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Thema des Monats Spätes Wiedersehen

Seniors
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04.08.2001
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Spätes Wiedersehen

War Einar glücklich hier draußen, weit ab von jeder menschlichen Behausung? Oft genug lag er in seiner Pritsche und dachte darüber nach. Und kam fast immer zu dem Ergebnis, dass er wenigstens nicht unglücklich war. Schon mal ein guter Anfang, meinte er, und wahrscheinlich mehr, als viele Menschen von sich sagen konnten.
Er war beim Kartoffeln Racken in seinem kleinen Garten vor der Hütte. Die letzten für dieses Jahr, die Ernte war mies gewesen.
Zuerst hörte er es rascheln, dann, als er sich aufrichtete, sah er die verlotterte Gestalt aus dem Wald herauskommen.
Einar stützte sich auf die Hacke und beobachtete, wie der Mann langsam auf sein Haus zukam.
„Haben Sie sich verlaufen, Mann?“, rief er ihm entgegen, doch der Andere reagierte nicht. Er war mit einem billigen Jogginganzug bekleidet, der vor Schmutz starrte. Als er näher kam, erkannte Einar, dass er frisch rasiert war.
Der Mann blieb stehen und blickte ihn an.
„Die nächste Ansiedlung ist vierzig Kilometer entfernt.“ Einar legte die Hacke ab und ging hinüber. „Ich weiß nicht, was Sie suchen, aber ich glaube nicht, dass Sie es hier finden werden.“
Der Mann sagte ruhig: „Ich suche dich.“
Und dann erkannte Einar ihn.
„Haake?“, fragte er, während er seine Hände an den Hosen abwischte. „Haake Dreenkrögen. Verdammt, was machst du denn hier draußen?“
Haake Dreenkrögen! Wie lange hatte er den nicht mehr gesehen? Es musste Jahrzehnte her sein, seit sie sich aus den Augen verloren hatten.
Er ging auf ihn zu und wollte ihm die Hand schütteln, aber Dreenkrögen stand nur da, ließ die Arme schlaff herabhängen und lächelte müde. Er hatte sich verändert, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Endlich griff er Einars Hand und schüttelte sie kurz.
Der Haake Dreenkrögen, den Einar kannte, hätte zugepackt und ihn mit kräftigem Druck begrüßt. Jetzt lag seine Hand schlaff in Einars, als wäre sie ein toter Fisch.
„Was treibt dich hierher“, fragte Einar. Er wandte sich zu seinem Garten, um die Hacke und die paar Kartoffeln einzusammeln und beiseite zu räumen. „Ich meine, du kannst mir nicht erzählen, dass du grad in der Nähe warst, und dir gedacht hast, mal reinzuschauen.“
Er lachte unsicher und klopfte sich die Hosen ab. Dreenkrögen blickte sich um und sagte leise: „Schön hast du’s hier.“
„Hm. Lass uns reingehen. Ein Blick zur Sonne sagt mir, dass es gute Zeit für ein Bier ist.“

„Du wohnst ganz allein hier?“
Einar hatte Dreenkrögens Stimme lauter in Erinnerung, eindringlicher. Zumindest aber fester.
„Na ja. Die meiste Zeit jedenfalls.“
Er hatte ihn mit Sachen aus seinem Schrank ausgestattet. Früher war Einar dünner gewesen, doch mittlerweile hatten sie beide sich kleidergrößenmäßig angepasst.
Dreenkrögen saß mit einem heißen Tee auf dem abgewetzten Sofa, Einar hatte sich ein Bier aufgemacht und betrachtete ihn misstrauisch.
„Niemand läuft vierzig Kilometer durch den Wald, um einen ehemaligen Klassenkameraden zu treffen. Was treibt dich her, Haake?“
Dreenkrögen sah sich um. Er machte eine gute Figur in den Freizeithosen und dem Rollkragenpulli. Zumindest eine bessere als Einar.
„Wo kriegst du Strom her, hier draußen?“; fragte er mit Blick auf die schummrige Stehlampe in der Ecke.
„Generator“, erwiderte Einar. „Draußen in der Garage.“
„Ein Auto hast du auch?“
„Natürlich. Soll ich mit dem Fahrrad einkaufen fahren?“
Er stand auf und ging in die Küche. „Hast du Hunger?“, rief er, wartete aber keine Antwort ab, sondern trug Brot, Wurst und Käse ins Wohnzimmer. „Natürlich hast du Hunger.“
Als sie gegessen hatten und Einar sich noch ein Bier geholt hatte, fragte er noch einmal: „Was treibt dich hier raus, Haake? Wir haben seit mindestens zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr, wir hatten damals in der Schule kaum miteinander zu tun. Also, was willst du von mir?“
Dreenkrögen atmete durch. Irgendetwas stimmte mit seinen Augen nicht, aber Einar konnte nicht fassen, was es war.
„Es ist nicht alles rund gelaufen in meinem Leben.“
„Da habe ich anderes gehört.“ Wie Einar zu Ohren gekommen war, hatte Dreenkrögen keine schlechte Karriere hingelegt. Er bekleidete jetzt den Posten eines Staatsministers im Gesundheitsressort.
Dreenkrögen blickte ihn an, und jetzt sah Einar, was falsch war. In seinen Augen schwammen kleine Schatten, die sich scheinbar frei bewegen konnten.
„In letzter Zeit, meine ich.“ Dreenkrögen sah aus dem Fenster und als er sich wieder zu Einar wandte, erkannte der, dass er sich geirrt hatte.
„Was soll das heißen, Karriereknick? So was in der Art?“
„Nichts mit der Arbeit, nein.“
„Willst du noch Tee?“ Einar stand auf und wollte in die Küche gehen.
„Es ist …“, begann Dreenkrögen leise. „Ist es normal, wenn man die Hälfte seines Lebens vergisst?“
„Was?“
Einar kam langsam zurück. „Was hast du gesagt?“
„Ich meine, mir sind Teile meiner Erinnerungen verloren gegangen.“
„Einfach so?“
Dreenkrögen saß jetzt da wie ein kleiner Junge. Dabei war er in der Schule immer so stark gewesen.
„Ich hab’ so was nie für möglich gehalten.“, sagte er. „Ich dachte, ich hätte mein Leben im Griff.“
Einar lachte auf. „Das dachte ich bei mir auch.“ Er setzte sich wieder. „Aber was willst du dann bei mir?“
„Du sollst mir helfen.“
Einar trank sein Bier aus. Er lachte noch einmal bitter auf und sagte dann: „Ich lebe nicht umsonst am Ende der Welt, Haake. Wie sollte ich dir helfen können?“
„Du sollst mir die Erinnerung an unsere gemeinsamen Jahre zurückgeben.“

Später am Abend, Einar war ein bisschen betrunken vom Bier, fragte Dreenkrögen: „Mein Handy funktioniert nicht, der Akku ist leer. Kann ich dein Telefon benutzen?“
Einar hatte für ihn ein Zimmer in der kleinen Hütte hergerichtet, hatte ihm Sachen hingelegt und Toilettenartikel. Dreenkrögen hatte nicht einmal eine Zahnbürste dabei.
„Kein Telefon“, rief er fröhlich von seiner Couch. Dreenkrögen stand in der Tür und schaute ihn fassungslos an. „Soll das heißen, du hast hier in der Einöde kein Telefon?“
„Jep.“ Er würde ihm von dem Plumpsklo draußen erzählen müssen und davon, dass er mit dem Wasser sparsam würde umgehen müssen.
„Das ist …ungewöhnlich. Hast du wenigstens Internet?“
Einar schüttelte den Kopf. „Wir sind hier quasi von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Fernsehen, nicht mal Radio. Der dritte Weltkrieg könnte beginnen, ich krieg hier nichts mit.“
„In der Tat.“ Dreenkrögen dachte nach. „Andererseits bekommt die Welt da draußen auch nicht mit, wenn dir etwas zustößt.“
Einar hievte sich vom Sofa und holte sich aus der Küche ein neues Bier.

Er schlief unruhig in dieser Nacht, mehrere Male schreckte er hoch und lauschte in die Dunkelheit. Er hatte gemeint, Geräusche zu hören.
Die Morgentoilette war schwierig, Wasser musste gespart werden, und Einar hatte sich schon lange abgewöhnt, sich warm zu waschen.
„Wie lange machst du das hier schon?“, fragte Dreenkrögen, als er mit nassen Haaren und einem Handtuch über der Schulter in die Küche kam. Er sah schon viel besser aus als gestern Abend.
„Was meinst du, Kaffee kochen?“
„Wie lange wohnst du schon in dieser Wildnis?“
Einar drückte ihm das vollgestellte Tablett in die Hand. „Hier, bring das ins Wohnzimmer! Du kannst froh sein, ich habe noch ein zweites Gedeck gefunden.“
Dreenkrögen ging hinaus und deckte den Tisch. Das Frühstück würde mager ausfallen.
Einar rief aus der Küche: „Es gehört eigentlich Gunnar Tetjen, der mich hin und wieder besucht.“ Es klapperte. „Du müsstest ihn kennen, er ging auch auf unsere Schule, damals.“
Dreenkrögen brummte, was Zustimmung bedeuten konnte.
Einar streckte den Kopf herein. „Oder hast du das auch vergessen?“
Als sie frühstückten – Kaffee war vorhanden, Brot und Butter, dazu Salami und etwas Käse – hakte Dreenkrögen noch einmal nach. „Wieso zieht ein Mensch wie du hier heraus, in die Leere? Ich würde es keine zwei Tage allein aushalten.“
Einar trank seinen Kaffee aus und steckte sich eine Zigarette an.
Als Dreenkrögen ihn finster anblickte, entschuldigte er sich: „Ja, ja. Ich trinke und ich rauche. Dafür habe ich garantiert nichts mit Frauen.“ Er lachte gequält.
„Bist du deshalb hier rausgezogen?“, fragte er.
„Ach, Scheiße!“ Einar winkte ab. Er stand auf und ging zum Fenster. „Was soll die Fragerei, bist du mein Therapeut?“
Das Wetter ließ einen schönen Spätsommertag erhoffen. Einar drehte sich um und lächelte.
„Ich glaube, heute Nachmittag können wir einen kleinen Spaziergang unternehmen.“

Vormittags arbeitete Einar, er zog sich in sein Zimmer zurück und schrieb.
„Bist du Schriftsteller?“, fragte Dreenkrögen zum Mittag. Er aß eine Kleinigkeit, Einar trank einen Kaffee und rauchte. „Ich muss gestehen, ich hab noch nichts von dir gelesen.“
Einar drückte die Zigarette aus, stand auf und verließ wortlos das Zimmer. Er kam zurück mit einem Packen Hefte unter dem Arm, die er auf den Tisch warf.
Es waren Groschenromane, mit schreienden Coverbildern und absurden Titeln.
„Horror, Science Fiction, Fantasy. Was du willst“, sagte Einar.
Dreenkrögen griff sich ein Heftchen. „Im Todesmoor der Satansjünger“. Eine halbnackte Blondine, die von Männern mit schwarzen Kapuzenmasken bedroht wurde.
„Damit kann man Geld verdienen?“, fragte Dreenkrögen.
„Man kann davon leben. Wenn man sich einschränkt.“
„Ich habe mich nie gefragt, was das für Leute sind, die so etwas schreiben“, meinte Dreenkrögen, während er das Heftchen durchblätterte.
Am Nachmittag brachen sie auf zu einer Wanderung durch den Wald.
„Ich hatte mal überlegt, mir einen Hund zuzulegen“, sagte Einar, während sie die Hütte verließen.
„Schließt du nicht ab?“, fragte Dreenkrögen.
Einar warf ihm einen Blick zu. „Selten, dass ein Wolf versucht hat einzubrechen.“
Er holte aus einem kleinen Schuppen nebenan zwei Körbe hervor und fuhr fort: „Es gab eine Zeit, da hätte ich höchstens einen Hund an meiner Seite geduldet.“
Er drückte Dreenkrögen einen Korb in die Hand und stiefelte voraus.
„Manchmal können Menschen das größte Übel sein“, dozierte er, während Dreenkrögen hinter ihm herlief. Dann drehte er sich plötzlich um: „Weißt du, dass es in der Natur kaum einen Ort gibt, an dem es wirklich still ist?“
„Was soll ich mit dem Korb?“
Einar wusste, wo viele Pilze standen. Zumindest sagte er das.
„Ich verstehe das nicht“, meinte er und kratzte sich am Kopf. Sie waren in einen Kiefernwald gelaufen, ein ganzes Stückweit, und standen nun auf einer kleinen Lichtung, die von einer wärmenden Herbstsonne beschienen wurde. „Ich war vor zwei Wochen das letzte Mal hier. Die ganze Wiese müsste übersät sein mit Pfifferlingen.“
Ratlos lief er hin und her, bis er sich auf einem umgestürzten Baum niederließ und den Schweiß von seiner Stirn wischte. Er sah Dreenkrögen an und lächelte unsicher.
Dreenkrögen hielt seinen Korb leicht in die Höhe und Einar sagte unglücklich: „Tja.“
Sie gingen tiefer in den Wald hinein, doch sie fanden nicht einen Pilz.
Nur das Wetter schien ihnen einen Gefallen tun zu wollen. Die Luft war angenehm warm und die Kiefern verströmten ihr Aroma. Mücken surrten und Spinnen hatten ihre Netze gespannt.
Äste knackten unter ihren Schritten, als Dreenkrögen fragte: „Müssten wir nicht umkehren, um vor Sonnenuntergang zurück zu sein?“
Einar sah ihn belustigt an. „Früher warst du nicht so ängstlich.“
Er machte einige Schritte auf ein Gebüsch zu, weil er meinte, einen Pilz entdeckt zu haben. Doch er hatte sich geirrt.
„Wie war ich denn früher?“, fragte Dreenkrögen. Er schien nicht interessiert an Pilzen. Auch ihr scheinbar vollständiges Fehlen schien ihn nicht zu stören.
„Du warst ein Arschloch.“
„Ein Arschloch?“ Er war ungerührt. „Wie meinst du das?“
Einar verfing sich in einem Netz, in dem eine Spinne zwischen zwei Bäumen auf Opfer gelauert hatte. Mit wilden Bewegungen versuchte er das Geflecht aus seinem Gesicht und von den Haaren zu streichen.
„Nun ja, ein Arschloch, halt.“ Er bekam das Spinnentier zu fassen und schleuderte es fort. „Es gibt Menschen, die sind für sich selbst das Maß aller Dinge. Weißt du, ich glaube, dein Elterhaus war schuld daran. Es gab genügend Menschen, die du gar nicht wahrnahmst, weil sie dir nicht nutzten. Andererseits, wenn du dir von jemandem etwas versprochen hast, warst du charmant und aufmerksam.“
Ein Schimmern durch die Bäume nahm Einar gefangen.
„Jetzt rate, zu welcher Art ich damals zählte.“
„Hm“, machte Dreenkrögen.
Einar ging auf das seltsame Schimmern zu. „Wenn ich damals den Grips von heute gehabt hätte“, meinte er gedankenverloren, „dann hätte ich gewusst, dass du Politiker wirst. Aber dabei …“
Er hatte einen Ast beiseite geschoben und damit den Blick freigemacht auf eine weitere Lichtung.
„Mein Gott!“
Auf einer Fläche so groß wie ein Fußballfeld standen Millionen kleiner, olivgrüner Pilze. Dicht an dicht, als warteten sie gemeinsam auf etwas. Ein Leuchten schien von ihnen auszugehen, kein Geräusch war zu hören.
„Mein Gott“, sagte Einar noch einmal. „Hast du so was schon mal gesehen?“
Beide standen eine Zeitlang reglos nebeneinander und starrten auf das Feld.
Einar löste sich schließlich und ging darauf zu. Dreenkrögen machte eine Bewegung, als wolle er ihn zurückhalten. „Was willst du machen?“, flüsterte er.
Einar drehte sich um und grinste. „Wir sind zum Pilze sammeln gekommen, nicht?“, sagte er, stellte den Korb ab und bückte sich.
Als er einen am Rand stehenden Pilz vorsichtig abdrehte, war er sicher, dass ein Zittern über das grüne Meer ginge. Wie eine Welle schien es sich auszubreiten über die kleinen Kappen hinweg.
Er stand auf und kam zurück.
„Ich hätte wetten können, dass die anderen Pilze gespürt haben, wie ich den hier gepflückt habe“, sagte er.
Dreenkrögen antwortete „Unsinn.“, drehte sich um und ging wieder in den Wald hinein.

Da sie keine Pilze gefunden hatten – zumindest keine essbaren – mussten sie mit Trockenfleisch und Brot zum Abendbrot vorlieb nehmen. Dreenkrögen schien Hunger zu haben, er aß, bis der Tisch leer war.
Als sie Ruhe fanden, entzündete Einar ein Feuer im Kamin, und sie beide setzten sich darum. Der eine skizzierte den Inhalt für einen neuen Heftroman auf einem Blatt Papier. Der andere saß ihm gegenüber und blätterte in einem solchen mit dem Titel: „Invasion der Schleimmonster“.
Das hin und wieder knackende Feuer unterstrich die Stille, Einar schrieb und Dreenkrögen las und schüttelte dann und wann seinen Kopf.
„Was ich nicht verstehe“, sagte er irgendwann in diese Idylle hinein. „Wie kriegst du deine Manuskripte zum Verleger und die Druckfahnen zurück, wenn du von der Außenwelt abgeschnitten bist?“
Einige Sekunden benötigte Einar, um sich im Hier zurechtzufinden. Eben noch hatte er gemeinsam mit seinem Dämonenfänger Harry Spicer einen der berüchtigtsten Vampir-Ghoule zur Strecke gebracht. Er sah auf und nahm seine Lesebrille ab.
„Das war doch nur ein Witz: Von der Außenwelt abgeschnitten! Ich bekomme meine Zeitungen, Briefe. Regelmäßig.“
Dreenkrögen legte das Heft ab. „So kommt doch jemand her?“
„Natürlich, einmal in der Woche schaut der Briefträger vorbei und beliefert mich mit Post und Zeitungen. Er macht es nicht gern, aber er ist immer pünktlich.“
„Einmal die Woche?“
„Übermorgen, ja.“ Einar griff sich den Schürhaken, hockte sich vor den Kamin und stocherte im Feuer. „Und etwa einmal im Monat fahre ich mit dem Pick-Up in die Stadt und fülle meine Vorräte nach.“ Er hängte das Eisen wieder weg und strahlte Dreenkrögen an. „Shopping-Day.“
Er wurde wieder ernst und sagte: „Was waren das für seltsame Pilze auf der Lichtung?“
„Pilze, halt.“
„Ich hab solche noch nie gesehen.“ Er setzte sich wieder und trank einen Schluck Bier. Dann steckte er sich eine Zigarette an und setzte hinzu: „Und ich kenn ’ne Menge Pilzsorten.“
Dreenkrögen vertiefte sich wieder in sein Heftchen und murmelte etwas von „Mutationen, vielleicht“ und Stille kehrte wieder ein.
In der Nacht schreckte Einar aus dem Schlaf. Hatte er ein Geräusch gehört? Er hätte es schwören können, allerdings konnte es auch ein Traum gewesen sein.
Er stand auf und schlurfte hinaus. Es war halb zwei und er musste pinkeln. Als er an Dreenkrögens Zimmer vorbeikam, sah er, dass die Tür offenstand. Er warf einen Blick hinein – das Zimmer war leer.
Er konnte kein Licht machen, der Generator schaltete sich nachts ab. Der Kühlschrank lief in der Zeit auf niedrigster Stufe und von einer Batterie gespeist.
So schlich Einar mit einer Taschenlampe durch die Dunkelheit und suchte Dreenkrögen. Er konnte ihn nicht finden und wurde langsam panisch. Er suchte noch einmal die gesamte Hütte ab, sogar in der kleinen Vorratskammer, der Andere war nicht auffindbar.
Irgendwann gab er dem Druck seiner Blase nach und ging nach draußen aufs Klo. Als er wieder zurück war, fand er Dreenkrögens Tür geschlossen, als ob nichts geschehen wäre.
Am anderen Morgen kam ihm sein Erlebnis vor wie ein schlechter Traum. Er ließ es unerwähnt, auch weil er sich nicht lächerlich machen wollte.
Während Einar am Vormittag arbeitete, konnte er durch das Fenster sehen, dass Dreenkrögen sich im Garten betätigte. Er holte die letzten Kartoffeln aus der Erde, grub das Beet um und hatte, als er sich aufrichtete, tatsächlich schmutzige Hände.
Als sie sich im Bad trafen, wo sie beide ihre Hände wuschen, sagte Dreenkrögen: „Gut möglich, dass ich einiges verpasst habe in meinem Leben.“
Einar sollte sich freuen darüber, doch seltsamerweise verspürte er Eifersucht, einen kleinen hässlichen Knoten im Bauch.
Den Nachmittagsspaziergang führten sie in die andere Richtung – ebenfalls Kiefernwald, doch hierdurch führte die einzige Straße der Gegend. Wobei Straße natürlich ein Euphemismus war.
Als sie den Weg entlanggingen, sprach Einar etwas an, das ihm schon vorher aufgefallen war.
„Als du hier ankamst“, sagte er vorsichtig. „Du kamst aus der entgegengesetzten Richtung. Woher bist du gekommen, Haake?“
Dreenkrögen war dabei, einen Maulwurfshügel am Wegrand zu untersuchen. Er hatte sich nieder gehockt und stocherte mit einem Ast darin herum.
„Maulwurf“, sagte er. „Eine seltsame Spezies.“
„Ihre Hügel findest du um diese Zeit zu Hunderten. Du weichst aus.“
Dreenkrögen blickte auf und sagte: „Ich bin nicht aus der anderen Richtung gekommen.“
Einar stand jetzt neben ihm und blickte auf ihn herab.
„Was? Aber ich habe dich deutlich gesehen.“
„Du hast gar nichts gesehen! Du hast am Boden gehockt und in der Erde gewühlt.“ Er stand auf, Einar kam es so vor, als sei er gewachsen. „Ich bin aus dieser Richtung gekommen.“
„Haake, ich habe ganz deutlich gesehen, wie du …“
Er brach ab, weil er entsetzt war. In Dreenkrögens Augen tauchten die Schatten wieder auf. Wie zwei winzige dunkle Wolken zogen sie in den Augäpfeln Dreenkrögens vorüber. Dann waren sie verschwunden wie schlechtes Wetter.
„Ich kann mich auch getäuscht haben“, murmelte Einar, drehte sich um und ging weiter.
Abends saßen sich beide gegenüber und aßen wortlos ihr Brot. Dreenkrögen konzentrierte sich auf jeden Bissen, Einar konnte nicht umhin, ihn immer wieder zu beobachten.
Als er das bemerkte, unterbrach Dreenkrögen seine Kaubewegungen und blickte Einar fragend an. Nur einen Moment lang, dann kaute er weiter.
Seltsam, dachte Einar, es schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
Mit exakten Bewegungen nahm Dreenkrögen sich eine weitere Scheibe Brot aus dem Korb, schnitt ein Stück Wurst ab, legte es darauf und fuhr fort zu essen.
Seine Gesichtshaut war straffer geworden, sie schien weich zu sein. Einar bemerkte, dass er frisch rasiert war, und ihm fiel auf, dass er eigentlich immer frisch rasiert war. Allerdings hatte er den Kerl noch nie beim Rasieren gesehen.
Die Schatten in seinen Augen! War Dreenkrögen krank? Warum aber verhielt er sich so merkwürdig? Es bestand kein Zweifel daran, dass er aus der Richtung angekommen war, in der sich weit und breit keine Ortschaft befand.
Warum war er hier?
„Warum bist du hier?“, fragte er in die Stille hinein.
Drennkrögen hörte wieder auf zu kauen. Er blickte Einar an.
Diese Augen! Trotzdem sie nichts Ungewöhnliches an sich hatten, schienen sie eisig.
„Hast du das schon vergessen? Ich brauche Informationen von dir über meine Vergangenheit.“
„Aber.“ Einars Mund war trocken. „Aber warum kommst du gerade zu mir? Ich kann dir nur wenig helfen.“
Dreenkrögen lächelte. „Nein, nein. Du kannst mir sehr gut helfen. Erzähl mir nur alles, was du weißt.“

Was macht einen Menschen aus? Was macht ihn zu dem, was er ist, und wo beginnt der Mensch den anderen und sich selbst etwas vorzuspielen?
Einar lag die halbe Nacht wach, er konnte nichts dagegen tun, er musste philosophieren.
Was war an Dreenkrögen anders, was war er selbst? Was fremd?
Obwohl sie sich so lange nicht gesehen hatten und auch damals nicht eng bekannt gewesen waren, hatte Einar doch das Gefühl, dass sein ehemaliger Schulkamerad nicht er selbst war.
Irgendwann konnte er nicht widerstehen, musste aufstehen und nachschauen, ob Dreenkrögens Tür offenstand.
Sie war geschlossen, er stand im Dunkeln im Flur und kam sich lächerlich vor.

Der nächste Tag war ein ganz besonderer, an dem Einar kaum arbeiten konnte vor Aufregung. Posttag!
„Eigentlich versuche ich ja stringent durchzuarbeiten“, sagte er, als sie beide am Fenster standen und warteten. „Aber wenn Elof kommt, krieg ich das nicht fertig.“
„Stringent?“, fragte Dreenkrögen humorlos. „Ich dachte so sprechen nur Buchhalter.“
Kurz vor dem Mittag kam Elof. Einar wunderte sich jedes Mal, wie er es wagen konnte, mit diesem Auto auf ungewisse Reise zu gehen.
Wie immer aß Elof einen Happen mit, nachdem er Einar die Post übergeben hatte.
Einar hoffte insgeheim, Drennkrögen würde sich entschließen, mit ihm in die Stadt zufahren und so aus seinem Leben zu verschwinden.
Das geschah nicht. Elof stieg in sein Gefährt, nachdem er Einar die Hand geschüttelt und gesagt hatte: „Richtig was los in der Welt. Wer weiß, wo das endet.“ Dann nickte er düster, brauste los und sie waren wieder allein.
Einar versuchte sich wie immer zu zügeln. Er las zuerst die ältesten Exemplare und arbeitete sich dann immer weiter bis zur Gegenwart vor. Dabei verging meist ein guter Nachmittag.
Danach nahm er sich Briefe vor und als allerletztes nach dem Abendbrot, wenn er eine Büchse Bier vor sich zu stehen hatte, sah er die amtlichen Schreiben durch, Rechnungen und ähnlich unangenehme Dinge.
Ihm fiel die Schlagzeile der neuesten, der heutigen Ausgabe ins Auge, als er den Stapel ablegte und die älteste heraussuchen wollte: „Ist die Menschheit in Gefahr? Neue Anschläge aufs Trinkwassernetz.“
Er zog sich in sein Zimmer zurück und las. Angefangen hatte es vor vier Tagen in einer Kleinstadt in Deutschland. Das Wasser des zentralen Versorgungsnetzes war vergiftet worden. Wer dafür verantwortlich gewesen war oder ob es sich um einen Unfall gehandelt hatte, wusste man nicht. Das Insektizid war so stark, dass Hunderte Tote zu beklagen waren.
Einar suchte hastig das Exemplar des nächsten Tages heraus. Dort musste er von neuerlichen Anschlägen lesen. England war betroffen und Belgien. Hier waren jeweils Netze einer größerer Städte betroffen, zehntausende Tote. Von Unfällen konnte nicht mehr die Rede sein.
Einar legte die Zeitung beiseite und starrte aus dem Fenster. Die Birken vor dem kleinen Garten bewegten sich in einem leichten Wind. Blätter wehten davon. Es war immer noch warm
Merkwürdig, dachte er. Es ist doch alles ganz friedlich!
Auch im Haus herrschte Stille.
Am dritten Tag kamen Städte in Brasilien, in China, Australien und einer Reihe europäischer Staaten dazu. Man ging von Anschlägen aus, aber gegen wen sich diese Anschläge richteten, von wem sie begangen worden waren, konnte niemand sagen.
Es schien, als sei die Menschheit selbst Ziel der Attacken, denn der nächste Tag brachte die Nachricht, dass der Jemen, Saudi Arabien und auch der Iran betroffen waren.
Panik überall, natürlich! Einar konnte sich gut vorstellen, wie es zuging. Natürlich versuchten die Menschen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, doch was nützte gegen vergiftetes Wasser? Noch dazu, wenn man darauf angewiesen war?
Einar wankte aus seinem Zimmer. Dreenkrögen saß im Wohnzimmer und las eines der Science-Fiction Heftchen.
„Da“, sagte Einar und hielt ihm eine Zeitung hin. Der nahm sie herüber, warf einen Blick darauf. Einar konnte sehen, wie die kalten Augen hin und her glitten.
„Ja?“
„Das …das ist furchtbar.“
Dreenkrögen legte die Zeitung aus der Hand.
„Einar.“ Seine Stimme klang jetzt beinahe warm. „Ist nicht der Grund, aus dem du hierher gezogen bist, identisch mit dem, was da draußen vor sich geht?“
Wahrscheinlich war das der Zeitpunkt, zu dem Einar das erste Mal Angst vor Dreenkrögen verspürte.

Er wollte allein einen Spaziergang durch den Wald unternehmen. Damit er besser nachdenken konnte, und damit er letztlich entscheiden konnte, wie er sich jetzt weiter verhalten sollte. Er hatte keine Verwandten da draußen, jedenfalls keine, die ihm nahestanden. Eben sowenig waren Freunde betroffen von den Katastrophen. Der Einzige, der ihm etwas bedeutete und zu dem er einen lockeren Kontakt pflegte, war Gunnar Tetjen, der aber mindestens ebenso einsam lebte wie er selbst.
Doch Dreenkrögen schloss sich ihm ungefragt an, und so kamen sie – Dreenkrögen die Hände auf dem Rücken verschränkt, Einar so angespannt wie selten – ins Gespräch.
„Es scheint dich wenig zu berühren, was da draußen vor sich geht.“ Einar hatte zwar einen Korb mitgenommen, aber das wohl eher als Alibi. Normalität und Alltag, zweifelsohne das beste Mittel gegen eine Krise.
„Ich bin wohl dabei, mich von der restlichen Welt abzunabeln wie du“, antwortete Dreenkrögen nach einer ganzen Weile.
Es war immer noch lau, aber ein Wetterwechsel kündigte sich an. Der Himmel war bedeckt und Schwalben umschwirrten sie, als wäre der Himmel versperrt.
„Aber hast du keine Freunde, Verwandten da draußen? Menschen, die dir nahestehen?“
Einar wusste, Dreenkrögen war verheiratet und hatte eine Tochter. Als Staatssekretär war er ein öffentlicher Mann.
„Hast du denn Freunde da draußen?“
Sie blieben stehen. Einar wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, was passiert ist“, sagte Einar leise. „Was deinen Erinnerungsverlust ausgelöst hat.“
Dreenkrögen wandte sich um und ging weiter.
„Das brauchst du nicht zu wissen“, sagte er in die andere Richtung.
Sie liefen schweigend nebeneinander her, als Einar das grüne Leuchten wiedersah.
„Da!“ Er deutete darauf.
„Ja“, erwiderte Dreenkrögen ungerührt. „Die Pilze.“
„Die Pilze, natürlich!“ Einar nahm einen tiefen Atemzug. „Aber sie sind viel dichter, viel dichter als das letzte Mal!“

Er lag auf seinem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Doch die entspannte Haltung trog.
Mehrere Male schon war er drauf und dran gewesen, hinaus zum Auto zu gehen, einzusteigen und loszufahren. Und dann?
Was sollte er dann tun? Wo sollte er hin? Der einzige, der ihm einfiel, war Gunnar.
Bei dem Gedanken an ihn fiel Einar ein, dass er die Briefe noch nicht durchgesehen hatte. Als er den Stapel durchblätterte, stieß er auf Post von Gunnar.
Selten, dass sie sich schrieben; wenn es etwas Wichtiges zwischen den beiden gab, dann setzte sich der eine ins Auto und fuhr zum anderen. Vierzig Kilometer.
Gunnars Ton war unaufgeregt, der Brief geschrieben einen Tag bevor der erste Anschlag auf ein Trinkwassernetz gemeldet worden war.
Neben Belanglosigkeiten meldete sich Gunnar, um ihm mitzuteilen, dass er seit einigen Tagen Besuch hatte. „Du ahnst nicht, wer hier ist.“ schrieb er und eröffnete, dass Haake Dreenkrögen in seinem Haus weile. „Du kennst ihn sicher noch aus unserer Schulzeit.“
Er wäre vollkommen fertig, schrieb Gunnar, leide an Gedächtnisverlust und wolle sich für ein paar Wochen erholen. „Nun, ganz recht ist mir das zwar nicht, aber sei es drum. Es scheint ein netter Kerl aus ihm geworden zu sein, und so kann man über vergangene Zeiten reden.“
Einar merkte erst, dass er die Luft angehalten hatte, als er kräftig einatmen musste. Vor seiner Tür knackte es.
Was ging hier vor? Ihm war plötzlich kalt. Warum schien es so, als wäre Dreenkrögen bei Gunnar, wo er doch hier in Einars Hütte – vor der Tür zu Einars Zimmer – war?
Hatte Dreenkrögen einen Zwillingsbruder? Ausgeschlossen. Einen Doppelgänger? Aber wer von den Beiden war dann der richtige, der echte Haake Dreenkrögen?
Oder hatte Gunnar sich geirrt? Ihn angelogen?
Einar lief hektisch im Zimmer auf und ab. Draußen war Bewegung zu hören. Scheiße, dachte Einar, Scheiße! Er wollte seine stille, einsame Welt wiederhaben!
Er öffnete die Tür und sah vorsichtig hinaus. Dreenkrögen war nirgends zusehen. Sollte er versuchen nach draußen zum Auto zu kommen und machen, dass er wegkam?
Stolz regte sich in ihm. Natürlich würde er das nicht tun; das hier war sein zu Hause, sein Reich. Und Dreenkrögen war derjenige, der eingedrungen war. Also würde Dreenkrögen auch derjenige sein, der es verlassen würde.
Er schlich den kleinen Flur entlang und spähte durch jede Tür. Jetzt war kein Geräusch mehr zu hören, das ganze Haus war still.
Dreenkrögen saß im Wohnzimmer und schaute ihn erwartungsvoll an. Nichts Auffälliges, Einar konnte nicht anders, ihn wieder eingehend zu mustern.
Die Augen, die wachsam und kalt in die Welt blickten. Die Nase vielleicht ein wenig zu kräftig um schön zu sein, der Mund dazu, zusammengekniffen und gerade wie eine Linie. Und die Haut in seinem Gesicht weich und glattrasiert.
„Haake, ich möchte dich bitten, deine Sachen zu packen, damit ich dich nach Hause fahren kann.“
Der Strich wurde zu einem Bogen – Dreenkrögen lächelte. „Warum, Einar? Was ist geschehen?“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn weiter aufmerksam an. „Können wir uns auf eine Nacht einigen?“
Einar antwortete nicht, er versuchte immer noch herauszufinden, ob er den richtigen Dreenkrögen vor sich hatte.
„Lässt du mir eine Gnadenfrist bis morgen früh?“
„Morgen früh, okay“, sagte Einar, drehte sich um und ging zurück in sein Zimmer.

Der Rest des Tages legte sich bleischwer über die kleine Hütte im Wald. Einar verbrachte die Zeit mit Warten. Darauf, dass die Zeit selbst verging und dass es früh morgens wurde.
Obwohl damit seine Probleme keineswegs gelöst sein würden, im Gegenteil. Wenn er daran dachte, was draußen in der Welt los sein musste, fühlte er sich hilflos. Und einsam.
Als er nach Stunden des Aus-dem-Fenster-Starrens auf die Toilette schlich, traf er auf Dreenkrögen.
„Jetzt, wo ich abreisen werde“, sagte der, als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen, „kannst du mir noch einige Fragen über meine Vergangenheit beantworten?“
Der Ausdruck in seinen Augen schien Wärme zu sein, wenigstens hob er die Brauen, als bitte er um Nachsicht.
Einar war überrascht. Er sah keinen Grund, die Bitte abzuschlagen und als Dreenkrögen sprach, forschte er in dessen Augen.
„Wie hieß meine erste Freundin?“, fragte er und lächelte unschuldig.
„Elin“, sagte Einar. „Elin Jaspers. Du hast sie sitzen lassen.“
„So.“
„Genau wie Klara Lindström. Auch Rieke Torffen und Linga Fraunssing.“
„Aha.“
„Du bist nicht gerade fein umgegangen mit den Damen. Aber sie flogen auf dich.“
Dreenkrögen sagte kein weiteres Wort. Bevor er sich umdrehte, starrten sie sich einige quälende Momente in die Augen. Dann ging er zurück in sein Zimmer und Einar blieb allein stehen.
Je aktueller die Zeitungen wurden, desto mehr beschäftigten sie sich mit den Anschlägen auf die Trinkwassernetze. Die jüngste Ausgabe – von gestern – war voll mit Artikeln, Analysen und Interviews zu dem Thema.
Einar las quer und stieß dabei auf ein Gespräch mit Staatssekretär Haake Dreenkrögen, der über die Lage referierte und über die Möglichkeit, dass hier ebensolche Anschläge passieren könnten.
Der Staatssekretär im Gesundheitsministerium sagte, er verbürge sich dafür, dass die hiesigen Trinkwassernetze sicher seinen. Auch und gerade das größte und wichtigste – das der Hauptstadt – sei sicher. Absolut, dafür stehe er mit seinem Namen.
Es gab also drei Dreenkrögens auf der Welt, mindestens. Einer davon saß in einer bedeutenden Stellung, vielleicht der bedeutendsten in diesen Zeiten.
Und die beiden anderen besuchten ehemalige Klassenkameraden.
Einar versuchte der Lösung des Rätsels auf den Grund zu kommen. Er lag auf dem Bett, lief in seinem Zimmer auf und ab, starrte aus dem Fenster.
Dreenkrögen war nicht Dreenkrögen. Er kam auf keine Möglichkeit, es sei denn, er schloss die allzu phantastischen mit ein.
Klone? Er konnte es nicht glauben, obwohl er sich alle Denkbarrieren versagte.
Masken? War es jemandem gelungen, täuschend echt aussehende Masken zu entwickeln? Vielleicht aus Biomaterial.
Er sollte sich auskennen mit solch abwegigen Überlegungen. Wenn er schrieb, musste er auch alle Hemmungen fallenlassen und spielte mit allen Möglichkeiten.
Gesetzt den Fall, die Version der Masken traf zu: Wer sollte so einen Aufwand betreiben? Wozu? Wer war in der Lage dazu?
Kurz bevor die Dämmerung einsetzte, machte er zwei furchtbare Entdeckungen.
Als er sich müde von der Liege erhob und ans Fenster trat, stellte er fest, dass das Meer der olivgrünen Pilze bis an seinen Garten herangekommen war. Wie ein lauerndes Tier lag es da und schien zu atmen.
Einar wollte aus dem Zimmer laufen, doch er sah einen Wagen den Weg heraufkommen. Ein Auto!
Es war Gunnars Wagen. Er stellte das Fahrzeug ab und stieg aus. Sein Freund Gunnar war gekommen, er war hergekommen, um ihn abzuholen. Er sah gehetzt aus, wie ein Kaninchen auf der Flucht.
Als er sich abwenden und Gunnar entgegeneilen wollte, sah er Dreenkrögen das Haus verlassen.
Er ging langsam auf Gunnar zu, Schritt für Schritt. Die Beiden unterhielten sich kurz, Gunnar schüttelte den Kopf.
Dann versuchte er, sich an Dreenkrögen vorbeizudrängen, der tat einen Schritt nach rechts und holte einen Spaten hervor, den er an der Seite verborgen gehalten hatte. Er holte kräftig aus und schlug gegen Gunnars Gesicht.
Der Kopf prallte nach hinten, Einar meinte das Knacken durch das Fenster zu hören. Gunnar sackte zusammen, Dreenkrögen wandte sich um und blickte zu Einar herüber.
Er wich zurück und konnte eben noch sehen, wie Dreenkrögen sich umdrehte und hinüberging zum Auto.
Kurz sackte Einar auf der Liege zusammen und starrte vor sich hin. Dann begann er zu weinen, sein Leib wurde von einem Zitteranfall geschüttelt. Unkontrolliert flogen seine Glieder, er ließ es geschehen.
Er kam wieder zu sich und stand auf. Er musste sehen, wie es Gunnar ging, vielleicht war er nicht tot. Er musste sich zusammenreißen.
Er schlich durch seine eigene Hütte. Mit angehaltenem Atem und bemüht, sich nicht wieder von Panik übermannen zu lassen, huschte er über den Flur.
Dreenkrögens Zimmer stand offen. Vorsichtig und Zentimeter für Zentimeter arbeitete er sich vor, um in den Raum blicken zu können. Er war leer.
Als er sich weiter vortastete, kam ihm in den Sinn, dass man jemandem, der Duplikate von anderen Menschen anfertigen konnte, auf diese Art sicher nicht entgehen konnte. Aber es schien dazuzugehören.
Die Haustür stand offen. Er konnte Gunnar sehen, der auf dem Weg lag, ein Bein abgewinkelt und eine Blutlache unter sich, die immer größer wurde. Dreenkrögen kehrte eben von Gunnars Auto zurück und ging zur Garage hinüber. Er beachtete die Beiden nicht.
Einar hastete geduckt hinüber zu Gunnar. Der bewegte sich nicht, hatte aber die Augen geöffnet. Ohne den Kopf zu drehen, sah er zu ihm auf.
„Scheiße, Einar. Was ist das für ein Mist?“, krächzte Gunnar.
„Was ist hier los, Mann?“
Einar sank vor Gunnar auf die Knie und fing wieder an zu schluchzen.
„Weiß nicht.“ Gunnar musste husten und würgte blasiges Blut hervor.
Einar sah hinüber zur Garage, in der Dreenkrögen verschwunden war.
„Dreenkrögen kam zu mir, hat mich alles Mögliche gefragt und benahm sich seltsam.“ Er hustete wieder. „Dann fing der Scheiß mit dem Trinkwasser an.“
Er regte sich; sein Bein zuckte wie wild. Ein Stöhnen, dann: „Einar!“ Das Blut lief ihm das Gesicht hinunter. „Die Menschen …Wir sind im Arsch!“
„Warum, Gunnar? Warum das alles?“
„Sie wollen die Erde übernehmen.“
„Wer?“
Gunnar stöhnte wieder. Er schloss die Augen, schluckte schwer und als Einar befürchtete, dass er tot war, schlug er die Augen wieder auf und sah ihn an.
„Ich weiß nicht. Sie sind uns so fremd. So fremd.“
Ein Geräusch von dem Pilzmeer, beide sahen hinüber, Gunnar ohne sich Kopf zu bewegen.
„Aber warum das Ausfragen? Warum wollte er das alles wissen?“
„Die Sicherung.“ Gunnars Stimme wurde schwächer. „Wir sind das einzige Land, in der sie die Trinkwasserversorgung noch nicht geknackt haben.“ Er schluckte noch einmal. „Passwort, es muss mit Dreenkrögens Erinnerungen zusammenhängen.“
Einar stand auf. „Ich muss ihn aufhalten.“
„Du kannst ihn nicht aufhalten“, murmelte Gunnar mit geschlossenen Augen.
In diesem Moment kam Dreenkrögen aus der Garage. Er sah kurz herüber, doch es interessierte ihn nicht, was er sah. Denn er wandte sich dem Meer aus Pilzen zu.
Langsam, beinahe bedächtig, ging er darauf zu und als er die olivgrüne Fläche erreicht hatte, zerteilte sie sich, wich vor ihm zurück und gab den Weg frei.
Ohne auf seine Umwelt zu achten, zog er sich aus. Nackt ließ er sich dann inmitten der Pilze nieder und legte sich flach auf den Boden.
Das grüne Meer um ihn herum vibrierte, es zog sich zusammen und schloss den Kreis wieder.
Er lag ruhig auf dem Rücken, man sah, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Doch er atmete nicht, er vibrierte in derselben Weise, wie die kleinen Wesen um ihn herum. Er pulsierte, die Haut zuckte.
Dann brach sie plötzlich auf. Sie öffnete sich wie ein Vulkan und spie in Dutzenden von Schwaden eine Art schwarzen Dampf aus, einen unablässigen Strom kleinster Partikel. In dunklen Wolken strömten sie aus dem leblosen Körper heraus.
Der Leib sank in sich zusammen. Er schlug Falten, fiel langsam ein, bis schließlich nur noch die Hülle, die Haut übrigblieb. Sie lag wie ein loses Bündel inmitten der Pilzfläche.
Über dem Platz schwebte die schwarze Wolke wie ein Schwarm giftiger Fliegen.
Einen Moment verharrte das Gebilde über ihnen, dann machte es sich mit einem wütenden Summen in die Luft davon.
Zurück blieb Stille.
Und Einar, der neben Gunnar stand. Er blickte der Wolke noch hinterher, als sie schon längst verschwunden war.
Er beugte sich hinab. Gunnar hatte zwar die Augen geöffnet, schien ihn aber nicht zu sehen.
Leise weinend kniete Einar sich wieder hin und begann Gunnars Gesicht zu streicheln. Er flüsterte leise, unterbrochen nur von seinem Schluchzen.
Er würde warten, bis Gunnar gestorben war.
Dann konnte er sehen, ob die Menschheit zu retten war.

 

So, Klappe, die Zweite!

Mein überarbeiteter Beitrag zum TdM "Masken".

Nachdem Quinn den ersten Versuch ein wenig ...auseinandergepflückt hat (ha! niedergemetzelt hat er das Stück, ich wollte nie wieder schreiben!), habe ich versucht, mich an die meisten Hinweise zu halten und bin der bibbernden Hoffnung auf etwas mehr Gnade.
Oder ich höre wirklich auf zu schreiben!

 

Hallo,

Nachdem Quinn den ersten Versuch ein wenig ...auseinandergepflückt hat (ha! niedergemetzelt hat er das Stück, ich wollte nie wieder schreiben!)
Ja, und dann hab ich Weihnachten abgesagt. :)

Du kannst aufatmen und weiterschreiben. Die Geschichte ist deutlich besser geworden, was mir gut gefallen hat, ist das Aufeinandertreffen der Beiden zu Beginn, wenn beide einander ausweichen. So ein Waffenstillstand: Man kann dem anderen nicht auf die Pelle rücken, weil man selbst eine Comfort-Zone braucht. Das fand ich sehr gut gelöst.

Ansonsten hat der Text gegen Ende dann schon seine Schwächen, finde ich. Der starke Teil der Geschichte ist das Kammerspiel, das hätte man noch weiter tiefen können. Ich glaube, dass Gunnar dort auftaucht, hat der Geschichte nicht gut getan, sondern es eher in Richtung Trash geschoben. Da wären leisere Töner angebracht gewesen, die Geschichte müsste mehr von dieser zerbrochenen Einsamkeit profitieren. Die Idee mit den Zeitungen statt dem Fernseher und dem Brief statt einem Telefonat waren beide ausgezeichnet. Dadurch wirkte es sehr viel stärker.
Die Szene, wenn er da überlegt, ob er nicht lieber wegfahren oll und sich dann entscheidet, ihm sogar NOCH eine Nacht zu geben, nur weil er es möchte, ist allerdings wieder hart an der Grenze. Also ... da scheint mir die Motivation dafür wirklich an den Haaren herbeigezogen zu sein. Warum kann er nicht einfach sagen: Du verschwindest.
Und er sagt. Ja, gib mir noch 5Minuten, ich pack meine Klamotten.
Und dann ist das Zimmer leer?
Und warum, wenn es für ihn so wichtig ist, fragt er ihn nicht vorher ausgiebig nach diesen möglichen Passwörtern (das hab ich diesmal verstanden, in der letzten Version überhaupt nicht).
Also das sind halt alles Dinge aus dem Ende, die mich stören, während der Anfang wirklich etwas spannendes hat - wobei ich die Geschichte halt jetzt auch schon zum zweiten Mal lese und für den Spannungsbogen nicht mehr den Blick haben kann.

Auf jeden Fall hat sich die Arbeit gelohnt; es ist eine wesentlich stärkere Geschichte als die letzte Version
Quinn

 

Hi Quinn!

Ja, und dann hab ich Weihnachten abgesagt.

Die Höhe, aus der man stürtzt! Ich war der Meinung, eine Bombengeschichte zu Papier gebracht zu haben. Im Übrigen bin ich jetzt noch der Meinung, die Stimmung, die Settings, das alles war in meinem Kopf! Ich hab's irgendwie nicht richtig aufs Papier gekriegt. Doch damit kämpfen wir ja alle.

Du hast natürlich Recht, wenn du das Kammerspiel favorisierst, ist nicht ausgereizt, auf keinen Fall. Ich für meinen Teil hätte auch gern dabei verharrt, aber das wär 'ne andere Geschichte, die ich - während des Schreibens - auch gern erzählt hätte. Diese Geschichten, wo einer den anderen belauert, nicht weiß, was er denkt, wer hinter der Maske steckt, da kann man viel draus machen, ich bin sicher, dass ich noch öfter auf dieses Feld zurückkehren werde.

Auch dein Einwand, mit der weiteren Nacht, ist wohl treffend. Aber du weißt, wofür ich ihn brauchte?
Ich musste jemanden haben, der Gunnar begegnet, Gunnar brauchte ich - ja, er bereitete mir am meisten Bauchschmerzen - um die Sache aufzulösen.

das hab ich diesmal verstanden, in der letzten Version überhaupt nicht

Ich fürchte, das hatte niemand, daran hat sie wohl auch gekrankt.
Aber, he! Ist das nicht das Thema der Saison - Masken?

Schönen Dank für die Rettung, die Meinung und die Mühe, die du dir gemacht hast.


Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hi, altes Haus.

Ich kenne die erste Version der Geschichte nicht, denn an dem Abend, an dem ich sie lesen wollte, war sie weg - Schande über dich. :D

Abegsehen davon, dass ich nicht sagen kann, ob die jetztige Version besser ist, stimme ich eigentlich völlig mit Quinn überein. (Obwohl ich etwas Hilfe brauchte, um das mit den Passwörtern zu kapieren, aber jetzt, da ich es weiß, finde ich es richtig toll. Hat mir sehr gefallen.)
Etwas unrealistisch finde ich aber die Stelle, an der Einar seinem ehemaligen "Schulkameraden" alle Exfreundinnen aufzählen kann. Ganz ehrlich: Ich könnte das nicht. Vor allem nicht mit Nachnamen und so. Nicht einmal die Exfreunde meiner ehemaligen SchulFREUNDinnen. Vielleicht solltest du ihn hier stocken lassen.

Der Schluss verliert an Intensität. Klar, du musst das Ganze auflösen, aber irgendwie war ich enttäuscht, als alles so Science-Fiction (die Rubrik wird mich wohl verprügeln, weil ich sowas sage :D) und unwirklicher wird. Aber eine bessere Lösung könnte ich dir nicht vorschlagen.

Bleibt nur noch zu sagen: Habe ich mal wieder äußerst gern gelesen, du hast eine sichere Sprache ohne Schnörkerl, mit der du immer toll Geschichten erzählen kannst.

Liebe Grüße
Tamira


„Das …das ist furchtbar.“
Dreenkrögen legte die Zeitung aus der Hand.
„Einar.“ Seine Stimme klang jetzt beinahe warm. „Ist nicht der Grund, aus dem du hierher gezogen bist, identisch mit dem, was da draußen vor sich geht?
Wahrscheinlich war das der Zeitpunkt, zu dem Einar das erste Mal Angst vor Dreenkrögen verspürte.
Das verstehe ich nicht so richtig. Naja, eigentlich gar nicht. Das ist so gestelzt, was willst du damit sagen?

Der Strich wurde zu einem Bogen – Dreenkrögen lächelte.
Unschön, passt nicht zu dir, ist einfach nicht wirklich rund.

Dann versuchte er, sich an Dreenkrögen vorbeizudrängen, der tat einen Schritt nach rechts und holte einen Spaten hervor, den er an der Seite verborgen gehalten hatte.
Also, einen Spaten versteckt man nicht so unauffällig. :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Höhe, aus der man stürtzt! Ich war der Meinung, eine Bombengeschichte zu Papier gebracht zu haben.
Hallo,
ich nochmal.

Ja, das kenn ich auch gut. Es ist ein schizophrener Akt. Beim Schreiben muss man sich begeistern und voll Selbstvertrauen Entscheidungen treffen und dahinter stehen, sonst quält man jede Zeile aufs Papier oder kommt zu gar nichts.
Und wenn man sie postet und die Kritiken abkriegt, muss man die Zähne zusammenbeißen und das Selbstvertrauen zurückschrauben (ich hasse den Teil auch wie die Pest :)), aber man braucht einfach beides, fürchte ich.
Wenn ich in der Schreibphase an jedem Satz zweifle, quäl ich mir einen ab. Und wenn ich in der nächsten Phase, in der Bearbeitungsphase, jeden Satz verteidige, dann komm ich nicht weiter (wobei man da natürlich durchaus das Recht hat, Kritiken, die einem - nach Prüfung - so gar nicht einleuchten wollen, rundheraus abzulehnen; nur sollte man da immer ehrlich mit sich sein, ob man sie auch wirklich geprüft hat).
Und bei kg.de kommt noch hinzu, dass man zwischen den Positionen des Kritikers und des Kritisierenden pendelt, was auch noch einmal ein schizophrener Akt ist. :)

Deshalb ist auch mal eine härtere Kritik - obwohl die einen echt nervt - auf lange Sicht für die weiteren Texte und den jeweiligen besser, auch wenn man in dem Moment, oder auch in einigen darauffolgenden Momenten, am liebsten irgendwen irgendwogegen werfen möchte. Das muss man halt aushalten wie ein Mann. :)

Das war jetzt nicht speziell auf deinen Fall oder so, sondern naja, ich quatsch halt gern mal was
Gute Nacht
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Hanniball.

Wow, ich konnte sie lesen, bevor sie weg war ... kaum zu glauben:D

Laaaangweilig!!! wollte ich dir sagen. Dachte doch zunächst: "Meine Güte, was soll denn das? Da teffen sich zwei ehemalige Schulfreunde, die beide nicht gerade prickeln vor Spannung, und erleben super spannende Dinge wie gemeinsam am Tisch sitzen, sich gegenseitig angucken, zu Abend essen und sich ständig beim Vornamen ansprechen. Letzteres solltest du nochmal überarbeiten, denn das kam meines Erachtens nach wirklich zu oft. Ich finde immer, die Nennung des Namens in der wörtlichen Rede zeugt davon, dass man dem Leser nicht zutraut, die einzelnen Personen auseinanderzuhalten. Denn mal ganz ehrlich: Sprichst du deinen Gesprächspartner ständig mit Namen an?
"Möchtest du noch was trinken, Rüdiger?" "Nein, danke, Dirk." "Ach, Rüdiger, du bist so bescheiden." Ich weiß, Dirk." ;)

Die erste Waldszene mit den verschwundenen Pilzen (und denen, die danach auf der Wiese auftauchen) hätte ich mir ausgebauter / intensiver gewünscht. Denn hier fing es an, einen leichten Spannungsbogen aufzubauen.
Und danach hattest du mich dann. Ab den folgenden Szenen wurden die Charaktere stärker, die Gespräche realistischer. Ich spürte förmlich das Knistern zwischen den Beiden.

Zu der Brief- und Zeitungsgeschichte: Das mit den Zeitungen kann ich ja noch nachvollziehen, aber wieviel Briefe und vor allem Rechnungen (!!!) bekommt der guten Einer denn in EINER Woche??? Ich meine, du tust so, als seien es hunderte, da er sie über den Tag verteilt lesen muss. Und dann vergisst / übersieht er auch noch den Brief seines besten Freundes Gunnar (den fand ich übrigens sehr spannend).
Solche Dinge bringen mich dann immer wieder ein bisschen aus der Geschichte raus.
Ebenso finde ich die Zeitspanne, in der er die Zeitungsartikel liest viel zu lang. Wenn da sowas wie Anschläge auf die Menschheit behandelt werden, dann verschlinge ich die doch innerhalb von Minuten. Und teile sie mir nicht auf mehrere Tage auf. Und vor allem, liest man sowas doch nicht in chronologischer Reihenfolge. Man will doch wissen, wie der aktuelle Stand ist und liest nach der ersten Meldung sofort die letzte. Fände ich zumindest realistischer.
Wie gesagt, in dieser Passage passt mMn einiges nicht.

Die Sache mit Gunnar hat mir dann wieder sehr gut gefallen. Hier erreichst du spannungstechnisch den Höhepunkt. Saugut!

Ach, bevor ich es vergesse: Das mit den Masken wirkte auf mich ein wenig aufgesetzt (hähä ... im wahrsten Sinne des Wortes). So als wolltest du - passend zum Thema des Monats - noch mal drauf hinweisen.
Auch wenn Einar Gruselautor ist, er schreibt doch mehr über Monster und Co. Also wäre es doch realistischer, wenn er Außerirdische oder genmanipulierte Wesen in Betracht ziehen würde.

Das Ende mit den Pilzen hat mir sehr gut gefallen. Hatte was Surreales, was die ganze Geschichte abrundete.
Der letzte Satz dann ... naja (erinnert mich so an einen typischen Amifilm, fehlt nur noch das Aufheulen der Polizeisirenen).

Fazit: Wenn man sich eingelesen hat, dann erwartet den Leser eine mehr als spannende Geschichte. Kleine Ungereimtheiten trüben das Gesamtbild. Ich finde es aber trotzdem immer wieder faszinierend, wie du es schaffst, den Leser in deine Geschichten hineinzuziehen:thumbsup:

Gruß! Salem ............. Aaaach: Was hat das mit den Passwörtern auf sich??? Habe ich gar nicht kapiert.

 

Hi Tamira!

Hi, altes Haus.

*überdieSchulterguck* Sprichst du mit mir? :)

an dem ich sie lesen wollte, war sie weg - Schande über dich.

Tja, hab' ich schon ein oder zwei Mal gemacht, war aber wirklich das erste Mal, dass geantwortet wurde, als gar kein Text mehr da stand. Hätte ja eigentlich optimistisch stimmen sollen.

Etwas unrealistisch finde ich aber die Stelle, an der Einar seinem ehemaligen "Schulkameraden" alle Exfreundinnen aufzählen kann.

Tja, wie krieg ich den Bogen? Quinn hatte in seinem ersten Posting (also das vor dem ersten hier...) davon gesprochen, es wären 6, 7 Ideen lose zusammengewürfelt.
Es gab sehr viel, was ich nicht mit reingenommen habe. Einar sollte schwul sein (klingt einmal ganz kurz an, ist aber sicher nicht eindeutig), er sollte Haake als Jugendlicher angehimmelt haben, jetzt ist er Alkoholiker, Zyniker, aber süchtig nach Aufmerksamkeit. Sollte alles sein, kam nicht mit rein, weil die Story dann irgendwie umschlug.
Aber Einar war damals selbst verliebt in Haake, vielleicht erklärt das die Tatsache, dass er seine Konkurrentinnen noch aufzählen kann.
Aber dein Einwurf ist natürlich berechtigt, ich hab versäumt, das plausibel zu machen.

Der Schluss verliert an Intensität.

Schau mal an, Salem sagt genau das Gegenteil. Hm, ist wohl eine Frage der Sichtweise und der Erwartungen.

Aber eine bessere Lösung könnte ich dir nicht vorschlagen.

Ich habe zuerst die Lösung gehabt und dann die Erzählung drumrumgebaut.

„Das …das ist furchtbar.“
Dreenkrögen legte die Zeitung aus der Hand.
„Einar.“ Seine Stimme klang jetzt beinahe warm. „Ist nicht der Grund, aus dem du hierher gezogen bist, identisch mit dem, was da draußen vor sich geht?“Wahrscheinlich war das der Zeitpunkt, zu dem Einar das erste Mal Angst vor Dreenkrögen verspürte.

Das verstehe ich nicht so richtig. Naja, eigentlich gar nicht. Das ist so gestelzt, was willst du damit sagen?

Tja, tja. Einar fühlt sich als Menschenhasser. (Keine Information dazu, ist schon klar; ich hatte gehofft, das wäre aus seinem Verhalten ersichtlich) Dreenkrögen hat das erkannt.


Der Strich wurde zu einem Bogen – Dreenkrögen lächelte.

Unschön, passt nicht zu dir, ist einfach nicht wirklich rund.

Mir war klar, dass ich das um die Ohren gehauen bekommen würde. Aber ums Verrecken ist mir nicht eingefallen, wohin sich der Strich als Lächeln verändern könnte. Ein Halbkreis ist es doch auch nicht, oder?

Ich danke dir! Auch für die warmen Worte.


Quinn!

Du hast natürlich Recht, ich wollte auch nicht wirklich aufhören mit dem Schreiben.:D

Mich freuen im Endeffekt auch die harten Kritiker, wenn sie vorbeischauen bei meinen Texten. Man bibbert was sie schreiben, Tränen fließen fast immer (im übertragenen Sinne!) aber um so euphorischer ist man dann, wenn einem doch was gelingt.

Deshalb recht so! Kein falsches Mitleid bei den Kritiken, nur fundiert müssen sie sein.
Da das ja bei dir in jedem Falle zutrifft, hat mich dann eher der sportliche Ehrgeiz gepackt.

Das war jetzt nicht speziell auf deinen Fall oder so, sondern naja, ich quatsch halt gern mal was

Bitte, jederzeit gern. Siehe oben.

Grüße!


Salem!

Wow, ich konnte sie lesen, bevor sie weg war ... kaum zu glauben

Das klingt, als würdest du mich nicht ernst nehmen! :dozey:

Meine Güte, was soll denn das? Da teffen sich zwei ehemalige Schulfreunde, die beide nicht gerade prickeln vor Spannung, und erleben super spannende Dinge wie gemeinsam am Tisch sitzen, sich gegenseitig angucken, zu Abend essen und sich ständig beim Vornamen ansprechen.

Wenn das gut gemacht ist (psychologisch), dann ist das sauspannend. Ich habe deshalb schon die Augen eingebaut, war mir eigentlich gar nicht recht. Und die Pilze, die ja dann deine Aufmerksamkeit erregt haben, waren eher ein Abfallprodukt. Zumindest sollten sie nicht diesen Raum bekommen, den sie sich schlussendlich genommen haben.

Ab den folgenden Szenen wurden...die Gespräche realistischer

Hm, das weiß ich jetzt gar nicht zu deuten. Ich hätte eher gedacht, dass die Ankunftszene zumindest einen Hauch von Realismus hat.

Ich meine, du tust so, als seien es hunderte, da er sie über den Tag verteilt lesen muss.

Aber nein! Erst die Zeitungen, schön dem Datum nach. Dann die Briefe. Und nach dem Abendessen, wenn er Alkohol zu sich genommen und besserer Stimmung ist, die Rechnungen.
Ja, mit Gunnars Brief hast du schon recht, aber rein vom dramatischen musste ich ihn den Brief erst eine ganze Weile nach den Zeitungen lesen lassen. Der Verdacht musste erst reifen.

Die Sache mit Gunnar hat mir dann wieder sehr gut gefallen.

Jep, dann schau mal auf Tamiras Beitrag. Ich bin selbst nicht glücklich mit dem Schluss. Ich bin auch nicht glücklich mit dem Angriff auf die Menschheit. Ich hätte am liebsten nur Dreenkrögen und Einar gehabt, wie sie sich gegenseitig belauern und keiner eigentlich von dem anderen weiß, wer er ist.
Aber das ging nicht, irgendwann schreibe ich mal sowas, ein Kammerspiel sozusagen, in der Kammer. Hier habe ich die Kammer frühzeitig aufgemacht.

Aber dir hats gefallen, also funktioniert die Story in dem Abschnitt auf einer anderen Ebene. Sehr schön.

Der letzte Satz dann ... naja

Sollte eigentlich ironisch klingen, na ja, gerade diese Film persiflieren.
Vielleicht schreibe ich ja mal eine Fortsetzung der Story (wie übrigens diese hier eine Fortsetzung einer älteren Geschichte ist, die auch hier veröffentlicht wurde).


Ich hatte mehr Hoffnungen in den Text gesetzt, aber ein bisschen scheint es gefallen zu haben.
Danke auch dir, mein Bester!

Schöne Grüße an euch von dieser Seite!

 

Hallo Hanniball!

Nur ganz kurz die Dinge, die mich störten:

Früher war Einar dünner gewesen, doch mittlerweile hatten sie beide sich kleidergrößenmäßig angepasst

...kleidergrößenmäßig... das Wort holpert mir irgendwie zu sehr. Erst war ich dafür, dass du die Tatsache, dass Haake stark abgenommen hat, mehr heraushebst. Dann dachte ich, dass es vielleicht nicht so gut sei auf dieser Kleinigkeit herumzureiten, aber kleidergrößenmäßig... nee!


Wie eine Welle schien es sich auszubreiten über die kleinen Kappen hinweg.

Besser: Wie eine Welle schien es sich über die kleinen Kappen hinweg auszubreiten.


„Aber hast du keine Freunde, Verwandten da draußen?...

Verwandte ohne n.


Im Großen und Ganzem kann ich mich meinen Vorrednern anschließen. Dieses Kammerspiel mit Einar und Haake war ganz klar die Stärke der Geschichte, wird aber leider nicht konsequent bis zum Ende durchgezogen. Aliens übernehmen die Weltherrschaft.. noja... ;)


Neben Belanglosigkeiten meldete sich Gunnar, um ihm mitzuteilen, dass er seit einigen Tagen Besuch hatte. „Du ahnst nicht, wer hier ist.“ schrieb er und eröffnete, dass Haake Dreenkrögen in seinem Haus weile.

Das ist echter Horror und dafür hat sich der ganze Aufbau gelohnt. Mit gefällt auch die Szene mit Gunnar und seinem betrüblichen Zusammentreffen mit einer Schaufel, bloß mit der Auflösung und allen voran den PILZEN tu ich mich schwer.
Ich hätte ein anderes Ende favorisiert. Eines, in dem Gunnar auf diese Weise stirbt und Haake Einar so terrorisiert, dass dieser ihm alles mögliche verrät. Das Auflösen im Pilzfeld hät ich weggelassen...


Also bis auf die Auflösung hab ich mich sehr gut unterhalten gefühlt. Hab sogar auf Anhieb die Passwörter-Sache verstanden xD


Gruß, Scharker!

 

Hallo Scharker!

Ja, kleidergrößenmäßig ist tatsächlich ein unschönes Wort, ich fürchte gar, das gibt es nicht mal. Werde also dafür etwas anderes finden müssen, den Satz anders stellen.

Wie eine Welle schien es sich auszubreiten über die kleinen Kappen hinweg.

Besser: Wie eine Welle schien es sich über die kleinen Kappen hinweg auszubreiten.

Ich wäre dir dankbar, wenn du mir mitteilen könntest, was an dem umgestellten Satz genau besser ist. (Mal abgesehen davon, dass bei dem oberen das Komma hinter "sich" fehlt). Mein Satz ist ungewöhnlicher, das gebe ich zu, es stellt das Bild der Welle voran, welches ja die eigentliche Information ist, die übertragen werden soll. Der Leser soll das Bild der Welle im Kopf haben, danach folgen die Kappen.
Das ist im Übrigen ein Thema, das mich momentan umtreibt: Wie stelle ich den Text dar, damit genau die Bilder im Kopf entstehen, die entstehen sollen. Wird wahrscheinlich jeden Autor interessieren.
Also, ich lasse mich gerne überzeugen!;)

Mit den Verwandten - da möchte ich nicht streiten, ich weiß nicht, ob ich das umgangssprachlich übernommen habe oder ob es korrekt ist - keine Verwandte(n).

Dieses Kammerspiel mit Einar und Haake war ganz klar die Stärke der Geschichte, wird aber leider nicht konsequent bis zum Ende durchgezogen.

Du hast Recht.


Aliens übernehmen die Weltherrschaft.. noja...

Ja, ja. Es sei denn, dieses Szenario steht für etwas, nicht?

Das ist echter Horror und dafür hat sich der ganze Aufbau gelohnt.

Einer, der mich versteht!:D

Ich lüge nicht: Am Anfang stand die Szene, in der Einar erfährt, dass Dreenkrögen zur selben Zeit bei Gunnar weilt. In der ersten, in der heftig verrissenen, Fassung stand der Fakt für sich, kein Kommentar dazu, kein Aufhebens, nur den Leser allein lassen mit der Erkenntnis - das geht doch gar nicht. Aber dafür muss man Authentzität und Realismus in seinen Text pumpen, was gar nicht so leicht ist.

Es gibt da die Szene in "Spuk in Hill House" von Shirley Jackson (absolut empfehlenswert!) die Szene, in der Eleonore mit Claire (glaube ich) im Bett liegen, Eleonore hält die Hand ihrer Freundin und fühlt sich absolut wohl und geborgen. Bis sie die Stimme Claires aus dem Nachbarzimmer hört, wie sie irgendetwas an Eleonore gerichtet fragt. Der Satz: Wer lag dann neben ihr im Bett?
Und Ende. Gänsehaut!

Wie gesagt, absolut lesenswert das Buch, für Fans des gepflegten psychologischen Grusels. Der Film "Bis das Blut gefriert" entstand übrigens danach.

Hab sogar auf Anhieb die Passwörter-Sache verstanden

Wunderbar!

Ich danke dir und sende Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Hannibal (wie kamst du zu dem angsteinflößendem Namen?),

nachdem du mich kritisiert hast, habe ich mir mal eine deiner Geschichten vorgenommen...:)
Ich kam sehr gut hinein in die Geschichte und war erleichtert, dass mal jemand ohne künstliche Bildworte auskommt...und so normal und vorstellbar schreibt..als die Sache mit den grünen zitternden Pilzen begann, dachte ich, nach all der Idylle (abgesehen von einigen Andeutungen bezüglich der nicht zu verstehenden grausamen Gattung Mensch...), oh weh, ich glaube, ich bin in eine Horror-Geschichte geraten und die mag ich normalerweise nicht. Bei deiner war es überraschenderweise anders. Ich war sehr gespannt, wie es weitergehen wird und habe (obgleich deine Geschcihte für meine Verhältnisse sehr lang war) auch bis zum Ende gut durchgehalten. Toll, die Dialoge im Wald beim Pilzesuchen, genau die richtige Mischung von Handlung, Gespräch und Beschreibung, finde ich. Insgesamt war die GEschichte und die Charaktere glaubwürdig (mal abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, wenn ich in einer einsamen Hütte wohnen würde, so mir nichts, dir nichts einen alten Schulkameraden, der auch noch dazu ein Arschloch war, aufzunehmen. Da hätte ich doch lieber meine Ruhe!)
Die Spannung hast du ausgezeichnet gesteigert, auch war es eine gute Mischung aus psychologischem, politischem und philosophisches, neben der fiction-Ebene.
Ich bin sicherlich alles andere als eine typische Kritikerin und schreibe eher aus dem Bauch heraus. Aber ich kan nur sagen, dass mich deine Geschichte beeindruckt hat.

Herzliche Grüße nach Brandenburg,


Anna

 

Salve Hanniball,

Ich war einer derjenigen, der noch gepostet hat, als deine erste Version (allerdings knapp vorher) bereits verschwunden war. Jedenfalls war das Anlass genug, mir auch die zweite Version durchzukauen.
Besonders erschreckend war, dass diese länger als die erste schon nicht gerade kurze war.
Allerdings gleich vorweg - wesentlich weniger Fehler. Ein bisschen was hätte ich schon zum Reklamieren:

Er war beim Kartoffeln Racken

What's that. Aaargh. Nix verstehen. I am from Austria.

Ein Blick zur Sonne sagt mir, dass es gute Zeit für ein Bier ist.“

Es ist immer eine gute Zeit für Bier, aber in diesem deinem Satz kommt mir trotzdem etwas spanisch vor.

Es war immer noch warm

Da ist dir wohl ein Pünktchen abhanden gekommen, gegebenfalls bitte wieder einsetzen.

So - zur Story an sich: Einiges ist deutlich flüssiger als in Version 1, doch hat die Geschichte dadurch auch verloren. Diese bizarr anmutende Endzeitstimmung will sich diesmal bei mir nicht so recht einstellen. Auch finde ich den dezitierten Verweis auf das Saison-Thema eher störend und auch nicht recht ins Gesamtkonzept passend. Aber so ist das mal eben, allen recht wird man es nie machen können. Den Schluss finde ich - vor allem die Sterbeszene Gunnars - ein "bissi" gar B-Movie-mäßig. Alles in allem muss man dir aber lassen, dass Version 2 "stringenter" (hehe - ich weiß, so sprechen nur Buchhalter) ist.

lg
Lev

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Hanniball,

„Ich weiß nicht, was Sie suchen, aber ich glaube nicht, dass Sie es hier finden werden.“
Der Mann sagte ruhig: „Ich suche dich.“

Iiiiieh, und genau da gruselt es mich schonmal! Ein sehr schöner Einstieg in dieses eigentümliche Verhältnis zwischen den beiden. Das gleiche hatte ich in der Erstfassung mit dem Telefonanruf von Gunnar, um den Besuch. (Und hätte hier sicher auch, wäre mir der Verlauf unbekannt gewesen).

Die Atmosphäre kommt in dieser Fassung viel besser rüber, alles ist isolierter, realistischer, und man kann sich auf das Geschehen vor Ort konzentrieren - auf die Hauptpersonen - anstatt plötzlich über das Fernsehen ins Weltgeschehen gedrängt zu werden.

„Du hast mir immer noch nicht gesagt, was passiert ist“, sagte Einar leise. „Was deinen Erinnerungsverlust ausgelöst hat.“
Dreenkrögen wandte sich um und ging weiter.
„Das brauchst du nicht zu wissen“, sagte er in die andere Richtung.
Sowas gefällt mir sehr gut: Da macht jemand - auch noch ein alter Klassenkamerad - vom Gastrecht gebrauch, aber persönliche Fragen sind nunmal gefühlt unanständig. Und können gut verweigert werden. Der kleine Dreh mit dem Sprechen in die andere Richtung verstärkt die Ablehnung aber ins Persönliche - sehr fein.

Das mit dem Code kann ich herleiten *wisch Stirn*, obwohl ich nicht weiß/wußte, daß es einen Zugangscode gibt, und wo man den anwenden könnte. Ich hätte spontan gedacht, eine zentrale Versorgung gäbe es so nicht.

Das Ende ist angenehm lovecraft'sch, und hat was Ruhig-Versöhnliches. Jedenfalls für einen Beteilgten. :shy:
Aber der letzte Satz - hui, ja Trash. Das kommt mir zu plötzlich, und taucht ja vorher nie auf als Element. Das haut mich völlig raus - mE könnte der raus, dann wäre die Sache rund wie sie ist. Es hat was von sich-selbst-nicht-ernst-nehmen, und stellt für mich den klaustrophobisch-psychologischen Text zu sehr in Frage.

auch @Lev: Joo, man kann schonmal nach der Sonne sehen, bei der Sache mit dem Bier, :schiel: kaufe ich, Uhren sind auf dem Lande eh out (es ist auch Herbst, nicht mehr durchgehend hell, und wir sind ja nicht im ferneren europäischen Osten, wo Leute zum Frühstück Hartes trinken).

Den Spaten hinter'm Bein verstecken - würde ich auch mal wie Tamira nee sagen.

Das mit der Verliebheit hatte ich auch nicht geschnallt - Schande über mein Haupt! Aber eine sehr schöne Idee. Vllt noch ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl für uns verstecken?

Insgesamt finde ich es spannend, daß bisher nur der "Fingerübungstext" die Masken in direkter Form verarbeitet hat.

Herzlichste Grüße - ich fühle mich versucht, zu schreiben "aus dem Jenseits" ;)
Katla

 

Hallo Anna!

Natürlich hast du Recht, wenn du sagst, dass alles, was man erlebt hat, als Geschichte taugt.
Allerdings überlege ich mir ja vorher, welche Wirkung ich erzielen will und dann, wie ich das schaffe; wie ich die Geschichte anlegen muss und was ich zu erzählen habe.
Natürlich ist in dieser Story hier nicht viel Autobiografisches, aber sicher doch mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen wäre.


Schön, dass du dich nicht hast abschrecken lassen von der Rubrik. Freut mich wirklich, dich hier begrüßen zu dürfen - bei den Schmuddelkindern von KG.de.:D

Nein, das ist eine von zwei Eigenschaften fast aller meiner (Horror)-Storys: Sie sind meist weitestgehend unblutig. Und zweitens, ja, sie sind auch meist ziemlich lang.
Weiß Gott allein, woran das liegt, aber was ich zu sagen habe, dauert meist ein wenig länger.

Schön auch, dass sie dir gefallen hat, der Spannungsaufbau und die Dialoge. Ich bin oft gescholten worden wegen unrealistischer Dialoge, so habe ich hier besonders Wert darauf gelegt.

mal abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, wenn ich in einer einsamen Hütte wohnen würde, so mir nichts, dir nichts einen alten Schulkameraden, der auch noch dazu ein Arschloch war, aufzunehmen. Da hätte ich doch lieber meine Ruhe!

Ja, da sprichst du das leidige Thema der Authentizität an. Wie reagiert ein Charakter, was würde er nie tun. Auch das ziemlich dick angeprangert in der ersten Version des Stückes.


und schreibe eher aus dem Bauch heraus.

Recht so! Und wenn du dir die Kritiken später noch mal durchliest, ist das immer sehr erhellend. Zumindest ist das immer bei meinen so.

Schönen Dank also für die Mühe und die wohlwollende Aufnahme!

Lev!

Du bist doch nicht etwa Fan dieser Geschichte?:D

Besonders erschreckend war, dass diese länger als die erste schon nicht gerade kurze war.

Tja, das Ding wurde immer länger und länger. Kann auch nichts dafür!

Er war beim Kartoffeln Racken

What's that. Aaargh. Nix verstehen. I am from Austria.

Wat denn, habt Ihr in Australien keene Kartoffeln?:lol:

Ein Blick zur Sonne sagt mir, dass es gute Zeit für ein Bier ist.“

Es ist immer eine gute Zeit für Bier, aber in diesem deinem Satz kommt mir trotzdem etwas spanisch vor.

Nein, nicht spanisch. Eher gutes altes Deutsch. Es ist hohe Zeit, Hochzeit. Es ist gute Zeit. So, jedenfalls, sehe ich das.

Und die Masken passen nicht ins Gesamtkonzept? Aber das ist doch eigentlich Grundlage dieser Story. Oder sehe ich da was falsch?

Ich freue mich, dass du die zweite Version stringenter als die erste findest. Obwohl sie bei dir offensichtlich nicht eingeschlagen hat.

Sei's drum, Dank auch dir und an euch beide

Schöne Grüße von meiner (brandenburgischen) Seite!

 

Parrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrdon, bitte! Überschnitten hier, das.

Hi Katla!

„Ich weiß nicht, was Sie suchen, aber ich glaube nicht, dass Sie es hier finden werden.“
Der Mann sagte ruhig: „Ich suche dich.“

Iiiiieh, und genau da gruselt es mich schonmal

Wobei ich den geheimen Eindruck hatte, dass ich ganz nah am Klischee wandelte. Habe ich das nicht schon mal gehört/gelesen/gesehen? Gut, wenn's gefallen hat.

Das gleiche hatte ich in der Erstfassung mit dem Telefonanruf von Gunnar, um den Besuch.

Ja, jaaaaaaaaa! Siehe Scharker! So hatte ich mir das gedacht, dieser kalte Moment der Erkenntnis. Da kann man keine großartigen Erklärungen schreiben.

Aber, ich sehe, dass ich doch nicht ganz falsch liege. Allein dafür schon Dank an dich, Katla!

anstatt plötzlich über das Fernsehen ins Weltgeschehen gedrängt zu werden.

Ja, du hast Recht. Ursprünglicher Gedanke war, die eigentlich relevante Nachricht in einem ganzen Waschkorb voll Nachrichten zu verstecken. Quasi der entwendete Brief in der Television. Aber dass ich den Leser damit erschlage und gleichzeitig die Stimmung kaputtmache, habe ich nicht bedacht.
Danke auch für den guten Tipp, Fernsehen und Telefon auszuräumen!


Ein wenig ratlos bin ich schon, wegen der verschiedenen Meinungen über die Story. Von + bis -, das habe ich so noch nicht erlebt.

Aber der letzte Satz - hui, ja Trash.

Der scheint aber durchweg nicht sehr gut anzukommen. Allerdings habe ich damit versucht, einen Bogen zu schließen zum Pseudothema des Textes. Mal sehen, was ich machen kann.

Insgesamt finde ich es spannend, daß bisher nur der "Fingerübungstext" die Masken in direkter Form verarbeitet hat.

Tja, der gute Cerb., ist mir auch noch was schuldig.:D
Das zeigt doch aber die Bandbreite der Masken! Ich denke, da müsste es einen doch in den Fingerchen jucken!:naughty:


Herzlichen Dank also, und schöne Grüße von diesseits!:)

 

Nochmal Hallo!

Zitat:
Wie eine Welle schien es sich auszubreiten über die kleinen Kappen hinweg.

Besser: Wie eine Welle schien es sich über die kleinen Kappen hinweg auszubreiten.

Ich wäre dir dankbar, wenn du mir mitteilen könntest, was an dem umgestellten Satz genau besser ist.

Ich will versuchen, das zu erklären, auch wenn ich befürchte, dass es im Endeffekt nur Ansichtssache bleibt und nur mein Ohr die Umstellung wünscht.
Also: du willst das Bild der Welle voranstellen. Der Gedanke ist ja völlig richtig und dadurch, dass du das Wort "Welle" allem voran stellst auch schon gegeben. Automatisch hat man irgendeine Form einer Welle im Kopf. Nun will man diese Vorstellung auf die von dir gegebene Situation projizieren und dafür braucht man am besten sofort "die kleinen Kappen". Dass sich die Welle ausbreitet, liegt in der Natur der Sache (also DAS wollt ich schon immer mal schreiben^^). Daher kann dieses Wort auch ruhig hinten angestellt werden, denn man denkt es sich eh mit, braucht es nur pro forma eben. Und da reicht es, wenn es an den Schluss gestellt wird. Am wichtigsten sind in diesem Satz die "Welle" und "die kleinen Kappen", daher würde ich sie so weit vorn wie möglich stellen.
Puh, viel Gerede für einen Satz, aber ist deutlich geworden, was ich meine? Wenn nicht kann ich nur sagen: umgestellt GEFÄLLT es mir einfach besser xD


Ich lüge nicht: Am Anfang stand die Szene, in der Einar erfährt, dass Dreenkrögen zur selben Zeit bei Gunnar weilt. In der ersten, in der heftig verrissenen, Fassung stand der Fakt für sich, kein Kommentar dazu, kein Aufhebens, nur den Leser allein lassen mit der Erkenntnis - das geht doch gar nicht. Aber dafür muss man Authentzität und Realismus in seinen Text pumpen, was gar nicht so leicht ist.

Dem kann ich nur zustimmen. Wie oft denke ich daran, mit einer gruseligen Szene mitten aus der Geschichte zu beginnen nur um festzustellen, dass sie auf jemanden unbeteiligtes überhaupt nicht gruselig wirkt. Jedenfalls nicht ohne eine gewisse Einführung, ein vorangestelltes konstrukt, Atmosphäre etc pp. Daher nochmal ein Lob an dich, denn du hast es mMn geschafft, diese Grundlage für guten Horror zu schaffen.

Gruß, Scharker!

 

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