Schwarz verbirgt
Seine Lungen sogen kalte Luft ein, sein Rücken schmerzte, und sein Kopf fühlte sich an, als ob jemand ihn mehrmals geschlagen hätte. Er schlug die Augen auf, um sich zu vergewissern, dass er überhaupt noch lebte. Sein Gehirn brauchte, um es herauszufinden. Ja, wahrscheinlich war er am Leben. Mit Gewissheit konnte er das aber nicht sagen, da er keinen blassen Schimmer hatte, was ihn nach seinem Leben erwarten würde. Hoffentlich nicht genau das, was er jetzt wahrnehmen konnte: überall bleierne Schwärze, dazu die spürbar abgenutzten Glieder, und einen Kopf, der nur mühsam seine Aufgaben erfüllte. Einen Moment überlegte er, ob er sich aufsetzen sollte – aber mehr würde er dadurch ja auch nicht sehen...
Er blieb liegen. Die Augen konnte er auch wieder zumachen, hier gab es nichts als Kälte und Dunkelheit.
Wo war er?
Seine Gehirn zeigte ihm Bilder von Tabletten, die ihm gegen seinen Willen in den Mund geschoben wurden. Von Wasser, dass er gegen seinen Willen schluckte. Dann wurde es dunkel.
Gegen seinen Willen. Noch vor einigen Tagen hatte er gedacht, ihn jetzt fast frei ausleben zu können. Jedenfalls bevor diese Idioten von drüben gekommen waren. Nun war der freie Wille für ihn noch mehr eine Illusion als vorher.
Er hatte dieses mal keine Lust gehabt, schon wieder nach deren Pfeife tanzen zu müssen. Keinen anderen drangsalierten sie so wie ihn. Und so war schon vor Wochen die Idee gewachsen, ihnen dieses mal doch etwas entgegen zu setzen. Und so wie es aussah, hatte er bezahlt.
In welches Loch sie ihn gesteckt hatten, konnte er nicht sagen – in der Gegend gab es viele finstere Löcher, aus denen man nicht allein wieder herauskommen konnte.
Er hatte ihnen gesagt, dass er nicht machen würde, worum sie ihn baten. Das er ihnen nicht geben würde, was sie haben wollte.
Er überlegte kurz, bevor er den Entschluss fasste, es das nächste mal wieder genau so zu tun. Eine andere Wahl hatte er auch gar nicht, wenn er verbergen wollte, wie sehr sie sein Handeln manipulieren konnten.
Er drehte sich gerade auf die Seite, um seinen Rücken doch ein wenig zu entlasten, da hörte er ein Geräusch. Etwas wie ein Rascheln. Er richtete sich mit weit geöffneten Augen auf, um wiederholt festzustellen, dass er nichts sehen konnte. Aber die Dunkelheit belastete nicht die Gehörgänge...
"Bist wohl endlich wach?" Eine bekannte Stimme in der unbekannten Dunkelheit.
Er hätte es wissen müssen. Tom war ihm wieder einmal treu ergeben, fast wie ein Hund; niemals würde der sich von seinem besten Freund trennen.
"Tom! Ja ich bin wach. Wo sind wir?" So laut hatte er nicht reden wollen, aber er hatte gar nicht erwartet, dass seine Stimme das auch konnte.
"Ich weiß nicht. Sie haben mir eine Kopfnuss gegeben. Da wurde alles schwarz und jetzt bin ich hier aufgewacht." Das klang logisch. Er überlegte, wie sie an ihrer Lage etwas ändern konnten, doch sein Kopf verhinderte es schmerzend. Sie schwiegen beide eine Weile, Tom schien auch mit seinen Gedanken nicht viel weiter zu kommen.
"Hast du das Dingelchen noch?" Seine Stimme klang, als wäre ihm die Frage nichts Wert; nur wer ihn gut kannte, hörte den neugierigen Unterton.
"Ja klar. Ganz blöd bin ich ja nicht."
"Kannst du es mir geben?"
"Wo bist du?" Ein Rascheln kam näher, direkt auf mich zu.
"Hier." Eine Hand fasste mich an der linken Schulter. Ich schob meine rechte Hand weit hinunter in die Tasche, um das kleine Etwas aus dem Verborgenen zu holen und es Tom in die Hand zu drücken.
"Danke."
"Wieso danke? Du bist mein Freund, du hast es ebenso verdient wie ich. Wir haben es uns zusammen verdient."
Licht flackerte plötzlich auf. Es blendete ihn so sehr, dass er sich die Hand vor die Augen hielt, und lange warten musste, bevor er etwas erkennen konnte. Schließlich konnte er die Hand sinken lassen, und den Raum betrachten, in dem er saß. Die Wände verkleinerten den Raum beträchtlich durch ihre finstere Farbe, die weiße Decke hingegen ließ ihn sehr hoch aussehen. Doch das kümmerte alles recht wenig. Viel wichtiger war, dass noch zwei weitere Leute im Raum waren.
Ein großer mit langen schwarzen Haaren am Lichtschalter. Und ein kleiner blonder direkt neben ihm.
Er schüttelte den Kopf.
"Nein!"
"Doch." Erwiderte Malte.
Eine solche List hätte ihm niemand zugetraut. Auch hatte wohl niemand gewusst, dass er die Stimme von Tom perfekt imitieren konnte. Jetzt aber gab es einen, der es wusste. Und der schämte sich; nicht nur für sich selbst, auch für seine Freunde. Dass gerade er es gewesen war, durch den Malte bekommen hatte, was er so unbedingt haben wollte...
Die Ironie des Schicksals sagten manche dazu. Doch das war ihm jetzt egal.
Er lag wieder auf dem Boden. Mit den Händen über dem Gesicht. Einem vor Schmerz, Scham und Verzweiflung verzerrten Gesicht.