Was ist neu

Selbstdisziplin und Zeitmanagement

Veteran
Seniors
Beitritt
10.07.2007
Beiträge
973

Selbstdisziplin und Zeitmanagement

Ich weiß, das Thema klingt nicht gerade nach Spaß. :)
Die meisten von uns streben nicht danach, hauptberuflich zu schreiben, es ist ein Hobby für uns, und Hobbys sollen vor allem Freude machen.
Trotzdem würde ich das Thema gerne mal diskutieren und ein paar Erfahrungen austauschen, denn ganz ohne Selbstdisziplin kommen wir ja doch nicht aus. Ein Hobbysportler, oder jemand der als Hobby ein Instrument spielt, kommt ums regelmäßige Üben oder Trainieren auch nicht herum. Auf die Dauer macht es einfach keinen Spaß, wenn man keine Fortschritte sieht.
Mit dem Schreiben ist es aus meiner Sicht ganz ähnlich. Im Prinzip finde ich die Idee, eine Art „Trainingsplan“ zu haben, also feste Zeiten, zu denen man schreibt, ganz fantastisch, und auf meinen guten Vorsatzlisten taucht das immer ganz vorne auf. Aber ich kriege es nicht langfristig auf die Reihe.

Meistens passiert mir folgendes: An langen Wochenenden oder in der Urlaubszeit, wenn ich mir explizit vornehme, etwas zu schreiben und reichlich freie Zeit dafür zur Verfügung habe, geht nicht viel. Mag sein, dass ich mir ein paar uninspirierte Absätze rausquetschen kann, aber so richtig befriedigend ist das selten. Wenn ich dagegen total im Stress bin, Überstunden, Dienstreisen, familiäre Verpflichtungen, was weiß ich, und ich Zeit zum Schreiben mit einem Schlafdefizit erkaufen muss – dann kommt plötzlich eine Inspiration daher, so dass ich richtig nervös und kribbelig werde, wenn ich es nicht irgendwie schaffe, die zu Papier zu bringen. Manchmal denke ich, Musen sind ziemliche Arschlöcher. :p

Meine erste Frage ist: Kennt ihr dieses Phänomen auch, und wenn ja, wie geht ihr damit um? Richtet ihr euch feste Zeiten zum Schreiben ein? Wie schafft ihr es, die einzuhalten? Zwingt ihr euch zum Schreiben, wenn euch nicht danach ist, oder wartet ihr auf die Momente, wo die Inspiration euch antreibt?

Meine zweite Frage dreht sich nicht ums Schreiben an sich, sondern ums Überarbeiten. Ich glaube, dafür ist noch viel mehr Selbstdisziplin nötig als für die erste Fassung. Es gibt hier im Forum viele Autoren, die ich in der Hinsicht als Vorbilder betrachte, die ihre Texte sehr intensiv bearbeiten, und wo meistens im Nachhinein eine noch deutlich bessere Fassung herauskommt. Das ist eine Fähigkeit, die ich mir unbedingt aneignen will, ich glaube ich brauche das, um sozusagen die nächste Stufe zu erreichen.

Leider fällt mir dieser Teil sehr schwer. Wenn ich mir die Geschichten anschaue, die ich bis jetzt eingestellt habe, und mit der jeweiligen Originalfassung vergleiche, dann sehe ich oberflächliche Überarbeitungen – Korrektur von Tippfehlern, Verbesserung von Formulierungen, Streichen von einzelnen Sätzen. Das ist natürlich auch schon etwas wert und ich bin auch sehr dankbar für das Forum, weil man selbst diese kleinen Schönheitsfehler nie alle findet, und weil sich viele Leute hier mit ungeheurer Gründlichkeit und sehr sicherem Sprachgefühl durch die Texte arbeiten und einem mit diesen Sachen helfen.
Aber ich weiß auch, dass ich bei mehreren meiner Texte eigentlich tiefgreifendere Überarbeitungen geplant hatte, weil mir die Kommentare ein paar tolle Ideen geliefert haben und weil ich dann besser herausarbeiten könnte, worauf die Geschichte eigentlich hinauslaufen sollte. Aber aus irgendeinem Grund komme ich mit diesen intensiven Überarbeitungen nie voran, und lege die dann irgendwann auf Eis, weil sich neue Ideen in den Vordergrund drängen. Und damit bin ich im Moment furchtbar unzufrieden, weil ich nicht auf dieser Stufe stehen bleiben will. Ich will über das Stadium „schreibt passable erste Fassungen“ hinaus kommen. Ich will gute zweite Fassungen schreiben.

Ich kann auch nicht genau sagen, was mich davon abhält. Geschichten, die ich noch nicht online gestellt habe, arbeite ich oft um, entscheide mich dafür, Handlungsstränge wegzulassen, die Perspektive zu wechseln, etc., also es ist nicht etwa so, dass ich ein grundsätzliches Problem damit hätte, einmal eingeschlagene Wege zu verlassen.
Aber wenn eine Geschichte erst mal gepostet ist, schließe ich irgendwie innerlich damit ab. Dann kann mich eine Kritik zwar immer noch überzeugen, dass es besser möglicherweise wäre, etwas grundlegend zu verändern, aber ich setze es dann nicht um.

Um mich selbst zu erziehen, habe ich mir dieses Jahr auferlegt, dass ich keinen neuen Text poste, bevor ich die letzte Geschichte wie geplant überarbeitet habe. Bis jetzt ist das Ergebnis, dass ich zwei fertige Geschichten auf der Festplatte habe, auf die ich furchtbar gern Feedback hätte, und zwei neue Ideen in Arbeit. Und die alte Story liegt nur herum und starrt mich vorwurfsvoll an, weil ich sie nicht angerührt habe. Und aus Frustration darüber, dass ich eigentlich die anderen Texte posten will, mache ich gleich gar nichts daran. :Pfeif:

Auch da wüsste ich gern, ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben und ob ihr da Wege kennt, euch selbst zu motivieren und größere Überarbeitungen durchzuziehen – möglichst ohne dass dafür neue Ideen auf der Strecke bleiben.

Tut mir leid, dass das so ein langes und selbstmitleidiges erstes Post geworden ist, aber erstens wäre es tröstlich für mich zu wissen, ob es anderen Leuten ähnlich geht, und zweitens hoffe ich auf einen Austausch von Strategien, wie man mit solchen Schwierigkeiten am besten umgeht.

 

Har har har.

Ich bin ein selbsternannter Experte, was Tipps zur Selbstdisziplin und zum Zeitmanagement angeht, leider ist mein Wissen völlig nutzlos. Ich bin einer der undiszipliniertesten Menschen, die ich mir vorstellen kann (und ich habe viel Fantasie) und mein Zeitmanagement ist einfach grauenhaft. Ich war mal bei einem Seminar über Zeitmanagement und kam natürlich zu spät - und seltsamerweise hatte überhaupt keiner Verständnis für mich.

Ich kenn alles, was du da beschreibst. So höre nun das unnütze Wissen:

Im Prinzip finde ich die Idee, eine Art „Trainingsplan“ zu haben, also feste Zeiten, zu denen man schreibt, ganz fantastisch, und auf meinen guten Vorsatzlisten taucht das immer ganz vorne auf. Aber ich kriege es nicht langfristig auf die Reihe.
Genau das ist das Wichtigste. Feste Zeiten, am besten täglich, mindestens aber an den und den Wochentagen, ohne Wenn und Aber, ohne Unterbrechung, keinesfalls ablenken lassen.
Ich krieg das auch nicht hin, siehe mein Mangel an Disziplin. Die Gründe dafür?
Bei mir: Faulheit, Konzentrationsmangel, Willensschwäche und Angst vor Misserfolg. Das mit dem Misserfolg meine ich so, dass mir oft nicht gefällt, was ich da eben geschrieben habe. Dann werde ich unzufrieden mit mir selbst ("In meinem Kopf war die Szene perfekt! Warum liest sich das denn jetzt so scheiße?"). In diese spezielle Sackgasse manövrieren sich aber nur Leute, die Probleme mit Perfektionismus und Selbstzweifeln haben.

Meistens passiert mir folgendes: An langen Wochenenden oder in der Urlaubszeit, wenn ich mir explizit vornehme, etwas zu schreiben und reichlich freie Zeit dafür zur Verfügung habe, geht nicht viel. Mag sein, dass ich mir ein paar uninspirierte Absätze rausquetschen kann, aber so richtig befriedigend ist das selten. Wenn ich dagegen total im Stress bin, Überstunden, Dienstreisen, familiäre Verpflichtungen, was weiß ich, und ich Zeit zum Schreiben mit einem Schlafdefizit erkaufen muss – dann kommt plötzlich eine Inspiration daher, so dass ich richtig nervös und kribbelig werde, wenn ich es nicht irgendwie schaffe, die zu Papier zu bringen. Manchmal denke ich, Musen sind ziemliche Arschlöcher.
Das ist völlig normal so. Mit Musen hat das aber nichts zu tun, deren Existenz wurde auch wissenschaftlich noch nicht bewiesen. ;)
Zwei Sachen:
Selbstverständlich bekommst du mehr Ideen, wenn du Input von außen bekommst. Wenn in deinem Leben viel los ist (und neue Dinge los sind, ungewohnte Dinge los sind, wie z. B. auf einer Dienstreise, oder wenn du nach Jahren wieder mal den Onkel Gustav auf der Hochzeit von Cousine Mathilda ...), kommt dein Gehirn ganz von selbst auf neue Verknüpfungen und Gedanken. Wenn du nur chillig auf dem Sofa liegst, hat dein Hirn eben auch Ferien. Muse und Muße vertragen sich nicht gut.
Das zweite Problem bei zu viel Freizeit ist, dass man dem inneren Schweinehund schneller nachgeben kann. Wenn du die ganze Woche frei hast und Montag läuft es mit dem Schreiben nicht so gut, kannst du es immer noch auf Dienstag verschieben. Und Dienstag ist dann auch nicht so gut, dann verschiebst du es auf Mittwoch. Und Mittwoch hast du aber gar keine Lust, also Donnerstag wird sicher besser. Und so weiter.

Zu deinen anderen Fragen:

Richtet ihr euch feste Zeiten zum Schreiben ein? Wie schafft ihr es, die einzuhalten? Zwingt ihr euch zum Schreiben, wenn euch nicht danach ist, oder wartet ihr auf die Momente, wo die Inspiration euch antreibt?
1. Ich versuche es.
2. Gar nicht.
3. Da kenne ich gegensätzliche Ratschläge. Da habe ich mir sagen lassen "niemals etwas erzwingen wollen, das bringt nichts". Ich kenne aber auch den anderen Ansatz, der da sagt: Wenn du darauf wartest, dass die Inspiration zu dir kommt, kannst du dein ganzes Leben warten ...
Meine Theorie ist, dass sich Inspiration beim Schreiben einstellt, wenn man die festen Schreibzeiten lange genug eingehalten hat. Weil sich der Kopf aus lauter Gewohnheit darauf einstellt. Überprüfen konnte ich meine Theorie bisher nicht, mein längstes tägliches Schreiben in den letzten Jahren habe ich nur etwa eine Woche durchgehalten. Das Inspirationslevel war von Tag zu Tag völlig unterschiedlich, da gab es kein Muster.

Ich will über das Stadium „schreibt passable erste Fassungen“ hinaus kommen. Ich will gute zweite Fassungen schreiben.

Ich kann auch nicht genau sagen, was mich davon abhält. Geschichten, die ich noch nicht online gestellt habe, arbeite ich oft um, entscheide mich dafür, Handlungsstränge wegzulassen, die Perspektive zu wechseln, etc., also es ist nicht etwa so, dass ich ein grundsätzliches Problem damit hätte, einmal eingeschlagene Wege zu verlassen.

Dann bist du über das Stadium der ersten Fassung sowieso längst hinaus. Was du online stellst ist weder die erste noch die zweite Fassung, sondern die zigste. Und es ist völlig okay, wenn man mit dieser Fassung innerlich abschließt.
Wenn man ein Buch auf den Markt schmeißt, kann man das auch nicht mehr umarbeiten, wenn die ersten Leserkritiken auftauchen.
Die Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen, ab wann er mit einer Geschichte hier im Forum abgeschlossen hat. Kleine Schönheitsfehler mag man sicher immer überarbeiten, aber grundlegend umschreiben - das empfiehlt sich wirklich nur für Texte, die Rohbauten sind. Wo die Forumskomms meist lauten "das ist noch keine Geschichte". Von den Autoren, die länger im Forum sind, schreibt keiner mehr so. (Glaube ich.)
Bei so raffinierteren Kritiken wie "der Text wäre besser aus der Perspektive von xxx erzählt", "den zweiten Handlungsstrang solltest du streichen und den Haupthandlungsstrang entsprechend abwandeln" etc., ja, da kann man sich überlegen, ob man den Text nochmal komplett neu schreiben will. Ob einem das was für die Übung bringt, ob man sich so sicher ist, dass die Ideen in dem neuen Gewand viel besser rüberkommen werden. Das kann man sich überlegen. Vielleicht lautet die Antwort darauf aber "nein". Dann behält man die wertvollen Kritiken trotzdem im Hinterkopf und zieht was für die nächste Geschichte daraus. Bei der man sich von vornherein Gedanken macht, aus wessen Perspektive die neue Geschichte am besten erzählt wird usw.

Um mich selbst zu erziehen, habe ich mir dieses Jahr auferlegt, dass ich keinen neuen Text poste, bevor ich die letzte Geschichte wie geplant überarbeitet habe. Bis jetzt ist das Ergebnis, dass ich zwei fertige Geschichten auf der Festplatte habe, auf die ich furchtbar gern Feedback hätte, und zwei neue Ideen in Arbeit. Und die alte Story liegt nur herum und starrt mich vorwurfsvoll an, weil ich sie nicht angerührt habe. Und aus Frustration darüber, dass ich eigentlich die anderen Texte posten will, mache ich gleich gar nichts daran.
Eindeutig: Die letzte Geschichte ist für dich zu Ende. Poste die neuen Texte und gut is ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita, hallo MG!

Ihr beide beschreibt ein Konzept von Disziplin, das sich meiner Erfahrung nach nur für wenige Menschen eignet. Man kann etwas, das man eigentlich nicht tun will, zwar eine Zeitlang mit zusammengebissenen Zähnen tun (und das dann Disziplin nennen), aber auf Dauer wird es wohl nur selten funktionieren.

Disziplin ist eine charakterliche Fähigkeit oder Stärke, die man schrittweise entwickeln muss – so kenne ich es jedenfalls. Wenn Ihr Euch darüber wundert, dass Ihr nicht durchziehen könnt, was Ihr Euch vorgenommen habt, dann liegt das nicht an Euch, sondern an Eurem Konzept von Disziplin.

Das Geheimnis von Disziplin liegt – meiner Ansicht nach – darin, dass man sie sanft, beinahe mühelos entwickeln muss. Dabei geht es um die schrittweise Umformung von Gewohnheiten. Man beginnt damit, etwas zu tun, das nur leicht von den sonstigen Gewohnheiten abweicht. Im Fall des Schreibens könnte man beginnen, jeden Tag einen vernünftig formulierten Satz zu einem beliebigen Thema aufs Papier zu bringen. Das kann man dann allmählich steigern.

Eine andere Frage ist, ob man das tun sollte. Wenn mein Interesse ist, nicht nur für mich, sondern für andere zu schreiben, dann sollte ich lernen, wie man den Leser erreicht. Das ist eine langwierige und mühevolle Aufgabe. Aus meiner Sicht gibt es keine Hobbyautoren. Ich verbinde mit "Hobby" eine zwanglose Freizeitbeschäftigung deren Hauptzweck Entspannung, Spaß, körperliches und seelisches Auflockern ist. Ein Hobby ist nichts Ernstes oder Ernsthaftes. Es geht dabei nur am Rande um Verbesserung, Fortschritt etc.

Dass ich etwas regelmäßig in meiner Freizeit tue, ohne dafür bezahlt zu werden, heißt nicht, dass es ein "Hobby" ist. Kafka arbeitete von 1908 bis 1922 bei einer Versicherung. War er deshalb ein Hobbyautor?

Schreib-Training: Ich schreibe täglich. Schreiben ist Teil meines Lebens. Es kostet mich nur selten Überwindung, sondern ist meist ein Bedürfnis. Es gehört zu meiner Seelenhygiene, Gedanken systematisch zu entwickeln, zu ordnen und niederzuschreiben. Zum Schreibtraining gehört auch das Lesen. Jeden Tag langsam lesen ist eine wichtige Übung, um Sprache tief in sich aufzunehmen.

Das Überarbeiten einer Geschichte geschieht bei mir, während ich sie schreibe. Ich habe mir einen Wechsel von Schreiben und Überarbeiten angewöhnt. Bevor der letzte Satz einer Geschichte oder eines Artikels oder Essays geschrieben ist, habe ich alle bereits geschriebenen Absätze viele Male gelesen und überarbeitet. Eine Geschichte die fertig geschrieben ist, noch einmal komplett zu überarbeiten, lohnt sich nur, wenn die Grundidee wirklich gut war. Besser ist es, einfach was Neues zu beginnen.

Gruß Achillus

 

Hallo Perdita,


Meistens passiert mir folgendes: An langen Wochenenden oder in der Urlaubszeit, wenn ich mir explizit vornehme, etwas zu schreiben und reichlich freie Zeit dafür zur Verfügung habe, geht nicht viel. Mag sein, dass ich mir ein paar uninspirierte Absätze rausquetschen kann, aber so richtig befriedigend ist das selten. Wenn ich dagegen total im Stress bin, Überstunden, Dienstreisen, familiäre Verpflichtungen, was weiß ich, und ich Zeit zum Schreiben mit einem Schlafdefizit erkaufen muss – dann kommt plötzlich eine Inspiration daher, so dass ich richtig nervös und kribbelig werde, wenn ich es nicht irgendwie schaffe, die zu Papier zu bringen. Manchmal denke ich, Musen sind ziemliche Arschlöcher.

Genau so ist es auch bei mir. Habe sogar letztes Jahr eine Woche Urlaub gemacht, um zu schreiben. Dreimal darfste raten, wieviel ich geschrieben habe. :D

Andererseits kommen mir die besten Ideen, wenn ich ein paar Minuten länger als erforderlich unter der Dusche stehe. ;) Also genau das Gegenteil von Stresssituationen. Seltsam.

Ich bin fraglos ohne Disziplin.


Achillus Idee in kleinen Schritten die Disziplin zu steigern, ist vermutlich der einzige Weg und trotzdem neige ich dazu, ihn abzulehnen.
Warum?
Vielleicht befinde ich mich noch zu sehr im Korsett des beruflichen Eingeengtseins. Ich benötige noch diese Portion Freiheit, eine grandios zeitverschwendende Schlampe sein zu dürfen.

Hobby und damit Hobbyautor heißt für mich, dass ich nicht gezwungen bin davon zu leben.

Liebe Perdita, ich habe kein Geheimrezept für dich. Leider.

Lieben Gruß

lakita

 

Guten Abend und danke für eure Rückmeldungen!

Das ist sehr tröstlich, dass es anderen Menschen ähnlich geht wie mir. :)

Möchtegern schrieb:
Selbstverständlich bekommst du mehr Ideen, wenn du Input von außen bekommst. Wenn in deinem Leben viel los ist (und neue Dinge los sind, ungewohnte Dinge los sind, wie z. B. auf einer Dienstreise, oder wenn du nach Jahren wieder mal den Onkel Gustav auf der Hochzeit von Cousine Mathilda ...), kommt dein Gehirn ganz von selbst auf neue Verknüpfungen und Gedanken. Wenn du nur chillig auf dem Sofa liegst, hat dein Hirn eben auch Ferien. Muse und Muße vertragen sich nicht gut.
Das zweite Problem bei zu viel Freizeit ist, dass man dem inneren Schweinehund schneller nachgeben kann.

Danke sehr! Das ist eine sehr einleuchtende Erklärung für dieses Phänomen, warum es mit dem Schreiben ausgerechnet immer dann zu funktionieren scheint, wenn es eigentlich grade zeitlich nicht passt.

Möchtegern schrieb:
Meine Theorie ist, dass sich Inspiration beim Schreiben einstellt, wenn man die festen Schreibzeiten lange genug eingehalten hat.
Ja, genau das habe ich auch immer vermutet, aber mir ist es auch noch nie gelungen, das experimentell zu bestätigen :).

Möchtegern schrieb:
Dann bist du über das Stadium der ersten Fassung sowieso längst hinaus. Was du online stellst ist weder die erste noch die zweite Fassung, sondern die zigste.
Du hast schon recht, das war zugespitzt von mir. "Erste Fassung" nenne ich die erste Version eines Textes, die ich freiwillig anderen zeige.
Natürlich gibt es da meistens einige Vorstufen. Aber ich habe es echt noch nie geschafft, einen Text in dem Stadium anschließend noch zu ändern, von so Schönheitsreparaturen abgesehen. Und das obwohl ich oft nach den Kritiken überzeugt war, ja, da muss noch was gemacht werden, und mir ganz fest vorgenommen hatte, das auch zu tun. Dafür stell ich den Text ja eigentlich hier rein.
Na ja, vielleicht gelingt es mir eines Tages, aber meinen Versuch, mich selbst mit der Methode "Es gibt erst wieder Pudding, wenn das Gemüse aufgegessen ist" zu motivieren, muss ich wohl als gescheitert betrachten. :)

Achillus schrieb:
Ihr beide beschreibt ein Konzept von Disziplin, das sich meiner Erfahrung nach nur für wenige Menschen eignet. Man kann etwas, das man eigentlich nicht tun will, zwar eine Zeitlang mit zusammengebissenen Zähnen tun (und das dann Disziplin nennen), aber auf Dauer wird es wohl nur selten funktionieren.
So wollte ich das nicht verstanden wissen. Ich meine Disziplin nicht im Sinne von "ich muss mich jetzt zwingen jeden Tag joggen zu gehen, weil mir irgendein blödes Magazin eingeredet hat, dass ich fünf Kilo zu viel wiege". Schreiben macht mir von ganz alleine Spaß, aber wenn ich es regelmäßig mache, habe ich das Gefühl, dass es besser funktioniert und mehr dabei heraus kommt. Und deshalb würde ich mir halt unheimlich gern so eine Routine aneignen, was mir bis jetzt aber nie gelungen ist.

Wäre es nur eine Frage davon, jeden Tag eine halbe Stunde Zeit dafür freizuhalten, dann würde es bestimmt gehen, aber es ist ja auch eine Frage des Energiehaushalts - manche Tage sind so anstrengend, dass ich einfach zu müde bin. Und außerdem habe ich das Gefühl, es gibt so eine Art Kreativitätsreserven im Gehirn, und man hat pro Tag nur eine begrenzte Menge davon. Es gibt ein paar Aufgaben im Job, die brauchen die Reserven auf, und an manchen Tagen bleibt fürs Schreiben nichts übrig. Also wenn ich zum Beispiel eine Präsentation mache, dann hat die zwar keinen literarischen Wert, aber ich muss mir trotzdem überlegen, wie ich Informationen aus meinem Kopf in die Köpfe anderer Leute übertrage. Der Prozess ist dem beim Schreiben nicht unähnlich. Jedenfalls hab ich das Gefühl, es bleibt mehr Kreativität übrig, wenn ich tagsüber eher Routinesachen gemacht habe. Und das ist auch ganz schlecht planbar - ich weiß am Anfang einer Woche nicht immer, welche Tage besonders anstrengend werden oder mir besonders viel Kreativität abfordern. Jeden Tag schreiben zu wollen, wäre für mich sowieso unrealistisch, aber es klappt auch nicht, wenn ich mir zum Beispiel sage: Dienstag- und Donnerstagabend wird grundsätzlich geschrieben.

Achillus schrieb:
Im Fall des Schreibens könnte man beginnen, jeden Tag einen vernünftig formulierten Satz zu einem beliebigen Thema aufs Papier zu bringen. Das kann man dann allmählich steigern.
Klingt interessant, aber das halte ich für mich persönlich auch nicht für praktikabel. Wenn ich einmal beim Schreiben bin, höre ich in der Regel erst auf, wenn ein Teil der Geschichte fertig ist, also z.B. eine Szene oder wenigstens ein Dialog. Wenn ich mitten drin aufhöre, hab ich die ganze Zeit das Gefühl, ich könnte irgendwas wichtiges vergessen, und dann liegen überall so kleine Zettel mit Satzfetzen, die ich schnell aufgeschrieben habe, weil ich immer noch an die Geschichte denken muss. :)

Aus meiner Sicht gibt es keine Hobbyautoren. Ich verbinde mit "Hobby" eine zwanglose Freizeitbeschäftigung deren Hauptzweck Entspannung, Spaß, körperliches und seelisches Auflockern ist. Ein Hobby ist nichts Ernstes oder Ernsthaftes.
Entspannung und Spaß schließen doch nicht aus, dass man etwas ernsthaft macht. Wie du dich selbst bezeichnest, ist natürlich deine Sache, aber für mich ist das Wort "Hobbyautor" nichts ehrenrühriges. Wenn ich sage, ich schreibe als Hobby, dann heißt das für mich auch: ich schreibe vor allem für mich, und nicht für irgendeine marktrelevante Zielgruppe. Die Qualität der Ergebnisse und das Urteil von Lesern bedeuten mir natürlich etwas, sonst wäre ich ja nicht hier auf der Seite unterwegs, aber ich will mich nicht danach richten müssen, was sich gut verkauft oder was Verlage glauben, gut verkaufen zu können. Schreiben zu können, ohne davon leben zu müssen, gibt einem viel mehr Freiheit, und ich glaube es macht auch mehr Spaß. Oder zumindest hat dann eine Schreibblockade nicht auch noch den bedrohlichen Aspekt, dass man drüber nachdenken muss, wo die nächste Miete herkommen soll. :)

lakita schrieb:
Liebe Perdita, ich habe kein Geheimrezept für dich. Leider.
Das hätte mich auch sehr gewundert, wenn es so etwas gibt. Eigentlich wollte ich doch nur hören, dass ich nicht der einzige faule Mensch auf der Welt bin :).

Ich denke es gibt schon ein paar Strategien, aber es werden sicher nicht alle Methoden für alle Menschen gleich gut funktionieren.

Auf jeden Fall werde ich mich wohl von meiner Erwartungshaltung verabschieden, ich könnte besonders viel schreiben, wenn ich besonders viel Zeit dafür habe. :)

 

Hallo Perdita,

wenn man der ursprünglichen Wortbedeutung von Hobby folgt, dabei also ein Spielzeug (Steckenpferd) oder eine spielerische Tätigkeit im Auge hat, wird der Unterschied zum ernsthaften Tun deutlich, das eine bestimmte Ausführungsqualität erreichen muss. Etwas als Hobby ausführen bedeutet meist, darin Dilettant sein, was die Qualität betrifft.

Du hast natürlich recht, das ist nicht ehrenrührig. Aber nur, weil ein Hobby primär Spaß machen soll und meist ein Ausgleich für das Berufsleben darstellt. Würde ein Chirurg an seine Tätigkeit mit einer Hobby-Attitüde herangehen, wäre das sicher problematisch.

Selbst wenn wir den Begriff Hobby mal weglassen: Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Tätigkeiten, die man primär ausführt, um Spaß daran zu haben und solchen, in denen man darüber hinaus eine hohe Fertigkeit erlangen will. Der Unterschied liegt dort, wo das schiere Praktizieren der Tätigkeit nicht mehr ausreicht, um besser zu werden. Man muss sich Übungen unterziehen, die sehr häufig nicht mehr wirklich Spaß machen.

Jemand, der etwas als Hobby tut, kann aufhören, wenn ihn die Lust verlässt. Jemand, der eine hohe Fertigkeit oder Fähigkeit entwickeln will, darf das nicht.

So gibt es einen Unterschied zwischen Leuten, die aus Vergnügen schachspielen und solchen, die das Spiel in ihrer Tiefe erforschen und sich quälenden Trainingsdrills unterziehen. So ist es auch beim Schreiben, denke ich.

Wenn Du, Perdita, nur dann schreibst, wenn Du Lust dazu hast, wirst Du ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten, das unter Deinen Möglichkeiten liegt. Jeden Tag eine halbe Stunde schreiben, ist eine sehr gute Übung. Es ist zuerst nicht wichtig, ob Du dabei gut schreibst, denn es geht darum, diese halbe Stunde ohne inneren Widerstand mit dem Schreiben zu verbringen.

Gruß Achillus

 

Hallo Perdita

Der Titel erinnert mich in etwa an Kursangebote für junge Leute, denen der Eindruck erweckt werden soll, dies seien die ersten Sprossen zu einer Manager-Karriere. :D

Ein Autor, der die Absicht hat das Schreiben zum grundlegenden Broterwerb zu machen – was nur den allerwenigsten gelingen wird -, kommt natürlich nicht umhin, seine Arbeitstechnik streng diszipliniert und effizient auszurichten. Es setzt allerdings voraus, dass er die Harmonie zwischen Inspiration, Kreativität und Disziplin aufrechtzuerhalten vermag. Etliche bleiben da wahrscheinlich auf der Ebene eines zeitweiligen Zusatzeinkommens stecken.

Bei Autoren von Unterhaltungsliteratur, die rein aus Freude an einer schöpferischen Tätigkeit in die Tasten greifen, ist Disziplin, insbesondere was die Sprache anbelangt, natürlich auch wichtig. Für ein Zeitmanagement sehe ich da allerdings keinen zwingenden und vernünftigen Grund, ausser jemand will sich an einer Ausschreibung beteiligen.

Deine erste Frage richtete sich auf die ausbleibende Inspiration und Kreativität, wenn du auf Befehl schreiben möchtest. Mich überrascht dies nicht, da es ja einen starken Impuls zu einem Thema braucht. Ist dieser vorhanden, ergibt sich da aus den Gedanken, dem Gedächtnis oder durch Recherchen Material, das sich kreativ zu einer Geschichte formen lässt. Dieser Input muss i. d. R. allerdings bereits vorher eingetreten sein, damit er sich entfalten kann. Ich habe selbst zwar keine Mühe, aufgrund eines Stichworts umgehend eine Geschichte zu verfassen, doch dies ist dann eher ein Übungsstück, das ich mitleidlos der Makulatur überlasse. Wenn jedoch ein starker Impuls auftritt, es mir ein Bedürfnis wird etwas ernsthaft abzufassen, dann ergibt es sich wie von selbst. Allerdings muss dies dann auch innert etwa einem Tag erfolgen, ansonsten verliert mir die Idee an Inspiration. Da ich für die Abfassung eines Rohentwurfs von etwa dreitausend Zeichen durchschnittlich zwei bis drei Stunden benötige, entgeht mir dieser Moment nicht so oft. Vergleichsweise brauche ich für Kommentare von etwa siebenhundert Zeichen den gleichen Zeitaufwand. Dies ist mir ein Zeichen dafür, dass Inspiration eben allein zu fliessen vermag.

Deine zweite Frage bezog sich auf das Überarbeiten. Hier kommen m. E. verschiedene Komponenten zum Tragen. Selbstdisziplin zur Überarbeitung braucht es alleweil, wenn man erkennt, dass es im Stoff logische oder stilistische Mängel hat. Kommen Anregungen von Dritten, die Passagen verändert überzeugend präsentieren, ist es eine Frage der Übereinstimmung mit deiner eigenen Intention. Ist es eine Vertiefung von dem, was du aussagen wolltest, so macht es Sinn dies dahingehend zu überarbeiten. Bleiben die Anregungen auf der Ebene von Stichworten, so kann es durchaus angezeigt sein, nur diese zu ändern und das Ganze auf seine Ausdruckskraft nochmals zu überprüfen. Manchmal wird auch die ganze Abhandlung in Frage gestellt, da braucht es für den Autor ein gewisses Mass an Einschätzungsvermögen, ob das Stück an sich nun schlecht ist oder ob es mit einem andern Aufbau sich gelingend präsentieren würde? Oder ist es einzig eine Frage der Perspektive?
Die Überarbeitung nimmt bei den meisten Autoren den grössten Zeitraum ein. Da ist nicht mehr die Inspiration und Kreativität im Vordergrund, sondern mehr das handwerkliche Geschick gepaart mit Abwägung und Überlegung. Letztlich muss es ja aus Sicht des Schöpfers harmonieren und jene Wirkung beim Leser entfalten, auf die man abzielte.

Übrigens haben etwa Dürrenmatt und Simmel stets täglich ihre acht Stunden vor der Schreibmaschine verbracht. Inwiefern sie dabei jeweils inspiriert waren, dürfte aber nicht von dieser Arbeitshaltung abgehängt haben. Prinzipiell sehe ich keine Kausalität zwischen Disziplin und Kreativität. Wenn dies aber gelingt, so kann es sich durchaus fruchtbar auf das Pensum des Schaffens auswirken.

Arbeitstechniken sind also soweit sinnvoll, wie es jemandem effizientere Leistungen ermöglicht. Da die Individualität - zwar viel geschmäht aber eben doch vorhanden - das letzte Wort hat, sollte man abwägen, inwiefern man solcher bedarf. Mit Zwang ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass sich da Widerstand in Form von Hemmung aufbaut, also die Kreativität kaum beflügelt wird. Die Freude am Geschichtenschreiben dürfte noch immer der beste Wegleiter sein, und wenn es gelingt, diese auch in die Überarbeitung hinüberzuführen, hat man zumindest sein Bestes gegeben. Was darüber hinausgeht, ist kaltschnäuziger Ehrgeiz. :D

Ich denke nicht, dass ich wirklich Neues dazu sagte, aber vielleicht hilft es dir, die Sache etwas differenzierter zu sehen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Achillus und Anakreon (das klingt ja, als würde sich hier die Antike in alphabetischer Reihenfolge versammeln :D)!

Danke für eure ausführlichen Kommentare.

Achillus schrieb:
Etwas als Hobby ausführen bedeutet meist, darin Dilettant sein, was die Qualität betrifft.

Du schränkst die Aussage ja schon selber ein mit dem "meist", aber meine Erfahrung ist, dass das nicht einmal die Mehrheit betrifft. Menschen tun Dinge als Hobby, die sie lieben. Die Qualität ist da weniger wichtig als der Spaß an der Sache, aber das heißt nicht, dass sie grundsätzlich leidet. Ich kenne etliche Leute, die als Hobby malen, kochen, ein Instrument spielen oder eben schreiben, wo es wirklich beleidigend wäre, sie Dilettanten zu nennen. Viele Leute stecken so viel Zeit, Energie und Geld - plus Hingabe, Talent und Ernsthaftigkeit - in ihre Hobbies, dass es mir echt gegen den Strich geht, wenn man das pauschal als minderwertig hinstellt. Denn es ist ja auch nicht so, dass alles, was "professionell" produziert wird, immer mustergültige Qualität hätte. Das ist allerdings ein Nebengleis, was vom Thema wegführt, glaub ich.

Achillus schrieb:
Würde ein Chirurg an seine Tätigkeit mit einer Hobby-Attitüde herangehen, wäre das sicher problematisch.

Nimm's mir nicht übel, aber den Vergleich mit einem Chirurgen find ich total daneben. Ein Chirurg muss zwangsläufig viele Jahre studieren - das ist eine Rieseninvestition von Zeit und Geld, die ausschließt, dass er die Chirurgie nicht ausübt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er wird hoffentlich trotzdem Erfüllung in seinem Beruf finden, aber er hat überhaupt nicht die Wahl, dass als Hobby zu betreiben. Die allermeisten Autoren haben einen anderen Job zum Broterwerb, selbst wenn sie mit ihren Werken ab und zu Geld verdienen.
Und der Chirurg muss immer sein Bestes geben - tut er das nicht, dann ist im schlimmsten Fall ein Patient tot oder leidet lebenslang an den Folgen eines Kunstfehlers. Das Schlimmste, was passieren kann, wenn ein Autor versagt, ist, dass sein Werk den Lesern nicht gefällt. Da liegen Welten dazwischen.
Deshalb hat der Chirurg eine moralische Verpflichtung, seine Fähigkeiten immer weiterzuentwickeln und immer hundert Prozent zu geben. Wenn ich das, was ich schreibe, anderen zu lesen gebe, dann fühle ich mich auch zu gewissen Dingen verpflichtet: die Zeit der Leser nicht mit halbausgegorenen, unfertigen oder formal schlechten Texten zu verschwenden, mich für Kommentare zu bedanken, und selbst auch anderen Feedback zu geben. Aber wenn ich mal nicht hundert Prozent gebe oder mal einen Text in den Sand setze, dann ist das doch nicht damit vergleichbar, jemandem das falsche Bein zu amputieren.

Achillus schrieb:
Wenn Du, Perdita, nur dann schreibst, wenn Du Lust dazu hast, wirst Du ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten, das unter Deinen Möglichkeiten liegt. Jeden Tag eine halbe Stunde schreiben, ist eine sehr gute Übung.
Ja, damit hast du schön auf den Punkt gebracht, warum ich den Thread gestartet habe. :) Dass es wünschenswert wäre, jeden Tag zu schreiben, steht für mich außer Zweifel. Meine Frage ist: Ist es machbar, und wenn ja, wie? Bisher sind meine Versuche in der Richtung nicht erfolgreich gewesen, deshalb wollte ich mal wissen, was andere für Erfahrungen haben.

Anakreon schrieb:
Ein Autor, der die Absicht hat das Schreiben zum grundlegenden Broterwerb zu machen – was nur den allerwenigsten gelingen wird -, kommt natürlich nicht umhin, seine Arbeitstechnik streng diszipliniert und effizient auszurichten.

Ja, deshalb glaube ich auch gar nicht, dass das ein Traumjob ist. Ich habe vor einiger Zeit mal ein Interview gelesen mit einer Autorin, die solche Frauen- und Arztromane schrieb für diese Heftchen, die es in Bahnhofskiosken gibt. Das war eine ganz patente und sympatische Frau, aber was sie als ihren Arbeitsalltag beschrieben hat, war richtige Fließbandarbeit. Da ist überhaupt kein Raum dafür, an einem schlechten Tag mal auszusetzen und zu warten, bis man sich inspiriert fühlt, da gibt es knallharte Deadlines und ein Minimum an Wörtern, das man pro Tag schaffen muss. Und mit der Kreativität ist es auch nicht sehr weit her - es gibt auch ganz klare Vorschriften, was in diesen Romanen vorkommen muss - und was auf keinen Fall vorkommen darf. Das soll überhaupt kein Werturteil sein über Leute, die solche Heftchen lesen oder diejenigen, die mit dem Schreiben dieser Sachen ihr Geld verdienen, aber ich glaube für mich wäre das der sicherste Weg, um eine Abneigung gegen das Schreiben zu entwickeln. :)

Anakreon schrieb:
Bei Autoren von Unterhaltungsliteratur, die rein aus Freude an einer schöpferischen Tätigkeit in die Tasten greifen, ist Disziplin, insbesondere was die Sprache anbelangt, natürlich auch wichtig. Für ein Zeitmanagement sehe ich da allerdings keinen zwingenden und vernünftigen Grund, ausser jemand will sich an einer Ausschreibung beteiligen.
Ich meine mit Zeitmanagement ja nicht unbedingt, dass ich den Output maximieren will. Wenn ich pro Jahr drei oder vier Geschichten fertig schreibe, ist das bei mir schon viel, und ich finde das auch okay. Aber ich suche immer nach Möglichkeiten, wie ich das Schreiben in den Alltag integriere, ohne dass dabei Schlaf oder Haushalt und solche Sachen auf der Strecke bleiben. Zum Beispiel finde ich es theoretisch ganz toll, jeden Tag eine Stunde eher aufzustehen und dann zu schreiben. Dann hat man den Kopf noch frei und ist noch nicht von der Arbeit erschöpft ... aber in der praktischen Umsetzung scheitert diese tolle Idee immer wieder daran, dass Wecker eine Snooze-Funktion haben :D.

Anakreon schrieb:
Allerdings muss dies dann auch innert etwa einem Tag erfolgen, ansonsten verliert mir die Idee an Inspiration.
Das ging mir früher auch so, aber das habe ich zum Glück jetzt in den Griff gekriegt. Wenn mir eine Idee kommt, die ich für gut halte, schreibe ich mir sie mir auf - dafür nehme ich jetzt grundsätzlich immer ein Notizbuch mit - und in der Regel kann ich dann auch Wochen später mit dem Schreiben der eigentlichen Geschichte anfangen, denn wenn ich die Notizen lese, fühle ich mich dann meistens wieder inspiriert. Wenn nicht, war die Idee vielleicht auch nicht so gut, wie ich dachte :)

Anakreon schrieb:
Arbeitstechniken sind also soweit sinnvoll, wie es jemandem effizientere Leistungen ermöglicht. Da die Individualität - zwar viel geschmäht aber eben doch vorhanden - das letzte Wort hat, sollte man abwägen, inwiefern man solcher bedarf.

Den Eindruck habe ich auch - es gibt wahrscheinlich (leider) keine Techniken, die für jeden Menschen gleich gut funktionieren. Auch bei den professionellen Autoren scheint es sehr unterschiedliche Typen zu geben. Es gibt die, die jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen und dann acht Stunden lang schreiben, aber es muss wohl auch die geben, die zum Prokrastinieren neigen. Von Douglas Adams habe ich mal gelesen, dass sein Verleger ihn in einem Hotelzimmer einschließen musste, damit er ein Buch fertiggeschrieben hat. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Erfahrung hat gezeigt, der beste Weg, um zu schreiben und produktiv zu sein, ist es, wenn man sich vom Schreiben abhängig macht und davon leben muss.

Job kündigen, und irgendwie mit dem Schreiben 800 Euro im Monat verdienen - sonst gibt es einen Monat nur Maccaroni - das motiviert. Am besten noch große Summen Geld leihen und jedem im Umfeld erzählen, man schreibe am Roman. (Dieser furchtbare Nanowrimo ist nichts anderes als ein kollektiver Gruppenzwang für sowas).

Ansonsten ... Das sind Luxusprobleme. Prokrastination - da irgendwie versuchen, sich selbst auszutricksen mit irgendwas - klar, geht das. Internet zu Hause kappen, Fernsehen abbestellen, rausfinden, was die Zeitkiller sind und die eliminieren, und dann schreiben, weil man halt nichts anderes zu tun hat.
Diese ganzen Politiker und Firmenchefs, die aus ihrem Job gehen, und 12 Stunden Arbeitstage gewohnt sind, die hauen kurz danach immer gleich ihre Memoiren raus. Die füllen da ihren Tag irgendwie aus, das bewahrt die davor in so ein Zeitloch zu fallen.


Kannst dich ja wirklich einschließen lassen. Ich denke, wenn ich im Knast säße, bekäme ich 2 Romane im Jahr hin. Internetforen, Internetchats, Wäsche waschen, Gardinen abhängen - wenn du halt eine knallharte Kosten/Nutzen-Rechnung aufstellst, ist alles Zeitverschwendung. Die Leute sagen immer "Ich hab keine Zeit, ich hab keine Zeit" - ich weiß nicht, was die alle machen. Gut, wenn man Kinder hat und alleinerziehend ist - aber das ist ja eine große Ironie unserer Zeit, dass ständig alles schneller geht und zeiteffizienter ist, aber dass niemand mehr Zeit hat. Wenn man dann wen fragt, heißt es: es geht jetzt nicht, ich bin nur noch dazu in der Lage, im Internet rumzulabern und Fernsehen zu gucken, für mehr reicht es nicht.

Du sagst "kreative Energie verbraucht" - also ... das ist halt auch ein innerer Schweinehund, das kann man immer sagen. Im Prinzip gehört es zu jeder Art von selbstbestimmter Tätigkeit dazu, ein Stück weit hart gegen sich selbst zu sein. Wenn man auf den "perfect storm" wartet, dann wird man nie was hinkriegen. Gibt ja auch den Satz: Art never gets finished, only abandonded.


Ich hab da auch Geschichten gehört, weil Autoren oft das Problem haben, dass sie "halt daheim" sind und jeder denkt, die arbeiten nie, und dann werden die ständig belagert. Also manche haben sich da ein Büro gemietet, gehen da jeden Tag acht Stunden hin und schreiben halt. Andere lassen sich von reichen Gönner auf großzügige Sommerhäuser einladen - und in Deutschland diese Stipendien - Leuchtturmwärter oder so, das ist ja nichts anderes.
Also das hört sich alles so launig an, aber klar ist Isolation seit Ewigkeiten schon ein bewährtes Mittel, um sich zum Schreiben zu zwingen.

So praktikable Tipps, die allein im Kopf stattfinden und keine negativen Auswirkungen haben, gehen dann so in Richtung "Einstellung ändern", "visualisieren", "kleine Ziele setzen", "Motivation schaffen" - das können auch durchaus ganz niedrige Motive sein. Dass man es wem zeigen will, dass man wen beeindrucken möchte - was weiß ich.

Du kannst auch ein Schreibtagebuch führen und wenn du dein Soll schaffst, gönnst du dir eine vorher ausgemachte Belohnung, und wenn du es nicht schaffst, dann nicht.
Aber das ist wie mit Silvestervorhaben, man sollte sich das so weit stecken, dass es auch okay ist, es 2mal zu verpassen, sonst sagt man nämlich: jetzt hab ich's eh schon verkackt, jetzt kann ich's auch ganz lassen.

Im Prinzip musst du halt deine innere Einstellung zum schreiben ändern, von "Nur wenn ich Lust hab und es Spaß macht und es gut läuft" zu "Nur so erreiche ich Ziel X und Ziel X wird mich für alle Strapazen entschädigen".

Ich gehör auch zu den Leuten, die am liebsten gerade einen Text fertig haben, mir macht zwar oft das Schreiben selbst Spaß, aber diesen Moment zu gehen von "Ich müsste weiterschreiben" zu "Ich mach Word auf" - das braucht jedesmal Energie. Ist halt so - irgendwas braucht man da als Ziel und ich denke das ist nichts "Ideelles" oder hehres.

Klar kann es dann 8 Millimeter helfen, wenn man ein besonders Zenmäßiges Word hat oder wenn Word oben links am Desktop oder wenn ätherische Musik kommt, jedesmal, wenn man auf das Icon drückt, oder so ... aber - ich find da wird echt viel Geschiss drum gemacht. :) Typ, den ich kannte, hat mal erzählt, er hat einen ganzen Roman nur mit der Musik einer bestimmten Sängerin im Ohr geschrieben, um diesen Rhythmus zu haben, das war am Anfang noch ganz spannend. nach 20 Stunden ist er fast irre geworden, weil die CD halt auf Dauer-Repeat war. Schiller soll eine Schublade mit verfaulten Äpfel neben sich gehabt haben, und jedesmal, wenn er daran roch, war er aufs Schreiben eingestellt. So wie Sylvester Stallone in Over the top immer die Kappe umdreht. Das kann bestimmt helfen, das Schreiben so total durchzuritualisieren.
Wonderboys - wunderbarer Film über die Schreibblockade. Mit seinem lila Bandemantel.

Wenn man irgendwie Musiker ist oder Regisseur und dann hast du ein Studio gemietet und jede Stunde, in der du nichts machst, kostet dich x Tausend Euro - da bist du halt motiviert. Als unveröffentlichter Autor hast du den Druck nicht. Den hast du dann erst, wenn jemand auf dein Buch wartet. Ich hab das auch von Autoren gehört, die so im Trott sind. Dann heißt es: Ich muss, ich hab den Herbst-Slot. Und wenn ich den dieses Jahr nicht schaffe, ist er nächstes Jahr weg. Da hast du halt diese finanzielle Karotte des Selbstständigen. Wenn ich nichts arbeite, krieg ich auch kein Geld. Vielleicht muss man das irgendwie simulieren.

Oder, was ich halt empfehlen kann, du bist total ehrlich mit dir, fragst dich, was dein innerster Antrieb ist, zu schreiben. Das sollte was sein, von dem es dir furchtbar peinlich ist, es in der Öffentlichkeit zuzugeben. Und dann visualisierst das und strebst es an. Das hat doch was.

Ich glaube viele Autoren schreiben aus total destruktiven Motiven und sind unheimlich produktiv. Ich find das gut.


Was auffällt: Es werden oft die Leute produktive Autoren, die eine komplett "matter-of-fact"-Einstellung zum Schreiben haben. Es sind viele ehemalige Werbetexter oder Selbstständige darunter, die genau wissen, wie man sich halt selbst motiviert, wenn man sein eigener Chef ist.

Ich fürchte - wenn man ein total verkopfter Typ ist, dann schafft man es nicht, sich selbst mit irgendwelchen Tricks auszutricksen, von denen man weiß, dass es Tricks ist und bei denen man immer denkt: Das ist nur ein Trick.

 

Moin Perdita,
theoretisch kann ich wenig zum Thema beitragen, aber ein paar Erfahrungen vom eigenen Schreiben schon.

Ich schreibe erst seit etwas über vier Jahren und das eigentlich schwierige bestand für mich als Quereinsteiger definitiv darin, die Texte zu korrigieren, sprich: einen Weg zu finden, meine eigenen Fehler zu erkennen und sie dann – egal wie radikal es sein musste – zu ändern und zweites die Korrekturenvorschläge von außen aufzunehmen, sie positiv zu verarbeiten und mich so weiterzuentwickeln.
Am Anfang habe ich nur geschrieben und mich nicht um irgendwas danach gekümmert (nicht einmal einen Gedanken an Veröffentlichung gehabt) und heute geht mindestens die Hälfte der Zeit für Korrekturen jeglicher Art drauf. Das ist letztlich scheiß viel Arbeit und verlangt irre Konzentration und auch wahnsinnige Disziplin. Keine Ahnung, wie ich das immer wieder durchhalte. Da muss wohl jeder seinen eigenen Weg finden.

Nur eins ist mir schnell klar geworden: Wenn ich die Sachen nach außen geben will (egal wie) muss ich mich genau auf diese Arbeit einlassen (und lernen, mit Korrektur umzugehen) oder die Seiten halt in meiner Schublade verschwinden lassen.

Herzlichst Heiner

 

Guten Abend Quinn und heiner,

danke für eure Kommentare.

Quinn schrieb:
Das sind Luxusprobleme.
Ja, natürlich. Ich weiß, ich hab hier ziemlich rumgejammert, aber ich wollte nicht den Anschein erwecken, das wären ganz schwerwiegende Probleme. Nur, wenn so viele Leute auf einem Haufen sind, die sich mit ähnlichen Dingen auseinandersetzen, und vielleicht eine Luxuslösung für mein Luxusproblem haben, wär es doch blöd, da nicht danach zu fragen. :)

Quinn schrieb:
Die Leute sagen immer "Ich hab keine Zeit, ich hab keine Zeit" - ich weiß nicht, was die alle machen. Gut, wenn man Kinder hat und alleinerziehend ist - aber das ist ja eine große Ironie unserer Zeit, dass ständig alles schneller geht und zeiteffizienter ist, aber dass niemand mehr Zeit hat. Wenn man dann wen fragt, heißt es: es geht jetzt nicht, ich bin nur noch dazu in der Lage, im Internet rumzulabern und Fernsehen zu gucken, für mehr reicht es nicht.
Das kenn ich von mir. Ende letzten Jahres habe ich bei meiner alten Stelle aufgehört, und dann hat es bis Juni gedauert, bis ich eine neue hatte. Also hatte ich fünf Monate lang theoretisch richtig viel Zeit. Aber in denen habe ich viel, viel weniger geschafft als sonst. Nicht nur beim Schreiben, sondern überhaupt. Das kann noch damit zusammenhängen, dass ich mich in der alten Stelle ziemlich nah an einen Burnout rangearbeitet hatte, aber vor allem hing es damit zusammen, dass ich ganz groß darin bin, Zeit im Internet zu verschwenden. Und je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto mehr verschwende ich auch. Deshalb wär die Option, mich vom Schreiben finanziell abhängig zu machen, auch gefährlich für mich. :)

Quinn schrieb:
Oder, was ich halt empfehlen kann, du bist total ehrlich mit dir, fragst dich, was dein innerster Antrieb ist, zu schreiben. Das sollte was sein, von dem es dir furchtbar peinlich ist, es in der Öffentlichkeit zuzugeben. Und dann visualisierst das und strebst es an. Das hat doch was.

Ich glaube viele Autoren schreiben aus total destruktiven Motiven und sind unheimlich produktiv. Ich find das gut.

Das ist spannend. Da muss ich mal drüber nachdenken. Ich glaube, Eitelkeit. Ist mir aber nicht allzu peinlich, also ist es vielleicht noch nicht das wahre Motiv. :)

Quinn schrieb:
Ich fürchte - wenn man ein total verkopfter Typ ist, dann schafft man es nicht, sich selbst mit irgendwelchen Tricks auszutricksen, von denen man weiß, dass es Tricks ist und bei denen man immer denkt: Das ist nur ein Trick.
Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem man sich selbst nicht kitzeln kann. :)

Es hilft, wenn andere Leute das machen. Das ist natürlich eine total undankbare Aufgabe, so faule Prokrastinierer in den Hintern zu treten, besonders wenn man nicht deren Verleger ist und daran was verdient.

Aber ich habe festgestellt, dass es mir anscheinend hilft, hier darüber zu reden. Gestern hab ich geschrieben - zwar mitten in der Nacht, das war nicht ganz optimal für den Start in die Woche, aber immerhin - und heute auch. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das länger anhält und vor allem nicht ob es sich auch aufs Überarbeiten erstreckt, also juble ich mal noch nicht zu laut. Aber die Diskussion macht eben deutlich, dass es an mir liegt, und dass ich mich selber am Riemen reißen muss, wenn ich regelmäßiger schreiben will. Ich habe immer ganz tolle Ausreden für mich, aber wenn ich die hier hinschreibe, merke ich selbst, dass es Ausreden sind. :)

heiner schrieb:
Das ist letztlich scheiß viel Arbeit und verlangt irre Konzentration und auch wahnsinnige Disziplin. Keine Ahnung, wie ich das immer wieder durchhalte.
Ja, auf jeden Fall, exponentiell mehr Arbeit als das reine Hinschreiben. Die quasi "mechanischen" Arbeitsgänge - Rechtschreibung, Füllwörter suchen, Adjektive killen - die fressen zwar auch Zeit, aber dazu muss ich mich nicht groß überwinden.
Aber inhaltliche Sachen zu ändern ist ganz schlimm. Und was mich ärgert, ist dass das so völlig irrational ist bei mir - es ist ja nicht so, als würde die alte Fassung verschwinden, wenn man das nicht will, ich kann mir ja hunderte von Versionen abspeichern, wenn es mir Spaß macht. Und wenn mir hinterher die alte Fassung doch besser gefällt, dann kommt halt die Änderung in die Schublade. Und trotzdem fühlt sich das immer an wie zum Zahnarzt gehen, wenn ich Sachen streichen oder umschreiben muss.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom