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Verschollen

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25.06.2014
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Verschollen

Verschollen


Wieder einmal war es Herbst. Verloren und menschenleer war der Strand. Nur die schäumende Gischt der Wellen umspülte das Ufer. Es war windig an jenem Septembertag, als sich etwas ereignen sollte, was lange Zeit für Gesprächsstoff in dem kleinen verträumten Fischerdorf in der Nähe von Aberdeen sorgen würde.
Maria stand wie so oft in den letzten Jahren allabendlich am Meer und schaute gedankenverloren in die Ferne. Der Wind spielte mit ihren lockigen goldbraunen Haaren. Klein und zierlich war sie, dennoch strahlte sie eine ungeheure Stärke aus. Traurigkeit war in ihrem Blick seit jenem Tag vor nun schon fast 10 Jahren.
Maria Martins lebte allein mit ihrem Sohn in einer kleinen Fischerhütte unweit des Hafens. Obwohl viele Männer der nahen Umgebung sie umschwärmten, blieb sie allein. In ihrem Herzen gab es nur einen Mann, ihren geliebten Gordon.
Ihr Sohn war ihr ganzer Stolz. Er war ein kleiner Lausejunge, der gern Abenteuer erlebte und neue Dinge entdeckte. Schon früh musste Michael lernen, mit für den Lebensunterhalt der kleinen Familie beizutragen, indem er sich in der Netzflickerei seines Onkels Andrew nützlich machte.
„Schau, was ich gefunden habe“, rief Michael, als er vergnügt am Strand mit den Wellen spielte. Seine Mutter sah es gar nicht gern, wenn er sich während der Flut zu weit ans Wasser wagte. Eine kleine Unachtsamkeit und er würde von der Kraft der Wellen gepackt und ins Meer gerissen werden.
In der Hand hielt der Junge eine alte bauchige Flasche, die schon seit längerer Zeit im Wasser gelegen haben muss.
„Juhu, ich hab eine echte Flaschenpost gefunden!“, jubelte Michael ausgelassen, schnellen Schrittes auf seine Mutter zurennend .
„Zeig mal her“ sagte seine Mutter, als Michael ihr die Flasche triumphierend vor die Nase hielt. „Du hast recht, da ist wirklich etwas in der Flasche. Aber so kommen wir nicht an den Inhalt heran. Wir werden sie mit nach Hause nehmen und dort den Korken entfernen.“
„Au ja, so machen wir das! Und ich darf den Zettel herausholen? Bitte, Mum.“
„Klar doch, du hast die Flasche ja schließlich auch gefunden, also darfst du auch das Papier herausholen.“, entgegnete Maria.
Ungeduldig war er schon, denn schließlich war es das erste Mal , dass er so etwas am Strand gefunden hatte. Endlich zuhause angekommen, holte Maria den alten hölzernen Korkenzieher aus der Schublade und begann die Flasche zu entkorken.
„Mach schneller, Mum. Ich kann es vor Spannung kaum aushalten“, rief Michael, während sich seine Stimme beinahe vor Aufregung überschlug.
„Sei nun vorsichtig! Wir wollen doch nicht, dass der Zettel darin irgendwie beim Herausnehmen zerstört wird. Nimm am besten die lange Häkelnadel aus meinem Nähkörbchen. “
Vorsichtig und sehr geschickt angelte der Junge das Papier mit der Nadel aus der Flasche. Endlich hatte er das Schriftstück am Haken und zog es heraus.
„Hier Mum, lies bitte was darin steht. Es ist doch bestimmt eine Schatzkarte?“ Michael brannte vor Neugier.
Langsam nahm Maria den Zettel und rollte ihn auseinander. Sie hatte irgendwie ein seltsames Gefühl als sie das kleine Stückchen Papier in ihren Händen hielt. Dann begann sie zu lesen:
Kap Hoorn, 25.April 1640. Falls jemals jemand diese Flasche finden sollte, dann sollt ihr wissen, dass wir noch leben. Vor uns ist eine kleine Felseninsel. Ich weiß nicht , ob wir sie erreichen. Aber so Gott will , werden wir wieder festen Boden unter den Füßen bekommen. Gott sei unserer Seelen gnädig.
Kapitän William Baker.
Maria wurde auf einmal ganz still und blass, schließlich begann sie zu zittern, bevor ihr Tränen in ihre rehbraunen Augen schossen. „Was ist los mit dir , Mum“, fragte Michael besorgt. Traurig und zugleich voller Hoffnung schaute Maria ihren Sohn an und versuchte ihm zu erklären, was in ihr vorging. So hatte Michael seine Mutter noch nie gesehen. Tränenerstickt sprach sie leise und stockend: „ Ich habe dir doch vor längerer Zeit von deinem Vater erzählt, der vor etwa zehn Jahren auf's Meer gefahren ist und von dort nicht wieder kam. Wir nahmen damals an, dass sein Schiff im Sturm gesunken sei. Nun findest du diese Flaschenpost Der Inhalt gibt uns Hoffnung, dass mein Mann - dein Vater noch am Leben sein könnte.“ „Echt? Vater lebt vielleicht noch und ich kann ihn endlich kennenlernen! Das wäre toll, Mum.“ ergänzte der Junge. Nun war Michael noch aufgeregter.
„Ich muss sofort zu deinem Onkel Andrew und ihm von dieser Flaschenpost erzählen. Das kann nicht bis morgen früh warten“. Sie schluchzte laut und konnte ihre Tränen nun nicht mehr zurück halten.
Maria zog ihren Mantel an und verließ eiligen Schrittes das Haus. Draußen war es inzwischen stürmisch und eisiger Regen peitschte ihr ins verweinte Gesicht. Sie musste etwa eine Viertelstunde durch das Hafenviertel laufen, um zum Haus des Schwagers zu gelangen. Ihr kam dieser Weg heute doppelt so lang vor als sonst, denn sie konnte es kaum erwarten, Andrew diese Nachricht vorzulesen.
Schließlich kam sie völlig durchnässt bei der Netzflickerei an, welches zugleich das bescheidene Heim ihrer Schwester Catherine und ihres Schwagers Andrew Greenburg war.
Energisch klopfte sie an die hölzerne Eingangstür. Catherine öffnete die Tür und blickte erstaunt auf die abendliche Besucherin. Es war ungewöhnlich, dass sich Maria noch um diese Zeit in die Stadt verirrte. Doch an ihrem Blick und den zitternden Händen konnte ihre Schwester genau erkennen, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist los mit dir Maria? Was treibt dich so spät noch hierher? Ist irgend etwas mit deinem Jungen?“, fragte Catherine eilig mit besorgter Stimme.
„Kann ich bitte kurz mit Andrew sprechen. Es ist äußerst wichtig“, entgegnete Maria.
„Kann das nicht bis morgen warten? Er hat sich bereits vor einer halben Stunde hingelegt. Er war heute sehr müde, denn der Tag war sehr anstrengend.“
„Nein es muss sofort sein und es ist äußerst dringend. Ich kann damit nicht bis morgen warten.“, sprach Maria mit einer sich überschlagenden Stimme.
„Na dann komm rein! Ich werde sehen, ob er vielleicht noch wach ist.“, entgegnete ihre Schwester, nachdem sie erkannte, dass der Besuch wohl einen außergewöhnlichen Grund hatte.
Doch es war nicht mehr nötig, ihn zu wecken. Andrew hatte die leisen, aber aufgeregten Stimmen gehört und war nun schon auf dem Weg ins vordere Zimmer. „Catherine, was ist denn hier los? Was macht ihr denn für einen Lärm um diese Tageszeit! “rief Andrew fast noch schlaftrunken. „Maria, was ist denn passiert, dass du so spät noch hierher kommst?“, ergänzte er noch. Er schaute seine Schwägerin fragend an.
Nun erzählte Maria ihm die Geschichte wie Michael am Nachmittag mit der Flaschenpost ankam und darin den alten Zettel fand. Sie las ihm den Brief vor, denn Andrew hatte selbst nie lesen oder schreiben gelernt.
Auf einmal wurde auch Andrew ganz still und nachdenklich.
„Kapitän William Baker , sagtest du? Das ist doch der Kommandant des Fischerbootes mit dem Gordon auf See gefahren ist? Ich kann es kaum glauben, was da steht.“ Nachdenklich rieb er sein Kinn. „Sollte es damals doch Überlebende gegeben haben? Und wieso steht da Kap Hoorn?. Er war auf einem Fischerboot , das vor der Küste Schottlands gefischt hat. Für eine so weite Seereise war das Schiff völlig ungeeignet. Also dieser Teil der Geschichte kommt mir reichlich seltsam vor“ murmelte Andrew leise vor sich hin.
„Ich wollte dich um etwas bitten“, entgegnete die immer noch um Fassung ringende Maria.“ Kannst du nicht nach meinem Mann und deinem Schwager suchen? Ich fühle, dass er noch lebt. Ich bitte dich!“, flehte sie Andrew an.
„Du weißt, dass ich kein eigenes Schiff mehr habe. Ich musste es verkaufen, als ich vor zwei Jahren das Geld für die Flickerei brauchte. Aber ich werde sehen, ob ich etwas für dich tun kann. Gib mir ein paar Tage Zeit!“
In der Nacht konnte Andrew kaum schlafen. Wirre Gedanken schossen durch seinen Kopf. Auch von einem Albtraum blieb er nicht verschont. Schweißnass gebadet wachte er am Morgen auf . Er konnte sich zum Teil an den schauderhaften Traum erinnern, der ihn allerdings auf eine Idee brachte. Wie wäre es , wenn er seinem alten Freund John Cole einen Besuch abstatten würde?
Also machte sich Andrew sofort nach dem Frühstück auf den Weg, um eben jenen John Cole aufzusuchen. Einst war er mit ihm zur See gefahren und noch immer war John Eigner einer kleinen Fregatte. John Cole hatte Andrew damals angeboten, dass wenn er einmal Hilfe benötigen sollte, er sich ruhigen Gewissens an ihn wenden könne. Jetzt schien der geeignete Augenblick gekommen, um dieses Versprechen einzulösen.
Andrew erzählte dem alten Seebären die Geschichte von der Flaschenpost und der tot geglaubten Schiffsbesatzung, von denen wohl wie durch ein Wunder doch einige das Unglück überlebt haben könnten.
„Was du mir da erzählst, alter Freund, ist so seltsam und unglaubwürdig, dass es schon fast wieder wahr sein könnte.“ Er lachte kurz auf, als ob er einen schlechten Witz gehört hätte. Dann kratzte er sich kurz am Hinterkopf und fuhr fort:“ Ich verspüre in mir schon lange den Drang, etwas Außergewöhnliches zu tun und ich glaube, ich kann dem Angebot nicht widerstehen, mich auf ein Abenteuer zu begeben.“ In seinen Augen blitzte Abenteuerlust. „Nur einen Wunsch habe ich. Einen Wunsch, den du mir nicht abschlagen kannst. Ich könnte auch sagen, es ist meine Bedingung, ohne deren Erfüllung die Expedition nicht starten würde.“ Andrew schaute ihn fragend an.“ Für meine Reise brauche ich einen verlässlichen Steuermann und da gibt es nur einen hier in der Gegend“, ergänzte John.
„OK, wenn das deine einzige Bedingung ist, bin ich dabei“ entgegnete Andrew tief durchatmend.
„Ich werde mich dann gleich mal umsehen und meine Suche nach geeigneten Seeleuten in der Hafenkneipe beginnen“ erwiderte ein nun sichtlich erfreuter und erleichterter Andrew.
Die Suche nach Matrosen verlief außergewöhnlich leicht. Erst kürzlich war ein schwerer Sturm über die See gefegt und hat dabei ordentlich Schaden an den auf dem Meer befindlichen Schiffen hinterlassen. Dadurch waren viele Seeleute momentan ohne Beschäftigung. Als Andrew ihnen von der Unternehmung erzählte, waren viele dieser rauen Gesellen sofort bereit, sich an Bord der „Sunshine“ zu begeben, wenn denn nur die Heuer stimmt und natürlich genug Rum mit an Bord genommen werden würde.
Nur ein kleines Problem gab es noch. Für gottesfürchtige Menschen, die sie nun einmal alle waren, war eine solch weite Expedition nicht ohne geistlichen Zuspruch möglich. Jedoch war der hiesige Pfarrer bereits weit jenseits der sechzig und für eine solche Reise nicht mehr zu begeistern.
Wie Andrew aber von seinem Nachbarn wusste, lebte seit einigen Monaten im Nachbarort ein junger ehrgeiziger Kaplan, den zu überzeugen sich Andrew nun anschickte. Er sattelte sein Pferd und ritt im Morgengrauen des folgenden Tages sofort in die kleine Stadt Peterhead,
Es war gerade Andacht, als er die kleine Kirche direkt auf dem Hügel vor der Stadt erreichte. Andrew trat in die Kirche ein und betete ein Ave Maria vor dem hölzernen Altar, der reichlich mit Kerzen geschmückt war. Dann setzte er sich in die erste Reihe direkt neben einigen jungfernhaft aussehenden alten Ladies und lauschte den Worten Pfarrer Whitherspoons, der von Adam und Eva und deren Vertreibung aus dem Paradies berichtete.
Nach der Predigt ging er auf den Pfarrer zu und lobte ihn zunächst für die hervorragende Rede. „Was führt dich zu mir mein Sohn? Ich habe dich hier in meiner Kirche noch nie gesehen“, schaute der Kaplan Andrew fragend an. Dieser atmete einmal tief durch und setzte dann zur Erklärung an. „Wir planen eine Schiffsexpedition um eine verschollene Schiffsbesatzung zu suchen und benötigen dazu unbedingt noch einen seetüchtigen Pfarrer.“ „Lasst uns heute Abend im Gasthaus bei einer Flasche Wein darüber reden. Ihr werdet sicher dort übernachten mein Sohn“, erwiderte der Pfarrer.. „Mit Gottes Unterstützung und Beistand sollte es ja bekanntlich besser gehen“, fügte Pfarrer Whitherspoon noch nachdenklich hinzu. Den Pfarrer für die Unternehmung zu überreden, war leichter als Andrew es sich zuvor vorgestellt hatte.
Am nächsten Morgen begab er sich umgehend auf die Heimreise, da er dort noch Etliches an Vorbereitungen für die Expedition zu treffen hatte. Während Andrews Abwesenheit hatte John Cole bereits erste Vorbereitungen in Bezug auf den Schiffsproviant getätigt.
Das Schiff lag schon nach einer knappen Woche im Hafen von Aberdeen zur Abfahrt bereit. Niemand wusste, wie lange man unterwegs sein würde und ob die Expedition überhaupt erfolgreich verlaufen würde. Die Seeleute würden nun Monate auf See sein, immer mit dem Risiko lebend, in einen schweren Sturm zu geraten oder durch andere unvorhersehbare Ereignisse in Gefahr zu geraten.
Zur Abfahrt des Schiffes kamen Maria und Michael auch nach Aberdeen. Sie wünschte der gesamten Besatzung eine gute Reise. Ihre Augen folgten noch lange der kleinen Fregatte, die nun alle Segel gehisst hatte und allmählich am Horizont verschwand. Ihre Gedanken waren nun bei ihrem Schwager und der Schiffsbesatzung. Sie hoffte mehr als je zuvor, dass sie Ihren Mann in nicht allzu ferner Zukunft wiedersehen könnte. Dennoch hatte sie Angst, dass auf der langen Schiffsreise etwas geschehen könnte und sie, neben ihrem Mann, auch noch ihren Schwager verlieren könnte. Allerdings überwog in ihren Gedanken und Gefühlen die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden würde und sie ihren Gordon wieder in die Arme nehmen könnte.
Schließlich machten sich Mutter und Sohn auf den langen beschwerlichen Weg zurück in ihr kleines Heimatdorf, wo sie nun für die nächste Zeit - zusätzlich neben ihrer Arbeit als Fischverkäuferin - ihre Schwägerin in der Netzflickerei unterstützte, zumindest so lange, bis das Schiff mit den tapferen Männern zurück in hiesigen Gewässern war.
Viele Tage waren nun bereits vergangen. Das Schiff fuhr bisher ausschließlich durch ruhige See, von kleineren Unwettern, wie kurzen Gewittern, einmal abgesehen. Dann jedoch verdunkelte sich der Himmel zusehens, just in den Tagen als man sich in der Nähe der Kanarischen Inseln befand. „Es wird ein schweres Unwetter aufziehen, Kapitän“, vermeldete Steuermann Andrew. Daraufhin befahl Kapitän John Cole, das Schiff so und die Ladung so zu sichern, dass nichts passieren konnte. Alle packten fleißig mit an, so dass die Arbeit recht zügig erledigt werden konnte. Nur für den bedauernswerten Matrosen im Ausguck war dieses tobende Unwetter kein Zuckerschlecken. Er hatte doch mächtig mit dem Schwanken und Schaukeln des Schiffes sowie mit einer gewissen Übelkeit zu kämpfen.
Ganze zwei Tage dauerte es, bis das Gröbste überstanden war und man sich einen Überblick machen konnte, was bei dem Sturm alles beschädigt wurde.
„Unser Wasserproviant ist bedenklich niedrig und auch der Vorrat an Lebensmitteln ist schon reichlich knapp bemessen“, beklagte sich der Schiffskoch, welcher die Gelegenheit der Expedition nutzte, um seinem Job in einer schäbigen Spelunke in Aberdeen den Rücken zu kehren. „Was meint Ihr Kapitän Cole, sollten wir nicht vielleicht eine dieser Inseln dort vorn anlaufen, um die Vorräte etwas aufzufrischen?“, schlug Schiffskoch Walter Hunter vor. „Seit wann lasse ich mir von einem Smutje etwas sagen“, fluchte ein doch recht wütend drein schauender Kapitän. „Aber du hast recht, wir müssen wirklich etwas gegen diese Knappheit tun, sonst gibt es am Ende noch eine Meuterei an Bord. Das wäre das Letzte, was wir hier gebrauchen können.“, gab der Kapitän letztendlich zu.
„Steuermann, Kurs auf die Insel Teneriffa! Wir werden dort unsere Wasser- und Lebensmittelvorräte auffrischen.“, befahl Kapitän Cole mit lauter und entschlossener Stimme.“ „Außerdem sich haben die Männer einmal einen schönen Landgang verdient nach der harten Arbeit hier an Bord“, fügte er noch hinzu.
Langsam näherte sich die Fregatte dem kleinen Hafen der Sonneninsel. Im Hafen angekommen, ankerten sie direkt neben dem Schiff eines italienischen Kaufmanns. Einige Matrosen konnten es gar nicht erwarten, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und so sprangen sie direkt von der Reling ins Wasser, noch bevor das Schiff angelegt hatte.
Andrew, Pfarrer Whitherspoon und Kapitän Cole standen noch an der Reling und beobachteten wie die Matrosen schnurstracks auf die Hafenkneipe zusteuerten, um dort die hiesigen alkoholischen Getränke zu probieren und sicherlich auch, um die Dienste der Freudenmädchen des Ortes in Anspruch zu nehmen. „Andrew, wir werden uns zunächst mal um unseren Proviant kümmern. Auch einige unserer Segel müssen erneuert werden. Beim Sturm vor ein paar Tagen sind doch einige in Mitleidenschaft gezogen worden.“, sprach Kapitän Cole. „Anschließend lade ich dich zu einem Glas Rum ein, alter Freund“, versprach Andrew. „Pfarrer Whitherspoon, wollt ihr uns nicht begleiten?“, wandte sich Andrew an den, wieder in seiner Bibel schmökernden, Kaplan.
Er dankte den beiden für das Angebot, lehnte jedoch ab, weil er beabsichtigte, der Kirche des Ortes einen kleinen Besuch abzustatten..
Proviant, wie Wasser, Obst und Dörrfleisch waren rasch besorgt und nun begaben sich auch Andrew und der Kapitän in die Hafenkneipe. Kaum eingetreten, stellte sich Andrew ein großer, bärtiger, ziemlich ungehobelt und zugleich betrunken wirkender Kerl in den Weg. Es machte fast den Anschein, als beabsichtigte er, Andrew und den Kapitän anzupöbeln.
„Geht sofort aus dem Weg oder ihr werdet die Klinge meines Säbels schmecken“, rief der Angreifer. Mit seiner rechten Hand griff dieser sofort nach dem rostigen Säbel, der an seiner Seite wie ein nasser Sack baumelte.
Andrew wollte sich nicht provozieren lassen. „Wie soll solch ein betrunkener Kerl mir schon etwas anhaben. Ich bin da wesentlich schneller auf Zack als dieser Typ“, dachte sich Andrew. „Ihr seid nichts weiter als ein feiger Waschlappen, der sich hinter dem Rockzipfel der Weiber versteckt“, gab der bärtige, stinkende Halunke zum Besten. „So etwas wie Euch dürfte man erst gar nicht in ein so feines Etablissement wie dieses herein lassen“, ergänzte er felsenfest.
So langsam wurde es ungemütlich. In der Schankstube lag eine seltsame Spannung. Einige der Matrosen, die sich im Raum befanden, begannen nun schon Wetten darauf abzuschließen , wer von beiden wohl als Sieger aus einer vorhersehbaren Auseinandersetzung hervorgehen würde.
Plötzlich zog der bärtige Schluckspecht seinen Säbel und fuchtelte damit vor der Nase Andrews herum. Diesem reichte es so langsam. So zog er seinen blitzblank polierten Militärsäbel aus der Scheide. Es war ihm ein Leichtes, seinen Gegner niederzustrecken. Andrew drückte die Spitze seines Säbels entschlossen gegen den Hals des Halunken. Bevor er von ihm abließ, löste er mit der Spitze der Klinge noch ein Medaillon vom Hals des Gauners. Neugierig hob Andrew es auf und öffnete es. Auch wenn der Zahn der Zeit schon ein wenig daran genagt hatte, war auf dem Bild war eine schöne junge Frau mir braunen lockigen Haaren zu erkennen.
Plötzlich stutzte Andrew und warf einen zweiten Blick darauf. Der Halunke beobachtete die Situation genau und war schon im Begriff die Flucht zu ergreifen, doch Andrew presste ihm den Säbel wieder etwas fester an die Gurgel.
„Woher habt Ihr dieses Medaillon, nichtsnutziger Pirat?“
„Das Bild zeigt meine Gattin“, erwiderte der bärtige Mann dreist. Andrew war ein wenig ungehalten und drohte diesem nun damit, ihm den Garaus zu machen, wenn er nicht endlich mit der Wahrheit herausrücken würde. „Das Bild im Medaillon zeigt die Frau meines Schwagers. Sie hat es ihm zur Hochzeit geschenkt.“
„Woher habt ihr also das Medaillon? Ich frage jetzt zum letzten Mal bevor ich Euch zum Schöpfer schicke.“ Währenddessen lag die Spitze des Säbels wieder auf dem Hals des Mannes.
„Ich... ich habe es einem Seemann abgenommen, schon vor vielen Jahren. Es muss irgendwo vor Kap Hoorn gewesen sein.“ , stammelte der Pirat. „Los, weiter. Ich habe nicht ewig Zeit“, drängte Andrew seinen gegenüber während er ihn weiter in Schach hielt. „Wir ... wir waren damals auf Beutezug mit unserem Kapitän Fletcher. Verdammt noch mal, einige Matrosen wollten meutern und so haben wir sie auf offener See mit einem kleinen Ruderboot und ein wenig Proviantausgesetzt. Ja, und dabei hab ich mir dieses gottverdammte Medaillon genommen“, stammelte der Pirat, immer noch mit seinem Ableben rechnend.
„Ich sollte euch eigentlich für diese schändliche Tat töten, aber ich bin heute nicht in der Stimmung, mir an solchem Abschaum wie Euch die Finger schmutzig zu machen“, entgegnete Andrew bevor er von dem Piraten abließ. Dieser floh daraufhin flinken Fußes die Kneipe und rannte zu seinem Schiff zurück. „Ich hätte auf diesen übel riechenden, lästigen Kerl gern verzichtet, aber er hat uns doch ein ganzes Stückchen weiter gebracht.“, merkte Andrew an, als der Pirat aus der Spelunke verschwunden war.
Bei Andrew und Kapitän Cole wuchs durch diese unverhoffte Begebenheit die Hoffnung, die Verschollenen doch noch zu finden.
„Und nun lass uns einen wohlverdienten Rum trinken, treuer Freund“, sprach Andrew zu Kapitän Cole atemlos und aufgeregt.
Nach einigen Stunden und noch mehr Rum wankten die beiden schließlich zum Schiff zurück, wo sie sich in ihre Hängematten schwangen um ihren Rausch auszuschlafen.
Die Sonne schien schon sehr hell, als Andrew am nächsten Morgen endlich an Deck kam. Sein Kopf dröhnte noch etwas vom vielen Rum des letzten Abends.
So vergingen einige Tage, denn die Männer um Kapitän Cole mussten noch auf die Fertigstellung der neuen Segel warten. Dann aber, am sechsten Tag, war es endlich soweit. Kapitän Cole befahl, die Anker hochzuziehen und die Segel zu setzen. „Kurs Südwest!“, befahl er mit energischem Ton.
Nun lag vor den Männern eine lange und noch viel gefährlichere Wegstrecke - die Überfahrt nach Südamerika. Viele Wochen würden sie nun unterwegs sein, bevor sie wieder Festland zu sehen bekämen.
Nach etwa zwei Wochen Fahrt wurde der Wind zusehens stärker und der Kapitän befahl, die meisten Segel einzuholen. Die Matrosen wetzten die Masten hinauf und brachten, so schnell es eben ging, die größten Segel ein.
Der Wind war in diesem Augenblick sehr wechselhaft und es kam zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall.
Einer der Matrosen war wohl noch reichlich vom Rum benebelt, als er die Masten hinauf kletterte. In Folge dessen verlor er durch einen starken Windstoß die Kontrolle. Vergebens versuchte er sich noch am Mast festzuhalten. Rumms! So knallte er aus etwa fünf Meter Höhe mit voller Wucht auf die harten Planken des Hecks.
Dumpf schlug die Fleischmasse neben Andrew auf. Er beugte sich über den verletzten Matrosen, doch dieser röchelte nur noch und war schon auf der Reise zu Gott. Die Männer, die das alles sahen, waren zunächst zwar ein wenig geschockt, aber dennoch waren sie abgehärtet gegenüber solchen Situationen, weil man auf See immer wieder mit so etwas rechnen musste.
„Holt bitte Pfarrer Whitherspoon nach oben!“ befahl Andrew seinem zweiten Steuermann Martin Black. Entgegen den anderen Matrosen, war das ganze an ihm nicht so spurlos vorbei gegangen. Dieser begab sich schnellen Schrittes unter Deck, wo er den Pfarrer bei seiner täglichen Bibellektüre antraf.
Mit schlotternden Knien stolperte er nach unten und polterte bruchstückhaft die Geschehnisse an Deck hervor: „Wir benötigen Eure Hilfe mein Vater. Ein Matrose ist abgestürzt und liegt nun auf dem Vorschiff. Ich glaube, er macht nicht mehr lange“.
Pfarrer Whitherspoon nahm seine Bibel und ging hinauf zum verletzten und sterbenden Leichtmatrosen Henry Gardener, um ihm auf seinem letzten Weg beizustehen und für sein Seelenheil zu beten. Mehr konnte er nicht für ihn tun. Kein Doktor der Welt hätte dem armen Kerl jetzt noch helfen können.
Noch am Nachmittag des gleichen Tages, der Sturm war bereits abgeflaut, wurde der Leichnam des Matrosen, nach einer kurzen Trauerfeier, der See übergeben. So sprach Pfarrer Whitherspoon die Worte des Abschieds: „ Wir übergeben dir, o Herr, nun die sterblichen Überreste unseres Kameraden Henry Gardener. Möge Gott sich seiner armen Seele annehmen. Amen.“
Nach dieser kurzen, sehr ergreifenden Ansprache setzte das Schiff seine Überfahrt nach Südamerika fort, gefolgt von ereignisarmen Wochen und Tagen. Nun hatte die Expedition doch ein erstes Opfer gefordert und leise Zweifel am Erfolg machten sich unter der Besatzung breit. Ein Tag war nun fast wie der andere. Nur gelegentliche unbedeutende Streitereien unter den Matrosen sorgten für ein wenig Abwechslung in der Tristesse des Schiffsalltags.
Endlich war es nun soweit. „Land in Sicht, Laaaaand in Siiiicht!!!“, brüllte der Mann im Ausguck euphorisch.
Andrew schaute mit dem Fernrohr auf die nahe liegende Inselgruppe. Doch welche Insel könnte es sein, auf die es die Leute verschlagen hat? Einige Matrosen redeten halblaut, fast wie zu sich selber „Wie viele der damaligen Schiffsbesatzung würden wohl noch leben? In welchem Zustand würde man die Überlebenden antreffen?“ Nach vielen Jahren der Ungewissheit stand nun vielleicht die Lösung auf die Frage nach dem Schicksal des verschollenen Fischerbootes kurz bevor.
Der Mann im Ausguck bekam nun von Kapitän Cole den Befehl besonders wachsam zu sein und Besonderheiten, die er unter Umständen entdeckte, sofort zu melden. In erster Linie dachte man dabei an irgendwelche Signalfeuer.
Duch sein Fernrohr konnte Andrew erkennen, dass einige der etwas größeren Felseninseln von Bäumen bewachsen waren. Aus diesem Grund entschied Kapitän Cole, mit den Beibooten kleine Erkundungsteams loszuschicken, insofern die doch recht raue See es zuließ.
Die erste etwas größere Insel lag nun direkt in Reichweite der „Sunshine“. Auch wenn auf diesem Eiland niemand zu finden sein würde, so war es doch nötig die Süßwasservorräte zu erneuern.
Deshalb wurde ein kleines Ruderboot zu Wasser gelassen und unter Begleitung von Andrew ruderten zwei Matrosen direkt auf das Ufer der Insel zu. Um sicher an Land zu kommen, mussten noch ein paar gefährliche Klippen umschifft werden, doch auch diese Gefahr wurde von den Männern meisterhaft bewältigt.
„Macht euch auf die Suche nach Süßwasser! Geht notfalls auch ein Stückchen ins Innere der Insel! Aber seid vorsichtig! Wir wissen schließlich nicht, welche Gefahren hier auf uns warten!“, befahl Andrew den Matrosen John und Tom. Rasch bewegten sich die beiden auf den Wald zu als Andrew laut rief: „Wollt ihr beiden Komiker nicht wenigstens das Fass mitnehmen? Oder hattet ihr vor, das Wasser in den Hosentaschen zu transportieren?“ Die Männer schauten sich erstaunt um und begannen plötzlich laut zu lachen. „Klar doch.......das Fass“, sprach John grinsend.
Auf den ersten Blick machte die Insel einen sehr unwirtlichen Eindruck. Lediglich einige Nadelbäume und dorniges Gestrüpp waren zu erkennen.
Auch Andrew ließ seiner Neugier nun freien Lauf und begann sich ein wenig auf der Insel umzusehen.
Nach einiger Zeit kam er auf eine kleine Anhöhe, von der man einen hervorragenden Blick auf das Meer und auf sein Schiff hatte. Dieser Ort kam ihm seltsam vor. Irgendetwas war hier anders als anderswo auf der Insel. Er schaute nun etwas genauer hin und entdeckte in ein paar Metern Entfernung etwas, das er sich nun aus der Nähe betrachten wollte. Es war ein kleines Holzkreuz, auf dem jemand mit einem Messer den Namen William Hunter eingraviert hatte:„William Hunter. Den Namen kenne ich irgendwo her“, sprach Andrew laut vor sich hin. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ja, er kannte diesen Mann! Vor vielen Jahren war er stolzer Besitzer einer Sägemühle in der Nähe von Aberdeen bis er entschied, zur See zu fahren und seinen Lebensunterhalt als Fischer zu verdienen. Und wie es der Zufall so wollte, fuhr er auf dem gleichen Schiff wie sein Schwager Gordon. Jetzt war er sich sicher, dass dies die Insel sein musste. Nur machte die Insel auf den ersten Blick nicht den Eindruck, dass hier eine größere Gruppe von Überlebenden über nun inzwischen elf Jahre lang gehaust haben könnte.
„Und? Wart ihr erfolgreich?“, wollte Andrew wissen als John und Tom wieder aus dem Wald auftauchten. „Aber gewiss doch, Sir!“, entgegnete Matrose Bird daraufhin. „Hört zu! Ich habe etwas Interessantes entdeckt. Ganz in der Nähe habe ich ein Holzkreuz mit dem Namen eines der Matrosen gefunden, welcher seinerzeit mit meinem Schwager zur See fuhr. Das bedeutet, wir sind hier richtig.“, sprach Andrew. Alle schauten ihn wie gebannt an. „ Die Suche nach eventuellen Überlebenden muss umgehend beginnen. Doch wo sollen wir mit der Suche beginnen“, fuhr Andrew fort
„Tja, ich wüsste wo ich mich einnisten würde auf so einer trostlosen Insel.“, sprach John Bird in leisem Ton. „Ich würde schauen, ob es irgendwo eine Höhle oder so etwas Ähnliches auf der Insel gibt.“, ergänzte er . Sein Blick ging zu einer benachbarten Hügelkette.
Andrew fand den Vorschlag ausgezeichnet. „Jedoch werden wir noch ein paar Männer brauchen, denn für nur drei Mann dürfte es wohl etwas zu schwierig und zu langwierig sein, die gesamte Insel zu durchforsten.“
Nach kurzer Zeit waren genügend Männer auf der Insel angekommen und es wurden umgehend Such- und Erkundungstrupps gebildet. Jeder Trupp bestand aus drei Mann. Da niemand genau wusste, welche Gefahren auf der Insel lauern würden und ob dort vielleicht sogar mit Piraten zu rechnen ist, wurden Gewehre und Messer vom Kapitän an die Besatzung verteilt.
Die Stunden vergingen ergebnislos und es wurde langsam Zeit auf das Schiff zurückzukehren. Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen als ein Schuss die Stille in der Einöde jäh unterbrach. „Wer von euch Holzköpfen hat eben geschossen?“, fragte Andrew die um ihn herum stehenden Männer. Andrew sah die Matrosen mit strenger Miene an, doch auch die Seeleute schauten sich fragend nach allen Seiten um.
Andrew wollte schon befehlen, zurück zum Schiff zu rudern, als erneut ein Schuss die Stille durchbrach.
„Die Schüsse kamen aus südlicher Richtung“, rief einer der Matrosen. Die Dunkelheit war inzwischen ein-gebrochen und man konnte kaum noch seine Hand vor Augen erkennen.
„John und Tom mitkommen!, befahl Andrew mit lautem Ton. Schnellen Schrittes bewegten sie sich nun auf eine Felsformation in südöstlicher Richtung zu.
Wieder fiel ein Schuss aus nicht allzu großer Distanz. Andrew bat die Matrosen um äußerste Vorsicht, denn schließlich könnte es sich auch um Piratengesindel handeln.
Langsam konnten die Männer nun schemenhafte Gestalten in einiger Entfernung ausmachen. „Nicht schießen! Gebt euch zu erkennen!“, rief Andrew lautstark.
Vier Männer standen jetzt etwa vierzig Meter vor der kleinen Gruppe. Langsam kam man sich näher und es sollte Gewissheit werden, dass die Suche von Erfolg gekrönt werden könnte.
„Wer seid ihr?“, wollte Andrew sofort wissen. „Wir sind schottische Seeleute. Die letzten Überlebenden von einst 15 Männern, die auf diesem Eiland gestrandet sind. Das muss nun schon fast zehn Jahre her sein“, sprach einer von ihnen. Die vier Seeleute waren wirklich ein Abbild des Jammers. Völlig ausgemergelt und zerlumpt standen sie da, die Arme dünn wie Besenstiele und auch der Rest der Körper schien nahezu nur aus Knochen zu bestehen. Die Haare waren zerzaust, verfilzt und mit Läusen und wer weiß noch womit überwuchert.
„Elf Jahre. Wir haben den langen Weg also nicht umsonst gemacht“ , sprach Andrew. Seine Stimme klang so seltsam anders, als wäre er den Tränen nah. „Sagt uns eure Namen!“ wollte Andrew wissen.
„John Mitchell, Brian Palmer, William Brewer und ich bin Gordon Martins“ erzählte einer der Männer mit schwacher Stimme während er tief durchatmete
„Erkennst du mich denn nicht mehr? Ich bin Andrew Greenburg, dein Schwager. Dein Sohn hat vor etwa einem Jahr eure Flaschenpost gefunden. Daraufhin hat deine Frau mich und Kapitän Cole davon überzeugt, in See zu stechen und nach eurem Schiff zu suchen. Sie hat immer daran geglaubt, dass du noch am Leben bist“, berichtete Andrew.
„Meine Frau... meine Maria...... sie hat immer an mich geglaubt. Ich... ich habe einen Sohn... wirklich?“, sprach Gordon während seine Worte langsam von den nun aus ihm heraus brechenden Tränen verschluckt wurden. Andrew musste seinen Schwager beim Gehen stützen, denn allein hätte er den Weg bis zu den Beibooten wohl nicht mehr geschafft, viel zu emotional ergriffen war er.
Lauter, tosender Jubel brandete auf, als die Männer schließlich an Bord kamen.
An Deck begrüßte Kapitän Cole die Schiffbrüchigen auf das Herzlichste. Er wies den Schiffskoch an, den ausgehungerten Männern eine Mahlzeit zuzubereiten und zeigte ihnen inzwischen ihren Schlafplatz.
Am nächsten Morgen hievten die Matrosen den Anker. Es wurde Kurs in Richtung Heimat gesetzt. Auch wenn es noch einige Monate dauern würde, so war doch sicher, dass sie wieder ins Leben zurückkehren.
Die Monate vergingen. Maria stand noch immer wie fast jeden Abend am Strand und schaute den Schiffen hinterher, welche die schottische Küste in alle möglichen Himmelsrichtungen verließen. Oft dachte sie dabei an die tapferen Männer auf der Sunshine, die für ihren geliebten Mann täglich ihr Leben riskierten. „Werde ich meinen Gordon je wiedersehen? Was ist, wenn den Männern unterwegs etwas Schlimmes passiert?“, fragte sich Maria immer wieder.
Doch dann plötzlich – es war ein windiger, aber sonniger Herbsttag, kam plötzlich jemand vom Hafen direkt auf Maria zu gerannt. „Das Schiff ...das Schiff ist zurück. Das Schiff von Kapitän Cole“ stammelte der Mann aufgeregt.
Maria war ganz aufgeregt, als ihr diese Nachricht überbracht wurde. Hoffnung war in ihren Augen, die Hoffnung ihren über alles geliebten Mann wieder in die Arme schließen zu können. Umgehend holte sie Ihren Sohn und beide liefen so schnell es eben nur ging hinunter zum Hafen, um auf die Ankunft des Schiffes zu warten.
An diesem Morgen des 06.Oktober 1642 sollte ihr Leben wieder einen neuen Sinn bekommen.
Dann endlich war es soweit. Die Matrosen der Sunshine warfen den Anker ins Wasser und die Segel wurden eingeholt.
Noch hoffte sie nur, dass ihr geliebter Mann mit an Bord sein würde. Maria rannte so schnell ihre Füße sie trugen auf das Schiff zu. Wie sehr hoffte sie nun, dass auch ihr geliebter Gordon mit an Bord sein würde. Sekunden wurden zu Minuten und Minuten zu Stunden. Nahezu unendlich erschien ihr die Zeit bis endlich die ersten Menschen von Bord kamen. Dann endlich kam auch Gordon. „Endlich...endlich..........Gooooordoooon“, rief Maria weinend. Sie rannte auf ihn zu und auch seine Füße bewegten sich nun immer schneller. Maria war nicht zu bremsen, sie fiel Gordon dermaßen stürmisch um den Hals, dass dieser sich kaum auf den Beinen halten konnte. Er hielt sie ganz fest und beide konnten ihre Tränen beim Wiedersehen nicht verbergen. Dann legte er ganz zärtlich seine Hände an ihre Wangen und küsste sie innig. Alles Leid dieser Welt schien von den beiden abzufallen. Das Glück hatte nun wieder ein Zuhause gefunden.
„Das ist dein Sohn Michael, den du nun auch endlich kennenlernst“, sprach Maria, nachdem die ersten Freudentränen getrocknet waren. Nun konnte auch Gordon seinen Sohn zum ersten Mal in den Arm nehmen und an sein Herz drücken. „Eines möchte ich euch jetzt und hier versprechen. Ich werde euch in diesem Leben nie mehr allein lassen und auch nicht mehr aufs Meer hinaus fahren. Mein Platz ist hier bei euch beiden und nicht auf einem gottverdammten Schiff“, sprach Gordon als er Frau und Sohn schließlich gleichzeitig im Arm hielt. Die Augen aller strahlten heller als die durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen.
Noch lange standen die Drei am Hafen und blickten voll Freude hinaus auf das Meer, das sie einst getrennt und nun wieder zusammen geführt hatte.

Ende

 

Hallo Silvio!

Ich habe da einige Fragen zu Details aus deinem Text. Darf ich?

"Maria stand wie so oft in den letzten Jahren allabendlich am Meer" => Stand sie da nun oft oder immer ("allabendlich")?

„Au ja, so machen wir das! Und ich darf den Zettel herausholen? Bitte, Mum.“
„Hier Mum, lies bitte was darin steht. Es ist doch bestimmt eine Schatzkarte?“
=> Dein Zehnjähriger benimmt sich und redet eher wie ein Fünfjähriger.

"den alten hölzernen Korkenzieher" => Ein Korkenzieher aus Holz? Sowas funktioniert? Oder meinst du bloß, dass der Korkenzieher einen Griff aus Holz hat?

"Falls jemals jemand diese Flasche finden sollte, dann sollt ihr wissen, dass wir noch leben. Vor uns ist eine kleine Felseninsel. Ich weiß nicht , ob wir sie erreichen."
=> Ich wollte nur eben Bescheid sagen, dass wir noch leben. Vermutlich zerschellen wir gleich auf den Klippen, dann leben wir also nicht mehr. Naja.

"Ich habe dir doch vor längerer Zeit von deinem Vater erzählt" => Sie erzählt dem vaterlosen Jungen vor "längerer Zeit" mal was von seinem Vater, dann nicht mehr? Und der Junge fragt auch nicht nach?

"musste etwa eine Viertelstunde durch das Hafenviertel" => Das ist aber ein riesiger Hafen für ein "kleines verträumtes Fischerdorf".

"in die Stadt verirrte" => Das Dorf ist eine Stadt? Was denn nun?

"Kann das nicht bis morgen warten?" => Fragt die besorgte Schwägerin, die sofort bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte.

"nachdem sie erkannte, dass der Besuch wohl einen außergewöhnlichen Grund hatte." => Sie hat doch eben schon: "an ihrem Blick und den zitternden Händen genau erkennen können, dass etwas nicht stimmte."

"Was macht ihr denn für einen Lärm um diese Tageszeit!" => Sie war doch gerade noch mit ihrem Sohn am Strand. Macht sie sowas mitten in der Nacht, oder warum beschwert sich der Schwager?

"Also dieser Teil der Geschichte kommt mir reichlich seltsam vor" => Ja, aber dann macht er sich sofort auf die Reise.

"einer kleinen Fregatte." => Bist du sicher, dass der ein dreimastiges Kriegsschiff besitzt? Und "klein" sind Fregatten sicher nicht.

"meine Suche nach geeigneten Seeleuten in der Hafenkneipe beginnen“ => Genau. Was ist besser als ein paar Säufer für diese Seereise.

"Die Suche nach Matrosen verlief außergewöhnlich leicht." => Natürlich. Eine unglaubliche Geschichte, eine gefährliche Reise, harte Arbeit - wer wollte da nicht mit?

"Kaplan", "Pfarrer Whitherspoon" => Was ist er denn nun? Und warum lässt er einfach so seine Gemeinde sitzen und geht stattdessen seefahren? Hat kein bisschen Anstand, der Pfarrer!

"Den Pfarrer für die Unternehmung zu überreden, war leichter als Andrew es sich zuvor vorgestellt hatte." => Wie schön, dass das alles so leicht geht.

"Das Schiff fuhr bisher ausschließlich durch ruhige See, von kleineren Unwettern, wie kurzen Gewittern, einmal abgesehen." => Ausschließlich durch ruhige See, außer natürlich, wenn die See unruhig ist.

"Nur für den bedauernswerten Matrosen im Ausguck war dieses tobende Unwetter kein Zuckerschlecken. Er hatte doch mächtig mit dem Schwanken und Schaukeln des Schiffes sowie mit einer gewissen Übelkeit zu kämpfen." => Matrose im Ausguck bei schwerem Unwetter! Und er (und nur er) verspürt eine "gewisse" Übelkeit! Frage an den Autor: Bist du schon mal mit was anderem als einem Ruderboot über einen spiegelglatten See oder so gefahren?

"griff dieser sofort nach dem rostigen Säbel, der an seiner Seite wie ein nasser Sack baumelte."

"Es war ihm ein Leichtes, seinen Gegner niederzustrecken." => Leicht. Wie alles in dieser Geschichte.

"aber er hat uns doch ein ganzes Stückchen weiter gebracht.“ => So? Wohin denn?

"wo sie sich in ihre Hängematten schwangen um ihren Rausch auszuschlafen." => Der Kapitän der Fregatte muss in einer Hängematte schlafen?

"die Anker hochzuziehen und die Segel zu setzen" => Wie wäre es mit ein wenig Seemannssprache? Hieven, hissen! Alle Mann in die Wanten!
"die meisten Segel einzuholen. Die Matrosen wetzten die Masten hinauf und brachten, so schnell es eben ging, die größten Segel ein. " => Wie Kartoffeln, vermutlich.

"Einer der Matrosen war wohl noch reichlich vom Rum benebelt" => Nach zwei Wochen Fahrt? Wieviel Rum muss der getrunken haben!

"Ich glaube, er macht nicht mehr lange" => Ein Pfarrer war dringend nötig für die Fahrt, aber einen Knochenflicker haben sie nicht angeheuert.

"sehr ergreifenden Ansprache" => Zwei abgedroschene Phrasen.

"Jetzt war er sich sicher, dass dies die Insel sein musste" => Natürlich. Die erste winzige Insel, die sie anlaufen, ist die richtige. Leicht, wie alles.

"Wer von euch Holzköpfen hat eben geschossen?“, fragte Andrew die um ihn herum stehenden Männer." => Wer ist wohl der Holzkopf, der denkt, der Schuss wäre in seiner unmittelbaren Umgebung abgefeuert worden?

"Die Dunkelheit war inzwischen ein-gebrochen und man konnte kaum noch seine Hand vor Augen erkennen." => Und natürlich rennen die da rein, in die Dunkelheit. Können zwar nichts sehen, aber wieso nicht?

„Endlich...endlich..........Gooooordoooon“, => Happy End einer mehr als unglaubwürdigen Geschichte.

Grüße,
Chris

 

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