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Springer

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11.04.2001
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Springer

“Rechte Steuerdüse zehn Sekunden voller Schub.”

“Verstanden, rechte Steuerdüse zehn Sekunden voller Schub.”

“Rechte Steuerdüse eine Sekunde voller Schub.”

“Verstanden, rechte Steuerdüse eine Sekunde voller Schub.”

“Linke Steuerdüse eine Sekunde halber Schub, dann sofort Schubumkehr volle Kraft, zwei Sekunden lang.”

“Verstanden, linke Steuerdüse eine Sekunde halber Schub, dann Schubumkehr volle Kraft, zwei Sekunden lang.”

Der Gleitschlitten näherte sich, der Taumelbewegung des Prospektorenschiffes nunmehr angepaßt, bis auf wenige Meter. Der Pilot des Schlittens führte noch eine kleine Kurskorrektur durch und dockte dann mit Hilfe der an dem Gleitschlitten befestigten Elektromagneten an der Aussenhülle des Schiffes an. Sofern sich im Innern des Schiffes noch Atmosphäre befand hallte die Schiffshülle sicherlich wie eine große Glo-cke ob der recht unnatürlichen Art und Weise, mit der der Schlitten Kon-takt gefunden hatte.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und nochmaliger Überprü-fung der Magnethalterungen gab der Pilot des Schlittens vorsichtig wieder Schub. Mit Erfolg, das Prospektorenschiff beendete langsam seine Tau-melbewegung und flog relativ geradlinig, so daß es für das andere, sich in unmittelbarer Nähe befindende Schiff möglich war vorsichtig Kurs und Geschwindigkeit dergestalt anzugleichen, daß die beiden Schiffe bald relativ zueinander scheinbar bewegungslos im Raum hingen.

“Wieviel Zeit haben wir noch?” fragte der Pilot über seinen Helmfunk das von ihm vor einer Ewigkeit, zumindest kam es ihm subjek-tiv so vor, verlassene Schiff.

“Ca. drei Stunden bis zur Kollision, wir haben genug Zeit, Jar-vis,” tönte die Stimme seiner Partnerin über den Helmlautsprecher in sein Ohr. “Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, das ist unsere Chance, vermaßle es bloß nicht!”

Der so zurechtgewiesene Pilot des Schlittens fluchte leise in sich hinein und begann damit starke Stahltrossen von den auf dem Schlitten vorhandenen Winden abzuwickeln und deren Enden sicher an dazu an der Außenhülle des fremden Schiffes vorgesehenen Haken zu befestigen. Nach getaner Arbeit löste er den Schlitten von der Hülle des fremden Schiffes und schwebte langsam zu seinem eigenen hinüber. Auch hier wurden die Stahltrossen befestigt. Ungefähr eine Stunde war vergangen seit er die Taumelbewegung des fremden Schiffes gestoppt hatte. Nun öffnete er wieder die Schleusentür seines Schiffes und begab sich zurück in die relative Sicherheit der so zerbrechlich wirkenden Schutzhülle.
Im Kontrollraum angelangt blickte er das erste mal wieder rich-tig nach draußen. Seltsamerweise, oder vielleicht richtigerweise, konzent-rierte er sich immer wenn er außer Bord war auf seine Arbeit und nahm den Raum um ihn herum nicht wahr. Genauso wie sie es ihm seinerzeit bei ASTROMINC beigebracht hatten.

“Da bist du ja endlich,” empfing ihn seine Partnerin ungeduldig. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie es eigentlich bereits sehr weit gebracht, schoß es ihm durch den Kopf. Selbständige Prospektorin hier draußen im Gürtel. Zwar wirtschaftlich abhängig von ASTROMINC aber das war schließlich jeder hier! Außerdem arbeiteten sie gerade daran die Hypotheken, die auf ihrem Schiff lasteten für immer loszuwerden. Dieses fremde Prospektorenschiff war sozusagen ihr Glücksfall, wie ein sechser im Lotto, verbunden mit der richtigen Zusatzzahl! Hätten sie nicht einge-griffen, das Schiff wäre binnen kürzester Zeit mit einem Asteroiden kolli-diert - woraus folgerte, daß niemand an Bord mehr die Kontrolle über dieses Schiff ausübte. Was wiederum bedeutete, daß, wenn es ihnen ge-lang es zu bergen, das Schiff ihnen gehörte. Sie konnten damit beliebig verfahren, es veräußern, beleihen, vermieten, einfach alles damit tun was ihnen beliebte. Natürlich nur in dem Fall, in dem es ihnen gelang es nach ASTROMINC-Station zu schleppen. So war die Gesetzeslage hier drau-ßen im Gürtel.
Außerdem schien die Außenhülle des Schiffes noch relativ gut intakt zu sein. Es schien lediglich eine unglückliche Kollision mit einem der hier zahlreich vertretenen Felsbrocken hinter sich zu haben, welcher sich ausgerechnet eine neuralgische Stelle kurz hinter den Antriebsaggre-gaten ausgesucht hatte, mit einem Wort durch die Kollision war das Schiff absolut manövrierunfähig geworden. Pech für die Insassen, Glück für sie.

Jarvis starrte noch immer wie gebannt auf den Bildschirm, der die Außenansicht des fremden Schiffes zeigte. “Wir sollten langsam be-ginnen, sonst stellen wir vielleicht zu spät fest, daß wir etwas vergessen haben,” bemerkte er zu seiner Partnerin gewandt.

Langsam mit ihrem Kopf nickend betätigte sie verschiedene Knöpfe auf dem vor ihr liegenden Armaturenbrett und gab langsam Schub auf die Düsen. Die Stahltrossen hielten, die Hülle des fremden Schiffes brach nicht. Allmählich konnten sie das fremde Schiff auf eine neue Flug-bahn ziehen. Eine Kurve, die sie zwar immer noch in die Nähe des Aste-roiden bringen würde, mit dem vor kurzer Zeit noch Kollisionsgefahr bestand, der nunmehr jedoch in sicherer Entfernung vorüberziehen würde.
Wenige Stunden später waren sie wieder auf Kurs Richtung ASTROMINC-Station, ein seltsames Gefühl machte sich langsam in ihren Mägen breit. Irgendwie kam es ihnen nicht richtig vor, daß sie nach ledig-lich rund fünf Wochen draußen wieder heimkehren sollten, ihre Haare waren noch nicht lang genug, normalerweise fuhr man kahlköpfig hinaus und kam mit einer an eine Mähne erinnernden Frisur wieder zurück, ein Brauch, der sich in den zwanzig Jahren intensivem Erzabbau im Asteroi-dengürtel irgendwie eingebürgert hatte.
Es war falsch jetzt schon umzukehren, das sagten sie sich beide im Innern immer wieder, aber wenn sie das Schiff jetzt nicht zurück-schleppten, dann würde sich unter Umständen ein anderer bedienen, au-ßerdem hatten die da drüben ja unter Umständen abbauwürdige Funde gemacht, das alles würde ihnen schließlich auch gehören.

Nach einer kurzen Schlafperiode legte die Pilotin ihren Rauman-zug an und begab sich nach draußen. Mit dem Schlitten glitt sie zu dem anderen Schiff hinüber und untersuchte die Schleuse. Triumphierend öffnete sie diese und stieg vorsichtig in das fremde Schiff ein. Im Innern bot sich ihr ein katastrophaler Anblick. Wohl durch die Taumelbewegung des Schiffes hatten sich zahlreiche Ausrüstungsgegenstände losgerissen und viele Teile der Inneneinrichtung zerstört. Atmosphäre war tatsächlich noch vorhanden, auch Energie wurde noch vom Reaktor geliefert. Ohne Gefahr konnte sie ihren Raumanzug ablegen. Ein Wimmern lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen Schrank, der noch relativ intakt zu sein schien. In seinem Innern fand sie eins der zwei Besatzungsmitglieder, ein Mann wie sie auf den zweiten Blick bemerkte, physisch und psychisch am Ende seiner Kräfte. Von seinem Partner oder seiner Partnerin fehlte jede Spur.


***


ASTROMINC-Station, ein riesiges sich ständig drehendes Doppelrad, mitten im Asteroidengürtel. Effektvoll leuchtete das an der Radnabe in-stallierte Logo der Asteroid Mining Incorporated, ein riesiges stilisiertes A, mit einigen wie Diamanten in Schmuckstücken eingelegten Felsbro-cken versehen, ins All hinaus.

Scheinbar träge näherten sich die zwei Prospektorenschiffe der großen Raumstation. Ihre Geschwindigkeit war fast auf null, relativ zur Raumstation, abgesenkt worden. Die das zweite Schiff haltenden Stahl-trossen wurden von die Raumschiffe wie Bienen ihr Nest umschwärmen-den Menschen in Raumanzügen gelöst und an Schleppschlitten befestigt, welche das beschädigte Schiff sanft in die Landebucht der Raumstation, welche in der Radnabe untergebracht war, zogen. Das unbeschädigte Prospektorenschiff folgte kurze Zeit später von eigener Kraft getrieben.
Stunden ermüdenden Berichtverfassens und Formularausfüllens schlossen sich an das geglückte Manöver an. Das geborgene Besatzungsmitglied des beschädigten Prospektorenschiffes war bereits frühzeitig in die medi-zinische Abteilung verbracht worden. Endlich konnten die zwei zwar erschöpften aber überglücklichen Prospektoren ihre Suiten in einem der vornehmsten Hotels von ASTROMINC beziehen.


***

“He, Jarvis. Was meinst du wie lange der Formalismus noch dauern wird?” fragte die mittlerweile wieder schwarzgelockte Frau wäh-rend sie es sich in ihrem Bett bequem machte. Als Antwort erhielt sie lediglich ein undefinierbares Brummen welches aus der Richtung der Dusche kam. “Schätze es interessiert dich ohnehin nur einen feuchten Kehricht,” murmelte sie vor sich hin. “Irgendwie scheint es ein Fehler gewesen zu sein in unserem Partnerschaftsvertrag darauf zu bestehen, daß ich den kaufmännischen Part abwickle. - Jedes Formular darf ich ausfül-len, das habe ich jetzt davon.”

Zwei Wochen waren vergangen seitdem sie an ASTROMINC-Station angedockt hatten. Zwei lange Wochen des Wartens und Anfragens wegen ihres Antrages auf Übereignung des fremden Schiffes. Die Reakti-on der Sachbearbeiter war gleich Null. Keinerlei Informationen über die evtl. entdeckten Erzvorkommen, ja nicht einmal über den Stand der Dinge überhaupt. Es war zum verzweifeln.
Identifiziert worden war das Schiff mittlerweile. Wie erwartet hatte es eine Besatzung von zwei Personen gehabt. Über den Verbleib des zweiten Piloten, einer Frau, waren keine Informationen bekanntgegeben worden, ohne Sauerstoffvorrat und schützendes Schiff mußte sie jedoch mittlerweile tot sein.
Der Überlebende hieß Martin Ares. Er und seine Partnerin hatten das Schiff lediglich von ASTROMINC gemietet. Vielleicht lag hier der Grund dafür, daß die Übereignung nicht so schnell wie bei freien Prospektorenschiffen vonstatten ging. - ASTROMINC verzichtete ungern auf sein Hab und Gut.

“Wir sollten vielleicht diesen Ares selbst befragen, was und vor allem ob sie überhaupt etwas entdeckt haben, was sich abzubauen lohnt.” Jarvis war unbemerkt aus der Dusche herausgetreten. “Dann könnten wir unsere Ansprüche konkretisieren, was hältst du davon, Irina?”

“Wie willst du das anstellen?” entgegnete die Frau. “Er liegt auf der Intensivstation der medizinischen Abteilung, im Koma!”

“Herrgott noch mal, irgend etwas müssen wir tun,” entfuhr es ihm. “Wenn wir noch länger hier herumsitzen fressen uns die Mieten für diese Luxusbude auf! - Wer weiß ob wir überhaupt jemals unsere An-sprüche durchbekommen!”

“Das Gesetz...”

“Vergiß nicht,” unterbrach er sie, “daß ASTROMINC hier drau-ßen das Gesetz ist - und wir stellen eine Forderung gegen diesen Gigan-ten.”

“So betrachtet..., vielleicht sollten wir wirklich alle Möglichkei-ten nutzen. Komm, wir besuchen mal die medizinische Abteilung.”

Sein Gesicht wies eine herbe Enttäuschung auf. “Jetzt?,” entgeg-nete er. “Ich dachte wir machen es uns ein wenig bequem und...,” er deu-tete auf das Bett.

Lachend schüttelte sie den Kopf. “Das hast du dir selbst zuzu-schreiben, erst die Arbeit und dann das Vergnügen!” Mit einem Satz war sie aus dem Bett heraus und hatte damit begonnen sich anzukleiden.


***


“Ares, Martin Ares, sagten sie?” Der dunkelhäutige Mann im Empfangs-raum der medizinischen Abteilung schüttelte seinen Kopf. “Tut mir leid, ist nicht im Computer. Sind sie sicher, daß er hier eingeliefert wurde?”

“Absolut sicher, wir haben ihn aus einem trudelnden Schiff her-ausgeholt, sie verstehen?” entgegnete Irina während sie sich über die Theke lehnte um einen Blick auf den Computerbildschirm zu werfen. “Er muß hier sein, wir erhielten vor einer Woche die Auskunft, daß er auf der Intensivstation...”

“Ach, dieser Fall. Ich erinnere mich,” der Mann sah erstaunt hoch. “Ich glaube er ist gestorben, warten sie mal - ja hier.” Er hatte eine andere Datei aufgerufen. “Sehen sie, kurz nach der Einlieferung Exitus. - Tut mir leid, ein Freund von ihnen?”

“Kurz nach der Einlieferung, aber das kann doch nicht sein,” entfuhr es Jarvis. “Vor einer Woche erhielten wir von der Verwaltung die Mitteilung, er läge auf der Intensivstation...”

Der Mann hinter der Theke lehnte sich unbehaglich zurück. “Ich kann ihnen nur sagen, was hier gespeichert ist, bei Rückfragen müssen sie sich schon an die Verwaltung wenden.”

“Schon gut,” Irina griff beschwichtigend ein. “Wir haben da sicherlich etwas durcheinander gebracht. Komm, Jarvis, wir gehen.” Mit diesen Worten zog sie ihren Partner mit sich aus dem Raum hinaus und machte neuen Ankömmlingen Platz.

Draußen auf dem Gang machte sich Jarvis Ärger Luft. “Das gibt’s doch nicht. Die Sache stinkt zum Himmel, Irina. Die wollen uns wohl alle für dumm verkaufen...”

“Komm wieder runter, Partner,” flüsterte die Frau. “Die Leute drehen sich schon nach uns um. Wir suchen uns jetzt ein ruhiges Plätz-chen und bereden die Sache, in Ordnung?”

Wenig später ließen sie sich in einer kleinen Kneipe nieder.

“Die wollen uns hinhalten, Irina. Dieser Ares und seine Partnerin haben ein reiches Erzvorkommen entdeckt und das wollen sie uns nicht zukommen lassen, deshalb haben sie uns sogar den Tod des Burschen verschwiegen, einfach nur um uns hinzuhalten, ich fasse es nicht! - Und währenddessen schicken sie sicherlich irgendein ASTROMINC-Schiff hin um den Fund nochmals zu entdecken.”

Irina starrte stumpfsinnig in ihr Bier. “Du magst recht haben. - Und wenn wir uns nicht drum kümmern, dann entgeht uns auch noch das Schiff. Hast du eine Idee wie wir weiter vorgehen sollen?”

Nach gehörigem Alkoholkonsum wurde eine wahnwitzige Idee geboren. Kaum zurechnungsfähig durch den Alkohol verschafften sich die beiden während einer Schichtpause der Werftarbeiter unerkannt Zugang zu dem Hangar, in dem das havarierte Schiff instandgesetzt wurde. Wenig später hatten sie die Schleuse des Schiffes geöffnet und stürzten sich auf den Computer.

“Das hätten wir schon viel früher tun sollen,” bemerkte Jarvis trocken.

“Du weißt das wir während des Fluges keine Zeit dafür hatten. Vergiß nicht, daß wir uns um Ares kümmern mußten, er hätte sterben können!”

“Und was hat er jetzt getan?” entgegnete der Mann, sie blieb ihm eine Antwort auf seine Frage schuldig.

Energie war vorhanden, der Computer hochgefahren. Die Repa-raturcrew beabsichtigte wohl keine lange Pause zu machen. “Beeile dich lieber,” flüsterte Irina ihrem Partner zu während dieser dem Computer das Logbuch mit den Eintragungen der letzten Reise zu entlocken versuchte. “Sie kommen bestimmt bald zurück.”

“Das ist unser Schiff, vergiß das nicht meine Liebe. Was wir hier tun ist nicht ungesetzlich!”

“Und warum tun wir es dann heimlich? Beeile dich bitte,” ent-gegnete sie.

“Verdammt,” der Fluch kam fast unhörbar über seine Lippen. Irina sah ihn fragend an. “Alles gelöscht, kein Logbuch mehr da. Irina, sie haben uns alle Aufzeichnungen gestohlen!”

Irina sah ihn entgeistert an, dann herrschte sie ihn an. “Zieh ei-nen Backup vom Logbuchspeicher, auch wenn er leer ist. Einer meiner früheren Partner ist ein Computerfreak, vielleicht kann er etwas machen.”

Der Datenträger den Jarvis für Zwecke einer Logbuchkopie in den dafür vorgesehenen Schacht gesteckt hatte wurde nun mit einer Kopie sinnlos verwirbelter Speicherelemente überzogen, für einen Laien war er nach wie vor leer.


***


“Du weißt, daß es mir nicht paßt, wenn du ihn triffst,” bemerkte Jarvis scharf.

“Du hast kein Monopol auf mich, ich kann immer noch selber entscheiden mit wem ich wann was mache,” entgegnete sie gereizt zurück. Solange sie alleine mit ihm zusammen in ihrem Prospektorenschiff war, kamen sie eigentlich relativ gut miteinander zurecht. Schlagartig schien sich dies jedoch zu ändern sobald sie sich auf der Station unter Menschen, vor allem anderen Männern bewegten. Irgendwie legte er dann unweiger-lich ein ziemlich absolutes Besitzverhalten ihr gegenüber an den Tag, was sie überhaupt nicht abkonnte. Lief ihr dann auch noch einer ihrer ehema-ligen Partner über den Weg... - Und dieses spezielle Mal würde es ja eigentlich auch auf seinen Wunsch hin passieren. Warum beschwerte er sich dann, zumal er auch noch dabei war?

Sektor blau, Ebene 19, hier waren sie richtig. Eine Gegend der riesigen Station die mehr oder weniger gleichzusetzen war mit einem Slum. Hier fanden die von ASTROMINC absolut Abhängigen eine Blei-be. Zu horrenden Preisen vermietete die Corporation den für sie arbeiten-den Menschen hier Quartiere, zog die Miete, wie alles andere auch, vom ohnehin kärglichen Lohn ab. Dadurch geriet die Masse der Beschäftigten in eine Schuldenspirale. Um die Schulden abzutragen mußten sie für ASTROMINC arbeiten, waren gleichzeitig gezwungen alles lebensnot-wendige wie Luft, Wasser, Nahrungsmittel und Unterkunft zu überhöhten Preisen zu kaufen. Eine moderne Leibeigenschaft hatte sich hier draußen im Gürtel entwickelt, kaum beachtet vom Rest der Menschheit auf der Erde, der einfach nur auf die lebensnotwendige Rohstoffausbeute aus dem Gürtel schielte.

Das Quartier war heruntergekommen, wie erwartet. Hakso war seinerzeit durch einen teuren Maschinenschaden an seinem Prospektoren-schiff in die absolute Abhängigkeit von ASTROMINC geraten, einer der Gründe für die von Irina vollzogene Trennung.
Die Türglocke funktionierte nicht, Jarvis hämmerte mit der Faust gegen das bereits recht mitgenommene Schott. Nach einiger Zeit schob sich die Tür langsam in die Wand zurück. Ein Schwall abgestandener Luft drang aus dem Inneren der Behausung und vermischte sich mit den auch nicht gerade gut riechenden Düften des Korridors. Eine hagere, ja schon fast abgemagerte Gestalt blickte fragend aus der Türöffnung nach drau-ßen. Sekunden des Erinnerns vergingen bevor in seinen Gesichtszügen die gereifte Erkenntnis deutlich wurde.

“Irina,” sagte der Mann leise. “Du suchst mich hier auf?”

“Läßt du uns rein, Hakso?” fragte die Frau wobei ein aufmerk-samer Beobachter sicher bemerkt hätte wie unangenehm ihr die Begeg-nung trotz allem war. “Rein geschäftlich,” fügte sie noch hinzu. Der Mann verharrte kurz in der Bewegung und machte dann mit seiner Hand eine einladende Bewegung.

“Meine Hütte ist auch die deine, wie armselig sie auch sein mag,” war sein Kommentar.

“Laß das, Hakso. Rein geschäftlich, verstehst du? - Das ist Jar-vis, mein Partner,” stellte sie ihren Begleiter vor. “Wir haben da ein Computerproblem mit unserem Logbuch und dachten du könntest uns vielleicht helfen.”

“Ich? - Nachdem sich die ASTROMINC-Spezialisten in den Docks die Zähne daran ausgebissen haben? - Ah, ich verstehe,” unter-brach er sich nachdem er forschend den beiden Gästen in die Augen ge-blickt hatte. “ASTROMINC weiß nichts von eurem Computerproblem oder noch besser, soll nichts davon erfahren?” Irina und Jarvis nickten zustimmend. “Zwei Monatsrationen Luft und Wasser, ist das als Bezah-lung okay?” Ein erneutes, wenn auch schwerfälliges Nicken seitens der zwei Prospektoren entlockte dem Gastgeber ein Grinsen. “Na, dann mal her mit eurem Problem.”
Der weitere Nachmittag sowie der sich anschließende Abend verging quälend langsam. Mit immer neuen Methoden versuchte Hakso dem Datenträger die Informationen zu entlocken an denen Irina und Jar-vis so viel lag. Schließlich warf er sich mit einem Stöhnen auf den Lippen in seinem Stuhl zurück und hämmerte auf der Tastatur seines Terminals herum.

“Mehr kann ich nicht für euch tun, leider ist es dürftig genug. Der genaue Kurs ist leider nicht mehr rekonstruierbar, lediglich der unge-fähre Sektor in dem sich das Schiff aufgehalten hat ist noch zu erkennen, tut mir leid.”

“Mehr als wir alleine geschafft hätten,” bemerkte Jarvis trocken. “Zusammen mit unseren Daten über Abfangwinkel und Geschwindigkeit bei der Bergung müßten wir annähernd damit klarkommen.” Er blickte seine Partnerin auffordernd an, welche den Spielball dann auch aufgriff.

“Wir würden es vorziehen dir keine offizielle Transaktion auf dein Konto zukommen zu lassen, ist das auch in deinem Sinne?” fragte sie.

Hakso nickte und sah sie noch einmal lange an. “Ich kann dich nicht dazu bewegen mich mit ins Boot zu nehmen, oder? - Ich meine, ihr seid da wahrscheinlich einem dicken Fisch auf der Spur, da könnt ihr doch jede Hilfe gebrauchen - und zu verlieren habe ich nichts mehr...”

“Danke für das Angebot, Hakso. Aber wir kommen eigentlich ganz gut alleine klar,” erwiderte Jarvis.

“Vielleicht können wir ja wirklich einen Verbündeten hier auf der Station brauchen,” schwächte Irina die Aussage ihres Partners ab. “Wir bleiben in Kontakt, ja? - Gibst du mir die Nummer deines Kom-Anschlusses?”

Später, nachdem sie wieder auf dem Weg zu ihrem Schiff waren, konnte sie Jarvis Gedanken mehr schlecht als recht auf die zukünftigen Aktionen und von Hakso weg auf andere Dinge richten.


***


Ein Stationsschiff hatte bereits vor einer Woche mit entsprechendem Sektorenziel ASTROMINC verlassen. Dieses Schiff war jedoch aufgrund seiner wesentlich größeren Masse nur zu einer, gegenüber einem Prospek-torenschiff, geringen Beschleunigung und somit geringen Reisegeschwin-digkeit fähig, so daß Irina und Jarvis die Möglichkeit sahen bei men-schenunwürdiger Beschleunigung den Sektor vor dem stationseigenen Schiff zu erreichen.

Drei Monate mit fast durchgängiger Beschleunigung, davon war der letzte Monat am härtesten, da sie während der dann stattfindenden Bremsphase noch mehr g ertragen mußten. Irina und Jarvis waren sowohl physisch als auch psychisch so ziemlich am Ende als sie im Zielgebiet eintrafen.
Die Langstreckensensoren sondierten während der ganzen Flug-zeit, und nun erst recht, ständig den sie umgebenden Raum um rechtzeitig das ASTROMINC-Schiff ausfindig machen zu können. Obwohl sie ziem-lich sicher sein konnten das Stationsschiff überholt zu haben, hatten ihre Scanner nichts ausfindig machen können. Der sie umgebende Raum war denn auch zu gewaltig und die möglichen Flugrouten zu mannigfaltig um dies wahrscheinlich werden zu lassen.

“Und jetzt?” Irinas Frage blieb sozusagen in der Luft hängen. Wie oft hatten sie diese Frage schon diskutiert. Gesetzt den Fall sie ka-men wirklich vor dem ASTROMINC-Schiff an, was, wie sich jetzt her-ausgestellt hatte, wohl geschehen war, was sollten sie dann tun? Wie sollten sie ohne nähere Angaben die Fundstelle finden? Wie sollten sie diese schnell genug registrieren lassen, bevor das Stationsschiff dies tat? ASTROMINC-Schiffe registrierten die von ihnen gemachten Funde im-mer sofort rechtsgültig an Bord während freie Prospektoren immer zuerst zur Station zurückmußten um ihre Ansprüche geltend machen zu können.
Immer mehr kam ihnen ihre Aktion als das vor, was sie wohl auch war: blinde Verzweiflung. - Vielleicht hätten sie sich damit abfinden sollen um ihren Fund, in ihren Köpfen hatte sich diesbezüglich ein gewis-ses Rechtsverständnis etabliert, gebracht worden zu sein.

“Weiter scannen, was bleibt uns anderes übrig? Jetzt aufzugeben wäre das falscheste was wir tun könnten,” entgegnete Jarvis.

Der Scanner verzeichnete nichts außergewöhnliches in ihrer näheren Umgebung. Kartenmaterial dieses Gürtelabschnittes existierte noch nicht in detaillierter Form, hier waren noch nicht viele Schiffe gewe-sen. Insofern war es tatsächlich mehr als wahrscheinlich, daß hier draußen ein Fund gemacht worden war, der sich lohnte gefunden zu werden.
Drei Tage später, während der Ruheperiode gab der Bordcompu-ter plötzlich Annäherungsalarm. Irina und Jarvis sprangen aus ihren Ko-jen und prüften die Instrumente. Entgegen ihren Erwartungen war jedoch von dem ASTROMINC-Schiff keine Spur zu entdecken. Statt dessen hing dort draußen ein Asteroid mit ungefähr einem Kilometer Durchmesser an der dicksten Stelle ungefähr einhundert Kilometer entfernt von ihnen im All. Der Computer hatte ihn durch seine routinemäßigen Sensorchecks entdeckt. Annäherungsalarm hatte er gegeben, da dieser Felsbrocken beim letzten Check vor zwei Stunden noch nicht an diesem Platz gewesen war.

“Flugbahn berechnet?” fragte Irina den Computer. Dieser spuck-te die gewünschten Daten bereits auf dem Bildschirm aus.

“Das ist unmöglich, die Geschwindigkeit ist viel zu langsam. Er hätte auch vor zwei Stunden schon in unserem Scannerbereich sein müs-sen,” bemerkte Jarvis trocken. “Außerdem fliegt er von uns weg, er hätte vor zwei Stunden, ja sieh her.” Er deutete auf den Bildschirm. “Vor zwei Stunden hätte er uns viel näher sein müssen als jetzt! Entweder sind unse-re Instrumente defekt, was ich nicht annehme, oder wir sollten das mal näher unter die Lupe nehmen.”

Der alte Prospektorengeist schien wieder zum Leben erweckt worden zu sein. Alle Sorgen um ASTROMINC schienen vergessen. Langsam nahm das Schiff wieder Fahrt auf und bewegte sich auf den Asteroiden zu.

Kurze Zeit später schrillte erneut der Annäherungsalarm durch die Kabine. Der Nahbereichscanner machte weitere Materieteilchen aus, die sich dem Schiff gefährlich genähert hatten. Kleine Steine, nicht mehr als Faustgroß, dafür aber nicht minder gefährlicher für ein Raumschiff.

“Wo kommen die plötzlich her?” schrie Jarvis in die sich erge-bende Stille hinein.

“Aus einem Winkel von rd. 10 Grad bezogen auf unsere Flug-ebene. Fast identisch mit der Flugbahn des dicken Brockens da draußen,” entgegnete Irina. “Laut Scannerbericht waren sie vor zehn Minuten noch nicht da. Sie hätten aber ebenfalls schon lange erfaßt werden müssen!” Sie sah ihren Partner bedeutungsvoll an. “Da wirft jemand mit Steinchen nach uns, sollten wir uns nicht mal die Quelle ansehen?”

Ein Kopfnicken war die Antwort. In einer langgezogenen Kurve bog das Prospektorenschiff auf die Flugbahn der Steine ein. Zwei Minu-ten später ertönte erneut der Annäherungsalarm, ein kleiner Brocken mit vielleicht fünfzig Zentimetern Durchmesser kam ihnen frontal entgegen. Zum Ausweichen war es zu spät, der Computer errechnete einen Ein-schlagpunkt knapp oberhalb der Antriebsaggregate des kleinen Schiffes. Sekunden nach Ausgabe dieser Berechnung erschütterte ein Stoß das Schiff. Der Stein hatte die Außenwandung durchschlagen, auf seinem Weg durch das Schiff weitere Wände zerfetzt und war an der anderen Seite wieder ausgetreten, so als ob die Schiffshülle aus Butter bestünde. Wie durch ein Wunder waren jedoch keinerlei lebenswichtige Dinge beschädigt worden. Die Löcher in der Außenhülle konnten relativ schnell wieder abgedichtet werden, lediglich der Verlust an Sauerstoff war äu-ßerst unschön. Wären sie auf einer normalen Mission gewesen, so hätten sie diese sicherlich abgebrochen und wären zu ASTROMINC-Station zurückgekehrt.

Das Schiff war für die Dauer der Reparaturarbeiten auf Automa-tik geschaltet worden. Weitere Annäherungsalarmsignale waren zum Glück nicht mehr zu verzeichnen gewesen. Als sich die beiden Prospekto-ren endlich wieder ihren Instrumenten zuwenden konnten erlebten sie eine Überraschung, der Computer konnte ihren Standpunkt nicht mehr bestimmen. Schnelle Untersuchungen ergaben, daß dies jedoch nicht auf Spätfolgen des Einschlags, sondern vielmehr auf eine komplett veränderte Umgebung des Schiffes zurückzuführen war.
Die Scanner registrierten zwar weiterhin unverändert eine Viel-zahl von Asteroiden um das Schiff herum, dies war jedoch die einzige Übereinstimmung zu der Situation, in der sie sich vor nicht allzu langer Zeit befunden hatten.
Keiner der Asteroiden um sie herum entsprach in Größe, Ge-schwindigkeit oder Flugbahn den alten gespeicherten Daten, was aller-dings gar nicht so sehr ins Gewicht fiel, wie die andere vom Computer gemachte Entdeckung. Zwei Sonnen, eine in ungefähr 15 die andere in etwa 130 Lichtminuten Abstand zu ihrer derzeitigen Position beschienen dieses System.


***


“Ich denke, wir können uns jetzt in etwa ausmalen, was Martin Ares und seiner Partnerin widerfahren ist,” brummte Irina trocken. “Hast du eine Idee was hier geschehen ist?” Sie blickte auffordernd zu ihrem Partner hinüber, der zusammengesunken und schweißgebadet in seinem Sessel hockte.

“Nein,” ächzte er mit zittriger Stimme. “Ich denke jedoch, daß es sich sicherlich für ASTROMINC lohnt uns um diese Entdeckung zu brin-gen. Wir haben scheint’s den Weg zu den Sternen gefunden!”

“Es scheint tatsächlich so,” entgegnete die Frau nachdenklich. “Wir sollten hier so viel wie möglich scannen und dann versuchen den Weg zurück zu finden, möglichst unbeschädigt. Was angesichts der vielen kleinen Gesteinsbrocken hier nicht so einfach werden dürfte. Bisher ha-ben wir unverschämtes Glück gehabt, denk an Ares´ Schiff,” fügte sie nachdenklich an.

“Ja, machen wir uns an die Arbeit,” sagte Jarvis und wandte sich den Kontrollen zu.

Ihre Scanner waren nicht darauf ausgerichtet ein ganzes System zu untersuchen. Trotzdem konnten sie erstaunlich viele Einzelheiten he-rausfinden. Das Zwei-Sonnen-System besaß anscheinend keine Planeten. Es schien vielmehr mehrere Asteroidenfelder aufzuweisen. Vielleicht eine Folge der starken Gravitationskräfte der beiden Sonnen, die seit Urzeiten die Materie daran hinderten sich zu Planeten zu verdichten. Ähnliche Theorien waren bezüglich der Entstehung des Asteroidengürtels im hei-mischen Sonnensystem kundgetan worden. Nunmehr stellte sich die Fra-ge, ob nicht der komplette Asteroidengürtel des Sol-Systems nach und nach über Milliarden Jahre hinweg aus diesem System hier in das Sol-System gelangt war. Ein Gedanke, der sich sicherlich lohnte weiter unter-sucht zu werden.
An einem bestimmten Punkt innerhalb des Asteroidenfeldes in dem sie sich derzeit befanden konnten sie beobachten, wie ständig kleine-re und größere Brocken Gesteins verschwanden oder wie aus dem Nichts heraus erschienen. An diesem Punkt waren auch sie vor kurzer Zeit in dieses System eingetreten. Irgendwie beruhigte es sie, daß der Sprung-punkt, wie sie ihn getauft hatten, so offensichtlich von seiner Existenz kund tat. Die Tür nach Hause war nicht vor ihrer Nase zugeschlagen worden.
Die Standardrasterscanneruntersuchung kam langsam voran. Gut 2/3 des sie umgebenden Raumes waren mittlerweile, so gut es mit ihren beschränkten Möglichkeiten überhaupt machbar war, abgetastet worden, als der Scanner ein Objekt erfaßte, welches überhaupt nicht ins vorgege-bene Schema paßte.

“Künstlich, eindeutig künstlich,” war Jarvis Antwort auf die unausgesprochene Frage seiner Kollegin. “Dieser Zylinder da draußen kann nicht natürlichen Ursprungs sein.”

“Wie weit ist das Ding entfernt?” fragte Irina leise.

“Knapp außerhalb des Asteroidenfeldes, vielleicht zwei Flugtage bei normaler Beschleunigung,” entgegnete der Mann. “Sollen wir hin?”

Irina nickte. “Zuerst die Entdeckung des Sprungpunktes und jetzt ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Beweis für die Exis-tenz nichtmenschlichen intelligenten Lebens. Wir müssen einfach hin!”

Zweieinhalb Tage später befand sich das Prospektorenschiff in unmittelbarer Nähe des rund 50 Meter langen und ca. 10 Meter im Durchmesser messenden Zylinders. Irina war in einen der Schlitten ge-stiegen und näherte sich vorsichtig dem nun als eindeutig künstlich zu erkennenden Objekt. Aus der Nähe ließen sich nun auch mehrere Luken erkennen, von denen ein leicht fluoreszierendes Licht ausging. Langsam glitt der Schlitten an eine dieser Luken heran bis er nach und nach von der Leuchtbarriere verschluckt wurde. Jarvis beobachtete von Bord des Prospektorenschiffes aus mit besorgter Miene den Vorgang.
Die Funkverbindung wurde zwar eindeutig schwächer, riß jedoch entgegen ihren Befürchtungen nicht vollständig ab. Irinas Stimme klang seltsam ruhig aus dem Lautsprecher während sie sich langsam in das Innere des Zylinders vortastete und dabei ständig ihre Beobachtungen an Jarvis weitergab. Ihren Schlitten hatte sie in der Schleuse, sie hatten be-schlossen den Raum hinter der Lichtschranke so zu nennen, stehenlassen.

“Niedrige Gänge, niedrige Räume, schätze die Erbauer hatten eine um einiges geringere Körpergröße als wir. Ich muß mich bücken um hier durchzukommen.”

“Sei bloß vorsichtig,” bemerkte Jarvis überflüssigerweise auf die Gefahr hin sich einen Anraunzer seiner Gefährtin einzuholen deren Ner-ven ohnehin derzeit blank lagen. Diese beachtete seine Anmerkung je-doch nicht und fuhr in ihren Schilderungen fort.

“Ich verlasse jetzt den Mittelgang und wende mich nach rechts in einen kleinen Raum. Hier sind Computer aktiv. Auf Bildschirmen kann ich die unmittelbare Umgebung des Zylinders erkennen. Auch unser Schiff ist auf einem zu sehen. - Unter den Bildschirmen sind Bedienungs-elemente angebracht,” Jarvis zog unvermittelt die Luft ein und wollte sich in den Funkverkehr wieder einschalten als Irina fortfuhr. “Keine Angst, ich werde nichts anfassen, ich bin nicht lebensmüde. - Ich bin jetzt wieder zurück im Mittelkorridor. Habe ich berichtet, daß keine Stühle oder sons-tiges Inventar im Raum gewesen ist? Nur die Bildschirme nebst Bedie-nungselementen, sonst nichts. Die künstliche Schwerkraft ist konstant im ganzen Zylinder, wie mir scheint. Wie machen die das bloß, Jarvis? Keine Rotation und trotzdem Schwerkraft? Irgendein kluger Kopf hat mal ge-sagt, daß wenn Technik nur weit genug fortgeschritten ist, diese dann von Zauberei kaum zu unterscheiden wäre. - Ich fühle mich momentan so, als ob ich hinter der nächsten Ecke einem Zauberer begegnen könnte. Weißt du, so einer mit einer langen blauen Kutte, einem spitzen Hut auf dem Kopf und einem langen weißen Bart...”

“Irina, ruhig bleiben. Nicht durchdrehen. Dein Puls ist etwas erhöht. Versuch dich wieder zu beruhigen, leg erst mal eine Pause ein. - Wenn du willst, komm zurück, wir können später...” Jarvis wurde von einem Aufschrei seiner Partnerin aus dem Lautsprecher unterbrochen.


***


“In einem Atmosphärenzelt, sagst du?” Jarvis sah seine Partnerin fas-sungslos an.

“Ja, tot. Wahrscheinlich erstickt, Lebensmittel waren noch genug vorhanden.” Irina war nach ihrem Ausflug in den Zylinder wieder an Bord des Prospektorenschiffes zurückgekehrt.

“Zumindest haben wir nunmehr den Verbleib von Ares´ Partne-rin geklärt,” flüsterte Jarvis vor sich hin. “Die beiden haben den Sprung-punkt entdeckt und sind hierher gelangt. Wie wir haben auch sie den Zylinder da draußen unter die Lupe genommen. Aus Furcht vor einer Übervorteilung durch ASTROMINC ist sie hier an Bord geblieben wäh-rend er mit dem Prospektorenschiff zurück durch den Sprungpunkt flog. Er sollte wohl alles registrieren lassen und sie dann wieder abholen. Die Vorräte hätten bei normaler Flugdauer wohl für sie gereicht.
Dann geschah der Unfall. Ares´ Schiff taumelte nach der Kollisi-on mit einem dieser Brocken steuerlos durchs All bis wir ihn aufgefischt haben. Während wir auf ASTROMINC-Station in der Luxussuite gehockt haben ist sie hier erstickt. Eine Tragödie, wenn Ares doch nur geredet hätte als wir ihn geborgen hatten...”

“Er war nicht in der Verfassung dazu, daß weißt du. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wichtiger ist für uns jetzt wie wir fortfahren. Wir stehen jetzt vor dem selben Dilemma wie die beiden. Wie sollen wir ver-hindern, daß das ASTROMINC-Schiff uns die Entdeckung streitig macht? - Die Frage ist noch immer ungeklärt und sie ist verdammt noch mal das wichtigste, was wir jetzt zu klären haben.”

“Ich denke, die von den Beiden praktizierte Lösung scheidet aus, ich jedenfalls möchte nicht Gefahr laufen hier zu ersticken oder zu ver-hungern,” Jarvis drehte seine Daumen gegenläufig umeinander, eine Be-wegung die ihn, wie er immer wieder beteuerte, beruhigte. Seine Partnerin sah darin jedoch eher eine sich steigernde Nervosität. “Wir müssen zu-rück durch den Sprungpunkt, möglichst ohne Kollision mit einem dieser Gesteinsbrocken. Vielleicht sollten wir erst mal dieses Problem lösen und die Registrierung dann angehen.”

“Einverstanden, lösen wir die naheliegenden Probleme, eins nach dem anderen. - Wir brauchen einen Schutzschild, den wir vor uns halten können. Vielleicht einen der größeren Asteroiden? Wir könnten ihn mit unseren Schlitten auf Kurs bringen und uns hinter ihm herschleichen!”

Jarvis schlug sich mit der Hand vor den Kopf. “Irina, ich hab’s. Wir nehmen diesen Zylinder da draußen mit! Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen haben wir unseren Schutzschild und zum anderen einen Beweis für ASTROMINC das wir hiergewesen sind den sie nicht leugnen können! - Ja, das ist die Lösung.”

Stunden später war der Plan in die Tat umgesetzt. Zwei Schlitten an dem Zylinder angekoppelt und ferngesteuert in Position gebracht wor-den. Der Sprungpunkt lag keine zwei Kilometer mehr entfernt. Langsam nahm das seltsame Gespann Fahrt auf. Der Sprungpunkt wurde erreicht, übergangslos änderte sich die Umgebung. Der Computer erkannte die sie nun umgebenden Asteroiden als die wieder, die vor dem ersten Sprung registriert worden waren - und gab gleichzeitig Kollisionsalarm. Ein riesi-ges Schiff steuerte genau auf den Konvoi zu.

“Der ASTROMINC-Raumer,” entfuhr es Irina. “Sie haben ein ganzes Fabrikschiff hierhergeschickt. Das Ding ist mindestens einen Ki-lometer lang. - Verdammt, Jarvis, ausweichen. Überbrück die Automa-tik!” Mit ungeahnter Kraft hieb sie auf das sich vor ihr befindliche Arma-turenbrett ein. Langsam zündeten die Zusatzdüsen, das Prospektorenschiff beschrieb eine unsäglich lange Kurve und versuchte dem Giganten aus-zuweichen. Die Schlitten, die immer noch ferngesteuert ihrer Programm-routine folgten, schoben den Zylinder frontal auf das Fabrikschiff zu. Eine Kollision war unvermeidbar. Der Riese war nicht dazu in der Lage auf so begrenztem Raum in so kurzer Zeit ein entsprechendes Ausweichmanöver zu bewerkstelligen. Minuten später schlug der Zylinder in das ASTROMINC-Schiff ein.
Zuerst schien so gut wie nichts geschehen zu sein, dann jedoch, wahrscheinlich hatte der zertrümmerte Zylinder nun die Antriebsaggrega-te und Treibstofftanks erreicht, explodierte alles in einem gleißenden Inferno dessen Auswirkungen auch das kleine Prospektorenschiff noch zu spüren bekam. Viele kleine Bruchstücke fegten durch das All, manche schlugen im Prospektorenschiff ein. Glücklicherweise wurden keine le-bensnotwendigen Geräte beschädigt.

“Und jetzt?” fragte Irina in das Schweigen hinein.

“Wir haben Glück gehabt, doppelt würde ich sagen. Die Entde-ckung kann uns so leicht keiner mehr streitig machen. Wir sind jetzt die ersten, die offiziell an ASTROMINC-Station anlegen werden und den Fund registrieren lassen. - Und das da draußen,” er wies mit dem Zeige-finger auf den Bildschirm auf dem die nachglühenden Reste des Fabrik-schiffes zu sehen waren. “Das da draußen,” wiederholte er, “war ein Un-fall, das können wir mit unserem Bordbuch beweisen. - Irina, wir sollten schon mal die Luxussuite vorbestellen. Wir haben den Weg zu den Ster-nen gefunden und uns patentieren lassen!”

 

Du hast in der Geschichte eine schöne Idee von einer möglichen Zukunft entwickelt. Die Idee mit der Abhängigkeit der Leute von der Firma , die Natürlichkeit. mit der die Bezahlung in Luft und Vorräten verhandelt wird - das ist echt gut.
Auch die technischen Beschreibungen sind schön und einfallsreich.
Die Story ansich ist kompakt geschrieben, allerdings fand ich, daß sie oft nach den Stellen, an denen es mysteriös geworden ist, warum z.B. der Tod des Mannes verschwiegen worden ist, etwas langatmig geworden ist.Die leichten Eifersuchtsanfälle z.B. fand ich etwas überflüssig - auch wenn menschliche Beziehungen sicherlich in SF-Stories nicht übergangen werden sollten.
Dann sind mir auch ein paar logische Ungereimtheiten aufgefallen:
1.: warum, wenn sie noch ihre Hypothek abbezahlen muss, nehmen die beiden sich ein Luxuszimmer?
2.: Wieso ist es so einfach, sich in so einer mächtigen Firma unerlaubt Zutritt zu den Hangars zu verschaffe - zumal die beiden zu dem Zeitpunkt ja vollkommen breit waren? Und wie können beide in ihrer Trunkenheit so gut mit dem Bordcomputer umgehen und so logisch denken und sich unterhalten?
3.: Als sie durch das "Sternentor" geflogen sind, war der Zylinder über zwei Reisetage entfernt. Auf dem Rückweg aber haben sie, mit dem Zylinder im Schlepptau, das Tor in einigen Stunden erreicht. Das kommt doch nicht hin.

Ich muß sagen, daß es eindrucksvoll ist, wieviel Geschichten Du schreibst, obwohl Du noch arbeitest (irgendwas mit Steuern war das, nicht?). Gutes Ende - geschieht der Asi-Firma ganz recht - das die Menschheit nicht mal im All ihre totalitären Komplexe weglasssen kann!
Ich werde mir noch mehr von den Geschichten anschauen, mal schauen, was da noch so ist. gespannt bin ich auf jeden Fall!

Ach ja: Am Ende muss es eigentlich heißen "...und das sollten
wir uns patentieren lassen. Auch ist patentieren eigentlich nicht das richtige Wort, weil sie es ja nicht erfunden haben.

 

Hallo Sebastian,

erst einmal herzlichen Dank für Deine ausführliche Kritik, von so was wünsche ich mir mehr.

Zu Deinen Anmerkungen:

Warum nehmen die zwei sich ein Luxuszimmer? Na, weil sie sich jetzt reich fühlen. Sie rechnen damit ein Prospektorenschiff übertragen zu bekommen, welches einen beträchtlichen Wert darstellt. Wohlgemerkt ohne Schulden! - Ich habe mich da ein wenig an den alten Bergungsrechten der Seeschiffahrt (verflixt, das schriebt man jetzt mit drei f, oder? - Claudia Schiffer eigentlich auch?) orientiert.

Das mit dem Hangar erforderte irgendwie die Handlung, wobei ich davon ausgegangen bin, daß alle Prospektoren ja irgendwie Zugang zu den Hangars (zu ihren eigenen Schiffen) haben müssen. - Und das Schiff gehörte ihnen doch jetzt!

Die Zeit zum Sternentor, Scheiße!!! Und ich dachte mir passiert so etwas nicht!!! - Das sind genau die Sachen über die ich mich bei Stories und Romanen von anderen Leuten aufregen kann. Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße...

Das mit dem patentieren ist bei uns im Büro so ein geflügeltes Wort. Will meinen, wenn irgendjemand mal irgendwas richtig gemacht hat heißt es sofort, daß kannst Du Dir patentieren lassen, insofern ist die Wortwahl zu verstehen. - Aber eigentlich wollte ich damit zum Ausdruck bringen, daß die zwei Protagonisten sich da ihren Claim abstecken werden und damit durch Transitgebühren sicherlich viel Geld machen können (sofern ASTROMINC das wirklich zuläßt, vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Fortsetzung?).

Ja, im Hauptberuf bin ich wirklich Steuerberater. Zusammen mit meinem Partner wicheln wir und acht Angestellte da so einiges ab. Zeit für das Schreiben bleibt kaum. Manchmal während der Mittagspause oder abends im Bett. Neben Arbeit und Hobby gibt es da dann auch noch Frau und drei Kinder, alles in allem macht es aber einen höllischen Spaß.

Die Stories, die ich hier eingestellt habe sind über einen langen Zeitraum hinweg entstanden. Begonnen mit dem Schreiben habe ich ca. 1977 (im zarten Alter von 14 Jahren). Die vorliegende Story stammt aus dem Jahr 1997 und wurde hier erstmalig einem etwas breiteren Publikum zugeführt. Sie spielt übrigens im selben Universum wie "Sie kamen von Carredo", "Rendezvous mit einem Rätsel" und "Durch die Flammenhölle von Coronoa", wobei sie irgendwie die Vorgeschichte darstellt (Entdeckung des ersten Sprungpunktes) aber später entstanden ist.

ad astra

 

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Die ausgedehnten Dimensionen des Raumes, und damit auch der Zeit, sind glaubhaft rübergekommen, genauso wie die Goldgräberstimmung. Leider ist der ausserirdische Zylinder für meinen Geschmack etwas zu "beiläufig" abgehandelt worden. Aber da es sich ja um eine Art Vorgeschichte handelt wird später dazu sicher mehr Bezug genommen werden. Das werd ich demnächst mal überprüfen ;)

Ah ja, die Basis kommt mir irgendwie bekannt vor, oder täuscht das ?!

 

Hallo Axel,

deine Geschichte hab ich erstmal so überflogen, werde sie mir noch genauer durchlesen, deshalb auch keine Kritik bzw. Bemerkung dazu.

Aber eines muß ich loswerden:

DU hast mit dem Schreiben angefangen, als ICH geboren wurde?

Uhhhhhhhhhhhhhhhh... :D

Tja, war ich sozusagen die Muse, was? Eine männliche... Muse... irgendwie... hm... seltsam.

 

Hey Alex! Tolle Geschichte, für meinen Geschmack nur etwas zu technik-verliebt, eigentlich schon Hard-SF, während ich lieber "weiche SF" bevorzuge, wo der Leser kaum mit Fachjargon in Berührung gerät. Na ja, Geschmackssache.

Dieser eine Faux-Pas mit der Zeit kann schon mal passieren, kein Grund sich graue Haare wachsen zu lassen! Dafür war doch die Idee, statt mit Geld mit Sauerstoff und Wasser zu zahlen 1A! An solchen Details merkt man einfach, dass du dir wirklich Gedanken machst und nicht mal schnell in der Mittagspause irgendwas reintippst.

Alles in allem: Solide SF! Schön langsam wirst du mir unheimlich... :D

 

Hey Alex! Tolle Geschichte, für meinen Geschmack nur etwas zu technik-verliebt, eigentlich schon Hard-SF, während ich lieber "weiche SF" bevorzuge, wo der Leser kaum mit Fachjargon in Berührung gerät. Na ja, Geschmackssache.

Dieser eine Faux-Pas mit der Zeit kann schon mal passieren, kein Grund sich graue Haare wachsen zu lassen! Dafür war doch die Idee, statt mit Geld mit Sauerstoff und Wasser zu zahlen 1A! An solchen Details merkt man einfach, dass du dir wirklich Gedanken machst und nicht mal schnell in der Mittagspause irgendwas reintippst.

Alles in allem: Solide SF! Schön langsam wirst du mir unheimlich... :D

 

Leider muß ich hier mitteilen, daß meine Stories in aller Regel eben doch in der Mittagspause in den PC gehämmert werden. Früher gab es da noch die Zeiten in der U-Bahn, die herhalten konnten, mittlerweile ist für den Weg zur Arbeit aber das Auto angesagt und da läßt es sich bekanntlich schlecht schreiben, wobei ich schon mal ernsthaft über ein Diktiergerät nachgedacht habe. Dieses könnte man ja dann später mit dem PC koppeln und über Spracherkennungssoftware tippen lassen. Fast schon wieder SF oder?

ad astra

 

Deine Mittagspausen scheinen ja ziemlich lang zu sein... :D

 

Pro Tag eine halbe Stunde Mittagspause, wobei ich mir die nicht immer gönne und vor allem nicht jede pause zum Tippen genutzt wird.

ad astra

 

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