Schule
Es gongt. Die Klasse ist von Herrn Siebs Gelaber befreit.
Gelangweilt schlendern wir vom dritten in den zweiten Stock. Mathe bei Herrn Daube steht an. Als „Abschreckung vor der komplizierten Welt der Zahlen“ könnte man seinen Unterricht auch bezeichnen. Einer nach dem andern schlurft in den Klassenraum. Der Rest der Fünfminutenpause wird ausgenützt. Einige schreiben noch schnell die Hausaufgaben ab, was ich nicht für nötig halte, denn Herr Daube kontrolliert sie selten. Laurin hat seine Boxen dabei und ein Lied nach dem anderen wird von Handys und Mp3-Playern abgespielt. Obwohl, „Lied“, kann man diese Art von Musik selten noch nennen, meist ist es eher Gebrüll als Gesang, aber solange der Sound stimmt, stört das keinen. Der Rest der Klasse hat sich Grüppchenweise zusammengefunden und redet. Es gongt zum zweiten Mal.
Mit rotem Kopf kommt Herr Daube kurze Zeit später in den Raum. „Ich hab es euch schon mal gesagt“, schimpft er, „Nach dem zweiten Gong hält sich niemand, NIEMAND, mehr auf den Gängen auf!“ Wahrscheinlich hat er ein paar Jungs erwischt, die im Gang noch Fußball gespielt haben. Langsam beruhigt er sich wieder. „Unser Thema ist ‚Bestimmung von linearen Funktionen’“, beginnt er den Unterricht. Leises Stöhnen ist zu hören. Herr Daube erklärt wie man Funktionsgleichungen aufstellt und Steigungen berechnet, doch ich höre schon nicht mehr zu.
In den zwei Stunden Englisch davor hat die Klasse noch geschlafen. Herr Sieb konnte ungestört die Erinnerungen an seine Kindheit in den Unterricht mit einbeziehen. Jetzt wird es aber so langsam lauter.
Mark hat Stöpsel in den Ohren und hört Musik. Ich unterhalte mich mit Svenja, Alex und Nina. Die meisten aus der Klasse gehen ebenfalls anderen Tätigkeiten nach, als die Schaubilder von der Tafel zu zeichnen und sich über seltsame Dinge wie Y-Achsenabschnitt, Streudiagramm und Ausgleichsgerade Gedanken zu machen.
Ein Zettel kommt bei mir an.
„X + Y = Z X= Langweile, Y= Herr Daube, Z= Mathematikunterricht“,
ist darauf zu lesen. Leise kichere ich und stupse Maren an, die eine Reihe vor mir sitzt. Sie dreht sich unauffällig nach hinten und ich drücke ihr den Zettel in die Hand. Ich kann mir denken, wer diese „Gleichung“ geschrieben hat- Johannes.
Langsam aber sicher ist die Höchstlautstärke im Klassenzimmer erreicht. Außer ein, zwei Strebern in der ersten Reihe und den Jungs, die hinten Musik hören, hat jetzt jeder einen Gesprächspartner gefunden. Nun merkt das auch Herr Daube, der bis eben in seine Funktionsgleichungen vertieft war. „Ruhe! RUHE!“, brüllt er, „sonst kommt ihr heute Nachmittag alle zum Nachsitzen!“
Okay, das hat gesessen. Es herrscht Stille in der Klasse. Aus der letzten Reihe kann man leise Musik hören- die Jungs haben nicht bemerkt, was Herr Daube gesagt hat. Rasch beugt Tim sich zu Jonas herüber, zieht ihm die Stöpsel aus den Ohren und deutet auf Herrn Daube, der wieder rot anläuft. Nun haben auch Mark und der Rest der Musik hörenden Jungs bemerkt, was vor sich geht.
„Und ihr, ihr…ihr…kommt heute Mittag zwei Stunden extra“, schreit Herr Daube aufgebracht. Jonas, Mark und die anderen sehen etwas betreten aus. Herr Daube kehrt zu den Funktionsgleichungen zurück. Ein kaum hörbares Aufatmen geht durch die Klasse. „Also, wer von euch kann mir dann sagen, wie man die Regressionsgerade aus Aufgabe 12 zeichnen muss? Jonas?“, fährt unser Mathematiklehrer mit dem Unterricht fort. Er hat wohl die letzte Reihe auf dem Kicker. Die erste Reihe wendet sich wieder den Rechnungen zu- fast alle Streber. Mein Platz ist in der dritten Reihe, sorgfältig ausgewählt. Die erste und zweite Reihe ist für meinen Geschmack zu nah am Lehrer und die letzte Reihe wird von demselben oft zu genau beobachtet.
Da Nina, Alex, Svenja und ich beschlossen haben, unsere Unterhaltung vorerst auf die nächste Pause zu verlegen, beschäftige ich mich mit der Kunst des Tische Bemalens. Ein witziger Smiley, eine Palme und einige Schriftzüge schmücken nach einigen Minuten den Tisch. Ein Vorgänger hat sämtliche Konzerttermine in unserem Umkreis vermerkt. Sehr interessant.
Während ich diese Termine genauer studiere, gongt es- das ging ja schnell.
Große Pause! Wie üblich trifft sich ein großer Teil der Klasse an der bunten Säule vor dem Schultor.
Dort labern wir, machen Blödsinn, hören Musik und denken an alles außer Schule, bis die nächste Stunde beginnt. Auf ein Neues!