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22.11.2005
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Stilistischer Beirat: Senior Mitglied "Woltochinon"

Ich werde verfolgt. Noch kann ich es nicht mit Sicherheit sagen, aber die Schuhe, die schon seit geraumer Zeit, ganzen drei Blocks, hinter mir herquietschen, haben mit mir die Straßenseite gewechselt, haben das Tempo erhöht, als ich mein Schritttempo erhöht habe. Es besteht kaum ein Zweifel. Ich weiß, dass jemand hinter mir her ist, vermag mich nicht umzudrehen, denn genau in diesem Moment wird er wissen, was ich weiß und seine Tat vollstrecken. Angst presst meine Eingeweide zusammen, ich spüre Schweißtropfen in meinen Augen. Nein – ich will nicht sterben, schon gar nicht vor meiner eigenen Haustür. Denn spätestens da bin ich dran. Dann kann der Kerl auch gleich meine Wohnung ausräumen. Aber nicht mit mir. Ich werde mir nichts anmerken lassen und weitergehen. Ich schaue nicht zur Tür, als ich an ihr vorbeigehe. Langsam aber sicher werde ich in einen belebteren Teil der Stadt gehen. Noch scheint der Täter nicht entschlossen genug. Vielleicht lässt er von mir ab. Ich müsste eine Kneipe finden, eine Imbissbude, irgendwas. Aber zu dieser Zeit hat nichts mehr geöffnet. Keine Bahn fährt, kein Taxi saust vorbei, kein Mensch weit und breit.
Ich werde verfolgt! Ich bin das Opfer. In ein paar Tagen werde ich nur noch ein Opfer sein. Der Täter entscheidet, ob man meinen Namen in den Zeitungen lesen wird oder nicht. Umso grausamer, brutaler und bestialischer er mich abstechen wird, umso schlagkräftiger wird seine mediale Präsenz. Warum nur, warum nur hat er das getan? Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: Jugendlicher ersticht Student auf offener Straße. Seitenlange Ausführungen der Grausamkeiten und weitere ellenlange Berichte mit den Beschreibungen der desolaten Familienzustände und des sozialen Umfelds des Täters folgen. Ich werde nicht viele Worte bekommen.
Ich bin ein Opfer. Ein weiteres Opfer, ein weiteres Beispiel der sozialen Verhältnisse, die in diesem Land herrschen. Ich werde vom Opfer zum Beispiel, vom Beispiel zur Bestätigung einer Tabelle. „Ein Student“ wird dort stehen. Vielleicht mein Name in Kürzeln. Ein Student, mehr nicht. Keine Familie. Er kam aus dem Kino. Man fand die Eintrittskarte. Keine Begleitung. Er war alleine im Kino. Welchen Film? Nicht einmal das wird man schreiben. Von meinem Täter hingegen werden sie jedes Videospiel auflisten, was er für Musik gehört hat, wie sein Zimmer aussah, wie er so in der Schule war. Bei mir dagegen: nichts. Was ich so gehört habe, interessiert keinen. Dabei höre ich sehr wohl auch sexistische Musik und spiele bluttriefende Ego Shooter. Und schlecht in der Uni bin ich auch. Keinerlei Zukunftsperspektive. Freunde habe ich auch keine, sonst wäre ich wohl kaum alleine im Kino gewesen. Schlechtes soziales Umfeld, pah! Von so was kann ich nur träumen. Ich habe nicht mal ein Umfeld. Schon gar kein soziales. Und das Butterfly, um das sich gerade meine Faust in der Jackentasche schließt, ist nicht die einzige Waffe, die ich besitze. Also vergiss es! Von wegen Opfer. Ich werde die Schlagzeilen bestimmen, ich werde das Subjekt sein, der Wichser hinter mir das Objekt. Meine Eltern sollen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht seine. Meine Lebensgeschichte soll erzählt werden. Ich kann es nicht dulden, nur Opfer zu sein.
Ich zücke mein Messer, drehe mich um, bereit, meine Geschichte in seinen Leib zu schnitzen und seine zu löschen. Ich starre in ein verblüfftes Gesicht. Er erschreckt, stolpert beinahe, dreht sich um und rennt. Er war gar nicht so nah hinter mir, wie ich gedacht hatte. Auch ich renne los, das Messer wie einen Tomahawk in der Hand. Ich schreie etwas, ich weiß nicht was, irgendwas, und ramme nach nur wenigen Schritten mein Messer in Nackenfleisch, er fällt, ich bekomme das Messer nicht mehr heraus, halte mich daran fest, ich falle auch, wir fallen, ich schlage mit dem Kopf auf die Bordsteinkante, keine Schlagzeile wert.

 

Hallo Aris Rosentrether,

ich finde das Thema deiner KG sehr spannend. Die Überlegungen zu Täter und Opfer, sowie die Wertschätzung des Gedenkens, dürfte momentan wohl aktueller sein, denn je. Bei den ganzen Medienberichten muss man ja paranoid werden.
Leider nimmst du irgendwann die falsche Abzweigung, wie ich finde. Die Überlegungen zu Täter, Opfer und dem jeweiligen sozialen Umfeld fand ich sehr spannend. Zu Zeiten von Sündenbockpolitik, in denen man lieber auf Musik und PC-Spiele schaut, als auf die sozialen und familiären Missstände, passt die reflexive Komponente ganz toll. Ich bin aber sehr enttäuscht, dass aus dem "Opfer" dann doch am Ende der Täter wird und du damit lediglich ein Stereotyp nachschreibst. Unser Täter hat nun alles, was dazu gehört: Killerspiele, destruktive Musik, "schweres" soziales Umfeld und keine Zukunftsperspektive. Das ist für meinen Begriff zu flach.
Schade, denn die Frage, wie sehr die Angst, Opfer zu sein, jemanden zum Täterdasein motivieren kann, ist sehr spannend.
Das Ende ist dann holterdiepolter geschrieben. Da kommt nicht nur der Protagonist über Kopf, sondern auch die Geschichte.

Ich schreie etwas, ich weiß nicht was, irgendwas, und ramme nach nur wenigen Schritten mein Messer in Nackenfleisch, er fällt, ich bekomme das Messer nicht mehr heraus, halte mich daran fest, ich falle auch, wir fallen, ich schlage mit dem Kopf auf die Bordsteinkante, keine Schlagzeile wert.
Das ist zuviel Info in einem Satz, obwohl du bestimmt bewusst die überstürzte Form des Bewusstseinstroms wählst, um eine intensive Darstellung zu erzielen. Mir gefällt dann auch das Ende nicht:
keine Schlagzeile wert.
Das will nicht ganz passen, weil ein solch abgefahrener Mord doch sicher in den Medien erscheint. Falls es übertragend gemeint ist, ist es für meinen Geschmack etwas zu schwach ausgedrückt.
Schade, spannendes Thema, aber für mich hätte der Reiz darin gelegen, gerade nicht das Stereotyp nachzuschreiben.

Liebe Grüße,
Seelenschmied

 
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Hallo Seelenschmied,

hab vielen Dank für diese Kritik. Ich kann deine Einwände verstehen und es freut mich, dass dir die KG gefällt. Denn ich nehme einfach mal an, dass sie das tut, sonst hätte sie dich nicht zu so vielen Gedanken dazu führen können.

Allerdings, hier nun meine Meinung, ist es am Ende ja gar kein abgefahrener Mord, es ist nicht mal ein Mord, denn ich glaube nicht, dass jemand von einem Butterfly im Nacken stirbt. Möglich ist das. Ich habe es absichtlich so unklar gelassen, absichtlich so abrupt abgebrochen. Schade, dass dies bei dir nicht so auf Zuneigung stößt.

Interessant ist, dass du schreibst, ich würde einen Stereotyp bedienen. Unser Täter, der ja gar keiner ist, ist ja nur ein Student mit einem Butterfly. Ich glaube nicht, dass man bei ihm eine Umfeld und Musikbeschreibung machen würde. Viel mehr würde die Polizei bei ihm vor einem Rätzel stehen.

Interessant ist, wie sich der Leser hier den Prot vorstellt, der sich selbst als das Opfer darstellt. Eigentlich hat man von ihm gar keine so richtige Vorstellung.

Das Ende lässt sich sicherlich noch verbessern. Ich habe es mir in der Tat so gedacht, dass der Rhythmus etwas schneller werden muss. Mal sehen, wie ich das besser hinbekomme.

beste Grüße

 
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Hallo Aris R.,


Ich vermag mich nicht umzudrehen, denn in genau dem Moment wird er wissen, was ich weiß und seine Tat vollstrecken.

:D

Ich werde verfolgt! Ich bin das Opfer ... Ich werde nicht viele Worte bekommen. Ich bin ein Opfer.

Da der Ton der Geschichte verspricht und auch der Inhalt darauf zusteuert, dachte ich, super, endlich mal eine Geschichte die dem gesellschaftlichen Stigma des Opfers an den Kragen will ;).

Dabei höre ich sehr wohl auch sexistische Musik und spiele bluttriefende Ego Shooter. Und schlecht in der Uni bin ich auch. Keinerlei Zukunftsperspektive. Freunde habe ich auch keine, sonst wäre ich wohl kaum alleine im Kino gewesen. Schlechtes soziales Umfeld, pah! Von so was kann ich nur träumen. Ich habe nicht mal ein Umfeld. Schon gar kein soziales. Und das Butterfly, um das sich gerade meine Faust in der Jackentasche schließt, ist nicht die einzige Waffe, die ich besitze. Also vergiss es. Von wegen Opfer. Ich werde die Schlagzeilen bestimmen, ...

Okay, Korrektur des Themas - mediale Präsenz. Oder zumindestens: Schaut her ich bin interessant. Andere denken, sie könnten singen oder hätten der Welt in Talkshows was zu berichten. Insofern nicht: Ihr wollt von mir das Opfer - aber da mach ich nicht mit; sondern aufgrund von Schlagzeilengeilheit die Wendung.

Also zücke ich mein Messer und drehe mich um, bereit, meine Geschichte in seinen Leib zu schnitzen und seine zu löschen.

Auf das erste "und" könntest Du auch verzichten, nicht nur wegen der Wiederholung, auch zugunsten des Tempos.

Brille, Vollbart, kurze Haare, schwarze Jacke.

Beschreibung, die Leser eigentlich nicht braucht und somit auch nur "verzögernd" wirkt. Meiner Meinung nach.

... ich renne los, das Messer wie einen Tomahawk in der Hand.

Schönes absurdes Bild.

Das Ende will mir irgendwie nicht so recht. Irgendwie wirkt es auf mich sperrig, im Gegensatz zum Rest des Textes. Und ich dachte auch, ein Messer im Nacken fühlte sich nicht unbedingt lebendig an ;). Ich würde es tatsächlich klarer formulieren. Irgendwie so:

Er dreht sich um und rennt. So nah hinter mir, wie ich gedacht hatte, war er gar nicht. Auch ich renne los, das Messer wie einen Tomahawk in der Hand. Ich schreie etwas, ich weiß nicht was, irgendwas, und ramme nach nur wenigen Schritten mein Messer in Nackenfleisch, er fällt, ich falle auch, wir fallen.
Er ist verletzt. Ich bin in der Psychatrischen. Keine Schlagzeile wert.

Soweit mein Textempfinden.
Aber, gern gelesen und gut unterhalten. Mir hat die Geschichte gefallen.
Denke, sie hätte sich auch in Gesellschaft in guter Gesellschaft befunden ;).

Beste Grüße Fliege

 

Hallo Aris,

dein Text kam mir vor, wie das Solo eines Fußballspielers, im eigenen Sechzehner gestartet, mit mühelosen Dribblings durchs Mittelfeld und einigen überraschenden Tricks bis vor das gegnerische Tor. Dort spielst du auch noch locker den Keeper aus und dann ... schießt du am leeren Tor vorbei.

Anders gesagt: Dein Text ist in seiner Kürze und mit den Gedankenspielen sehr gut aufgebaut, und dieser Wandel von dem ängstlichen Opfer zum aggressiven Täter ist echt wunderbar und mit sehr viel Dynamik gestaltet.

Aber der Schluss? Nee, das hat mir nicht gefallen, das ist mir zu platt. Das passt nicht zum eher subtilen Ansatz des restlichen Textes. Ist mir zu brachial und in sofern: Denk noch mal drüber nach, die Geschichte mit einem anderen Schluss zu veredeln. Das wär was!

Rick

 

Hi Aris,

das ist wirklich eine feine Umwandlung! In meinen Augen ist dir das überzeugend gelungen, das Vertauschen der Täter/Opfer-Rollen.

Also zücke ich mein Messer und drehe mich um, bereit, meine Geschichte in seinen Leib zu schnitzen und seine zu löschen. Ich starre in ein verblüfftes Gesicht. Brille, Vollbart, kurze Haare, schwarze Jacke. Er erschreckt, stolpert beinahe, dreht sich um und rennt.
ich glaube, mir hätte die Geschichte besser gefallen, wenn du das hier dem Leser überlassen hättest. Hier wird zu klar, dass der Verolger gar nicht die Absichten hatte, die ihm unterstellt wurden. Ich fände es reizvoller, wenn du im Wahn des Prots bleiben würdest.

Joa, und dann das Ende. Schieße mich der Fraktion an, die das ändern würde. Das ist echt ein bisschen platt und wird dem starken Text nicht gerecht. Schade drum.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo zusammen,

das Ende scheint ja auf nicht viel Anerkennung zu stoßen. Ich war ja der Meinung, es wäre überraschend für die KG, wenn am Ende nichts passiert. Das Gegenteil scheint der Fall. Also werde ich mir was überlegen müssen. Ich hoffe, ihr habt etwas Gedult, denn gerade fällt mir keine adäquate Lösung ein.
Aber ich verstehe die Einwände und sehe ein, dass ein anderes Ende nötig ist.

@Fliege: Tassächlich wäre Gesellschaft passender gewesen. Aber es ist nicht so notwendig, es zu verschieben, denke ich.
Dein Ende gefällt mir gut. Vielleicht werde ich es übernehmen. Und danke für die Tipps.

@ Rick: hähä. Ich glaube eher, ich habe den Ball im gegnerischen Sechzehner noch einmal hochgespielt um ihn dann per Fallrückzieher zu verwandelt, mir dabei allerdings beide Beine gebrochen.
Danke für die netten Worte. Das Ende wird kommen, ich grübele!!

@weltenläufer: Auch dir vielen Dank und die Bitte, bei der Änderung des vermasselten Endes Gedult zu haben.

@all: Vielleicht wäre es etwas verblüffend, wenn der Verfolgte von jemand Bekanntem, also seiner Freundin, Mutter, Mitbewohner, Professor verfolgt würde.
Vielleicht sollte ich ihn im letzten Absatz (und vielleicht auch mehrere Male) den Täter ausmalen lassen. Also dass er sich vorstellt, wie sein Mörder aussehen könnte, also mal Klischee, mal außergewöhnlich.
Und dann ist es sein Professor oder seine Mutter, vor dem/ der er mit dem Tomahawk in der Hand steht.

Wie ist das?

 

> Ich werde verfolgt! Ich bin das Opfer. In ein paar Tagen werde ich nur noch ein Opfer sein<,

lieber Aris,

glaubt der Prot.

Paranoia!, sag ich. Er hört Schritte hinter sich, fühlt sich verfolgt, hat so seine Vorstellungen, was da geschehen könnte, sieht schon Schlagzeilen. Findet aber keine Bestätigung: > Er war gar nicht so nah hinter mir, wie ich gedacht hatte <, da passt das Ende allemal! Denn dieses individuelle Schicksal auf die braunen Paronoiden/Paranoiker übertragen, zeigt was "Großes" daraus werden kann.

So geht's zu in einer paranoiden Welt ...

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedel,

schön, dass sich noch jemand findet, dem das Ende zusagt. Ich würde die KG auch so lesen wie du, dass er einfach durch den Medienwahn die Schritte hinters sich als Verfolgung interpretiert. Ich werde das Ende ändern, aber vielleicht bleib ich doch etwas bei der Paranoia.

Danke.

 

Da bin ich noch mal.

An sich kann man's nur als Paranoia ansehn, was da geschildert wird. Aber dass eine Paranoia dann nach Wunschergebnissen des, zugegeben, durchaus geneigten Publikums ausgehen muss ... grnzt doch schon ana Paranoide. Oder?

Gruß

Friedel

PS: Der Peter heißt übrigens Dieter und wird im Hausnamen umgeläutet ...

 

Hallo Friedel,

ich weiß nicht, ob die anderen es nicht als Paranoia lesen. Es ist klar, dass der Prot nicht wirklich verfolgt wird, sondern jemandem, der einfach so hinter ihm herläuft, das Messer in den Nacken rammt. Vielleicht ist es auch nicht so angekommen. Es gibt kein Opfer, nur Täter :)

Ich bin im Grunde immer bereit, meine Geschichten umzuschreiben und ein Kollektivende zu finden. Früher, ja da haben sie hier versucht mit der Brechstange meine Geschichten zu verändern, ich war wie Knetmasse.

Vielleicht lass ich den Schluss einfach offen und jeder denkt sich sein Ende. Oder hab ich das nicht vielleich sogar schon getan????

Danke und viele Grüße,

PS: jaja, der Dieter Kuhn ist wer ganz anders :)

lese jetzt eh was ganz anderes, viel mehr zu empfehlen.

 

>Ich schreie etwas, ich weiß nicht was, irgendwas, und ramme nach nur wenigen Schritten mein Messer in Nackenfleisch, er fällt, ich bekomme das Messer nicht mehr heraus, halte mich daran fest, ich falle auch, wir fallen, ich schlage mit dem Kopf auf die Bordsteinkante, keine Schlagzeile wert< ist,

lieber Aris,

m. E. ein hervorragendes Ende einer Geschichte:

>Ich schreie etwas, ich weiß nicht was, irgendwas ...< Der Paranoide/Paranoiker weiß nicht nur nicht, was er tut, er weiß nicht einmal mehr, was er von sich gibt ...

>..., und ramme nach nur wenigen Schritten mein Messer in Nackenfleisch, ...< das, wenigstens, nimmt der Prot noch wahr wie dann auch dass

>er (der potentielle "Verfolger") fällt, ..., ich falle auch, wir fallen< alle, die paranoid sind, denn spätestens jetzt - wo's zu spät ist - wird der Verfolger zum Verfolgten, werden die potentiellen Rollen umgekehrt, getauscht. Schönes Sprachspiel mit den Pronomen 1. Person Singular/Plural, 3. Person. Beugen wir uns ... Ich falle, Du fällst, Er/Sie/Es fällt etc.

> ... ich bekomme das Messer nicht mehr heraus, halte mich daran fest, ... < der Täter sucht Halt. Bedauerlicherweise am Opfer.

> ... ich schlage mit dem Kopf auf die Bordsteinkante, keine Schlagzeile wert<
als würden Schriftzeichen noch in Stein gehauen.

Kann ein melancholisch stimmender Schluss schöner/besser sein? Ich bezweifel es. Da ist alles drin, und meistens merkt man beim Schreiben gar nicht, was da alles hinein- und herausgelesen werden kann.

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedel,

ja, das gefällt mir. Es freut mich ungemein, wenn jemand so viel interessante Interpretationen herschiebt. Was soll ich noch sagen? Jetzt gefällt mir das Ende. :)
Ich habe, im Gegensatz zu anderen Geschichten, keine Intention, keine Moral geplant. Aber das ist ja meistens eh besser so. Braucht man nur noch das richtige Publikum für.

Gruß

 

Hallo Aris,

den Wechsel der Täter/Opferbeziehung hat mir gefallen, das Stereotypargument dagegen sehe ich nicht, der Täter erwartet schließlich: “Ich werde nicht viele Worte bekommen“, so treten die Täterklischees in den Hintergrund (es macht die Sache eigentlich interessanter, da das Potential für Schlagzeilen eigentlich vorhanden ist, die Chance dafür eher ungenutzt bleibt). Insgesamt ist der Inhalt in Ordnung, mir fehlt eine stärkere Herausarbeitung einer Problematik (z.B. ‚wie kommt es zur Verfolgungsangst‘, ‚was macht das Opfer zum Täter‘ – aber gut, man kann und muss nicht immer bis zu den Ursprüngen gehen).
Sprachlich finde ich den Text weniger gelungen, er wirkt etwas abgehackt, ein rastloseres Denken (erzählen) würde vielleicht besser zum Thema passen.

„Umso grausamer, brutaler und bestialischer er mich abmurksen wird, umso schlagkräftiger wird seine mediale Präsenz.“

„abmurksen“ halte ich für ungünstig, da es im gewissen Sinne ein verniedlichender Ausdruck ist, er nimmt der Aussage die Brisanz.

„Ich werde die Schlagzeilen bestimmen, ich werde das Subjekt sein, der Wichser hinter mir das Objekt. Meine Eltern sollen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht seine. Meine Lebensgeschichte soll erzählt werden. Ich kann es nicht dulden, nur Opfer zu sein. Also zücke ich mein Messer, drehe mich um, bereit, meine Geschichte in seinen Leib zu schnitzen und seine zu löschen“

Folgendes möchte ich vorschlagen:

Ich werde die Schlagzeilen bestimmen, ich werde das Subjekt sein, der Wichser hinter mir das Objekt. Meine Eltern sollen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht seine. Meine Lebensgeschichte soll erzählt werden. Ich kann es nicht dulden, nur Opfer zu sein.
Ich zücke mein Messer, drehe mich um, bereit, meine Geschichte in seinen Leib zu schnitzen und seine zu löschen.

(Gewollte Wiederholung von „Ich“; Absatz da von der Theorie zur Praxis gewechselt wird). Anstelle von „schnitzen“ ‚ritzen‘: Schnitzen ist ein längerer Vorgang mit Spanbildung; ritzen (gravieren, ursprünglich eine Art des Schreibens) passt besser als Gegensatz zu ‚löschen‘ – beides schnelle Vorgänge und gehören zum Thema ‚schreiben‘.


Auch hier ein Absatz:

„Seitenlange Ausführungen der Grausamkeiten und weitere ellenlange Berichte mit den Beschreibungen der desolaten Familienzustände und des sozialen Umfelds des Täters folgen. Ich werde nicht viele Worte bekommen. Ich bin ein Opfer.“


„Seitenlange Ausführungen der Grausamkeiten und weitere ellenlange Berichte mit den Beschreibungen der desolaten Familienzustände und des sozialen Umfelds des Täters folgen.
Ich werde nicht viele Worte bekommen. Ich bin ein Opfer.“

L G,

Woltochinon

 

Begrüssung!

Das der Kerl plötzlich so austickt... ja, warum eigentlich nicht? Wenn es da so Psychoebenenmässig eine Grundlage für gibt. Unglaubwürdig finde ich das nicht, aber vielleicht fehlt mir da noch ein letzter, kleiner Übergangsschritt, der diesen Umbruch ein bisschen näher erläutert. Möglicherweise ist das aber auch totaler Unsinn, weil man es sich ja durch seinen Auseinseiterstatus schon irgendwie zurechtschustern kann, dass dieser Kerl in der falschen Situation eine falsche Entscheidung treffen könnte.

Also für den Platz, den Du für die Geschichte gebraucht hast, finde ich es auch ganz okay!

Gruß,
Satyricon

 

Hallo Wolto,

freut mich, dich unterhalten zu haben. Danke für den Kommentar. "Was macht das Opfer zum Täter"? ist ja die große Frage hier. Ich denke nicht, dass die unbeantwortet bleibt, wenn auch sehr irrational ist. Aber es ist eben diese Frage, die sich der Leser stellen und vielleicht beantworten soll. Interpretationsmaterial habe ich euch ja genug dargelassen.

Auch wie es zur Verfolgungsangst kommt, ist doch klar. :) Er redet sich diese ein! Ob er wirklich verfolgt wird, wird hier nicht klar. Da muss ich mich am Ende entscheiden. Ich hab es jetzt, wie so oft, offen gelassen. Deine Meinung zum Ende hätte mich sehr interessiert.

ich werde statt abmurksen abstechen schreiben.

Auch deine zwei anderen Veränderungen werde ich wahrnehmen. Hab Dank.

Zum Stil: Ich dachte mir, eine Geschichte, die von vornherein mit der Verfolgung beginnen soll, sollte auch schnellen Schrittes geschrieben sein, also etwas hastend aber so, dass der Betrachter nicht sieht, dass man schnell läuft. So wie jemand eben schnell geht, wenn er denkt, er wird verfolgt. Da ist dann keine Zeit für unnötige Stops. So hab ich mir das jedenfalls gedacht.

Hallo Satyricon,

Begrüßung!!

in der falschen Situation die falsche Entscheidung, irrational entschieden, so sehe ich das auch. seine Gründe legt der PRot ja recht offen dar. So einen pseudopsychoquatsch wie "ich zückte das Messer wiefrüher mein Vater den Prügel zückte wenn ich wieder Unsinn gemacht hatte", schreibe ich nicht. Für solche 0815 Erklärungen musst du in den Bushido Film gehen. :)

Der Übergangsschritt ist bei dieser schmalen Geschichte natürlich das Entscheidende. Ich dachte mir, dass da jede unnötige Information fehl am Platz ist.

vielen Danke auch dir und euch beiden beste Grüße

 
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hallo aris,

bis zur umkehrung hat es mir gefallen, danach bricht es für mich auseinander...
ich hatte vorher nicht den eindruck, das Dein protagonist dazu fähig ist, jemanden umzubringen.

Ich hätte ihn seinen "verfolger" anschreien, beleidigen, provozieren, wahrscheinlich sogar schlagen lassen (wenn es sich um einen mann/jugendlichen handelt). und dann hätt ich ihm seine schuldgefühle ob dieser tat um die ohren gehauen, sich selber verglichen mit dem "schmutz der gesellschaft".

sowieso gefällt mir das wort butterfly nicht.
ich finde messer viel böser!
wie muss ich mir das am ende vorstellen?
hat der erst noch nen trick mit dem messer gemacht, einmal schön über den handrücken wandern lassen?
passt nicht zur kurzschlusshandlung/handeln im affekt, meiner meinung nach.

und warum hat der ein messer dabei?
okay, dadurch wird es logischer, dass er zu einer solchen tat überhaupt fähig ist, aber....
ich weiss nicht....

hauerei und schubsen und schlagen bis der andere stirbt erscheint mir da realistischer. wenn er denn überhaupt sterben muss!

lustig fand ich Deine erklärung

Allerdings, hier nun meine Meinung, ist es am Ende ja gar kein abgefahrener Mord, es ist nicht mal ein Mord, denn ich glaube nicht, dass jemand von einem Butterfly im Nacken stirbt.
wobei lustig einfach das falsche wort ist.

ich sag nur AUA!

soviel von mir,
liebe grüße,
tierwater

 
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Hallo tierwater,

dankeschön für deinen Kommentar. Bis zur Umkehrung ist die Geschichte eine gradlinige Story ohne Besonderheiten, erst durch die Umkehrung, egal wie absurd sie dir vorkommen mag, passiert hier doch was. Klar, ich hätte den Prot auch einfach durch seine Haustür laufen lassen können, das wäre vielleicht realistisch. Oder wenn er ihn einfach nur anschreit, das wäre auch realistisch. Es ist aber ebenso realistisch, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass er ein Messer, eine Handgranate oder was auch immer zückt. Weißt du denn, was die Menschen, die auf der Straße vor dir spazieren gehen, so in der Manteltasche tragen? Nur weil es WAHRSCHEINLICHER ist, dass er kein Messer hat, ist es nicht REALISTISCHER. Mit Verlaub!!
Auch bin ich fern davon ab, Geschichten in den Mantel der Realität zu drängen. Ich hätte auch, wie das so oft geschieht, einen Untertitel "nach einer wahren Begebenheit" beifügen können, es bliebe doch Fiktion. Eine Geschichte so nah wie möglich an den (langweiligen) Erwartungen des Lesers anzusiedeln, der sich einen Messerstecher noch wie Räuber Hotzenplotz vorstellt, liegt auch fernab meiner Schreibe.

Wenn du dir vorstellen möchtest, wie mein Messerschwinger mit dem Butterfly herumfuchtelt, dann bitte sehr. Geschrieben hab ich das nicht. So viel Interpretationsvagnis würde ich mir an anderen Stellen wünschen. Er handelt auch nicht im Affekt, sondern denkt ja darüber nach. Daraus besteht ja die Geschichte. Und das Ding heißt nun mal Butterfly. Wenn ich es Messer nenne, könnte es auch ein Bortmesser sein.

Zu meiner Erklärung mit dem Messer im Nacken. Gut, das ist eine große Schweinerei und höchstwahrscheinlich ist das Opfer tot, aber vielleicht auch nicht. Bei einer Geschichte von Kafka heißt es am Ende auch, "er sprang in den Fluss" und alle denken, er ist tot. Muss aber nicht so sein. Ich könnte das Ende präzisieren und damit dem Leser die Freiheit nehmen, sich selbst zu überlegen, ob das Opfer tot ist oder nicht. Ich finde das immer interessant, wenn man nicht genau weiß, was los ist, tot oder nicht. Was gefällt dir denn besser?

viele Grüße

 
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Er handelt auch nicht im Affekt, sondern denkt ja darüber nach. Daraus besteht ja die Geschichte.

klaro, meiner :)

Wenn du dir vorstellen möchtest, wie mein Messerschwinger mit dem Butterfly herumfuchtelt, dann bitte sehr. Geschrieben hab ich das nicht. So viel Interpretationsvagnis würde ich mir an anderen Stellen wünschen.

schwieriges bild für mich, ich denk da halt an pubertierende, oder an terence hills sohn in dem film "renegade" und schon entweicht es mir. vielleicht hätte ein kleiner satz zum ausklappen des butterflys mir da mehr geholfen. bin wahrscheinlich aber auch nur ich!

ob tot oder nicht wird mir halt auch nicht klar genug, der vergleich mit kafka hinkt, auf einer waagschale mit links "messer im nacken" und rechts "springt in den fluss" und dem tod auf der schwereren seite hängt das messer leider durch!

und pauschal kann ich gar nicht sagen, was mir besser gefällt, ob geklärt, oder ungeklärt...

hotzenplotz gibt es nicht in der geschichte.

und noch etwas:

Nur weil es WAHRSCHEINLICHER ist, dass er kein Messer hat, ist es nicht REALISTISCHER. Mit Verlaub!!

klaro, auch das verstehe ich natürlich.

ist halt so eine statistik sache. aber gegenfrage: hat er das messer dabei, um sich im notfall zu verteidigen, wenn er nachts alleine durch die strassen geht, oder geht er nachts durch die strassen, um sich im notfall mit dem messer verteidigen zu können? dadurch verrückt der punkt, den Du eigentlich, meiner meinung nach ausdrücken willst. ich dachte zunächst, der protagonist wäre eine form von jedermann, mit dem sich der leser assoziieren kann und soll, aber dann ist es unrealistisch, weil auch unwahrscheinlich, dass er ein butterfly dabei.
ist er jedoch einer, der sein messer einpackt, weil ihm ja etwas passieren könnte, oder weil er es gar gebrauchen will, dann versteh ich seine paranoia nicht.

und es hat auch nichts mit den "langweiligen" erwartungen des lesers zu tun, sondern mit dem verständnis der handlungen des protagonisten. natürlich kann jederzeit etwas über alle maße überraschendes geschehen, that´s life, aber danach muss/wird doch eine warum frage folgen.

ich finde es ja auch gar nicht schlimm, dass er sich hineinsteigert und den kerl absticht, tja, macht der halt so reicht aber nicht ganz, ähnlich wie sayricon fehlt mir da noch etwas mehr der moment, an dem "die welle bricht und zurückschwappt!"

greets,
tierwater

 

Hey,

klar, der Moment, in dem die Welle bricht ist der schwierigste und entscheidende Punkt in der Geschichte. Steht und fällt alles mit einem Satz.

Ich werde ihn das Messer noch ausklappen lassen, das ist ja schnell hinzugefügt.
Ich würde sagen, er hat ein Messer dabei, weil er ein sehr paranoider Mensch ist. Er fühlt sich so schnell verfolgt, wenn jemand hinter ihm hergeht und vermutet, überfallen zu werden. Solche leute haben meistens Pfefferspray dabei. Ich könnte auch Messer gegen Pfefferspray tauschen. Mal überlegen.

Der Prot ist vielleicht ein Jedermann, der Angst davor hat, ein Jedermann zu sein. Er will ja nicht das Opfer sein, das ist ja seine große Sorge. Viele Leute haben auch einfach nur so ein Messer dabei, zum Angeben, weil sie sich dann sicherer fühlen oder weil sie es "krass" finden.
Ich hab mir das aber auch so gedacht, dass es überraschend kommen soll, dass dieser harmlose Student auf einmal ein Messer in seiner Jackentasche hat. Dich scheint das ja auch zurecht zu überraschen.
Die Warum Frage ist immer dar, ja. Aber ich achte bei meinen Geschichten auch immer sehr darauf, dass es keine klare Ursache Wirkung Struktur gibt. Aus diesem Zeitalter sind wir ja raus. Das hab ich vorhin schon mal geschrieben, als ich sagte, wir seien hier ja nicht bei Bushido. Es gibt wahrscheinlich nie eine Ursache, wie z. B. sein Vater hat ihn geschlagen, also ist er jetzt ein Arschloch. So einfach ist die Welt nicht. Und ich denke auch daher, dass Geschichten viel mehr der Realität entsprechen, wenn sie eben nicht versuchen, eine klare Ursache zu zeigen, da diese reine Interpretation ist. Abgesehen davon wird die Warum Frage ja vom Interpreten beantwortet. Der Autor gibt die Hinweise, wenn er mag. Der Prot hier spricht ja auch recht offen über seine Motive. Er will kein Opfer sein. Angriff statt Verteidigung.

viele Grüße

 

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