Was ist neu

Schreiben for Future? Warum werden die Klimakrise und die ökologische Krise in der Literatur so wenig thematisiert?

1. Habt ihr selbst schon einmal etwas geschrieben, wo die Klimakrise und die ökologische Krise eine Rolle spielen (wenn die Antwort ja und es ist online zu finden, freue ich mich über Links)?
Ja, schon vor 15 bzw. 11 Jahren – siehe hier.

Will sagen, das Thema ist nicht neu, nur wurde damals nicht so emotional argumentiert wie heute. Wenn es in dieser Hysterie überhaupt argumentiert wird. :susp:

Es wird schlicht vergessen, dass das, was wir bisher auf dieser Erde angerichtet haben, die Folge einer göttlichen Anweisung ist: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“

Es waren vor allem Christen, die den technologischen Fortschritt samt der Ausbeutung der endlichen Ressourcen vorangetrieben haben – erst später, nachdem sie gesehen haben, welchen „Erfolg“ wir damit haben, sind auch Anhänger anderer Religionen (Japaner, Chinesen) auf diesen Zug gesprungen.

Jetzt werden Schuldige gesucht und auch gleich gefunden: Politiker und Kapitalisten. Sie haben uns angeblich in diese Lage gebracht, nicht wir selbst mit unserem Verhalten im Alltag. Gleichzeitig wird die Rolle des Glaubens negiert, obwohl man lange Zeit sagte, wer Erfolg im Leben hat, den liebt Gott, denn er ist letztlich derjenige, der entscheidet, der ihm zum Erfolg verholfen hat; noch heute wird vielfach geschworen mit der Formel: „So wahr mir Gott helfe“.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin nicht gegen technologischen Fortschritt, denn wenn überhaupt, wird uns die Technologie vor einer erneuten Sintflut retten: Schmilzt das Grönland- und Antarktiseis, steigt der Meeresspiegel um ca. 65 Meter. Das ist jedoch nur die Hälfte dessen, was nach der letzten Eiszeit geschah: Meeresspiegel stieg da um 120 Meter innerhalb von ca. 6 Tausend Jahren.

Will sagen, wir hatten bisher nur Glück, dass das Klima 12 Tausend Jahre mehr oder weniger gleichblieb, denn einen Anspruch darauf haben wir nicht – siehe den Verlauf der Erdgeschichte. Mehr noch: Hätten wir die Fortschritte in der Medizin nicht gehabt, wäre die Bevölkerung nicht so stark gestiegen, und hätten wir die Kohle und später das Erdöl nicht verfeuert, lebten wir heute in der Eiszeit – die kleine Eiszeit, die fast 5 Jahrhunderte dauerte, war schon ein Anfang: Sie endete, nachdem wir Wälder fast ganz abgeholzt hatten und anfingen, im großen Stil Kohle abzubauen und zu verfeuern.

Es wäre da noch viel zu sagen, aber ich belasse es dabei.

Nur eines noch, weil es mich aufregt:

Jahrzehnte hat es niemanden interessiert, dass bei der Eiproduktion alle männlichen Küken getötet werden, heute kannst du im Supermarkt Eier kaufen, bei deren Herstellung das nicht passiert.
Eine Alternative ist: Eier werden nicht fertig ausgebrütet, was einer Abtreibung bei Menschen entspricht. Ist das wirklich besser?

 

Nun steht SF aber nicht gerade an der Spitze bei der Beliebtheit der Leser und fristet bei vielen Verlagen immer noch ein Dasein im Nerd-Eckchen. Die Ausnahmen betreffen hauptsächlich Teenie-Romanzen für die das SF-Setting nur als Kulisse dient.
Wobei das eher ein typisch deutsches Ding sein mag. In anderen Ländern ist dieser Unterschied von Phantastik und "echter Literatur" nicht so präsent. In Deutschland dagegen wird Sci-Fi von den großen Verlagen so gut wie immer einfach umgelabelt. Klima-Thriller, Zukunfts-Thriller, Wissenschafts-Thriller oder einfach nur: Thriller. Darum scheint es, als ob die Publikumsverlage sowas gar nicht mehr veröffentlichen.

Das Potential ist aber da. Schau in die Kinos. Phantastische Filme (aus den USA) fahren Abermillionen bis Milliarden ein. Zum Fadenthema passend: Interstellar von 2014. Kinoerfolg trotz kritischer Untertöne. Sehr empfehlenswert. Gibt's auf Netflix ;)

Eine Alternative ist: Eier werden nicht fertig ausgebrütet, was einer Abtreibung bei Menschen entspricht. Ist das wirklich besser?
Man könnte die Tiere auch einfach aufziehen. Aber klar, dann kostet das Frühstücksei natürlich ein paar Cent mehr. Das ist nicht als Kritik an dich gerichtet.

 

Sooo. Wow. Jetzt geht es hier so ab, dass ich befürchte ich kann den Versuch, wie bei einem Geschichtenthread auf jeden einzelnen Beitrag zu reagieren nicht auf Dauer durchhalten. Ist vielleicht für einen Diskussionsthread auch unnötig, aber fürs erste werde ich es trotzdem probieren, wenigstens allen Hallo zu sagen, die etwas geschrieben haben, weil ich so lange nicht da war :)

Hi @feurig,

feurig schrieb:
Ich denke, es hängt auch etwas davon ab, nach was für Literatur man sucht. SF greift traditionell aktuelle Probleme auf und betrachtet sie aus einem zukünftigen Blickwinkel. Fantasy macht oft nichts anderes, nur deutlich versteckter.

Danke, du sprichst etwas an, was ich in meinem Anfangspost nicht so gut rübergebracht habe, glaube ich. Ich mag SciFi super gerne und mir ist natürlich klar, dass das Thema in den letzten Jahrzehnten vor allem ein Science Fiction-Thema gewesen ist – aus naheliegenden Gründen. Aber mein Gefühl ist, dass wir mittlerweile in eine Phase eingetreten sind, wo es eben kein reines SciFi-Thema mehr ist, sondern sich zunehmend zu einem, ich sag mal: „Alltagsdramenthema“ entwickelt.

Ich vermisse Gegenwartsgeschichten (ohne SciFi-Charakter), die sich damit auseinandersetzen. Damit will ich keinesfalls sagen, dass SciFi oder Fantasy irgendwie minderwertig wären – diese willkürliche Unterteilung in „ernsthafte“ und „Unterhaltungsliteratur“ hat mir ja in dem Buch von Amitav Ghosh wie gesagt nicht so gefallen (obwohl ansonsten viele bedenkenswerte Sachen drin stehen).

Aber eine Geschichte über Menschen, die sagen wir mal im Jahr 2200 auf einen anderen Planeten auswandern müssen, weil die Erde unbewohnbar wird, ist was anderes als eine Geschichte über Menschen im Jahr 2020, die im Park spazieren gehen, feststellen, dass verdammt viele Bäume gestorben sind, und darüber traurig sind. Von dieser zweiten Sorte Geschichte gibt es noch nicht sehr viele, und so was wünsche ich mir gerade – mehr oder weniger auch, um meinen eigenen Weltschmerz zu verarbeiten.

feurig schrieb:
Weder dem einem Genre, noch dem anderen, noch der Dystopie würde ich "Eine Billion Dollar" von Andreas Eschbach zuordnen, und dennoch greift er in seinem Roman genau die gewünschten Themen auf.

Interessant, das Buch hab ich vor einer Weile gelesen und hätte es auf meiner persönlichen Liste von „Klimaliteratur“ nicht aufgeführt.

Es macht sicher für das Gefühl, ob über das Thema „viel“ oder „wenig“ geschrieben wird, auch sehr viel aus, ob man alles betrachtet, wo es irgendwie mit thematisiert oder erwähnt wird, oder ob man den Maßstab anlegt, dass es im Buch wirklich „darum geht“.

Hi @jimmysalaryman,

jimmysalaryman schrieb:
Bücher über Minimalismus, wie ich meinen Umweltbelastungsfußabdruck reduziere, wie lege ich ein Hochbeet an und ziehe mir mein eigenes Gemüse, Imkern, Jagen, Umwelt als Stichwort - das ist doch alles so präsent wie selten zuvor.

Von Sachbüchern rede ich nicht. Wenn es mir darum ginge, hätte ich mir ja ein Ratgeberforum suchen können. Mir geht es um Belletristik, deshalb frage ich hier nach euren Perspektiven und Schreiberfahrungen.

jimmysalaryman schrieb:
Du nennst sogar selbst einige populäre Titel und spricht von "vielen" SF-Titeln, die dieses Thema aufgreifen.

Siehe oben die Antwort an @feurig – ich hab es im Ausgangspost leider nicht klar genug formuliert, worauf ich hinauswill.

Aber auch in der Science Fiction gibt es bei genauer Betrachtung nicht so viele Werke, wo das Thema wirklich im Mittelpunkt steht. Das veränderte Klima ist oft Teil des Worldbuildings, klar, aber das führt ja nicht zwangsläufig zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit Ursachen, Zusammenhängen und Folgen. Und wenn man speziell die ökologische Krise betrachtet, wird die Liste noch mal deutlich kürzer - Werke, die das Thema Artensterben/Zusammenbruch von Ökosystemen aufgreifen, sind mir bisher wirklich kaum untergekommen.

jimmysalaryman schrieb:
Solche Literatur, Literatur die eine Agenda hat, hat eben ein massives Problem: den moralinsauren Zeigefinger.

Das klingt so, als müsste die Auseinandersetzung mit einem Status quo und die Darstellung möglicher Alternativen zwangsläufig einen moralischen Zeigefinger beinhalten. Ich glaube nicht, dass das so ist. Gutes SciFi-Beispiel: The Dispossessed von Ursula K. Le Guin.

jimmysalaryman schrieb:
Würde sich die Weltbevölkerung auf die Hälfte reduzieren, hätten wir viele Probleme nicht.

Sag ich jetzt nix zu, ist auch wieder ein Kaffeekranzthema, und @TeddyMaria hat schon super zusammengefasst, warum das nicht stimmt.

jimmysalaryman schrieb:
Wir. Also ich und du. Wir alle. Damit machst du, vielleicht auch unbewußt, uns doch allen ein schlechtes Gewissen. Ohne Bescheid zu wissen, was der Einzelne hier vielleicht bereits geleistet hat, abseits von offensichtlichem Aktivismus.

Ich habe nicht den Eindruck, dass alle die hier kommentieren sich von mir ein schlechtes Gewissen eingejagt fühlen. Das wäre auch wirklich nicht angebracht, weil die Gründe, eins zu haben, extrem ungleich verteilt sind. Es gibt eine aktuelle Studie von Oxfam, die zeigt, dass die reichsten 1% der Weltbevölkerung für doppelt so viele Emissionen verantwortlich sind wie die ärmsten drei Milliarden.

Trotzdem ist es auch zutreffend, dass wir alle – du, ich und alle anderen, die hier im Forum aktiv sind, mit zum Problem beitragen, unabhängig davon, wie nachhaltig wir uns bemühen unseren Alltag zu gestalten und wie sehr wir uns politisch engagieren. Der Computer, an dem ich dieses Post schreibe, wurde nicht nachhaltig produziert, weil es in unserem Wirtschaftssystem keine nachhaltig produzierten Computer gibt. Es ist in diesem System schlicht nicht möglich, nicht dazu beizutragen (zumindest, wenn man am gesellschaftlichen Leben teilhaben und nicht als Einsiedler im Wald wohnen möchte). Wir sind alle sowohl „Opfer“ als auch „Täter“. Das ist kein moralisches Urteil, sondern einfach eine Tatsache – und ein Dilemma, was sich meiner Meinung nach sehr gut literarisch verarbeiten lässt. :)

Hi @Isegrims,

Isegrims schrieb:
Heute ganzseitige Anzeige in der Süddeutschen Zeitung (und vermutlich einigen anderen)
DIRK ROSSMANN: Der neunte Arm der Oktopus.
Beworben als Klima-Thriller

Oh, interessant! Danke dir für den topaktuellen Hinweis. :D

„Klima-Thriller“ geht ja schon mal deutlich mehr in Richtung „Dinge, die jetzt passieren (könnten)“ als Richtung Zukunftsvision. Werde ich mir mal anschauen.

Hi @Friedrichard,

Friedrichard schrieb:
So ist die obsiegende Wachsumsideologie ohne Gegenmodell

Na ja, in der Wirtschaftswissenschaft gibt es ja schon lauter Theorien zu Gegenmodellen – Degrowth, Postwachstumsökonomie, Donut-Ökonomie, sozial-ökologische Transformation … Es fehlt halt noch an praktischen Beispielen. Ich habe oft den Eindruck, dass das gar nicht daran liegt, dass die Mehrheit der Menschen das System toll findet, das wir haben – die Problematik, dass das zwangsläufig in den Abgrund führt (und abgesehen davon extrem ungerecht ist), ist den meisten schon bewusst – sondern dass die Vorstellungskraft fehlt, wie es anders gehen könnte. Und das Schulen der Vorstellungskraft kann meiner Meinung nach auch ein Beitrag von Literatur sein. Ich hab in meiner letzten Kurzgeschichte (Kurz vor Schluss) ja etwas in der Richtung ausprobiert, und erinnere mich noch, dass überraschend viele Leser:innen die sehr ansprechend fanden, obwohl es eine Geschichte über das bevorstehende Ende der Menschheit ist … :)

Hi @TeddyMaria,

TeddyMaria schrieb:
1. Gedanke: Stimmt doch gar nicht. Ich bin SF-Leserin und würde sagen (genauso wie viele anderen hier), dass der Klimawandel in der SF-Literatur (sowie im Film) schon lange und kontinuierlich präsent ist.

Ja, wie schon weiter oben ausgeführt, das habe ich nicht so gut formuliert – Zutreffenderer Titel wäre wahrscheinlich „Warum wird darüber so wenig mit Gegenwartsbezug geschrieben“ oder so. Fühlt sich ein bisschen an, als hätte ich Clickbait produziert, weil es wahrscheinlich vielen SF-Fans so geht, dass sie sich denken „Stimmt doch gar nicht“ und dann was dazu sagen wollen, aber ich hab es gestern wirklich nicht schöner hingekriegt das auszuformulieren. :shy:

TeddyMaria schrieb:
2. Gedanke: In der Prosa fordern wir ja häufig voneinander: "Show, don't tell." Für die Nicht-SF-Literatur ist das im Kontext des Klimawandels möglicherweise problematisch, da es zumindest in unseren Breitengraden und in der menschlich lebenszeitlichen Beschränkung relativ schwierig wird, eine Buchfigur den Klimawandel erleben zu lassen. Selbst bei Naturkatastrophen ist das mMn schwierig, denn diese werden einerseits komplex verursacht und stellen außerdem nur ein einzelnes sehr sichtbares und heftiges Puzzleteil im gesamten Klimawandelprozess dar. Dass – was weiß ich – mein Apfel wegen anhaltender Dürre zwei Cent teurer wird, gibt aber keinen tollen Romanstoff her. Das wird dann exciting, wenn ein Apfel in der Zukunft dann eben zehn Euro teurer wird. Womit wir wieder bei SF wären.

Das ist aber nur so eine Überlegung von mir. Den Klimawandel realistisch und eindrücklich darzustellen, ist schwierig. Das ist ja auch ein wesentliches Problem damit, den Klimawandel in der Realität zu bekämpfen.


Ja, sehr cool – auf solche Beiträge hab ich gehofft! :)

Dass die Klimakrise im Vergleich zum räumlichen und zeitlichen Horizont eines Menschen so groß und so langsam ist, dass es schwer ist sie wahrzunehmen und demzufolge auch darzustellen, damit befasst sich Amitav Ghosh in „The Great Derangement“ auch intensiv.

Ich glaube auch, dass das mit ein Grund dafür sein kann, warum sich Leute gegebenenfalls schwertun, darüber zu schreiben – andererseits ist mein Gefühl aber, dass es mittlerweile nicht mehr so ganz zutreffend ist, weil sich die ganze Sache halt schon beängstigend beschleunigt hat. Man kann innerhalb der eigenen Lebenszeit beobachten, wie sich Dinge verändern.

Beispiel: Ich konnte als Kind im Winter regelmäßig Rodeln, Schneemann bauen und auf zugefrorenen Seen herumlaufen. Meine kleinen Halbgeschwister, die jetzt 10 und 8 sind, also so ziemlich das Alter haben, was meine Kinder haben könnten, wenn ich welche hätte, haben dazu glaube ich bisher kaum Gelegenheit gehabt, jedenfalls nicht hier in Leipzig. Das ist natürlich im Vergleich z.B. zu jemandem in einem Inselstaat, der nur einen Meter überm aktuellen Meeresspiegel liegt, ein sehr geringfügiges „Problem“ – aber ich finde es trotzdem traurig. Von einer Generation auf die nächste können wir solche Erfahrungen nicht mehr miteinander teilen – außer vielleicht, wenn wir darüber schreiben.

Und wenn man sich mal anhört, was Wissenschaftler:innen berichten, die schon ihr ganzen Berufsleben an dem Thema forschen – zum Beispiel die Leute, die gerade mit der „Polarstern“ in der Arktis auf Expedition waren, oder Menschen in Grönland, die merken, dass ihre traditionelle Lebensweise nicht mehr funktioniert – da sieht man auch, dass die Veränderungen mittlerweile sehr schnell passieren. In einem Tempo, das sich durchaus anbietet, um Geschichten drin zu erzählen.

Hi @kiroly,

kiroly schrieb:
So kann ich, je nach Eindruck, mir meine ganz eigene Realität zum Klimawandel basteln. Kritisch sehe ich aber das Verlangen, dass der andere diese Realität genau so zu sehen hat.

Auf die Gefahr hin, dogmatisch zu erscheinen, muss ich widersprechen. Eine eigene Realität basteln, das kann man in einer Geschichte, aber in der richtigen Welt gibt es Fakten, die sind wissenschaftlich extrem gut belegt.

Natürlich können Menschen unterschiedliche Perspektiven auf diese Realität einnehmen, unterschiedliche Einstellungen dazu entwickeln. An der Realität an sich ändert sich dadurch aber nichts.

Wie es so schön heißt „You are entitled to your own opinion, but not to your own facts”.

kiroly schrieb:
Vielleicht kann ja Literatur zeigen, wie in einer Welt aus ganz vielen kleinen konstruierter Realitäten ein großer Konsens entsteht.

Das klingt spannend, kennst du Beispiele? :)

Hola @josefelipe,

josefelipe schrieb:
Mit Schreiben für oder gegen? Dass ich nicht lache! Vielleicht schreibt Friedel ein Theaterstück? Und ich eine Protestnote?

Du hast ja sogar schon etwas in der Art gemacht, deshalb freue ich mich sehr, dass du hier auftauchst. In der „Im Gegenwind“-Challenge hattest du doch die Geschichte mit dem zornigen Wind … :)

Hi nochmal @Analog,

Analog schrieb:
Ich habe sie bereits dahingehend berichtigt, dass es kein Panther, sondern ein Puma ist. Ein Essay sollte schon selbst erarbeitet werden. Die Antwort lautet also: Nein!

Na ja, aber man weiß doch wie das ist, wenn einem so ein Titel einfach nicht mehr einfallen will. Mit deiner großzügigen Unterstützung hast du es ja jetzt quasi ermöglicht, dass das Buch in dem Essay mit verarbeitet werden kann. Es freut mich, dass der Thread dazu beigetragen hat. :D

Analog schrieb:
Wenn der Verbraucher im Winter sonnengereifte Orangen statt Rübeneintopf will, dann kriegt der Verbraucher sonnengereifte Orangen statt Rübeneintopf. Nicht der Markt ist dann Schuld, der Verbraucher ist es. Nicht die Reederei, die Fluggesellschaft oder das Logistikunternehmen ist der Umweltverschmutzer.

Wer ohne Fehl und Tadel ist, der werfe den ersten Stein. Schokolade nur noch an Ostern und Weihnachten; und eine Jeans hält zwei Jahrzehnte. Wozu gibt es Flicken.

Nur weil das System schlechtes Verhalten begünstigt, ist das System nicht auch automatisch Schuld am schlechten Verhalten.


Aaah, ich sollte mich beherrschen, weil das auch wieder keinen Bezug zu Literatur hat, aber ich will noch was loswerden zu diesem Thema der „persönlichen Verantwortung“: Ja, es gibt so was wie Verbrauchermacht. Es ist total gut, Recyclingpapier zu kaufen und Rübeneintopf zu essen und Jeans zu flicken. Aber: Wir haben als Verbraucher sehr oft gar nicht genug Informationen, um „gute“ Entscheidungen treffen zu können, weil beispielsweise Inhaltsstoffe oder Produktionsbedingungen nicht offengelegt werden, oder weil Greenwashing betrieben wird, oder weil globale Lieferketten wahnsinnig komplex sind und es z.B. keineswegs eine triviale Frage ist, zu welcher Jahreszeit ein Apfel aus welcher Weltregion den kleinsten ökologischen Fußabdruck hat. Oft haben wir auch überhaupt keine „guten“ Alternativen, oder der Zugang zu den „guten“ Alternativen erfordert entweder viel Geld oder viel Zeit, über die ein großer Teil der Menschen einfach nicht verfügt, selbst in einem reichen Land wie hier. Und deshalb ist mir, plakativ gesprochen, jemand mit neuen Jeans, der Orangen isst, und dafür beispielsweise mithilft, einen Kohlekonzern an der Zerstörung eines alten Waldes zu hindern, näher als jemand, der stolz auf seinen winterlichen Rübeneintopf ist und denkt, damit hätte er alles getan, was nötig ist. Wir werden nicht um Änderungen unserer Lebensweise drumrumkommen, aber solange die Weichen falsch gestellt sind, hilft es leider nicht so wahnsinnig viel, wenn man seinen eigenen Sitzplatz im Zug peinlich sauber hält, während der auf den Abgrund zufährt.

Das lässt sich auch immer prima als Ablenkungsmanöver benutzen. „Ja, aber du kaufst ja auch Plastik / fährst Auto / isst Südfrüchte, also wie kannst du es wagen darüber zu reden, dass wir etwas verändern müssen!“ – das ist furchtbar unproduktiv und hilft uns nicht mit dem Weichenstellungsproblem.

Katla schrieb:
Ich denke, Hoffnung ist der falsche Weg, denn sie führt zu der Illusion, wir hätten realistische Auswege, ohne Einschränkungen hinnehmen zu müssen.

Meine Hoffnung bezieht sich darauf, dass wir einen gesellschaftlich verträglichen Weg finden, dass genau diese Einschränkungen akzeptiert und sehr schnell umgesetzt werden – Einsicht in die Notwendigkeit. Die Erfolgsaussichten halte ich für sehr gering, aber wenn ich später zurückblicken und sagen kann „ich habe alles versucht, was mit meinem moralischen Kompass vereinbar war“, dann ist das für mich in Ordnung, auch wenn sich kein Erfolg einstellt.

Katla schrieb:
Und auf die "reiche westliche Mittelschicht" würde ich nicht unbedingt schimpfen

Ich habe hoffentlich nirgendwo den Eindruck erweckt, ich würde auf die Mittelschicht schimpfen. Ich „schimpfe“ nicht mal wirklich auf Leute oberhalb der Mittelschicht, auch nicht die 1% mit doppelt so vielen Emissionen wie die ärmsten drei Milliarden zusammengenommen. Wir sind alle Teil des Systems und es ist nicht leicht, daraus auszubrechen, auch nicht für Leute mit viel Macht und Geld. Ich glaube nicht, dass es eine Verschwörung gibt, wo Menschen bewusst bösartig agieren. Es gibt eine Tragödie, wo Menschen nicht aus den festen Mustern herauskommen, an die sie sich gewöhnt haben.

Katla schrieb:
Kennst du übrigens Donna J. Haraway?

Noch nicht, danke für den Tipp!


Die anderen Beiträge muss ich mir erst noch durchlesen … mit so viel Resonanz habe ich nicht gerechnet :shy:

 

Wenn nur vier Milliarden Menschen mit den Pro-Kopf-Emissionen der deutschen Bevölkerung auf diesem Planeten leben würden, hätten wir (zumindest mit dem Klimawandel) exakt das gleiche Problem.

Sorry, wenn ich da reingrätsche, aber ganz so einfach ist es, denke ich, nicht.

Ich verstehe zwar, was Du damit meinst (und als Schnellschuss stimmt das auch), aber man kann nicht einfach so tun, als wäre unser Land 50(!)mal so groß, als es tatsächlich ist, denn für wie viele Menschen würden wir denn dann Güter produzieren (der CO2-Ausstoß hängt ja auch von unserer Produktivität ab)? Wenn man mal davon ausgeht, dass wir manche Güter sozusagen für die jetzige Welt produzieren, dann würden wir bei einer 50-fachen Größe auch (anteilig) für die 50-fache Weltbevölkerung produzieren - also für rund 400 Milliarden Menschen.

China hat bspw. mittlerweile fast so einen hohen CO2-Ausstoß pro Kopf wie Deutschland (Liste der Länder nach CO2-Emission pro Kopf – Wikipedia). Wenn man das nach Import/Export bereinigt, sieht es ein wenig besser aus.

Andererseits leben in China alleine so viele Menschen wie in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze.

Wenn man mal hier reinschaut:

Liste der Länder nach Armutsquote – Wikipedia

Dann sieht man, dass in Deutschland 2015 0% unter $5.50 pro Tag zum Leben haben, in China hingegen 27%. Das wären dann schon mehr als 3mal so viele Menschen wie in Deutschland, denen es schlechter geht als uns allen, bei fast gleichem pro Kopf CO2-Ausstoß (die Zahlen sind natürlich nicht alles aus dem selben Jahr - aber es geht auch nicht um exakte Wissenschaft, sondern um Verhältnismäßigkeit). Wir schaffen mit dem gleichen pro Kopf CO2-Ausstoß also einen viel höheren Wohlstand und viel höhere Produktivität.

Das müsste man schon auch entsprechend mit einbeziehen, wenn man den deutschen pro-Kopf CO2-Ausstoß einfach mal mit 50 multipliziert.

Solche Vergleiche hinken also gewaltig und haben für mich daher einen stark propagandistischen Beigeschmack. Warum ich mich darüber aufrege? Weil ich es unerträglich finde, dass "wir Deutschen" uns immer wieder völlig selbst überschätzen. Nachdem es mit der Weltherrschaft nicht geklappt hat, träumen wir jetzt von der Weltrettung?! Wir könnten morgen allesamt kollektiv als deutsches Volk Selbstmord begehen und das würde am Klimawandel bei einem Gesamtbeitrag von ca. 2% am Welt-Co2-Ausstoß praktisch nichts ändern. Und dass wir mit erhobenen Zeigefinger anderen Ländern erklären, dass sie falsch wählen, das falsche System haben und/oder Umweltschweine sind, macht es auch nicht besser.

 

Und deshalb ist mir, plakativ gesprochen, jemand mit neuen Jeans, der Orangen isst, und dafür beispielsweise mithilft, einen Kohlekonzern an der Zerstörung eines alten Waldes zu hindern, näher als jemand, der stolz auf seinen winterlichen Rübeneintopf ist und denkt, damit hätte er alles getan, was nötig ist.
Ersterer ist naiv, letzterer macht einen Denkfehler. Denn für den Wald, den er hier vielleicht rettet, werden am anderen Ende der Welt gigantische Waldgebiete für Baumwoll- und Orangenplantagen gerodet, Flüsse und Landschaften durch Fabriken, Chemiedünger und Pestizide verseucht, die Erzeugnisse tausende Kilometer weit verschifft. Jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag. Alles nur, damit er täglich frisch gepressten Orangensaft trinken kann.

Wieso nicht auf Orangensaft komplett verzichten? Für die Umwelt. Wäre nur folgerichtig und konsequent.

 

Hallo Perdita,

ich finde es super, dass du diese Diskussion in Gang gebracht hast.

In meiner Geschichte "Schwalbensommer" habe ich den Versuch gemacht, eine Ehegeschichte mit dem Klimathema zu verbinden. Es war ein Gefühl von Zweigleisigkeit, denn einerseits hatte ich das Bedürfnis, bestimmte ökologische Informationen rüberzubringen, andererseits wollte ich eine spannende Geschichte erzählen. Ein bisschen kam es mir so vor, wie ein trojanisches Pferd. Das Interesse der KommentatorInnen lag eher auf der Ehegeschichte, würde ich sagen. Schwalbensommer
Mich reizt es aber schon, realistische, alltägliche Geschichten zu schreiben, in denen diese Themen eine Rolle spielen, auch die Konflikte und Widersprüche, die sich hier in der Diskussion abzeichnen. Die verschiedenen Arten mit dem Gefühl von Verzweiflung und Ohnmacht umzugehen, wenn man sich klarmacht, was da auf uns zukommt. (Das führt bei mir dazu, dass ich mir manchmal einfach die Ohren zuhalten möchte. Tierfilme gerne, aber bitte ohne die Anmerkung, dass es sich hier gerade um die letzten überlebenden Exemplare handelt.)

Ich glaube, was es ganz heikel macht, ist, dass das Thema "Schuld" da auch mitschwingt. Hier in unseren Breitengraden tragen wir doch fast alle dazu bei, dass es immer schlimmer wird, einfach, weil wir reich genug sind.
Ich denke, es wäre wichtig, sich missionarische, pädagogische Attitüden bei dem Thema zu verkneifen, das kommt nicht gut und wäre auch nicht angemessen. Auf der anderen Seite gibt es meiner Meinung nach zur Zeit kein Thema, welches gesellschaftlich so relevant ist, wie die Umweltzerstörung bzw. der Klimawandel. Wenn man sich mehr damit befasst, versteht man eigentlich nicht, warum nicht alle sofort auf die Straße rennen und schreien. Und warum nicht jede zweite Geschichte in diesem Forum diese zum Thema hat.

Ich mag gerne Kurzgeschichten von der Autorin Lauren Groff. Dort steht die Umweltzerstörung nicht im Vordergrund, aber sie wird auch nicht ausgespart, die Reaktion darauf, der Umgang damit, charakterisiert zum Beispiel die Protagonistin in "Geister und Leerstände", der ersten Geschichte aus dem Band "Florida". (Ich habe gerade nochmal reingeguckt, sonst geht es nicht so viel um Klimawandel, aber es hat mich in dieser ersten Geschichte einfach positiv überrascht.)
Ein Buch, das mich tief beeindruckt hat, ist "Die Wurzeln des Lebens" von Richard Powers.
Und wer zum Thema Tierschutzaktivisten einen wirklich lesenswerten Roman geschrieben hat, ist unser Mitkrieger @Peeperkorn. Was der Igel weiß - Peter Zimmermann

Das erstmal von mir.

Liebe Grüße von Chutney

 

Ich könnte mehr dazu schreiben, halte mich aber kurz. Back to work.
Und dann diesen sozialistisch-propagandistischen Link hier reinhauen, hahaha, nice try. Jede Frage bezüglich der Überbevölkerung basiert also auf einem "zweifelhaftem Weltbild?" Ich weiß nicht, möchtest du mich damit auch in die Nähe von rechtsradikalem Gedankengut rücken? Der Beginn der cancel culture bei den Wortkriegern?

"Weil die Industrienationen die Luft weiter verpesten und ohne Rücksicht auf ökologische Fußabdrücke leben wollen, sollen die Entwicklungsländer ihre Bevölkerungszahl verringern." Zitiert aus dem verlinkten Text. Das ist halt so das Niveau neulinker Publikationen. Niemand spricht vom Erhalten des Status Quo, sondern von einem Problem für die ganze Weltbevölkerung, wenn sich nichts ändert. Und wer verfügt denn über die Mittel, Nachhaltigkeit wirksam und effizient ein- und durchzusetzen? Gehen da nicht die bösen Industrienationen weit voraus? Nur linke Trottel können da also einen klassen- oder rassistischen Aspekt herauslesen. Dann muss natürlich noch der böse Bill Gates mit rein - der ganze Text ist ja so schwach, da kann ich nicht mal mehr schmunzeln. Das ist wie so eine olle DKP-Broschüre. Der erklärt nichts, der verklärt einfach nur Fakten solange, bis sie in irgendeine Agenda passen.

Jetzt geht es hier so ab, dass ich befürchte ich kann den Versuch, wie bei einem Geschichtenthread auf jeden einzelnen Beitrag zu reagieren nicht auf Dauer durchhalten.
Warum startest du dann so einen Thread?

Das lässt sich auch immer prima als Ablenkungsmanöver benutzen. „Ja, aber du kaufst ja auch Plastik / fährst Auto / isst Südfrüchte, also wie kannst du es wagen darüber zu reden, dass wir etwas verändern müssen!“ – das ist furchtbar unproduktiv und hilft uns nicht mit dem Weichenstellungsproblem.
Das ist überhaut nicht unproduktiv. Wenn jeder vernünftig konsumieren und verzichten würde, würde sich sicherlich etwas ändern. Die meisten reden eben nur. Sein Auto verkaufen, nachhaltig einkaufen, dafür weite Wege, recylcen, Dinge nicht wegschmeißen - kostet Mühe, kostet Zeit, will keiner so richtig. Lieber Hambi retten mit I-Phone in der Hand und geile Photos von den Scheiß-Bullen schießen! Und was ist denn genau dein "Weichenstellungsproblem?" Sprich doch mal Klartext. Was kommt denn nach der Weichenstellung? Sozialismus? Kommunismus? Was soll das genau sein, wie sieht das aus? Es scheint ja die einzige gangbare Möglichkeit zu sein. Und wer ist "uns" in diesem Zusammenhang? Wer ist diese diffuse Masse? Wurden die gefragt, ob sie überhaupt ein Problem haben, ob die überhaupt Weichen stellen wollen? Scheint mir ein recht klassistisches Problem zu sein - Akademiker denken über Weltrettung und Klima nach, einfache Erwerbstätige darüber, ob die Rente reicht und der Lohn für den Monat. Vielleicht auch mal bedenkenswert.
Und das Schulen der Vorstellungskraft kann meiner Meinung nach auch ein Beitrag von Literatur sein.
Das "Schulen der Vorstellungskraft." Das ist dann keine Literatur mehr, die ja eben nicht schulen, sondern einen freien Geist produzieren soll, der selbst entscheidet, sondern Propaganda, Indoktrination. Das ist es, was du möchtest?

Trotzdem ist es auch zutreffend, dass wir alle – du, ich und alle anderen, die hier im Forum aktiv sind, mit zum Problem beitragen, unabhängig davon, wie nachhaltig wir uns bemühen unseren Alltag zu gestalten und wie sehr wir uns politisch engagieren.
Was denn jetzt? Entweder es sind die 1% oder es sind eben wir alle. Entscheide dich mal. Und wenn es egal ist, wieviel Engagement ich zeige, weil ich irgendwie immer noch ein Teil des Problems bin und wahrscheinlich auch immer sein werde, warum sollte ich dann auch nur einen fuck drauf geben, was nach mir kommt, was überhaupt passiert?

 

Hey @Perdita ,

ich denke schon, dass Literatur um Klima ein Stück weit angekommen ist (hab irgendwo noch New York 2140 im Schrank stehen, auch wenn ich das Buch fürchterlich fand), aber mMn sind diese Bücher immer postapokalyptisch. Das Schlimmste schon geschehen, alles ist den Bach runtergegangen, jetzt geht es um neue gesellschaftliche Ordnungen und Konflikte. Ich kann mich aber an kein Buch erinnern, dass den Klimawandel begleitet hat. Ich denke, du meinst letzteres an Literatur.
Was mich aber sofort ins Gedächtnis kam, ohne ein anderes Fass zu weit aufmachen zu wollen: wie sehr das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit von Werbeagenturen angesprungen wird. Zahnbürsten aus nachhaltigem Bambus, Co2-freie Milchpackungen, "grüne" Gummibärchen und so weiter. Jeder Müll ist auf einmal nachhaltig und klimafreundlich. Könnte man fast glauben, dass eigentlich alles gerettet ist.

 

Hallo Friedrich ...​

... hier poltert Donald Trump. Dort wütet das Coronavirus. Dazwischen, fast unbemerkt, fällt gerade eine wichtige Entscheidung: Fließen für sieben weitere Jahre EU-Milliarden an die Agrarindustrie?Die Folgen wären Klimaschäden und Artenschwund, Höfesterben und Düngeflut. Rat, Europaparlament und Kommission verhandeln gerade darüber, welche Form der Landwirtschaft wie viel Geld bekommt. Wieder könnte der dicke Batzen an Agrarkonzerne gehen – während die kleinen Höfe ums Überleben kämpf ..."

trudelt gerade eben ein e-Mail von campact bei mir ein,

liebe Perdita,und auf Deine Antwort auf den Hinweis des fehlenden Gegenmodells konnte der in "den Wirtschaftswissenschaften" diplomierte liebe Friedel eigentlich nur grinsen.

Na ja, in der Wirtschaftswissenschaft gibt es ja schon lauter Theorien zu Gegenmodellen – Degrowth, Postwachstumsökonomie, Donut-Ökonomie, sozial-ökologische Transformation … Es fehlt halt noch an praktischen Beispielen. Ich habe oft den Eindruck, dass das gar nicht daran liegt, dass die Mehrheit der Menschen das System toll findet, das wir haben – die Problematik, dass das zwangsläufig in den Abgrund führt ...
denn nicht die Gegenmodelle herrschen in den Köpfen der maßgebenden Führungsetagen, sondern der Liberalismus als Religionsersatz (bildlich in der unsichtbaren Hand, welche wohl die "sich selbst regulierenden" Märkte steuert). Dabei verdrängen die meisten, dass Fritz Hayek - einer der Begründer der "School of Chicago" - schon Nationalsozialisten "beraten" hat. Und der Begründer der Nationalökonomie - Adam Sith - war halt Geistlicher.

Das Problem innerhalb der Nationalökonomien ist vor allem der Irrtum, sich als Naturwissenschaft verstehen zu wollen oder doch zumindest deren Präzission zu erreichen.

Wie dem auch sei, lass Dear durch mich das Wochenende nicht vermiesen

Friedel

 

Hi @Geschichtenwerker

Sorry, wenn ich da reingrätsche, aber ganz so einfach ist es, denke ich, nicht.

Danke fürs Reingrätschen, denn natürlich hast Du vollkommen recht. Mein Bild würde an der Realität vollkommen scheitern. Was weiterhin zutreffend ist, ist, dass ein Rückgang des Bevölkerungswachstums den Klimawandel nicht aufhalten würde. Wenn keine flankierenden Maßnahmen ergriffen werden, würde ich nicht einmal einen Grund sehen, aus dem er sich nicht sogar zusätzlich weiter beschleunigen würde.

Wir könnten morgen allesamt kollektiv als deutsches Volk Selbstmord begehen und das würde am Klimawandel bei einem Gesamtbeitrag von ca. 2% am Welt-Co2-Ausstoß praktisch nichts ändern.

Ersteres: Ja. Auch Genozid in solchem Ausmaße wäre nicht die Lösung. Von Wissenschaftler:innen und Policymakers wird schon lange von Vermeidung und Anpassung gesprochen. Der Klimawandel passiert ja schon, und deshalb müssen weitere Temperaturanstiege vermieden und Anpassungen an bereits erfolgte Veränderungen vorgenommen werden. Deshalb hilft es auch nicht, auf einen Schlag viele Menschen loszuwerden. Zweiteres: 2 %, das klingt so wenig. Ist es ja aber nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass die deutsche Bevölkerung 1 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Ich finde, das ist Augenwischerei, die man sich sparen könnte. Du wirst kein Staatsvolk finden, das den Klimawandel durch kollektiven Selbstmord aufhalten kann. Egal, wie groß jetzt der Gesamtbeitrag ist.

Zentral bleibt für mich: Die Bevölkerung oder das Bevölkerungswachstum (egal welche und egal wo) zu verkleinern, ist nicht die Lösung. Weil das auch nicht die Ursache des Problems ist.

Wir schaffen mit dem gleichen pro Kopf CO2-Ausstoß also einen viel höheren Wohlstand und viel höhere Produktivität.

Das ist ja nämlich eine tolle Nachricht. Effizienzsteigerungen sind möglich. Ich bin da vielleicht auch sehr optimistisch, weil ich im Bereich Energiewende tätig bin, aber es gibt viele gute Lösungen, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Viele davon nutzen wir nicht, falsch oder in einem geringen Umfang. Im Vergleich nicht mit China sondern mit vielen europäischen Ländern hinkt Deutschland diesbezüglich seit einer Weile hinterher.

Ich weiß deshalb auch nicht, wie Du dazu kommst, aus meinem Kommentar abzuleiten, ich würde dem Rest der Welt aus deutscher Perspektive erklären wollen, wie es besser geht. Deutschland war vielleicht mal Vorreiterland in Sachen Klimaschutz, aber das ist zumindest im europäischen Vergleich vorbei. Politisch können wir uns besser an anderen orientieren.

Cheers,
Teddy

Hi @jimmysalaryman

Ich habe lange überlegt, wie ich auf Deinen Kommentar antworten möchte. Aber ehrlich gesagt:

Der Beginn der cancel culture bei den Wortkriegern?

Wahnsinn. Ich bin raus.

 

Wahnsinn. Ich bin raus.

Wahnsinn finde ich das jetzt nicht. Durch deinen Link, den du als Antwort gepostet hast und in dem ganz kategorisch erklärt wird, dass die These der Überbevölkerung im Grunde eine rechtsradikale, rassistische ist, rückst du doch jeden, der sich dieser These auch nur annähert, in genau diese Nähe und diskreditierst ihn so. Zumindest hat es diesen Geschmack für mich. Dann darfst du dich nicht wundern, wenn es eine Reaktion gibt.

 

Ich denke, der Verlauf der Diskussion zeigt beispielhaft, warum es so schwierig ist, das Thema literarisch zu verarbeiten. Weder eine Reduzierung der Weltbevölkerung, noch die Umgehung thermodynamischer Gesetze durch magische Technologien sind realistische Optionen.
Es wäre sicher hilfreich, für die Zukunft den weiteren Anstieg der Populationen zu verhindern und die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Nicht nur wegen des Klimawandels, sondern auch um die letzten Reste unserer biotischen Umwelt zu bewahren. Aber die Erwärmung ist in Gang gesetzt und lässt sich mit halbherzigem Herumgeeiere nicht mehr stoppen. Nicht einmal die Pandemie-Maßnahmen der letzten Monate haben den CO2 Ausstoß nennenswert gesenkt.
Da es keine realistische Lösung für das Problem gibt, bleibt den Autoren nichts anderes übrig, als die Zukunft als unausweichlich darzustellen. Der Klimawandel funktioniert als Setting für Endzeitgeschichten, wozu er ja auch genutzt wird. Er ist aber nicht geeignet als zentraler Konflikt, weil Autoren und Leser bereits wissen, wie die Geschichte ausgeht.
@Perdita vermisst das Thema in der Literatur. Ich frage mich, wie Du Dir einen – realistischen – Plot vorstellst, der den Klimawandel in ausreichendem Maß würdigt. Ich meine, so eine Geschichte müsste auch den Regeln der Unterhaltungsliteratur* folgen, um verkauft und gelesen zu werden.
Das permanente Gewarne und die dümmlichen Schuldzuweisungen, ohne zielführende Vorschläge geht den meisten Menschen bereits auf den Geist. Damit findet man sicher kaum Leser.

Schönen Gruß!
Kellerkind

*Unterhaltungsliteratur verwende ich nicht im Sinne von Trivialliteratur, sondern als Abgrenzung zur Sachliteratur.

 
Zuletzt bearbeitet:

Weder eine Reduzierung der Weltbevölkerung, noch die Umgehung thermodynamischer Gesetze durch magische Technologien sind realistische Optionen.
Beides sind realistische Optionen für die Zukunft. Realistischer, als zu erwarten, dass die Menschen einfach so von alleine "verantwortungsvoll" werden, humaner, als sie dazu zu zwingen und ehrlicher, als sie zu manipulieren.

Der Klimawandel funktioniert als Setting für Endzeitgeschichten, wozu er ja auch genutzt wird. Er ist aber nicht geeignet als zentraler Konflikt, weil Autoren und Leser bereits wissen, wie die Geschichte ausgeht.
Mit Verlaub, wie die Geschichte ausgeht, weiß niemand. Es ist gut möglich, dass in Kürze die Temperaturen sinken. Ganz ohne, dass der Mensch sich irgendwie ändert. Es gibt genug faktenbasierte Theorien von seriösen Wissenschaftlern dazu.

Die passen aber nicht so schön ins Programm, torpedieren sie ja die derzeitigen Bemühungen, endlich was zu verändern. Also werden sie ihrerseits torpediert.

Habe ich hier vor einiger Zeit schonmal verlinkt:

RETRACTED ARTICLE: Oscillations of the baseline of solar magnetic field and solar irradiance on a millennial timescale

Die Nature ist kein dahergelaufener Blog, sondern eines der angesehensten Informationsmedien der wissenschaftlichen Welt. Da wirst du nicht veröffenlicht, wenn du dir was aus der Nase ziehst.

Inzwischen haben "die Autoren" den Artikel zurückgerufen, da es Kritik gehagelt hat. "Die Autoren" bedeutet tatsächlich aber nur "einer von vier Autoren":

S. I. Zharkov agrees with the retraction. V. V. Zharkova, E. Popova, and S. J. Shepherd disagree with the retraction.

Sowas hat für mich immer Gschmäckle.

 

Richtigstellung: Die Nature hat den Artikel zurückgerufen. Die Wissenschaftler sind natürlich nicht die Herausgeber, sondern die Autoren.

 

Hallo zusammen,

ich mache mich gleich daran, den Thread einzuholen :)

Vorher würde ich gerne noch mal appellieren: Aus Respekt für den Zweck dieses Unterforums fände ich es super, wenn die Beiträge zu der Diskussion hier sich wirklich auf eure Perspektiven als Autor:innen und/oder Leser:innen beziehen.

Es ist keineswegs so, dass mich eure Perspektiven als Mitbürger:innen und politisch denkende Menschen nicht interessieren, aber … ich war ja mal eine Zeitlang auch im Moderationsteam hier, und ich weiß, wie stressig es für die tollen Leute, die ehrenamtlich diesen Job machen sein kann, wenn so ein Thread total ins Offtopic abdriftet, und dann auch noch aufgrund eines politisch kontroversen Themas der Ton immer schärfer wird. Und ich würde es gern vermeiden, dass der Thread irgendwann zugemacht wird.

Also wenn ihr das Bedürfnis habt, solche Fragen wie den persönlichen ökologischen Fußabdruck, den richtigen politischen Weg aus der Klimakrise, etc. weiter zu diskutieren – vielleicht wäre es eine Idee, dafür einen separaten Thread im Kaffeekranz zu starten?

Hi @Geschichtenwerker,

Geschichtenwerker schrieb:
Daher finde ich es so merkwürdig, dass sich dieser Begriff "Klimawandel" als Inbegriff des klimaschädlichen Verhaltens der Menschen durchgesetzt hat.

Hmm, das ist vielleicht auch ein bisschen Offtopic, aber da es um die Sprache, unser wichtigstes Werkzeug beim Schreiben, geht, denke ich man kann es gelten lassen :D

Der Begriff „Klimawandel“ wurde meines Wissens von konservativen Politiker:innen eingeführt, weil er nach deren Auffassung harmloser klingt als der vorher übliche Begriff „globale Erwärmung“. Mittlerweile wird häufiger von „Klimakrise“ gesprochen und viele Medien sind dazu übergegangen, diesen Begriff zu nutzen – mir erscheint der auch angemessener für unsere Situation. Andere sprechen auch von „Klimakatastrophe“, was ich weniger passend finde, weil das Wort „Katastrophe“ für mich nach einem einmaligen dramatischen Ereignis klingt statt nach einem andauernden Prozess.

Geschichtenwerker schrieb:
Jetzt führen wir gerade mit dem gesamten Planeten ein Terraformingexperiment durch, ohne zu wissen was wir tun und ohne eine Ersatzerde zu haben.

Irgendwo hab ich mal gelesen, dass es jemand als „Venusforming“ bezeichnet hat, das hat was für sich, finde ich, denn die Bedingungen werden ja von denen, die wir als „typisch“ für die Erde kennen, wegverschoben. Allerdings ist es natürlich extrem unwahrscheinlich, dass wir den CO2-Gehalt und die Temperatur der Venusatmosphäre erreichen. Wir versetzen unseren Planeten in eine Heißzeit – die es natürlich in der Erdgeschichte auch schon gegeben hat – aber da hat das Leben dann halt auch ganz anders ausgesehen.

Geschichtenwerker schrieb:
Man könnte bspw. einen Winzer in Franken nehmen, der aufgrund des Klimawandels gezwungen ist, andere Rebsorten anzubauen und andere Anbaulagen auszuprobieren.

Da bleibt dann aber nicht mehr viel von der Klimawandelpanik übrig und solche Probleme gibt es auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen (bspw. wegen Krieg oder Naturkatastrophen), dass Menschen sich neue Einkommensquellen suchen müssen (weil ihr Produkt nicht mehr zeitgemäß ist, der Markt sich verändert), etc.

Die Probleme, die der Klimawandel für den Einzelnen verursacht, sind also nicht so speziell, dass man sie exklusiv dem Klimawandel aufs Auge drücken kann.


Das trifft auf dein Beispiel vom Winzer zu. Wenn du aber die Menschen in Grönland nimmst, denen das Packeis abhanden kommt, oder die in den kleinen Inselstaaten, denen es schon den Lebensraum wegspült, dann ist es schon eindeutig und auch wesentlich dramatischer als das, was wir in Mitteleuropa erleben – und auf uns kommen auch noch heftigere Entwicklungen zu in den nächsten Jahren. Wenn ich mir z.B. die Prognosen für den Wasserhaushalt in Sachsen anschaue, das ist kein Spaß. Die Behörden richten sich schon drauf ein, dass die Trinkwasserversorgung im Sommer in etlichen Dörfern mit Tankwagen passieren muss.

Du hast einerseits natürlich recht, dass das keine einzigartige Erfahrung in der Menschheitsgeschichte ist, lokale Veränderungen der Lebensbedingungen, die zu Anpassung oder Flucht zwingen. Was es besonders macht, ist aus meiner Sicht das globale Ausmaß der Veränderungen und die Tatsache, dass wir selbst dazu beitragen, also diese Frage der Mitverantwortung, die ja in dieser Diskussion schon mehrfach angesprochen wurde.

Und es ist ja deutlich, dass viele Menschen in irgendeiner Art damit ringen, also das kann man aus meiner Sicht auch hier im Thread sehen. Und solche inneren Auseinandersetzungen beim Schreiben zu verarbeiten, ist ja eigentlich gute alte Tradition … also wohlgemerkt, das ist immer als „Ich würde gerne Sachen in der Richtung lesen“ gemeint und nicht als „Schreibt gefälligst sowas!“ :)

Geschichtenwerker schrieb:
Literarisch bleiben auch noch Dystopien. Ich hatte mal eine einigermaßen weitgediehene Plotidee über eine Ökodiktatur - ist ja recht naheliegend, denn nur unter einer Diktatur könnte man eine CO2-Vollbremsung durchführen. Letztlich habe ich das aber fallenlassen, weil es für mich zu weit weg von der Realität ist. Außerdem ging das thematisch vielleicht eher nach hinten los.

Ja, Dystopien gibt es viele, das liegt wohl in der Natur der Sache. Wobei die mir bekannten Sachen sich alle darum drehen, dass die alte Zivilisation unter dem Druck zerbricht, und dann entweder „Mad Max“-Zustände herrschen, oder eine Diktatur entsteht, weil die alte Ordnung kaputt ist. Werke über eine Diktatur, die versucht, den Zusammenbruch aufzuhalten, kenne ich bisher noch nicht. Ich kann mir vorstellen, dass das mit der Gefahr, „nach hinten loszugehen“ zu tun hat, die du ansprichst. Ich sehe zwei große Gefahren: Entweder Leuten in die Hände spielen, die das tatsächlich für die „Lösung“ des Problems halten, oder Leuten, die grundsätzlich alles, was es an Lösungsvorschlägen gibt, für das Heraufziehen einer Ökodiktatur halten.

Geschichtenwerker schrieb:
Was mir in der Literatur fehlt, wobei ich vielleicht solche Bücher auch einfach übersehen habe, ist die Auseinandersetzung mit der Lösung des Problems unter der Voraussetzung, dass wir den Klimawandel nicht entscheidend abbremsen werden.

Es gibt wohl einige Sachen, die in einer Post-Klimawandel-Welt spielen (Beispiele, die mir gerade einfallen, die ich allerdings selbst noch nicht gelesen habe, sind „The Drowned World“ von J.G. Ballard und „World made by hand“ von James Howard Kunstler) – ich bin mir nicht sicher, ob die sich in jedem Fall auch die Kategorie „Dystopie“ einordnen lassen. Das ist wahrscheinlich auch von der Perspektive abhängig – wie man dazu steht, ob eine Welt, in der es unsere Zivilisation in der gewohnten Form nicht mehr gibt, trotzdem lebenswert sein kann.

Hi @Kellerkind,

Kellerkind schrieb:
Als ich erwähnte, dass ich den aktuellen Markt nicht überblick, bezog ich mich ungefähr auf die letzten fünf Jahre. Wie andere Foristen schon erwähnten, ist das Thema, vor allem in der SF-Szene gar nicht so selten. Für andere Formen der Belletristik ist es natürlich schwer umzusetzen, da die erwarteten Auswirkungen die Zukunft betreffen.

Ja, bisher war das definitiv der Fall, aber wie schon erwähnt, ich glaube, dass sich das gerade ändert, dass es mittlerweile eben kein reines „Zukunftsthema“ mehr ist. Also die Krise wird sich in Zukunft verschärfen (selbst wenn wir die Kurve kriegen, das Erdsystem ist leider so träge, dass die Temperaturen auch noch eine Weile steigen werden, wenn die menschengemachten Treibhausgasemissionen bei Null liegen), aber die Auswirkungen sind mittlerweile halt auch in der Gegenwart nicht mehr zu übersehen.

Kellerkind schrieb:
Was ich eigentlich zum Ausdruck bringen wollte: Der Klimawandel wird durchaus thematisiert, da er sich als schön gruseliger Hintergrund für schön flache Unterhaltung eignet. Jedoch gibt es kaum Veröffentlichungen, in denen Wege aus der Krise gezeigt werden, die auf tiefergehenden Analysen der Ursachen beruhen. Positive Utopien sind absolutes Kassengift. Sowohl in der Literatur als auch im Film. Bei der kleinsten Kritik am kapitalistischen System werden Augen verdreht, die typischen "Geh doch nach drüben" Sprüche werden recycelt, bezüglich China, Cuba oder Nordkorea. In den USA wird die Idee einer allgemeinen Krankenversicherung als kommunistisch empfunden. Nicht vom bösen Trump, sondern von den meisten Bürgern.

Welche Utopien würden diese Menschen lesen wollen?


Wahrscheinlich Sachen wie „Atlas shrugged“ von Ayn Rand. Das scheint auf jeden Fall in den USA sehr beliebt zu sein. Ich hab das nicht gelesen (Kritiken deuten darauf hin, dass das wohl ein sehr mühsames Unterfangen ist), aber die Handlung ist, dass da die armen unterdrückten Superreichen, die ganz alleine die Gesellschaft am Laufen halten ohne dass es ihnen jemand dankt, sich aus der Gesellschaft zurückziehen um ihr eigenes Ding zu machen, woraufhin die Gesellschaft zusammenbricht und zahllose Menschen sterben (die aus Sicht der Autorin aber scheinbar alles faule, wertlose Parasiten sind, also Hurrah! – Hyperkapitalistische libertäre Utopie).

Kellerkind schrieb:
Die sozialdarwinistische Ideologie des Wettbewerbs beherrscht das Denken und Handeln der Menschen. Greift man diese Ideologie an, will das keiner lesen, weil die Leser dann alles verlieren, worauf sie ihr Weltbild und ihr Leben aufbauen. Die Gesellschaftsutopie in belletristischer Form ist absolut tot.

Nein! Also klar, diese Art von Literatur ist selten, und ich stimme dir zu, dass es da sehr gerne mehr von geben könnte.

Aber voll gut, dass du das ansprichst. Ich habe eine Empfehlung für dich. Existiert nur in Englisch, und ist bisher noch nicht fertig. Aber das geht genau in die Richtung, die du dir wünschst, glaube ich.

Und zwar: Adam Lee, Autor und Blogger, schreibt gerade an dem Roman „Commonwealth“. Das ist als eine Art „Anti-Atlas shrugged“ konzipiert. Der Roman wird kapitelweise auf seiner Patreonseite zugänglich gemacht. Also Leute, die dafür bezahlen, haben immer Zugang zu den neuesten Kapiteln, und wenn man nichts bezahlt, kriegt man immer erst etwas später Zugang, aber alle können letztendlich alles lesen. Die neuen Kapitel werden immer freitags freigeschaltet. :)

Einführung zum Roman hier:

Prelude to Commonwealth, I: On Late-Stage Capitalism

Patreon hier: Adam Lee is creating books | Patreon

Falls Interesse da ist: Er hat auch eine sehr ausführliche Analyse von „Atlas Shrugged“ auf seinem Blog, die ist hier zu finden: Atlas Shrugged - Daylight Atheism

Allerdings sollte ich dich fairerweise wohl ein bisschen vorwarnen, ich kann nicht garantieren, dass dir das auch gefällt, weil unser Literaturgeschmack anscheinend sehr weit auseinander liegt. Weil:

Kellerkind schrieb:
Hunger Games. Die ideologische Botschaft steckt schon im Namen: Wer sich vom kapitalistischen Prinzip abwendet, wird hungern müssen. Im Unterschied zu Orwell, der den Verlust der individuellen Freiheit in einer Diktatur verarbeitet, setzt Collins auf die Angst vor dem wirtschaftlichen Verlust der Menschen nach einer pseudo-kommunistischen Revolution. Der Roman erschien zur Zeit der größten Bankenkrise seit den Dreißigern, als sich sogar im Mutterland des Wirtschaftsliberalismus allmählich Zweifel bei den Bürgern zeigten. Da wurde das politisch Gewünschte hervorragend mit der Sehnsucht der Leser nach einer heilen, bürgerlichem Welt verknüpft. Sehr auffällig, dass ein literarisch eher mittelmäßiges Buch einen dermaßen überwältigendem Erfolg hatte.

Ich mag Hunger Games :shy:

Und meine Interpretation der Bücher ist sehr sehr weit von deiner entfernt.

Das würde ich an dieser Stelle aber nicht weiter diskutieren wollen, ich sag das nur als „Warnung“, damit du von meiner Empfehlung nicht enttäuscht wirst.

Hi @Manlio,

Manlio schrieb:
Sehr interessante Frage, handelt es sich vielleicht um komplette Realitätsverweigerung? Ein schönes Thema für Soziologen und Psychologen, könnte vermutlich Bände füllen ... Egal wie schlecht der Zustand der Welt ist, Hauptsache, ich bastel' mir meine kleine Blase, in der alles okay ist. Wie zutreffend deine Diagnose ist, sieht man auch an den Geschichten, die hier erscheinen. Geschrieben wird über Coming of Age, Fantasy und Alltagsbanalitäten, der prozentuale Anteil von engagierter Literatur ist doch minimal, oder?

Verdrängung ist bestimmt ein Faktor, denke ich auch. Im Alltag ist es wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad auch notwendig, zu verdrängen, weil es sonst kaum möglich wäre, einen Alltag zu haben.

Aber ich hab halt so ein idealistisches Bild, dass Literatur in der Geschichte oft „vorausschauender“ war als der Rest der Gesellschaft, also dass es oft Autor:innen waren, die den Finger in die Wunde gelegt haben, wo es notwendig war. Klar, der Anteil an der Gesamtheit der literarischen Werke war immer klein und wird wahrscheinlich immer klein sein. Und wie gesagt, andere weltumspannende Veränderungen wie z.B. die Industrialisierung oder die Digitalisierung haben sich nicht wirklich dramatisch auf die Literatur ausgewirkt, es ist also vielleicht nicht wirklich überraschend, dass es mit der Klimakrise nicht anders ist.

Ich möchte auch auf keinen Fall Eskapismus und Unterhaltung schlecht machen. Ich brauche das ja selbst, hin und wieder in eine Geschichte einzutauchen, die rein gar nichts mit meinen persönlichen Sorgen zu tun hat, und das geht sicher den meisten Menschen so.

Trotzdem denke ich halt: Literatur kann auch mehr sein.

Das eine sind politische Sachen. Ich mag übrigens deinen Begriff „engagierte Literatur“ sehr. :)

Im Thread ist schon mehrfach angeklungen, dass „Propaganda“ und „moralischer Zeigefinger“ nicht gut ankommen. Ich verstehe das auf jeden Fall, und mir ist es selbst auch schon oft so gegangen, dass ich etwas gelesen habe, wo ich der „Botschaft“ absolut zustimmen würde und trotzdem gedacht habe: „Das ist zwar gut gemeint, aber … :rolleyes:

Und trotzdem … So Sachen wie „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe oder „Die Waffen nieder!“ von Bertha von Suttner – das sind ganz eindeutig politische Werke, die auf was Bestimmtes abzielen (und haben auf jeden Fall Aspekte, die man aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts problematisch finden kann). Und trotzdem haben die in ihrer jeweiligen Zeit wichtige Debatten beeinflusst, und ich würde sagen, dass sie trotz ihres Charakters, den man durchaus „Propaganda“ nennen kann, auch einen literarischen Wert haben – also das geht durchaus, wenn fähige Autor:innen sich daran versuchen.

Und Vergleichbares zum Thema Klimakrise und ökologische Krise gibt es bislang halt noch nicht viel.

Das andere sind Auseinandersetzungen mit dem Thema auf einer emotionalen Ebene. Es gibt einfach viel Schmerz, Verlust und Traurigkeit, die durch diese Krisen ausgelöst werden – und es kann unheimlich heilsam sein, solche Dinge in Worte zu fassen – oder sie von einem anderen Menschen in Worte gefasst zu sehen. Aber das tun bislang auch noch nicht sehr viele.

Manlio schrieb:
Danke, dass du dieses wichtige Thema angestoßen hast!

Gerne. :) Ich freue mich sehr, dass so eine lebhafte Diskussion entstanden ist. Ich hab mehr damit gerechnet, dass vielleicht vier-fünf Leute, die schon mal was in die Richtung geschrieben haben, darauf hinweisen und vielleicht ihre Erfahrungen beim Schreiben teilen … aber es scheint so, also ob es viel „Redebedarf“ gibt.

An der Stelle mach ich mal eine Pause, vielleicht komm ich nachher noch dazu, auf weitere Posts einzugehen, ansonsten dann morgen. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Das wird zwar häufig so erzählt, macht es aber nicht wahrer (oder konstruktiver).
Da hab ich doch gleich aufgehört zu lesen. Ich tue mir nicht mehr alles an. Scheint ja, ich hab nix verpasst *gn*.

Ich vermisse Gegenwartsgeschichten (ohne SciFi-Charakter), die sich damit auseinandersetzen.
Ich weiß nicht mehr, wer Le Guin genannt hat, (warst du das selbst, Perdita?), aber das ist doch der moralische Zeigefinger per se. Diese fürchterlichen Sozialpolit-Kitschschnulzen wie EarthSea, die uns mit all diesen 'guten' Charakteren zeigen, wie's gehen soll.

Sorry, wenn das fast-OT ist, aber eine extrem realistische und dazu wirklich perfekt gemachte TV-Serie ist das norwegische Okkupert / Occupied. Und nicht ganz unliterarisch: Idee & Drehbuch von Jo Nesbø. Soweit ich weiß, gibt es aber leider keinen Roman dazu.

Ich kenne bisher nur die erste Staffel (es startet wohl grad die dritte), aber die funktioniert mit viel Politik und keinem Zeigefinger. Das ist einfach sehr geschickt gemacht: Spielt in einer Zukunft, die in ein, zwei Jahren sein könnte: Norwegen hat eine tatsächlich 'saubere' Energie erfunden und plant, alle Öl- und Gasförderung sofort einzustellen. Der neugewählte Präsident ist ein sehr kühler, intelligenter Mann, kein Naivling, und er hat Grund, davon auszugehen, die Lösung müsste alle glücklich machen. Selbstverständlich ist das nicht so. Schleichend und unter Ausnutzung von Dolmetscherproblemen besetzt Russland Norwegen. Der Präsident schließt sich in der letzten Episode dem militanten Untergrund an. Alles ist sehr Gegenwart, extrem plausibel & realistisch, bis auf die Sache mit der Energiequelle hat die Serie auch nix Spekulatives.

Was daran so gut ist: Obwohl es direkt um die Punkte Klimawandel / Energie / Ausbeutung der Natur geht, wird das nicht als Problem genommen - sondern die Dramen, die sich auftun, wenn wir diese Probleme gelöst hätten. Weil viele gar keine solche Lösung wollen. Und damit ist das ein Spiegel einer komplexen Gesellschaft, ohne groß mit dem Zeigefinger zu wedeln. (Es gibt auch negative Aspekte bei den 'Guten'.)
Intro / Titelsong
Ausschnitt

Was mir in der Literatur fehlt, wobei ich vielleicht solche Bücher auch einfach übersehen habe, ist die Auseinandersetzung mit der Lösung des Problems unter der Voraussetzung, dass wir den Klimawandel nicht entscheidend abbremsen werden.
Die Lösung ist doch - in der Realität wie in der SF - eine Art Eskapismus btw. Kapitulation: Die Expansion auf andere Planeten, die wir kaputt machen können. Unter der irrwitzigen Idee, wir würden bei einem 'Neustart' alles richtig machen.
Nochmal Cixin Liu: The Dark Forest behandelt das Problem bis auf das deus ex -Ende sehr klar und konsequent. Für mich, bis eben auf das Ende, sein mit Abstand stärkstes Buch, auch stilistisch.

@Dion Ja, Religion (allen voran, aber nicht ausschließlich, die abrahamistischen) ist neben morbid overbreeding der zweite Elefant im Raum, den kaum eine Bewegung benennt (und sorry, erst recht nicht Extinction Rebellion - da geht es ausschließlich gegen soft targets). Indien, Südostasien und China kriegst du allerdings nur zum Teil über das Christentum erklärt. Möglich, dass der Fortpflanzungswahn die Henne, nicht das Ei, ist. Und die Religionen lediglich darauf ausgerichtet wurden. Ich halte unbedingten Drang zur Fortplanzung in übervölkertem Habitat für eine aktive Verdrängung des Wissens um die eigene Sterblichkeit, mit der Menschen einfach nicht klarkommen. Da werden Kinder gemacht, weil "etwas von einem weiterlebt" (so die Illusion jedenfalls). Und je näher sich Leute am Tod fühlen, desto mehr wird gezeugt als gäbe es kein Morgen. Ein Teufelskreislauf.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ok, Fortsetzung:

Hi @Dion,

Dion schrieb:
Will sagen, das Thema ist nicht neu, nur wurde damals nicht so emotional argumentiert wie heute.

Ich hab auch nicht behauptet, dass das Thema neu sei. Neu ist aus meiner Sicht, dass es im Alltag spürbar ist.

Zum Thema „Emotionalität“: Wissenschaftler:innen haben sich jahrzehntelang redlich darum bemüht, mit rein fachlichen Argumenten dafür zu sorgen, dass dem Thema die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ohne größere Erfolge.

Erst seitdem wir eine Bewegung haben, die Menschen auf emotionaler Ebene anspricht, ändert sich das langsam.

Von daher finde ich das Naserümpfen („Hysterie“) fehl am Platz.

Danke für den Link zu deiner Geschichte. Ich hab sie gestern gelesen und sie gefällt mir aus verschiedenen Gründen nicht, aber ich möchte gern herausfinden, was es von Wortkrieger-Seite bisher zu dem Thema gibt, und da gehört sie mit dazu.

Dion schrieb:
Es wird schlicht vergessen, dass das, was wir bisher auf dieser Erde angerichtet haben, die Folge einer göttlichen Anweisung ist: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“

Es waren vor allem Christen, die den technologischen Fortschritt samt der Ausbeutung der endlichen Ressourcen vorangetrieben haben – erst später, nachdem sie gesehen haben, welchen „Erfolg“ wir damit haben, sind auch Anhänger anderer Religionen (Japaner, Chinesen) auf diesen Zug gesprungen.


Ich stimme zu, dass christliche Vorstellungen die Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft stark geprägt haben. Aber die Idee, dass unser heutiges Verhalten in Bezug auf Klima und Umwelt damit zu tun hat, dass die Mehrheit der Menschen sich an religiöse Gebote halten möchte … sorry, aber das finde ich, freundlich ausgedrückt, nicht überzeugend.

Ich bin bestimmt keine Freundin der Kirche oder von Religionen im Allgemeinen, aber man muss fairerweise sagen, dass es schon seit langem einen christlich geprägten Teil der Umweltbewegung gibt, der sich auf die „Bewahrung der Schöpfung“ beruft. In Europa spielt der eine geringe Rolle, in den USA, wo Religion noch eine wesentlich größere Bedeutung für das gesellschaftliche Leben hat, sieht das schon anders aus.

Unabhängig davon: Die Weltbevölkerung könnte zu 100% aus Atheist:innen bestehen, ich bezweifle, dass das an der Situation irgendetwas ändern würde.

Aber um wenigstens den Versuch zu starten, etwas weniger Offtopic zu sein: Eine literarische Auseinandersetzung mit dem Thema, welche religiösen Vorstellungen unseren Umgang mit der Natur prägen, kann natürlich spannend sein. In der „Maddaddam“-Trilogie von Margaret Atwood (Das sind die drei Romane „Oryx und Crake“, „Das Jahr der Flut“ und „Die Geschichte von Zeb“) kommen verschiedene Neureligionen vor, die ich interessant finde: Einmal eine religiöse Ausprägung der fossilen Brennstofflobby, und auf der anderen Seite „God‘s Gardeners“, eine Art Ökologie-Religion. Andere Beispiele fallen mir nicht ein, aber ich könnte mir vorstellen, dass das im Bereich Climate Fiction schon mehrfach bearbeitet wurde. Wenn jemand andere Beispiele kennt, immer her damit. :)

Hi @Geschichtenwerker,

Geschichtenwerker schrieb:
Solche Vergleiche hinken also gewaltig und haben für mich daher einen stark propagandistischen Beigeschmack. Warum ich mich darüber aufrege? Weil ich es unerträglich finde, dass "wir Deutschen" uns immer wieder völlig selbst überschätzen. Nachdem es mit der Weltherrschaft nicht geklappt hat, träumen wir jetzt von der Weltrettung?! Wir könnten morgen allesamt kollektiv als deutsches Volk Selbstmord begehen und das würde am Klimawandel bei einem Gesamtbeitrag von ca. 2% am Welt-Co2-Ausstoß praktisch nichts ändern. Und dass wir mit erhobenen Zeigefinger anderen Ländern erklären, dass sie falsch wählen, das falsche System haben und/oder Umweltschweine sind, macht es auch nicht besser.

Das ist auch sehr Offtopic, aber da das Argument „Deutschland trägt nur 2% bei“ so häufig auftaucht und aus meiner Sicht sehr problematisch ist, will ich doch etwas dazu sagen.

Diese Rechnung betrachtet die Emissionen, die hier vor Ort entstehen. Wenn die Emissionen von Produkten, die wir importieren (zum Beispiel aus China) mit berücksichtigt werden, sieht sie ganz anders aus.

Aber lass es von mir aus „nur“ 2% sein (das wäre immer noch viel, dafür dass Deutsche nur 1% der Weltbevölkerung ausmachen). Deutschland ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, und – ich denke, das kann man durchaus sagen, ohne dass es als Arroganz verstanden wird – ist auch ein Vorbild für viele andere Länder. Wenn wir die Entscheidung treffen würden, unsere Wirtschaft nach dem Kriterium zu gestalten, was für das langfristige Überleben der Ökosysteme und der Zivilisation am förderlichsten ist, dann hätte das weitreichende Auswirkungen – am direktesten in der EU, aber natürlich auch auf alle anderen Handelspartner. Diese „Hebelwirkung“ hat das Potenzial, viel mehr zu verändern als nur 2%.

Das bedeutet natürlich nicht, dass Deutschland alleine „die Welt retten“ kann oder soll. Aber das behauptet doch auch niemand. Die Umweltbewegung existiert doch nicht nur hier, sondern ist global unterwegs und richtet Forderungen an alle Regierungen und Unternehmen – und an jede:n einzelne:n. Von daher kann ich den Ärger, der in deinem Post zum Ausdruck kommt, nicht wirklich nachvollziehen.

Aber: Wenn du noch weiter darüber diskutieren möchtest, lass uns das nicht hier tun. Wenn du denkst, es wäre cool, da mit mehreren Menschen aus dem Forum weiter drüber zu reden, mach gerne den Aufschlag im Kaffeekranz, oder ansonsten schreib mir eine PN.

Hey @Analog,

Analog schrieb:
Ersterer ist naiv, letzterer macht einen Denkfehler. Denn für den Wald, den er hier vielleicht rettet, werden am anderen Ende der Welt gigantische Waldgebiete für Baumwoll- und Orangenplantagen gerodet, Flüsse und Landschaften durch Fabriken, Chemiedünger und Pestizide verseucht, die Erzeugnisse tausende Kilometer weit verschifft. Jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag. Alles nur, damit er täglich frisch gepressten Orangensaft trinken kann.

Wieso nicht auf Orangensaft komplett verzichten? Für die Umwelt. Wäre nur folgerichtig und konsequent.


Um es noch mal deutlich zu sagen: Das war ein plakatives Beispiel. Es ist mir in der Realität weder in der einen noch der anderen „Reinform“ jemals begegnet. Die Menschen innerhalb der Klimabewegung, mit denen ich zu tun habe, sind alle sehr darum bemüht, ihren persönlichen Lebensstil möglichst „unschädlich“ zu gestalten. Aber es ist wichtig, anzuerkennen, dass niemand in dieser Hinsicht „perfekt“ sein kann, und es ist aus meiner Sicht absolut nicht zielführend, sich gegenseitig vorzurechnen, wie weit der oder die jeweils andere von Perfektion entfernt ist. Und dass es kein bestimmtes Maß von „Umweltfreundlichkeit“ des persönlichen Lebensstils braucht, bevor sich jemand politisch engagieren „darf“, ohne als Heuchler:in verschrieen zu werden.

Ich nehm mal ein anderes, vielleicht alltagsnäheres Beispiel. Wenn jemand, der auf dem Land wohnt, beschließt, sich in Zukunft vegan zu ernähren, um nicht mehr zu den Umweltauswirkungen der Massentierhaltung beizutragen, und du ihm dann vorwirfst, dass in dem pflanzlichen Brotaufstrich, den er sich gekauft hat, aber Palmöl drin ist – was genau soll das bringen?

Es kann sein, dass er das gar nicht wusste, weil wie schon erwähnt viele Unternehmen alles andere als transparent sind mit solchen Informationen. Es kann sein, dass er sich den teureren Aufstrich ohne Palmöl nicht leisten kann, oder dass es den in dem einzigen für ihn gut erreichbaren Supermarkt nicht zu kaufen gibt.

Es ist doch viel sinnvoller, anzuerkennen, dass es in der Hinsicht eben tatsächlich „kein richtiges Leben im Falschen“ gibt, und sich gemeinsam für Änderungen auf systemischer Ebene einzusetzen, als ihm Vorwürfe zu machen oder sich selber überlegen zu fühlen, weil man selbst (in diesem einen Punkt) etwas „besser“ weiß oder macht.

Auch bei dem Thema die Bitte: Wenn es den Bedarf nach weiterem Austausch gibt, gerne in einem Offtopic-Thread oder per PN.

Hi @Chutney,

Chutney schrieb:
In meiner Geschichte "Schwalbensommer" habe ich den Versuch gemacht, eine Ehegeschichte mit dem Klimathema zu verbinden. Es war ein Gefühl von Zweigleisigkeit, denn einerseits hatte ich das Bedürfnis, bestimmte ökologische Informationen rüberzubringen, andererseits wollte ich eine spannende Geschichte erzählen. Ein bisschen kam es mir so vor, wie ein trojanisches Pferd. Das Interesse der KommentatorInnen lag eher auf der Ehegeschichte, würde ich sagen.

Danke! :herz: Vielen, vielen Dank!

Ich wusste doch, wenn ich hier frage, finden sich Sachen in der Richtung, die ich mir vorstelle.

Deine Geschichte finde ich toll! Mal sehen, vielleicht komme ich dazu, einen Kommentar zu schreiben, sie ist zwar schon älter, aber vielleicht fühlen sich ja auch noch andere durch die Diskussion hier angeregt, sie zu lesen und zu diskutieren.

Chutney schrieb:
Mich reizt es aber schon, realistische, alltägliche Geschichten zu schreiben, in denen diese Themen eine Rolle spielen, auch die Konflikte und Widersprüche, die sich hier in der Diskussion abzeichnen. Die verschiedenen Arten mit dem Gefühl von Verzweiflung und Ohnmacht umzugehen, wenn man sich klarmacht, was da auf uns zukommt. (Das führt bei mir dazu, dass ich mir manchmal einfach die Ohren zuhalten möchte. Tierfilme gerne, aber bitte ohne die Anmerkung, dass es sich hier gerade um die letzten überlebenden Exemplare handelt.)

Es freut mich sehr, dass du das auch reizvoll findest!

Ich war ja bisher hauptsächlich in SF, Fantasy und Horror unterwegs, und die Ideen, mit denen ich mich momentan beschäftige, sind auch fast alle mehr oder weniger in diesen Genres angesiedelt, da fühle ich mich beim Schreiben einfach am meisten zuhause. Aber lesen will ich momentan sehr gerne Sachen, die hier unter „Alltag“ oder „Gesellschaft“ angesiedelt wären.

Das Gefühl, dass man das Thema manchmal einfach wegschieben möchte, kann ich nur zu gut nachempfinden– und ich denke, im Interesse der eigenen psychischen Gesundheit ist es sogar ratsam, dem hin und wieder nachzugeben. Die Auseinandersetzung damit kostet viel Kraft. Nicht umsonst gibt es mittlerweile die „Psychologists for Future“, die Klimaaktivist:innen unterstützen, wenn es denen nicht gut geht. Ich hab auch bewusst an den Anfang des Threads die Warnung gesetzt, dass es Leute die gerade an anderen Sachen zu knabbern haben, gegebenenfalls lieber nicht lesen.

Chutney schrieb:
Ich denke, es wäre wichtig, sich missionarische, pädagogische Attitüden bei dem Thema zu verkneifen, das kommt nicht gut und wäre auch nicht angemessen. Auf der anderen Seite gibt es meiner Meinung nach zur Zeit kein Thema, welches gesellschaftlich so relevant ist, wie die Umweltzerstörung bzw. der Klimawandel. Wenn man sich mehr damit befasst, versteht man eigentlich nicht, warum nicht alle sofort auf die Straße rennen und schreien. Und warum nicht jede zweite Geschichte in diesem Forum diese zum Thema hat.

Ja, ich denke wir sind uns alle einig, dass Sachen mit dem Tenor „Ihr seid alle Umweltschweine, schämt euch“ nicht prickelnd sind.

Momentan habe ich allerdings – nicht nur, aber auch in diesem Thread – den Eindruck, dass bei manchen Leuten die Kernaussage „Es gibt die Klimakrise, und das hat Auswirkungen auf unser Leben“ schon ausreicht, um eine Antwort zu provozieren, als wäre „schämt euch“ gesagt worden.

Ich bin mir nicht sicher, wie man damit gut umgehen kann. Es scheint mir auch bei anderen gesellschaftlichen Debatten immer häufiger zu werden, dass man etwas sagt und einige Mitmenschen hören etwas völlig anderes heraus.

Jede zweite Geschichte … das würde ich nicht erwarten. Es gibt ja auch andere „schwierige“ Themen – soziale Ungleichheit wäre ein Beispiel – die sehr wichtig sind und unser ganzes Leben durchziehen und trotzdem vergleichsweise selten thematisiert werden. Aber ich freue mich, dass du nachvollziehen kannst, warum ich das Gefühl habe, dass es im Hinblick auf Klimakrise und ökologische Krise „wenig“ ist und dass es mehr davon geben könnte.

Chutney schrieb:
Ich mag gerne Kurzgeschichten von der Autorin Lauren Groff. Dort steht die Umweltzerstörung nicht im Vordergrund, aber sie wird auch nicht ausgespart, die Reaktion darauf, der Umgang damit, charakterisiert zum Beispiel die Protagonistin in "Geister und Leerstände", der ersten Geschichte aus dem Band "Florida". (Ich habe gerade nochmal reingeguckt, sonst geht es nicht so viel um Klimawandel, aber es hat mich in dieser ersten Geschichte einfach positiv überrascht.)

Ein Buch, das mich tief beeindruckt hat, ist "Die Wurzeln des Lebens" von Richard Powers.

Und wer zum Thema Tierschutzaktivisten einen wirklich lesenswerten Roman geschrieben hat, ist unser Mitkrieger @Peeperkorn. Was der Igel weiß - Peter Zimmermann


Vielen Dank auch für diese Tipps!

Hi @jimmysalaryman

jimmysalaryman schrieb:
Jetzt geht es hier so ab, dass ich befürchte ich kann den Versuch, wie bei einem Geschichtenthread auf jeden einzelnen Beitrag zu reagieren nicht auf Dauer durchhalten.

Warum startest du dann so einen Thread?

Ich denke, dass ich schon mehrmals hinreichend deutlich gesagt habe, welche Fragestellungen mich bewegen.

Davon abgesehen konnte ich nicht vorhersehen, dass es so viele Reaktionen geben würde. Einige Posts haben ja schon thematisiert, dass es durch die häufige Darstellung in den Medien teilweise eine Art „Müdigkeit“ in Bezug auf das Thema eintritt – den Eindruck hatte ich bislang auch. Und dass wenig Belletristik (ggf. mit Ausnahme von SF) darüber geschrieben wird, war ja für mich der Anlass für die Diskussion. Von daher habe ich den Thread in der Annahme gestartet, dass vielleicht eine Handvoll Leute ein paar Lesetipps für mich haben und eventuell jemand etwas über darüber sagt, was Besonderheiten oder Schwierigkeiten sind, wenn man über das Thema schreibt. Nicht, dass Dutzende Leute hier ihre Meinung über alles Mögliche von Bevölkerungswachstum bis Christentum zum besten geben.

In deinem Post kommt für mich eine gewisse Erwartungshaltung rüber, als ob ich, nun wo ich den Thread gestartet habe, verpflichtet wäre, auf alles was hier gesagt wird eine Antwort zu haben. Auch, wenn ich mich bisher bemüht habe, auf alle halbwegs themenrelevanten Beiträge einzugehen, sehe ich mich da überhaupt nicht in der Pflicht. Bei einem Geschichtenthread, wo sich Beiträge direkt auf einen von mir geschriebenen Text beziehen, ja klar, da gehört es zum guten Ton, allen zu antworten.

Aber in einem Diskussionthread ist das überhaupt nicht üblich, was sich auch leicht nachprüfen lässt, wenn man sich einige der längeren Threads hier unter „Autoren“ oder in „Kritiker“ anschaut. Die laufen teilweise weiter, wenn die Person die ursprünglich die Diskussion gestartet hat, gar nicht mehr im Forum aktiv ist.

Trotzdem, ich werde mich bemühen, auf die Fragen die du mir gestellt hast einzugehen. Aber auch dich bitte ich, wenn du dann noch weiteres Diskussionsbedürfnis haben solltest, das in einem separaten Thread oder per PN zu machen, sofern sich deine Argumente nicht auf das Thema Literatur beziehen.

jimmysalaryman schrieb:
Das ist überhaut nicht unproduktiv. Wenn jeder vernünftig konsumieren und verzichten würde, würde sich sicherlich etwas ändern. Die meisten reden eben nur. Sein Auto verkaufen, nachhaltig einkaufen, dafür weite Wege, recylcen, Dinge nicht wegschmeißen - kostet Mühe, kostet Zeit, will keiner so richtig. Lieber Hambi retten mit I-Phone in der Hand und geile Photos von den Scheiß-Bullen schießen!

Du kannst so nachhaltig einkaufen, wie du willst – solange wir Gesetze haben, die dafür sorgen, dass „nachhaltig“ teuer ist, bzw. die es überhaupt erlauben, dass nicht nachhaltig produziert wird und die Kosten dafür der Allgemeinheit aufgebürdet werden, ist das Veränderungspotenzial deines persönlichen Einkaufsverhaltens relativ gering, und nach meiner Überzeugung wird politisches Engagement für die Änderung dieser Gesetze schneller zu positiven Veränderungen führen. Die EU-Agrarrichtlinien, die in dem Thread auch schon irgendwo zur Sprache kamen, sind ein gutes Beispiel – vergleich mal die Milliardenbeträge, um die es da geht, mit deinem monatlichen Einkaufsbudget. Das ist natürlich kein Argument dagegen, sich individuell um sein Konsumverhalten Gedanken zu machen. Aber diese individuelle Ebene ist eben nicht alles, und aus meiner Sicht momentan auch tatsächlich nicht die oberste Priorität.

Ich könnte dir hier auflisten, worauf ich persönlich alles verzichte und welchen Aufwand ich betreibe, um einen kleinen ökologischen Fußabdruck zu haben. Aber wie gesagt – ich halte das nicht für produktiv. Das ist kein Wettbewerb, wer ein ökologisches Goldsternchen bekommt, sondern eine globale Krise.

Eins noch zu dem Thema: Der Umweltaktivist, der im Mercedes in den Hambi fährt und da mit i-Phone Fotos von der Polizei macht, ist ein Strohmann.

Vereinzelt mag es die geben. Aber nach meiner persönlichen Erfahrung sind die Menschen, die in ihrem politischen Engagement am weitesten gehen – bis hin zum zivilen Ungehorsam – sehr oft auch die, die ihr persönliches Konsumverhalten am stärksten anpassen.

jimmysalaryman schrieb:
Und was ist denn genau dein "Weichenstellungsproblem?" Sprich doch mal Klartext. Was kommt denn nach der Weichenstellung? Sozialismus? Kommunismus?

Ich kenne dich ja nicht persönlich, aber hier im Forum habe ich dich bislang als unheimlich klugen Autoren mit einem sehr ausgeprägten Sinn für Nuancen erlebt.

Diese Darstellung, als ob das Wirtschaftssystem, das wir jetzt haben, und Sozialismus wie in China oder der DDR die einzigen zwei Alternativen wären und Menschen, die das eine kritisieren zwangsläufig das andere wollen müssen – das passt gar nicht zu dem Bild, dass ich von dir habe.

Dass wir beide politisch sehr weit auseinanderliegen, ist mir schon klar, aber ich finde es wirklich bedauerlich, dass du hier mit lauter Strohmannargumenten um dich schmeißt.

Ich hab weiter oben in meiner Antwort an Friedrichard schon einige wirtschaftswissenschaftliche Theorien genannt, die potenzielle Lösungsansätze skizzieren. Ich bin zugegeben in diesem Bereich noch nicht so belesen, wie ich gern wäre, aber vielleicht empfehle ich doch mal ein Sachbuch: „Donut-Ökonomie“ von Kate Raworth. Darin geht es darum, dass wir eine Wirtschaft brauchen, die sowohl die Bedürfnisse aller Menschen erfüllt (symbolisiert durch den inneren Rand des Donuts) als auch die planetaren Grenzen, d.h. die Kapazitäten der Ökosysteme, nicht überschreitet (äußerer Rand des Donuts). Das Buch zeigt aus meiner Sicht sehr anschaulich, welche Denkfehler in unserem bestehenden System stecken, und welche Korrekturmöglichkeiten es gibt.

jimmysalaryman schrieb:
Scheint mir ein recht klassistisches Problem zu sein - Akademiker denken über Weltrettung und Klima nach, einfache Erwerbstätige darüber, ob die Rente reicht und der Lohn für den Monat. Vielleicht auch mal bedenkenswert.

Erst Strohmann, jetzt Whataboutism.

Soziale Gerechtigkeit muss bei den Lösungen, die wir anstreben, mitgedacht werden (auch dafür liefert das Buch von Kate Raworth gute Denkanstöße), und das ist vielen in der Umweltbewegung wohl bewusst (nicht allen, da müssen wir nicht drüber streiten. Auch die Tatsache, dass die Bewegung sehr stark von Akademiker:innen geprägt ist, stelle ich nicht infrage).

Aber wenn wir mit diesen Sachen „entweder-oder“ anstatt „sowohl-als auch“ spielen, dann werden manche von denen, die sich jetzt wegen ihrer Renten sorgen, vielleicht nicht soviel von ihrem Rentenalter haben, weil sie in einer Hitzewelle an Kreislaufkollaps sterben, oder an neuen Krankheitserregern, etc.

jimmysalaryman schrieb:
Das "Schulen der Vorstellungskraft." Das ist dann keine Literatur mehr, die ja eben nicht schulen, sondern einen freien Geist produzieren soll, der selbst entscheidet, sondern Propaganda, Indoktrination. Das ist es, was du möchtest?

Gut, die Formulierung gefällt dir nicht. Ich versuche es anders auszudrücken.

Es ist dir doch sicher schon mal so gegangen, dass dir ein Buch „die Augen geöffnet“ oder „deinen Horizont erweitert“ hat. Dass es dir eine neue Perspektive gezeigt hat und hinterher dein Blick auf ein bestimmtes Thema ein bisschen anders war, als bevor du das Buch gelesen hattest.

Wenn du das selbst noch nie erlebt hast, dann wird dir zumindest bewusst sein, dass andere Menschen das erleben – vielleicht sogar, weil sie eine deiner Geschichten gelesen haben.

Ist das für dich „Indoktrination“?

jimmysalaryman schrieb:
Was denn jetzt? Entweder es sind die 1% oder es sind eben wir alle. Entscheide dich mal. Und wenn es egal ist, wieviel Engagement ich zeige, weil ich irgendwie immer noch ein Teil des Problems bin und wahrscheinlich auch immer sein werde, warum sollte ich dann auch nur einen fuck drauf geben, was nach mir kommt, was überhaupt passiert?

Ganz ehrlich, ich bin gerade nicht sicher, ob du mich wirklich nicht verstanden hast, oder ob du mich nicht verstehen willst.

Es sind sowohl die 1% als auch wir alle (traditionell lebende indigene Völker und richtig bitterarme Menschen sollte man denke ich ausklammern, aber uns im globalen Norden kann man da definitiv dazu zählen). Die 1% in einem weitaus größeren Maße – aber das heißt eben nicht, dass wir nicht auch mit drin stecken.

Und es geht halt nicht um das, was nach dir kommt, sondern auch um dein Leben. Wenn dir das egal ist, hindert dich nichts daran, die ganze Diskussion um das Thema einfach zu ignorieren.

Und wenn du zum eigentlichen Thema dieses Threads – zur Erinnerung, das war Schreiben über die Klimakrise und die ökologische Krise –scheinbar nichts beizutragen hast oder das nicht möchtest, dann zwingt dich auch niemand, hier mitzulesen und zu diskutieren.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Perdita,

Es kann sein, dass er das gar nicht wusste, weil wie schon erwähnt viele Unternehmen alles andere als transparent sind mit solchen Informationen.
Das stimmt. Das Gleiche muss man dann aber auch denen zugestehen, die sich nicht darum kümmern, wie ihre Milch, ihr Fleisch und ihre Eier produziert werden. Und bei der Produktion von Hafer sterben jedes Jahr ein paar Millionen Hamster (nachdem das Feld abgemäht ist). Wissen auch nicht viele. Fischfang ist überhaupt das größte Problem, nicht nur wegen Überfischung, Millonen Tonnen Geisternetzen, Umweltproblemen, sondern weil es Arbeiter faktisch versklavt (internationale Gewässer sind da oft rechtsfreier Raum). Klar, irgendwas muss man essen (Pflanzen sind ja auch nicht so 'tot' wie lange gedacht), man kann dann höchstens sagen, ein 'natürliches' Verhungern der Nager im Haferfeld / in der freien Natur sei besser als das Leiden in Tierfabriken, bei dem es viel direkter Täter gibt, und ein Leid von Geburt an. Man kann aber nicht behaupten, dass vegane Ernährung keine Tiere töte.

Warum nimmst du die Armen aus? Das sind die Menschen, die all die unter unmöglichen Bedingungen mit unmöglichen Folgen hergestellten Billigsachen konsumieren müssen. Weil sie keine Wahl haben. Dennoch spielt das eine Rolle beim schädlichen Konsum. Selbstverständlich sind sie da nicht dran Schuld (ich hab selbst kaum Geld, da würde ich ja mit Steinen aus dem Glashaus werfen). Aber wir können nicht wahllos bzw. aus Sentimentalität bestimmte Segmente ausklammern, nur weil es unangenehm ist. Das Blöde ist eben, je mehr Problembereiche man mit einbezieht, desto schwieriger wird es mit konkreten Forderungen. Und das sehe ich als einen der Gründe, warum ganz konkrete Lösungen über strikte Umweltauflagen für die Industrie (meist auf nationaler Ebene) oder über das eigene enge Umfeld hinaus sehr schwer realisierbar sind. (Womit ich nicht sage, man solle alle Versuche einstellen!)

Von daher habe ich den Thread in der Annahme gestartet, dass vielleicht eine Handvoll Leute ein paar Lesetipps für mich haben und eventuell jemand etwas über darüber sagt, was Besonderheiten oder Schwierigkeiten sind, wenn man über das Thema schreibt. Nicht, dass Dutzende Leute hier ihre Meinung über alles Mögliche von Bevölkerungswachstum bis Christentum zum besten geben.
Der Fairness halber hast du aber keinen Thread gestartet, in dem du um Literaturtipps und Schreiberfahrungen bittest, sondern hast eine sehr persönliches, extrem umfassendes Intro zu dieser kurzen Frage geschrieben.

Ich verstehe zwar schon, dass dich die Diskussionen hier stören (weil du sagtest, du suchtest Bücher, die dir Stärke geben, was ja legitim ist), aber dies ist tatsächlich mal ein Thread, in dem jeder einzelne Beitrag direkt etwas mit dem Eingangsposting zu tun hat. Bevölkerungswachstum ist (wie Religion) ein ganz grundlegendes Problem bei deiner Fragestellung, das kannst du nicht ausklammern, wenn du es ernst meinst.

"Warum werden die Klimakrise und die ökologische Krise in der Literatur so wenig thematisiert?"​

Und du vertrittst sogar im Titel eine strittige These, die du mit dem Fragezeichen zur Diskussion stellst; da fragst du ganz direkt nach außerliterarischen Gründen für deine These. Dann können Antworten dazu schlecht OT sein.

Es wär doch unfair, wenn du verlangen würdest, dass du über XY Absätze von deinem Unwohlsein mit bestimmten Dingen redest, dir dann aber jede weitere Äußerung im selben Stil verbittest, oder? ;) Wenn hiervon etwas in den Kaffeekranz geht, dann bitte aber auch 90% des OP, dann eben hast du einen Faden zu Büchertipps / Schreiberfahrungen und einen zu deiner und unserer Haltung zum Thema Umwelt/Aktionismus. Da dein Literaturthema ein politisches ist, halte ich eine Trennung aber für konterproduktiv.

Ich zumindest finde viele Beiträge hier sehr spannend, auch im weiteren Bezug auf Fiktionen, Utopien und Dystopien. Davon angeregt lese ich grad Lems Nacht und Schimmel zum zweiten Mal.

:-) Herzlichst,
Katla

p.s.

Nein. Das ist das Böse unter der Sonne. Diese "Änderungen auf systemischer Ebene" führen zu Leid.
Ganz genau. Dazu: Stalins Kühe ist übrigens eine äußerst empfehlenswerte literarische Abrechnung damit. Von Sofi Oksanen, deren Fegefeuer die gleiche Problematik plus Faschismus behandelt und sogar noch besser ist. (Nicht von den blöden Covern abschrecken lassen.)

 

Wenn jemand, der auf dem Land wohnt, beschließt, sich in Zukunft vegan zu ernähren, um nicht mehr zu den Umweltauswirkungen der Massentierhaltung beizutragen, und du ihm dann vorwirfst, dass in dem pflanzlichen Brotaufstrich, den er sich gekauft hat, aber Palmöl drin ist – was genau soll das bringen?
Ich?

Wir sind bei Orangensaft. Nochmal: Wieso nicht zum Wohl der Umwelt auf den täglichen Orangensaft verzichten?

Interessant, dass du den Heuchler selbst ansprichst. Denn genau das ist er, der Pseudo-Weltverbesserer, ein Heuchler: Wasser predigen und Wein trinken. Evtl. mit dem Umweg, den Wein vorher in getönte Wasserflaschen umzufüllen.

Es kann sein, dass er das gar nicht wusste, weil wie schon erwähnt viele Unternehmen alles andere als transparent sind mit solchen Informationen. Es kann sein, dass er sich den teureren Aufstrich ohne Palmöl nicht leisten kann, oder dass es den in dem einzigen für ihn gut erreichbaren Supermarkt nicht zu kaufen gibt.
Du machst es dir da sehr einfach. Die bösen Konzerne sind Schuld, dass der Konsument Palmölprodukte verschlingt. Das ist aber Blödsinn. Diese Palmölprodukte setzen sich durch, weil der Verbraucher sie akzeptiert.

und sich gemeinsam für Änderungen auf systemischer Ebene einzusetzen,
Nein. Das ist das Böse unter der Sonne. Diese "Änderungen auf systemischer Ebene" führen zu Leid. Das war schon immer so. Du kannst es noch so gut meinen, aber es führt ins Desaster. Der Mensch ist der Mensch, kein programmierbares System.

Auch bei dem Thema die Bitte: Wenn es den Bedarf nach weiterem Austausch gibt, gerne in einem Offtopic-Thread oder per PN.
Das Thema? Gibt es noch ein anderes? Wir sind damit doch bei der Essenz des Fadens.

Erinnerung: Du startest diesen Faden nicht mit:

Hey, Leute, wieso gibt es eigentlich so wenig Literatur zu (...)

Sondern mit:

Wir (sprich, die Menschheit, oder genauer gesagt hauptsächlich der reiche Teil der Menschheit, zu dem wir im globalen Norden gehören) sind dabei, auf dem einzigen bekannten Planeten, auf dem wir leben können, das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte und eine Heißzeit zu verursachen. Wenn diese Prozesse erst mal so richtig in Gang kommen (bisher stehen wir erst ganz am Anfang davon) ist nicht garantiert, ob es danach immer noch ein Planet sein wird, auf dem wir leben können. Falls ja, wird es aller Voraussicht nach ein ziemlich beschissenes Leben sein, weil wir und die Pflanzen- und Tierarten, die wir zum Leben brauchen, überhaupt nicht an die Umweltbedingungen angepasst sind, die dann herrschen werden. (Nebenbemerkung: Ich weiß, dass das alles nicht aus böser Absicht geschieht und ein einzelner Mensch in der Regel nur sehr sehr wenig dafürkann, es geht hier nicht darum, irgendwem ein schlechtes Gewissen zu machen. Nur darum, wie wir mit dieser Faktenlage umgehen.)

Wundere dich nicht, wenn das provoziert. Oberkante Unterlippe ist damit schon weit überschritten, wir schwimmen sozusagen im Moralinbecken.

Außerdem fragst du doch ganz klar nach Erfahrungen und Meinungen von Autoren. Du fragst, weshalb so wenig Literatur zu dem Thema erscheint. Vielleicht geht die politische und mediale Massen-Aufbereitung des Themas vielen Menschen einfach auf den Senkel. Wenn es allgegenwärtig ist, das Thema, wieso noch einen Roman darüber schreiben? Der Stoff ist ausgelutscht. Es ist quasi alles dazu gesagt.

Ich habe mich vor diesem Beitrag hier tatsächlich die ganze Zeit zurückgehalten. Du machst das aber bisher überhaupt nicht. Entscheide dich, ist das hier ein Literatur-Faden oder ein Thematik-Faden!?

 

Erst Strohmann, jetzt Whataboutism.

Weder noch. Ich wüsste jetzt nicht, wo das whataboutism sein sollte; das ist doch eher, die und die aber auch! Was ich meine, ist etwas ganz anderes: es geht mir darum, ein Bewusstsein für die Sache, für den Konsum und ggf Verzicht zu erschaffen. Viele Menschen aus der Arbeiterklasse bzw der arbeitenden Bevölkerung haben wirklich eher andere Dinge zu tun, als sich um die Klimakrise zu kümmern: in diesem Dispositiv steckt ja sehr viel drin, ich muss mir Wissen anlesen, mich vernetzen, aktiv werden, diese ganze Sache übersehen, mein eigenes Verhalten organisieren und planen. Wenn du zwei Kinder und einen Job und eventuell noch einen Nebenjob hast, wirst du da eher weniger Zeit investieren können.

Was ich sagen will, und was mich auch ein wenig an dieser Diskussion stört: aus welcher Position das alles verhandelt wird. Erstmal müssen wir alle, also der globale Norden, im Grunde eine Schuld anerkennen. Denn egal, was wir tun, wir sind hier die Hauptverantwortlichen für die Misere. Und egal, was du persönlich tust, wie korrekt du dich verhalten willst und bereit bist, in dein eigenes Verhalten zu investieren, es wird am großen Ganzen nichts ändern. Das System muss geändert werden! Danach wird alles irgendwie gut. So, das ist jetzt vielleicht etwas sarkastisch, aber du weißt sicher, wie ich das meine. Ich bin es einfach leid, diese ständige Schuld- und Täterkarte zugespielt zu bekommen. Das sorgt direkt für ein unangenehmes Diskussionsklima, weil man sich automatisch in einer Rechtfertigungsposition befindet. Vor allem, wenn man selbst viel investiert, um möglichst autark und sauber zu leben. Die allermeisten Menschen, die sich in ihrem täglichen struggle befinden, sind nicht so aufgeklärt oder haben jedenfalls keine große Lust, sich von überheblichen und sich moralisch überlegen gebenden Akademikern (denen sie dann im Umkehrschluss vorwerfen, noch nicht einen einzigen Tag in ihrem Leben anständig gearbeitet zu haben) belehren zu lassen. Siehe dieses unsägliche Oma war eine Umweltsau. Da gibt es einfach ein Kommunikationsproblem, was ja hier auch im thread deutlich wird, so beginnst du ja auch, mit einer direkten Schuldzuweisung. Man könnte sich auch laut fragen: Was glaubt ihr? Was können wir gemeinsam ändern? Was kann jeder Einzelne tun? Ich meine, als weißer, heterosexueller Mann bin ich es mittlerweile gewöhnt, für jedes Übel dieser Welt verantwortlich gemacht zu werden, aber das heißt ja nicht, dass es die ideale Lösung darstellt, sich erstmal in diese Schuldzuweisung zu verfahren. Damit nimmt man niemanden mit, denke ich. In dieser Diskussion wird auch einfach klar, wie groß die Schere in unserer Gesellschaft wirklich ist, wie wenig wir voneinander wissen. Für den einen stellt ein SUV ein Statussymbol dar, für das er jahrelang gearbeitet und gespart hat und auf das er nun stolz ist, für den anderen ist dieser SUV eine Drecksschleuder und der Typ, der ihn fährt, bestenfalls ein proletarischer hick.

Dann diese Systemfrage. Die meisten, die ich aus diesen Bewegungen kennengelernt habe, sind im Grunde brave Nachbeter gewesen. Die schmeißen mit irgendwelchen Schlagwörtern um sich, haben aber, wenn man mal genau nachfragt, nicht den leisesten Schimmer, wovon sie überhaupt reden. Mir geht das natürlich genauso - Wirtschaft ist, wie Klima, eine so hochkomplexe Angelegenheit, da gibt es keine einfachen Lösungen. Ich habe da auch keine Ahnung von. Eigentlich ließe sich aber das Arsenal an Lösungsvorschlägen reduzieren auf Konzerne, Kapitalismus, alles Schweine, die großen, bösen da oben, Bill Gates, die müssen erstmal weg. Die meisten Alternativen enden dann eben doch wieder in einer Art Sozialismus, der irgendwie nebulös von hinten durch die Blume eingeführt werden soll. Ich habe schon mit Leuten gesprochen, die das System in China im Grunde gar nicht so verkehrt finden, die hätten das alles schon schnell unter Kontrolle. Für mich wäre ein System, in dem es kein Privateigentum gibt, immer suspekt. Ich reagiere auf diese ganzen radikalen, systemumwälzenden Bestrebungen deswegen so allergisch, weil ein Großteil meiner Familie schwer unter dem DDR-Regime gelitten hat; da war auch immer alles gut gemeint und zum Wohl des Volkes. Ich verstehe mich selbst als eher libertär, mein Ideal ist eine freie Gesellschaft von mündigen Bürgern, bei gleichzeitig minimalem Staat. Das ist ein wenig wie das von Analog gebrachte Beispiel: Wenn alle Konsumenten über problematisches Palmöl Bescheid wissen, wird es bestenfalls nicht mehr gekauft. Der Markt orientiert sich anders, er muss es tun. Aber zuerst brauche ich den aufgeklärten Bürger, der sich ein eigenes Bild machen kann und in vollem Umfang eine Entscheidung fällt. Du sagst jetzt, der wäre nicht so wichtig. Ich weiß es nicht. Für mich klingt das auch alles sehr widersprüchlich. In welcher Hand soll sich denn diese Entscheidungsmacht schlussendlich konzentrieren? Wer legt denn dann fest, was richtig und was falsch ist? Die große positive Freiheit in einer liberalen Marktwirtschaft ist doch gerade die, mit seinem Kauf auch immer gleich eine Entscheidung zu fällen. Je mehr Menschen also den good stuff kaufen, desto günstiger wird er auch.

Zur Literatur: Ich glaube, Literatur die sich mit einem so gewichtigen Thema beschäftigt, braucht einfach Zeit und auch Distanz. Gute Literatur braucht Zeit. Es werden sicherlich noch viel mehr Bücher zu diesem Thema erscheinen, aber wahrscheinlich sind wir alle viel zu nah dran, um etwas zu schreiben, dass der Sache gerecht wird. Du siehst ja, wie es in einem solchen thread schon losgeht, weil es da eben auch sehr viel um persönliche Einstellungen und Emotionen geht. Und man will ja eine Geschichte erzählen, eben kein Lehrbuch oder keine Propagandaschrift.

 

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