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Tag und Nacht
überarbeitete Version
Es war nicht mein erster Orgasmus, den ich am Borkumer Strand erlebte, aber einer, der noch lange nachwirkte. Ich war gerade dreizehn Jahre alt geworden und verbrachte meinen ersten Urlaub ohne Eltern auf dem Campingplatz am Wasserturm. Die anderen Mädels waren alle ein paar Jahre älter als ich, und nur der Fürsprache meiner Cousine hatte ich es zu verdanken, dass ich überhaupt dabei sein durfte.
„Ich pass schon auf sie auf.“ Patricia hatte spielerisch drei Finger hochgehoben und meine Mutter angelacht. „Bei meiner Ehre!“
Energiereich und voll guter Ideen wurde Pat von allen akzeptiert, und ich, Mini-Pat genannt, lief einfach mit.
Bis dahin kannte ich Urlaub nur mit Reiseleitern und großen Hotels, diesmal erwies sich schon eine warme Dusche als ein nicht immer erfüllbarer Luxus.
„Sagt mal“, Sonja kramte nach der Ankunft in den Unterlagen, die wir vom Campingwart bekommen hatten, „hat jemand dran gedacht, Marken für Heißwasser zu kaufen?“
Kopfschütteln unsererseits, dann Bine: „Ich geh.“
Inzwischen schien das heiße Wasser aber schneller verbraucht als erzeugt zu werden. Aber es war Sommer, am Tag hatten wir uns vor der brennenden Sonne in die Wellen geflüchtet, und jetzt blieb noch eine wohlige Wärme, so dass uns auch kalte Duschen nicht abschreckten.
Gleichmütig hatten wir den Tag am Strand gehockt, ohne Sorgen um Speckröllchen oder verrutschte Bikinis, und auch den Sand hatten wir ertragen, obwohl er sich überall zwischen Wäsche und Haut und sogar zwischen die Zähne zwängte. Jetzt, nach Sonnenuntergang, erhob sich eine andere Welt, mit Leinenhosen und Schminke und aufgeregtem Schnattern. Ich fühlte mich wie ein Fremdkörper, zog meine einzige lange Hose an und wartete, mit großen Augen die fremde Welt bestaunend.
„Was ist denn eigentlich mit Mini-Pat?“, fragte Sonja. „Die lassen sie doch gar nicht rein in die Disco.“ Drei Augenpaare starrten mich an, dass es mir heiß wurde.
„Die sehen das hier nicht so eng.“ Pat kramte in ihrem Schminktäschchen und reichte mir die Wimperntusche. „Komm, leg dir was auf, das schafft gleich zwei Jahre.“
Ich versuchte, mich groß zu fühlen und nicht nur albern, als ich mit meiner Bemalung neben den anderen Mädels hertrabte. Der Schuppen war laut und düster, und die Typen, die da rumliefen, alles andere als attraktiv, vermutlich Matrosen aus der Kaserne am Hafen. Sonja wurde von einem aufgefordert, wir anderen stürmten als Grüppchen auf die Tanzfläche, und ich versuchte mich nach der Musik zu bewegen, wie ich das zu Hause vor dem Schlafzimmerspiegel meiner Eltern so oft geübt hatte.
Es war nicht das Abenteuer, das ich mir erhofft hatte. Der Rauch biss mir in die Augen, der Schluck Bier aus Pats Glas schmeckte eklig, und die fröhlichen Stimmen der anderen schienen mir aufgesetzt. Trotzdem tanzten sie weiter, tauschten Sprüche aus, und als dann das Schwarzlicht ihre BHs unter den Blusen leuchten ließ, jauchzten sie auf, während die Männer johlten. Ich war nur müde und wollte in meinen Schlafsack. Allein traute ich mich aber nicht zurück zum Campingplatz und kauerte mich in eine Ecke.
Am nächsten Morgen erhob sich wieder die Tageswelt, und alles drängte hinaus zum Strand. Als ich spürte, wie sich bei jedem Schritt der Sand zwischen meine Zehen schob, als ich das Schwappen der Wellen hörte und gegen die Sonne auf die glitzernde Fläche blinzelte, wusste ich, wofür ich gekommen war. Mein Herz pochte wild, ich fühlte mich frei, so voller Lust; hier wollte ich nie mehr weg! Ich warf meine gepackte Strandtasche neben Pats Liegetuch, streifte mein Kleid über den Kopf und lief hinunter zum Wasser. Die anderen folgten mir. Etwas atemlos warf ich mich ins Nass, spürte die Kühle, die meinen ganzen Körper umgab, fühlte mich lebendig. Ich hüpfte wieder in eine Welle, und Gischt spritzte mir ins Gesicht, bei der nächsten verlor ich den Halt, so dass sie über mir zusammenbrach und mir Salzwasser in Nase und Mund drang. Egal, dachte ich und hustete und prustete. Welle für Welle, bis ich mich ausgetobt hatte und mich zum ruhigeren Schwimmen weiter hinaustreiben ließ, wo der Wellengang nur ein sanftes Auf und Ab bescherte.
Der Tag war so voll mit Baden, Sonnen und Strandspaziergängen, dass ich gar keine Lust mehr zu anderen Aktivitäten hatte, als die Dunkelheit hereinbrach. Weder die Aussicht auf Essen gehen noch Eis naschen konnten mich vom Campingplatz weglocken, und so winkte ich den anderen zum Abschied hinterher. Ich war gesättigt an Erlebnissen, legte mich vor unser Zelt und verfolgte ruhig und zufrieden das Strahlenmuster des Leuchtturms.
„Habt ihr ’nen Dosenöffner mit?“, riss mich eine Stimme heraus. Ich blinzelte den Sprecher vom Zelt neben uns an, und sein Kopf schien eine seltsame Form zu haben. Ich richtete mich halb auf und erkannte seinen Irokesenschnitt.
„Ja, haben wir. Warte, ich hole ihn dir.“ Irgendwie konnte ich mir weder vorstellen, wie der Typ mit der Frisur schlafen noch wie er sie unter diesen Bedingungen erhalten konnte. Ich schlüpfte ins Zelt und besorgte das Gerät.
Wenig später saßen sie um ihren Gaskocher und verschlangen Ravioli, und ein wenig hungrig sah ich zu ihnen hinüber.
„Hey, willst du auch was, Kleine?“
Sie schienen beide nett zu sein, und ich gesellte mich zu ihnen.
„Ich heiße“, ich stutzte und hätte beinahe Mini-Pat gesagt, so oft, wie ich es in den letzten Tagen gehört hatte. „Pat.“ Mein Magen knurrte, und wir lachten.
„Ich bin Sebastian“, sagte der Iro, „und das ist Marc.“
„Na, seid ihr mit dem Auto da?“, fragte der andere, dessen Haare nach allen Seiten abstanden. Er deutete mit dem Finger auf die Mengen an Krams, die aus dem Vorzelt herauslugten.
„Mit dem Zug. Von uns hat noch niemand den Führerschein.“
„Wir sind mit dem Fahrrad unterwegs. Von hier aus geht es weiter nach Holland.“
„Der Kontrolleur hat uns vielleicht angestarrt, als wir nur ein Ticket von Emden nach Borkum wollten, ohne Rückfahrgelegenheit.“ Sie lachten und ich mit ihnen. Die waren bestimmt schon neunzehn oder zwanzig. Ich genoss es, dass diese richtigen Männer ganz normal mit mir sprachen. Und interessant sahen sie beide aus, mit ihren seltsamen Frisuren. Ich hätte mich gern noch länger mit ihnen unterhalten, aber müde von der Fahrt wollten sie nur ins Zelt.
„Klar könnt ihr mit uns zum Strand.“ Die Sonne knallte schon auf das Zelt, als ich von Pats Stimme geweckt wurde. Verschlafen kroch ich hinaus und sah sie zusammen stehen: Pat, Sonja, Bine und die beiden Jungs. Sebastian war kaum wiederzuerkennen. Anscheinend hatte er geduscht und sich seine rote Pracht seitlich über den Kopf gekämmt. Kein Iro mehr. Marcs abstehende Strähnen entpuppten sich als gefilzte Zöpfe.
„Ah, unsere Langschläferin ist auch mal wach.“ Bine reichte mir einen dampfenden Becher. „Hier, ’nen Schluck Kaffee?“
Etwas hatte sich verändert, als wir am Strand ankamen. Als hätte ein Gesetz der Nacht hinübergereicht in die Sandhitze, behielt Bine plötzlich ihr T-Shirt an, um ihre mollige Körpermitte zu kaschieren. Sonja lachte einen Tick schriller über Pats Witze, und selbst ich nestelte an meinem Oberteil herum. Wir wollten alle gefallen. Vermutlich ging es den Jungs ebenso, denn sie begannen eine Rauferei wie die Jungen in meiner Klasse, wenn sie sich wieder aufblasen wollten.
Wir spielten Ball am Strand, erst auf der von der Ebbe freigelegten Fläche, dann im seichten Wasser. Zunächst bemühte ich mich noch, durch vorbildliches Pritschen und Baggern eine gute Figur zu machen, wie ich das tat, wenn wir im Verein Besucher hatten, aber irgendwann war alles unwichtig, und nur der Spaß an der Bewegung zählte. Wir standen schon hüfthoch im Wasser, und selbst Bine hatte ihren Sichtschutz am Strand gelassen. Ich brüllte „Hier!“, um den Ball zu bedienen, aber von hinten fassten Männerarme an beiden Seiten an mir vorbei und nahmen den Ball an. Es war kurz wie eine Umarmung, ich spürte Marcs heiße Brust an meinem Rücken und versteinerte. Mein Herz blieb fast stehen.
„Sorry, Pat, war zu verlockend!“, lachte er und ging in die Hocke. „Sollen wir noch ein Stück tiefer ...?“ Wir tauchten alle zum Abkühlen unter und spielten etwas tiefer weiter.
Es dauerte nicht lange, bis Marc und ich wieder zusammenprallten. Diesmal landete seine kalte Brust an meinem Busen, und meine Brustwarzen stellten sich sofort auf. Beschämt wollte ich untertauchen, doch er fasste mich an den Hüften und hob mich hoch.
„Boah, bist du schmal.“ Seine grünen Augen leuchteten in der Sonne, erstaunt, doch freundlich. „Da muss man ja aufpassen, dass man sich nicht stößt!“ Dabei zwinkerte er mir zu und ließ mich hinunter.
„Das war doch ...“ Mir war glühend heiß, und ich wäre gern in eine Welle gesprungen. Aber der ruhige Wind ließ mich im Stich, und so tauchte ich in die glatte See. Erst nach ein paar Schwimmzügen dachte ich es zu Ende. „Er hatte Sex gemeint. Mit mir.“ Ich schwamm und schwamm, bis mein Herz endlich wieder ruhiger schlug.
Später beobachtete ich, wie er triefend aus dem Wasser stieg und den Kopf schüttelte wie ein nasser Hund sein Fell. Ich starrte auf die kaum behaarte Brust, die meinen Rücken berührt, auf seine Arme, die ich um meine gespürt hatte. Ein wehes Gefühl breitete sich in mir aus, wie ich es noch nie erlebt hatte. Das also war Begehren! Nicht die Begegnung mit Nicos Zahnspange, nicht die nassen Küsse mit Oli aus der Klasse. Immer wieder musste ich ihn ansehen, mit den Blicken den Flaum an seinem Kinn abschätzen, die gebogene Nase, diese wunderschönen Augen ... Plötzlich war es egal, was wir gerade taten, nur seine Anwesenheit genügte. Mit anderen Jugendlichen vom Platz trafen wir uns in den Dünen, um verbotenerweise ein Lagerfeuer zu errichten und ein paar Lieder auf der Gitarre zu hören.
Der sanfte Schein des Feuers und die gesungenen Lieder wärmten mein Inneres, als ich äußerlich zu frösteln begann. Die Stimmen der anderen vereinten sich zu einem undurchdringlichen Brei, wurden leiser, traten zurück. Irgendwann spürte ich Pats Hand an meiner Schulter. „Komm, Mini-Pat, wir gehen zurück.“ Ich sah zwei Schatten, die Sand über die Glut verbreiteten, die anderen waren schon fort. „Lass uns schlafen gehen.“
Der nächste Morgen weckte uns mit bleiernem Grau. „Hoffentlich gibt es keinen Regen. “ Ich erkannte Marcs Stimme und schoss aus dem Zelt.
„Ah, kleine Pat, dann sehe ich dich ja auch noch.“ Marc strahlte, während ich verständnislos zwischen ihm und dem abgebauten Zelt hin und hersah.
„Ihr fahrt ab?“ Meine Stimme klang kratzig.
„Ja, wir müssen doch weiter. An der holländischen Küste entlang, mal sehen, wie weit wir kommen.“
„Ihr könntet doch noch einen Tag dranhängen.“
„Das würden wir gern, aber wenn wir das bei jedem Aufenthalt tun ...“
„Pah, jedem!“ Die Träne, die ich zurückgehalten hatte, brach jetzt durch. „Borkum ist doch was Besonderes.“ Ich schluckte.
Marc kam auf mich zu und nahm mich in die Arme. „Dann wünsche ich euch noch einen besonderen Urlaub.“ Es kam mir vor, als sog ich mit all meinen Poren seinen Geruch ein, ein Gemisch aus Leder und Kräutern mit einem Hauch Kaffee. „Pat und Sebi haben Adressen ausgetauscht – wir können uns ja Karten schicken.“ Damit ging er, ohne ein Wort von Wiedersehen. Ich winkte ihm nach.
Trotz des zugezogenen Himmels machten wir uns zum Strand auf, aber mir war der Urlaub verdorben. Ich ließ den Sand zwischen meinen Fingern durchrieseln, ohne ihn wirklich zu spüren. Missmutig hatte ich zu nichts Lust, und Pats besorgte Nachfragen beantwortete ich mit schnippischen Bemerkungen. Ich konnte mich selbst nicht leiden. Ständig musste ich daran denken, dass sich Marc weiter und weiter von mir entfernte, jetzt musste er auf dem Schiff sein, jetzt müsste die Fähre in Eemshaven anlegen, jetzt würden sie weiterfahren Richtung Groningen ... Als es am Nachmittag regnete und Bine das Museum und das Café am alten Leuchtturm vorschlug, patzte ich ’rum: „Macht doch, aber ohne mich!“
„Was isn mit der?“ Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Pat ihr ein Zeichen machte.
„Von mir aus leg dich ins Zelt“, sagte sie, „aber pass auf, dass du nicht an die Wand kommst; sonst regnet es rein.“
Stattdessen mietete ich ein Fahrrad und fuhr im peitschenden Regen über die Promenade. So fühlte sich das also an, was Marc gerade machte. Ich radelte die Leuchttürme ab, den rot-weißen elektrischen am Südstrand, dann den neuen Leuchtturm im Ortskern und schließlich den alten, eckigen Turm in der Nähe der Walknochen, die irgendein Insulaner vor langer Zeit zu einem Zaun aufgereiht hatte.
Pat wollte gerade ins Cafe und winkte mir zu. Sie zupfte an meinem Ärmel und führte mich zu einem abgelegenen Tisch. Den anderen rief sie über die Schulter zu: „Ich komme gleich. Bestellt schon mal.“
Der Regen prasselte aufs Dach, als ich über meiner Schokolade saß und Pat mich fragte: “Nun rück mal raus. Was ist denn los?“
Ich zog am Strohhalm, ließ den heißen Kakao langsam wieder zurückgleiten und braune Rinnsale über meinem Sahnehäufchen verbreiten.
„Du hast dich verliebt, stimmt’s?“
Meine Gefühle wirbelten durcheinander. Ich lächelte glücklich und stammelte: “Ja, Marc ist so süß!“ Als Pat nickte, schwärmte ich weiter: „ Er hat so schöne grüne Augen. Und wie er duftete ...“ Dabei fiel mir wieder der Abschied ein, und es brach durch in mir. „Es war so schön, als Marc da war.“ Ich schluckte. „Und jetzt ist es so schrecklich. Es tut richtig weh.“
Es war gar nicht nötig, aufzusehen, um Pats Blick zu spüren. „Ich kenne das. Und trotzdem verliebe ich mich immer wieder.“
Ich machte eine Bewegung, um mir Tränen abzuwischen, aber scheute den direkten Blickkontakt mit Pat. „Was machst du denn dann, wenn es so weh tut?“ Ich schaute auf, aber durch den Tränenfilm in meinen Augen konnte ihr Gesicht nicht richtig erkennen.
„Ganz unterschiedlich. Musik hören. Mir alles noch mal vorstellen, Blicke, Worte, einen Kuss. Das, was passiert ist oder was hätte sein können. Und manchmal“, sie zögerte, „mach ich es mir dabei selbst.“
Sich streicheln? Ich dachte zurück an mein Zimmer daheim. Früher, vor dem Umzug, hatten meine kleine Schwester und ich abends im Bett unsere Tagesspiele weitergeführt, Zigeuner, im Zirkus, Höhlenkinder. Als ich mein eigenes Zimmer bekam, spielte ich abends weiter, doch mit der Zeit wurde ich öfter eine Schauspielerin oder Sängerin, die sich mit einem Fan trifft. Oder umgekehrt, ich war der Fan und traf Berühmtheiten. Und dabei hatte ich angefangen, mir Kussszenen und Zärtlichkeiten vorzustellen und zu spielen. Irgendwie wurden diese Szenen von Mal zu Mal heftiger, und einmal hatte ich plötzlich den Rahmen der Geschichte völlig vergessen, und ein unbekanntes Gefühl breitete sich in mir aus, intensiv, angefangen im Bauch erfasste es den ganzen Körper. Erschreckt und verwirrt hatte ich die Spiele aufgegeben und mir angewöhnt zu lesen, bis mir die Augen zufielen.
„Mini-Pat, alles okay?“ Die Pause war wohl etwas lang.
„Ja, keine Sorge.“ Tatsächlich fühlte ich mich etwas besser. „Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich mache ...“
Der Himmel klarte auf und ließ die Sonne durchscheinen, und ich fuhr zurück, um das Rad abzugeben. Am Strand kaufte ich mir Essen und blieb dort sitzen, beobachtete, wie die Familien ihre Sandeimer und Schaufeln zusammensuchten und nach Hause eilten, was immer ihr Zuhause gerade war. Ich sah die Sonne untergehen, und ihr glühendes Rot schien am Himmel mein Inneres zu spiegeln. Sterne zeigten sich, als erstes wie immer die Venus, dann winzige, weit entfernte Lichtpunkte, die ich nicht benennen konnte. Noch ein paar Jugendliche am Volleyballnetz, und dann war plötzlich der Strand menschenleer. Das Nachtleben hatte begonnen.
Das Meer mit seinem gleichmäßigen Klang war beruhigend, und ein wenig kehrte mein Wohlbefinden zurück. Ich suchte mir ein Strandzelt in der vordersten Reihe und zog meine Sachen aus. Heimlich schlich ich zum Wasser und tauchte unter. Sofort spürte ich meine ganze Haut, eingehüllt in kaltem Wasser. Und da war auch wieder Marcs Gesicht präsent, sein erstaunter Blick, seine Hände an meinen Hüften. Ich lief zurück zum Strandzelt und wischte mir das Wasser ab, und plötzlich war er bei mir, meine Hände waren seine, die mich überall berührten, voller Genuss. Ich roch wieder seinen Duft von Leder, Kräutern und Kaffee, spürte den Flaum von seinem Kinn an meiner Wange, sah ihm in die Augen ... Ich keuchte, und da war es wieder, dieses wohlige Gefühl, stärker diesmal, mich ganz umfassend. Ich fühlte mich eins mit allem, dem Meer und den Sternen, selbst mit dem Schicksal versöhnt. Als ich auf die Wellen hinaussah, war ich einfach glücklich. Immer noch verliebt, und Marc fehlte immer noch. Aber etwas anderes war auch da; es waren meine Gefühle, die konnte mir keiner mehr nehmen.
Als ich am Zelt ankam, machten sich die anderen gerade noch eine Mitternachtssuppe warm.
„Morgen soll es wieder besseres Wetter geben“, rief Pat mir zu.
„Schön, dass der Urlaub gerade erst angefangen hat!“ Ich lächelte. „Mal sehen, was noch passiert.“