakita 'erlaubt' dem Rot großzügig die Ritzen zu erobern!
Na, ich weiß schon, wie du es meinst. Ich musste halt überlegen, ob die Luft (ist schließlich 'Material') auch rot wird. Eine rötlicher Eindruck muss also entstehen, der muss auch irgendwie Bewegung zeigen, durch die atmosphärischen Schwankungen. Schwer vorstellbar, wir kennen es halt nicht so.

Was soll das bedeuten? Äusserlich hat es die Menschen noch nicht erwischt, wobei ich mir nicht vorstellen kann, was das in der Konsequenz bedeutet, aber innerlich war es der Fall? Dieser Satz fügt sich in meine Interpretation nicht ein und liegt mir quer, weil was soll denn das für ein Unterschied sein, was bedeutet denn äusserlich in seiner Konsequenz?
Ja, ihr Charakter ist schließlich die Ursache der Probleme. Diese Ausnahme ist ein inhaltlicher Kompromiss: Wären die Menschen (ihre Haut!) auch rot, könnte man sie nicht nach ihren Äußerlichkeiten beschreiben, sie dem Leser etwas nahebringen. Außerdem kriegen die Verursacher eines Problems die Konsequenzen ihres Handels leider nur selten gleich gänzlich zu spüren.

Zwei Punkte hier: weshalb ist man ein Narr, wenn man hier rätselt? Weil es offenkundig ist, ist mir schon klar, aber was ist da offenkundig? Und wieso verheerender Einfarbigkeit? Aber doch rote Einfarbigkeit oder?
Ich schreibe:

"Wer weiß, wie viel (von dem Rot) davon ihren Köpfen entspringt" - der Erzähler meint, dass man da nicht groß fragen - rätseln - muss. Er antwortet:
"Unser Innerstes, dieses Menschsein: die Quelle verheerender Einfarbigkeit" - der Mensch ist also vollständig, allein, dafür verantwortlich.

Die Einfarbigkeit ist "verheerend", weil sie wie ein Krieg die Normalität zerstört.


Was ein Satz. So einer, den ich in meinem ganzen Leben nicht verstehen werde. Ich hab natürlich geschaut, was entropisch bedeutet und hatte den Eindruck, dass mir der Studiengang Physik fehlt, um diesen Satz zu verstehen. Thermodynamik. Muss ich erst das alles verstehen lernen, um dir folgen zu können? Was für Barrieren, lieber Freund.

dann ist der Satz zuvor ja nur der Vorsatz für diese Behauptung. Jetzt bin ich ganz raus.
Menschliches Tun verwandelt sich in monochromen Rausch, Emotionen oszillieren bis zur Erschöpfungsexplosion in sich aufbäumender Resonanz.
Ein wenig kommt es mir so vor, dass du hier etwas sehr dick aufgetragen hast? Allerdings kannst du meine Zweifel sauber mit dem Argument beiseite wischen, dass ich ja gar nicht weiß, was du aussagen wolltest. Stimmt, weiß ich nicht.
"Die Zeit hämmert ihre entropische Beschaffenheit gnadenlos in selbstgerechte Gemüter: Sie ist keineswegs das einzige Problem, es gibt auch noch uns."

Mit der Zeit wächst die Entropie, die Unordnung. Dieser 'Einschränkung' können wir nicht entgehen - letztlich ist der Tod auch eine Folge der Entropie. Das Bewusstsein dieser Hilflosigkeit gegenüber manchen Umständen verträgt sich nicht mit dem selbstgerechten Anspruch des Menschen 'alles im Griff ' zu haben. Die Zeit (und das immerwährende Vergehen als ihre Folge) ist nicht "das einzige Problem" - der Mensch, verschlimmert (mit dem, für was das Rot steht) auch noch das Dasein - oft total unnötig (welche Antriebskräfte führen zu diesem Handeln? Stolz, Gier usw.).

Das einzige, was ich konkret bemängeln kann ist: Erschöpfungsexplosion, für mich ein Widerspruch, wie nasstrocken.
Dieser Abschnitt bewegt sich stilistisch an der Grenze zur Lyrik, weil ich vor dem Problem stand, das Unfassbare (emotional) Fassbar auszudrücken. "Erschöpfungsexplotion" ist halt ein Oxymoron - es geht um eine Explosion, die nicht wie der Urknall, zu weiterer Entwicklung führt, sondern destruktiv (erschöpft) in sich zusammenfällt. Der Stolz des Menschen (seine Hybris), der sonst zu einem gewissen Aufbegehren führt zerbricht "an der rot-kreischenden, absurden Realität".

Stolz? Von dem war bisher nicht die Rede in deiner Geschichte und ich habe mich gefragt, wie dieser Stolz sich hier auswirkt, was für eine tiefere Bedeutung oder verheerende Bedeutung Stolz hat?
Einfach eine der negativen Eigenschaften des Menschen, die zu dieser Rotverschiebung führen.

Ein überhandnehmendes Rot, geboren aus Hochmütigkeit, Ignoranz und Gewalt – immer und immer wieder
Ja, ist nachvollziehbar, woher das Rot stammt. Ich würde vor der Ignoranz die Unwissenheit dazu setzen.
Eigentlich traurig, wie lang die Liste ist (aber, man siehe unten - es gibt auch Mutterliebe ...).

getrieben von stinkender Gier, pochender Verblendung – bis hin zur taumelnden Vernichtung.
Mir hier echt zu dick aufgetragen und zwar alle drei Adjektive.
Ja, die ersten werde ich löschen - das Taumeln beschreibt gut diesen Untergangsprozess, er ist nicht plötzlich.
Es ist unser ureigenes ROT.
Was sonst? Oder gab es irgendwo in deiner Geschichte Zweifel, ob es wirklich von Menschenhand sozusagen gemacht ist?
Nun, als abschliessendes Statement sei es erlaubt.

Interessante Frage, die ich auf Anhieb verstehe, juchuuuu! Nee, ich meine es tatsächlich nicht ironisch, auch wenn ich aus Ironien stamme.
Du wolltest doch nur mal gnädig mit mir sein, mir eine Freude machen:bounce: !

Du möchstest bestimmt, dass man sich an dieser Stelle etwas schüttelt. Früher lecker aussehend, jetzt in der wenigstens nur blassen Farbe der Verderbnis? Und wieso immerhin gesund? Das wirkt auch mich wie ein Widerspruch, denn das besagte Rot, um das es hier in deiner Geschichte geht, ist ja Symbol für die Vernichtung. Und nun immerhin gesund?
Das Rot ist kein Gift, zumindest als physische Manifestation. Alles, was sie essen, ist rot. Die Szene zeigt, wie das Geschehen selbst in den kleinen Alltagsmomenten immer wieder für Irritation sorgt.


Coole, nein, sehr coole Idee, ich würde stündlich wechseln und unter hunderten von Mustern wählen wollen.
Wenn ich die Weihnachtsdeko mancher Häuser sehe, ist mir im Moment nicht nach Farbwechsel, es sei denn, so würde die Rotverschiebung vereitelt.
Freut mich, wenns dir gefällt!

in puncto Verstehen hast du mich hier wieder an Bord.
Puh, :anstoss:


nau.
„Das werden Sie gemeinsam feststellen müssen. Aber Ihre Tochter wird wunderbar sein.“
Seltsam ausweichende Antwort.
Ja, so wie ein Verkäufer, was sie auch ist. Sie hätte auch (ehrlicher) sagen können: 'Darauf kann ich leider keine Garantie geben'.

Hier habe ich Logikprobleme. Kennt die Tochter denn den Unterschied? Wie kann ich etwas vermissen, was ich nicht kenne? Ich kann doch nur Sehnsucht nach etwas entwickeln, das mal in meinem Leben vorhanden war. Müsstest du das nicht irgendwie anfügen, erklären?

Gruselig, klingt so übersetzt in unsere heutige Zeit: Rentner hört endlich auf zu atmen, ihr kostet nur Geld, das jetzt nicht mehr für euch da ist.
Ich wäre auch froh, wenn der Text nur SF wäre ...

Ist das wirklich die unweigerliche Folge, dass sie leblos sind, wenn sie nicht handeln? Ich habe grad diesen Spruch im Kopf: Und wenn ich mich einfach nur ins Gras setze und nichts tue, wird das Gras trotzdem wachsen und die Gänseblümchen im Frühling blühen.
"wird das Gras trotzdem wachsen" - ja, das Gras - das Leben geht weiter. Aber die untätige Person verschwindet (selbst wenn sie noch lebt). Man existiert, weil man agiert (kann auch gedanklich sein, siehe Hawkins).

Also nochmals, sie ist ein Mensch. Vielleicht kennt sie also doch das, was sie richtiges Leben nennt und klar darf sie dann Sehnsucht haben. Aber woher und wieso kennt sie es?
Nur aus der Simulation und ihrer Vererbung. Sie basiert auf menschlichen Genen, hat alles , was Gene einem Menschen mitgeben können.

„Mutter …“
Hier steh ich auf dem Schlauch, wer sagt das? Das Kind? Aber in welchem Kontext? Und ist dies etwas, was die Geschichte vorantreibt?
Nachdem sie den Zusammenbruch hatte, ist es nicht erstaunlich, wenn sie sich an die Mutter wendet. Diese hat sie (nach dem Empfinden des Mädchens) immerhin im Stich gelassen.

Uff, lieber Wolto, was für ein komplizierter Ritt durch deine Geschichte für jemanden, der noch nie auf einem Pferd saß.

Du nennst mich noch "lieber Wolto" :huldig: ? Ich dachte schon, jetzt werde ich aus deinem Gedächtnis gelöscht (oder in den Digi-Raum verbannt oder du hetzt per Voodoo sämtliches Rot auf mich!).

War für mich ein schöner Ritt, deine vielen Anregungen, die Aufgabe, alles noch einmal zu durchdenken und zu prüfen. Jetzt ist mein Aufgabenzettel voll, mal sehen ob ich für alles Lösungen finde.
Interessant ist für mich: Wenn ich alle Stellen streiche, die kritisiert wurden, dann bleibt nicht viel vom Text übrig. Wenn ich alle zusammenfasse, die gut befunden wurden, dann bleibt recht viel vom Text übrig ...

Eigentlich hatte ich mit Widerstand bei dem Kinderlied gerechnet - die Leser sind halt unberechenbar :D

Du hast so ausführlich kommentiert, ich danke dir für deine Zeit, dein Durchhalten, deine Geduld!
Danke für dein Interesse an dem philosophischen Anteil der Geschichte.

Und das war doch eigentlich überflüssig:

Ich habe es nun also mit Hilfe meiner Vorkritiker und deiner Antworten versucht, zu verstehen

LG,

Wolto

 

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