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verwirrende Gefühle

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23.10.2007
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verwirrende Gefühle

Es war ein Novembertag wie er im Buche stand. Der Regen trommelte auf das geschundene Spielfeld, auf dem nur noch einzelne Grashalme, eher grau als grün und sehr stark geknickt, sichtbar waren. Ein Ball, der sein Ziel verfehlte und wie ein Komet zu Boden raste, rammte einen tiefen Krater in den schwammigen Boden.

"Nein – bei diesem Wetter ist noch nicht einmal Fußball eine Alternative zum Zeitvertreib", dachte Jana. "An solchen Tagen sollte man einfach im Bett bleiben."

Der Gedanke, dass Spiel könnte noch ewig so weitergehen, weil der Schiedsrichter seine Uhr nicht mehr erkennt, trieb eine leichte Gänsehaut über ihre, für die Jahreszeit zu leicht bedeckten Oberarme. Jana konnte nicht anders, ob sie wollte oder nicht. Ihr Oberkörper schüttelte sich so heftig, dass sie gegen Justin stieß. "Alles OK mit dir?", erkundigte er sich. "Denke schon", sagte Jana etwas gequält. "Es ist nur dieses Wetter, dieses Spiel, ach einfach alles. Ich hoffe es ist bald vorbei."

Nicht einmal Martin, der für viele Schüler mit unerwartet frischen Sprüchen, aber scheinbar ohne jegliche Kenntnisse zu den Regeln des Spiels, zum neuen Stadionsprecher avancierte, konnte die Stimmung sichtlich heben.

So kam es, dass die ersten völlig durchnässten und fröstelnden Fans, bei einem Spielstand von 18:2 für Konradshöh gegen Siegstadt, vor Spielende den Weg ins warme Schlossinternat suchten. Hauptsächlich die Fans der spielenden Mannschaften verblieben auf den Rängen. Allerdings hielten sich ihre Gesänge in Grenzen. Die Siegstädter hatten es scheinbar aufgegeben noch an einen Sieg zu glauben und die Konradshöher sahen das Spiel bereits als gewonnen an. Wenn doch nur endlich der Schiedsrichter das Spiel abpfeifen würde.

Jana und Justin nutzen die Chance und gingen mit der ersten Traube von Schülern über den, mittlerweile sehr matschigen Pfad, der teilweise mit Pfützen die so groß wie kleine Seen schienen, zurück zum Internat. Die meisten liefen mit gesenktem Kopf und zugehaltener Kapuze und umrundeten so die weiten Wasserflächen. Allein der Gedanke an den warmen Kamin im Gemeinschaftsraum jagte Jana eine erneute, aber irgendwie auch angenehme Gänsehaut über den Rücken und ließ sie noch etwas schneller gehen. Über die letzte Unwägbarkeit, eine kleine unscheinbare Pfütze machte sie einen weiten Schritt. Justin, der diese jedoch zu spät sah, nahm sie erst war, als er mit einem Fuß knöcheltief versunken war.

"So ein Mist!", fluchte er. Jana reichte ihm die linke Hand und drehte sich zur Seite. Mit der rechten Hand verdeckte sie ihren Mund, damit Justin nicht sah wie sie versuchte ihr Schmunzeln zu verbergen. "Warum muss immer mir so etwas passieren?", empörte sich Justin. Jana, immer noch dem Lachen nahe, zog ihn leicht an der Hand und so aus dem ungeliebten, kalten Nass. "Das trocknet doch wieder!", versuchte sie Justin zu beruhigen. "Denk doch mal an Marcel und Patric. Die liegen nach ihrem Zusammenstoß beim Training seit fast einer Woche mit einer leichten Gehirnerschütterung im Krankenflügel. Du bist also nicht der einzige, dem öfter mal ein Missgeschick passiert."

Bei dem Gedanken an Marcel erstarrte Jana. Wie konnte sie das vergessen. Sie spürte wie sich ihr Herz auf Hochleistung schaukelte und das Blut zu kochen begann. Vergessen war das Spiel, der Regen, die Kälte; nur der Gedanke an das Versprechen, dass sie Marcel gab füllte sie jetzt aus.

Sie ließ Justins Hand los. "Geh schon mal vor. Ich hab etwas vergessen." Mit einem Satz sprang sie wieder über die Pfütze und lief los. "Was hast du denn ver…", rief Justin ihr noch leicht verdutzt nach, doch seine Worte gingen in der Geräuschkulisse der im Match tretenden Schüler unter.

Jana lief zurück in Richtung Stadion, doch ihr Ziel waren diesmal die Mannschaftsräume der Spieler. Genauer gesagt der Raum, den Marcel und Patric beim letzten Training genutzt hatten. Das Spiel war immer noch im Gange. Scheinbar hatte sie mit der Dauer des Spiels mal wieder Recht. Es gab Momente, da haste sie es immer, na ja fast immer, Recht zu behalten.

Wenigstens der Regen hörte langsam auf. Es nieselte nur noch leicht als sie vor den Mannschaftsräumen ankam. Vorsichtig zog sie an der großen, kalten, eisernen Klinke. Mit einem tiefen brummenden Knarren öffnete sich langsam die Tür einen kleinen Spalt und gab den Blick in sein Inneres frei. Schnell schlüpfte Jana in die Lücke und schloss die Tür hinter sich.

Hier war es angenehm und behaglich. Der für diesen Raum doch sichtlich überdimensioniert wirkende Kamin versorgte den Raum nicht nur mit einer wohltuenden Wärme. Das darin befindliche riesige Feuer loderte verspielt und hüllte die weißlich, grauen Wände abwechselnd in ein rötlich-braunes sowie hell-gelbes Gewand. Ein Hauch von Moschus und Sandelholz lag in der Luft und Jana wusste nicht warum diese Wahrnehmung ein kleines Kribbeln in Ihrer Magengrube verursache. Irgendwie fühlte sie sich hier wohl.

"Jetzt reiß dich zusammen!", dachte sie. "Suche den Zettel mit den Prüfungsfragen und dann nichts wie weg hier." Marcel hatte ihn vor dem letzten Training auf einen der Schränke gelegt. Da er nach seinem Unfall mit Patric direkt auf die Krankenstation kam musste er ihn zurücklassen. "Zu dumm, wenn ihn jemand anderes in die Finger bekäme", philosophierte sie vor sich hin und begann auf der rechten Seite des Raumes die Schrankoberseiten abzutasten. Doch außer Staub, altem Bonbonpapier mit der Aufschrift Honigdrops und einigen toten Fliegen war vorerst nichts zu finden.

Neben dem leichten Knistern des Feuers hörte sie jetzt leise Jubelschreie die vom Stadion herüberwehten.

"Ich muss mich beeilen", deutete Jana die Situation und setzte die Suche fort. Nur kurze Zeit später hielt sie inne. Vor dem Raum waren Stimmen zu hören. "War das Spiel etwa zu Ende?" Die Tür gab wieder ihr dumpfes, knarrendes Geräusch von sich. Im letzten Augenblick fand Jana Zuflucht in einem der größeren Schränke in der Nähe des Kamins. Es war ein uralter Schrank aus Zedernholz. Soweit es Jana feststellten konnte war es kein Schrank, der zum Umkleiden genutzt wurde. Hier lagen alte Vorhänge, schäbige Fahnen und einige unförmige Bälle, die schon bessere Tage gesehen hatten. Zum Glück hatte sie genug Platz zwischen den Vorhängen und konnte sogar durch eines der kleinen Löscher, die die Holzwürmer mit der Zeit in die Tür geknabbert hatten, das Treiben im Raum beobachten.

Der Lautstärke nach konnte Sie erahnen, dass Sie im Raum der Siegermannschaft gefangen war. "Gut gemacht Marco!", sagte eine Stimme die sich nach Alexander anhörte. "Ich dachte schon das Spiel würde ewig so weitergehen."

"Auch das noch!", dachte Jana. "Warum müssen ausgerecht die Konradshöher in diesem Raum sein?"

"Was kann ich denn dafür wenn der Schiri zu blöd ist um auf seine Uhr zu schauen?", dröhne eine herablassende Stimme durch den Raum. Diese Stimme stammte unverkennbar von Marco.

Marco, dieser weißblonde Junge, löste bei Jana jedes Mal, wenn sie an ihn dachte, eine Achterbahn von unbeschreiblichen Gefühlen aus. - "Marco, dieser hochnäsige, vorlaute, ungerechte, schmierige Kerl, der ständig meine beste Freundin beleidigt und Intrigen gegen jeden plant. Marco, der smarte, blasse, gepflegte Junge mit seinem nicht übertriebenen aber dennoch durchtrainierten Körper, seiner Zielstrebigkeit die seinesgleichen sucht, seines sinnlichen Mundes, seines …", plötzlich wird Jana aus ihren Gedanken gerissen.

"Wir sehen uns oben, Marco – OK?", fragte vorsichtig Martin. Jetzt erkannte Jana auch die dritte Stimme im Raum. "Ja, Ja – haut schon ab", entgegnete ihnen Marco. "Denkt aber nicht, dass ihr, so mistig wie ihr seid, zum Abendessen an meinem Tisch sitzen dürft!"

Soweit es Jana erkennen konnte hatten Alexander und Martin, die sonst wie eine Klette mit Marco zusammen hingen, nur Ihren Kopf unter das Wasser gehalten und jetzt standen sie, abmarschbereit mit einem Handtuch um den Kopf, vor der Tür. Martin hatte sogar noch seine dreckigen, vor Nässe triefenden Schuhe vom Fußball an und hinterließ beim Gang zur Tür riesige, dreckige Fußabdrücke auf dem hellen Marmorboden. "Gut, dass ich euch nicht heiraten muss", höhnte Marco und schleuderte achtlos seine Jacke halb auf den Schrank. Die Tür knarrte ein zweites Mal und jetzt trat wieder die Stille ein, die Jana so faszinierte als sie den Raum allein betrat.

Außer den kleinen Bewegungen von Marco, dem knisternden Feuer und natürlich den leisen Geräuschen des Zedernschrankes mit seinem geheimen Inhalt, die er von sich gab, wenn Jana ihr Gewicht von dem einem auf das andere Bein verlagerte, war der Raum von einer himmlischen Ruhe erfüllt.

Jana spähte wieder durch das kreisrunde Holzwurmloch. "Erstaunlich, mit welcher Präzision ein Holzwurm bei der Nahrungsaufnahme so vorgeht", dachte sie erstaunt. "Wenn ich dagegen so an die Essmanieren meiner Brüder denke." Sie schüttelte leicht ihren Kopf.

Marco musste, um die Tür seines Schrankes öffnen zu können, seine Jacke, die er vorher so achtlos auf den Schrank geschleudert hatte, herunterziehen. Doch was war das? Nicht nur der Umhang rutschte vom Schrank sondern auch ein Blatt Papier schwebte langsam, fast wie eine Feder, vor Marcos Augen zu Boden. Er versuchte es zu fangen. Jana beobachtete genüsslich wie das Pergament, als hätte es eine eigene Seele, den Händen von Marco immer wieder auswich bis es vor seinen Füssen zum erliegen kam.

In diesem Moment wurde Jana mit einem Schlag bewusst, dass das nur die Prüfungsfragen sein konnten. "Warum muss gerade Marcels Erzfeind im Internat die Aufgaben finden? Warum gerade Marco?", fragte sich Jana. "Wie soll ich Marcel erklären, dass ich so kläglich versagt habe?" - Jana war den Tränen nahe.

Unterdessen nahm Marco den Zettel in die Hände. Er betrachtete den Inhalt oberflächlich ohne ihn genau zu lesen, dann richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder seinen Sachen. Er ließ das Blatt achtlos hinter sich fallen, nahm die Jacke auf und stopfte sie in eines der Fächer im Schrank.

Jana atmete auf. Vorerst! Ihr Herz schlug so stark, so schnell und so laut, dass sie es mit beiden Händen verdeckte, da sie Angst hatte Marco könne es hören. Auf ihrer Stirn vernetzte sich ein Teppich aus winzig kleinen Schweißperlen, ähnlich dem Tau im Sommer, der sich morgens immer auf der Wiese vor dem Internat nieder ließ.

"Wenn Marco doch endlich verschwinden würde, damit ich meinen Auftrag, die Prüfungsaufgaben zu sichern, in die Tat umsetzen kann." Erneut spähte sie durch das kleine Loch in der Tür und traute ihren Augen nicht. Marco begann sich auszuziehen. Er streifte sich sein enges T-Shirt über den Kopf und zerzauste dabei sein makelloses, seidig glänzendes Haar. Jana fragte sich, wie er es fertig brachte, nach einem Fußballspiel, bei diesem Sauwetter auszusehen als käme er gerade vom Frisör.

Aber genau das war auch ein Markenzeichen von Marco. Egal wann und wo Marco auf der Bildfläche erschien, er fiel in seiner Perfektion auf. Jana musste ihn einfach bemerken, beobachten, bewundern. "Nein bewundern ist nicht das richtige Wort", dachte Jana. "Nie im Leben würde ich Marco bewundern! - Vielleicht denken ja andere Mädchen genauso? Vielleicht vernebelt Marco auch anderen die Sinne? Vielleicht …", sie verwarf den Gedanken, wischte sich mit dem Ärmel ihres Mantels den Schweiß von der Stirn und suchte wieder den Blick zu Marco.

Jana sah, mit welcher Akribie Marco sorgfältig sein Shirt auf der Bank zusammenlegte, als wäre es frisch gewaschen. Seine Socken legte er, einmal gefaltet, fast parallel daneben. Wenn sie so darüber nachdachte kannte sie eigentlich keinen Jungen, der so gewissenhaft, so beflissen und ordentlich war. Wieder dachte sie mit einer gewissen Bewunderung über das Gesehene nach, da geschah es!

Ein leises Knarren von altem Holz durchzog die Stille des Raumes und forderte Marcos ganze Aufmerksamkeit. Jana hielt den Atem an. Marco hob den Kopf, richtete sich auf und drehte sich in die Richtung des verklungenen Geräusches.

Vorsichtig schaute Jana erneut aus dem geheimen Versteck. Marco stand jetzt nur 2 Meter von Ihrem Schrank entfernt. Sie sah seine neugierigen, hellgrauen Augen, die zum Teil von einer kleinen Strähne seines weißblonden Haares verdeckt wurden. Jana konnte nicht umhin und betrachtete mit wohlwollen seinen makellosen nackten Oberkörper.

Marcos Brustkorb setzte sich nicht übertrieben, aber athletisch vom restlichen Oberkörper ab. Durch seine Atmung hob und senkte er sich gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Allein das war schon mehr als einen Blick wert. Das Gesamtwerk vollendeten jedoch erst die kleinen quergestreiften Muskelpäckchen auf seinem Bauch. Auch sie wirkten nicht unverhältnismäßig, aber sie unterstützten die Perfektion seiner Schöpfung.

Jana war hin und weg. Sie spürte die Sehnsucht sich Marco zu offenbaren, ihm ihre Zuneigung, ihre Liebe zu zeigen, sich hinzugeben, sich zu opfern. "Zu Opfern? Komm zu Sinnen", dachte sie. "Ich opfere mich nicht Marco! Nicht diesem Mistkerl."

In diesem Moment war erneut ein Rascheln zu hören. Diesmal kam es jedoch aus einer anderen Richtung. Jana konnte den Verursacher nicht erkennen. Marco griff instinktiv nach seinem Schuh, schleuderte ihn mit aller Kraft quer durch den Raum und schrie: "Diese Mistviecher! Nicht mal hier ist man vor Ungeziefer sicher."

Jana vermutete eine Ratte, vielleicht aber auch eine Katze. Bei Marco waren eigentlich alle Lebewesen die nicht wie er waren Ungeziefer. Wieder eine Bestätigung, dass Marco es nicht wert war auch nur einen Gedanken an ihm zu verschwenden!

Jetzt war sie wieder da, diese empfindsame, verträumte, malerische Ruhe. Marco drehte ihr wieder den Rücken zu. "Oh nein, was tut er jetzt?", dachte sie und drehte beschämt den Kopf in das Innere ihres Versteckes, den Blick weit weg vom Beobachtungspunkt in der Schranktür. Gut das sie jetzt niemand sehen konnte. Ihr Gesicht brannte fiebergleich und sie fühlte, wie sich die Farbe ihrer Gesichtshaut versuchte ihrer kupferroten Haarfarbe anzugleichen.

Wie von einer fremden Macht gesteuert nahm sie, Sekunden später, ihre alte Position ein. Marco stand splitternackt vor seinem Schrank und wühlte in den Fächern. Er suchte etwas, konnte es aber scheinbar nicht finden.

Nur seine Schulterblätter bewegten sich leicht durch die Bewegung seiner Arme. Der Schatten dieser Bewegungen tanzte das gleiche Spiel auf seinem Rücken wie die warmen Farben des spielenden Feuers an den Wänden. Oh ja, Jana musste sich eingestehen: "Marco war nicht mehr der kleine eklige Junge von damals. Marco war mehr Mann als die meisten seines Alters im Internat."

Seine blasse Haut hatte etwas Anmutiges, Reizvolles gar Gefälliges. Der Anblick seines Hinterteils vernebelte Jana die Sinne. Sie träumte davon, wie sie ihre Arme um Marcos Hüften schlang und ihn fest an sich klammerte. "Wie würde Marco reagieren, wenn ich meine Hände fließend über seinen Bauch gleiten lasse, ihn streichele und meine Hände sanft seinen Brustkorb massieren?" - "Nein, diese Vorstellung ist absurd! Nie würde Marco mit mir eine Beziehung eingehen. Nie würde ich mit ihm vertraut werden oder gar intim! - Niemals!"

Jana war außergewöhnlich verwirrt.

Einen Augenblick später warf Marco lässig ein Handtuch über seine Schulter, schloss den Schrank und bewegte sich mit kurzen aber schnellen Schritten zur Dusche.

"Das ist meine Chance", dachte Jana und legte ein Ohr an die Schanktür. Sie musste sich eingestehen, dass sie so auch nicht mehr hörte, also lehnte sie sich mit etwas mehr Druck dagegen. Da passierte es! Die Tür gab mit einem langen, dünnen Knarren nach und öffnete sich einen Spalt. Jana verharrte: "Sollte Marco mich nicht gehört haben?" Dutzende Gedanken schossen ihr gleichzeitig durch den Kopf, doch draußen blieb es ruhig.

Vorsichtig lugte sie durch den Spalt. Nur die lodernden Flammen des Kamins und das leise Plätschern der Dusche füllten den Raum. "Wage es jetzt!", sagte Janas innere Stimme, doch sie war zu schwach auf den Beinen, ihr Körper zitterte wie Espenlaub. Jana hatte Angst den Schrank zu verlassen. Instinktiv zog sie die Tür wieder heran.

Doch ihr Gewissen marterte sie. "Du musst Dir jetzt das Blatt mit den Aufgaben schnappen! Jetzt! Sofort!"

Dann ging auf einmal alles rasend schnell. Sie öffnete erneut die Tür, stieg mit dem rechten Bein als erstes aus dem Schrank und stolperte mit dem linken hinterher. Unfreiwillig dachte sie an Justin. Sie schaute zu Boden. "Wo war dieses verdammte Blatt? – Ach da liegt es ja!" Sekunden später verwand das Blatt gefaltet in der Innentasche von Janas Mantel. "Jetzt aber raus hier!"

Doch was war das? Wieder Stimmen vor dem Raum! "Mist!" Sie lauschte, ob sich die Stimmen entfernen. Doch auch das war jetzt Nebensache, denn das plätschernde Geräusch der Dusche verstummte. "Ausgang oder Schrank, Schrank oder Ausgang?", Jana musste sich entscheiden. Sie entschied sich für den kürzeren Weg und fand sich kurze Zeit später in ihrem vermeintlich sicheren Versteck wieder.

Keinen Moment später kam Marco um die Ecke. Er hatte sich ein strahlend weißes Handtuch um die Hüfte gewickelt und lief mit schiefen Kopf und einem Finger im Ohr, den er kräftig schüttelte, auf seinem Schrank zu. Gleichzeitig öffnete sich langsam brummend die schwere Außentür.

In der Tür stand Claudia, eine Mitschülerin von Marco, und nörgelte: "Wir suchen dich überall, was machst du denn so lange hier?" Marco geriet außer sich vor Wut und schrie sie an: "Mach das du raus kommst! Du siehst doch ich war unter der Dusche!" Er riss seine Schranktür auf, griff nach seinem zweiten Schuh und schleuderte ihn in Richtung Tür, doch Claudia war bereits wieder dahinter verschwunden.

Brummig und in Selbstgespräche vertieft begann Marco sich anzuziehen. Er berieselte sich mit einem Deo, zog die verbliebenen Sachen seiner Schuluniform an, griff seine Tasche und humpelte erst in eine Ecke und danach zur Tür um sich seine Schuhe anzuziehen. Kurz darauf war auch er verschwunden.

"Endlich!" Jana war erleichtert. "Endlich kann ich hier raus! Das kann Marcel nie wieder gut machen", dachte sie und öffnete erneut behutsam die knarrende Tür ihres Versteckes. Vorsichtig stieg sie aus dem Schrank und lauschte in die Stille.

"Obwohl, eigentlich ist doch nichts passiert." Sie schmunzelte bei dem Gedanken. "Wenn man davon absieht das ich Marco in dieser peinlichen Situation …", Janas Gedanken rissen ab.

Da war er wieder, dieser Wohlgeruch von Moschus und Sandelholz, der den ganzen Raum betörte und dieses seltsame Kribbeln bei Jana auslöste. Wie ein Zauber legte er sich über ihren Gemütszustand. Sie fühlte sich wieder geborgen, beschützt und sicher. Einige Sekunden lang gab sie sich voll und ganz diesem Gefühl hin. Sie war gedankenfrei und unbeschreiblich glücklich.

Dann mahnte sie ihr Gewissen: "Du musst den Raum jetzt verlassen und Marcel die Prüfungsaufgaben bringen." Sie tastete mit ihrer Hand nach dem Blatt. "Da ist es!", vergewisserte sie sich, "Dann also nichts wie raus." Schnellen Schrittes ging sie zur Tür, öffnete diese und trat ins Freie. Noch einmal blieb ihr Herz vor Aufregung fast stehen. Jana schaute sich in alle Richtungen um, doch sie war allein! Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. "Ich habe es geschafft!"

Der Regen hatte aufgehört und zwischen den dicken Wolken schaute sogar ab und zu einmal die Sonne auf die Ländereien des Schlossinternats.

 

Da das meine erste Kurzgeschichte ist bitte ich euch um Ratschläge, Tipps und Hinweise.

Vielen Dank schon einmal für die Zeit die ihr euch genommen habt.

noch eine Frage in Sachen Regelwerk:
welches Nachschlagewerk in Sachen Kommaregelung könnt ihr empfehlen? Ist der Duden hier immernoch das Maß aller Dinge?

 

Hallo helios!

Willkommen auf kg.de.

"Da das meine erste Kurzgeschichte ist bitte ich euch um Ratschläge, Tipps und Hinweise." => Okay, dann lege ich mal los.

Im Titel muss das Verwirrende auch groß geschrieben werden. Das kann aber nur ein Moderator ändern.

Ich habe das erste Mal nur flüchtig über den Text gelesen und der Anfang gefiel mir, ich dachte es geht so in Richtung Internatsgeschichte á la Hanni und Nanni. Aber dann ging es (ganz gemäß des Titels) nur noch um die Gefühlswelt von Jana: Marco ist ein Arsch, aber eigentlich doch ganz süß. Das fand ich dann recht langweilig, sorry.

Gut, in die Details:

Deine Bildsprache ist noch ein wenig unsicher.
"nur noch einzelne Grashalme, eher grau als grün und sehr stark geknickt, sichtbar waren." => Die Knicke würde ich weglassen, denn einerseits sagt das grau schon alles, andererseits könnte man die Knicke nur erkennen, wenn man praktisch mit der Nase im Gras liegt.
"rammte einen tiefen Krater in den schwammigen Boden." => Eher schlammig, oder? Ein Schwamm würde sich sofort wieder ausbeulen.

"ist noch nicht einmal Fußball eine Alternative zum Zeitvertreib" => Fußball als Alternative zum Zeitvertreib? Da kann ich dir nicht ganz folgen. Übrigens, wenn Jana nur denkt, solltest du die 'einfachen Anführungszeichen' benutzen, damit man den Unterschied zur gesprochenen Rede erkennt.

"für die Jahreszeit zu leicht bedeckten Oberarme." => Hm. Also, wenn es in Strömen regnet, sollte sie doch zumindest eine Regenjacke tragen, oder nicht? (Und später kommt noch, dass sie einen Mantel trägt - das ist doch nichts Leichtes.)

"Alles OK mit dir" => Okay ist ein Wort mit vier Buchstaben, die man auch alle benutzen sollte. Abkürzungen machen sich in literarischen Texten nicht gut. Das gilt auch für Zahlen.

"zum neuen Stadionsprecher avancierte" => Avancierte? Benutzt du dieses Wort im normalen Sprachgebrauch? Für eine Jugendgeschichte finde ich es unpassend. Und Zeitfehler: avanciert war (da du ja ohnehin schon in der Vergangenheit schreibst, und nun in die Vorvergangenheit wechselst).

"bei einem Spielstand von 18:2 für Konradshöh gegen Siegstadt, vor Spielende den Weg ins warme Schlossinternat suchten." => Also, ich wäre spätestens bei einem 10:2 abgehauen. Übrigens: Ich konnte im weiteren Verlauf des Textes erstmal nicht herauslesen, welche der Mannschaften eigentlich zum Internat gehört. Das verwirrt. Und gehört Jana ins Internat?

"Jana und Justin nutzen die Chance und gingen mit der ersten Traube von Schülern über den, mittlerweile sehr matschigen Pfad, der teilweise mit Pfützen die so groß wie kleine Seen schienen, zurück zum Internat." => Bei langen Sätzen muss man immer aufpassen, dass man nicht den Faden verliert. Hier fehlt etwas.

"Justin, der diese jedoch zu spät sah, nahm sie erst war, als er mit einem Fuß knöcheltief versunken war." => Würde ich kürzen, denn so klingt es etwas doppelgemoppelt. "Justin nahm sie erst wahr, als er mit einem Fuß knöcheltief versunken war." Und: nahm wahr.

"nur der Gedanke an das Versprechen, dass sie Marcel gab füllte sie jetzt aus." => Auch ein Zeitfehler. Danach solltest du den gesamten Text durcharbeiten. Außerdem: das Versprechen, das (welches). Komma nach gab.

"Es gab Momente, da haste sie es immer," => hasste. Und entweder Momente oder immer. Beides zusammen passt nicht. Sorry, bei einem weiteren Lesen kapiere ich es. Ein Komma nach dem "es" wäre nützlich.

"Mit einem tiefen brummenden Knarren" => Das ist ein wenig überladen.

"Der für diesen Raum doch sichtlich überdimensioniert wirkende Kamin versorgte den Raum nicht nur mit einer wohltuenden Wärme." => Kamin im Umkleideraum? Das kann ich mir nun überhaupt nicht vorstellen.

"War das Spiel etwa zu Ende?" => Wenn sie das in der Situation gerade (aktiv) denkt, dann muss das ins Präsens. Alternativ könntest du auch einfach die Anführungszeichen streichen. Kommt im Text auch noch öfter vor.

"konnte sogar durch eines der kleinen Löscher, die die Holzwürmer mit der Zeit in die Tür geknabbert hatten, das Treiben im Raum beobachten." => Ja, auch im folgenden: So ein Holzwurmloch hat einem ziemlich kleinen Durchmesser (etwa die Hälfte eines Zahnstocherdurchmessers). Man kann vielleicht etwas dadurch sehen (vorausgesetzt, der Holzwurm hat gerade gebohrt), aber man kann bestimmt nicht alles sehen, was in der Umkleidekabine so vorgeht.

"konnte Sie erahnen, dass Sie im Raum" => Sie schreibt man nur als Anrede groß, du und dich ... in literarischen Texten immer klein.

"die Jana so faszinierte als sie den Raum allein betrat." => Zeitfehler.

"seinen Füssen zum erliegen" => Füße. Und erliegen? Man kann seinen Verletzungen erliegen, aber du meinst doch definitiv etwas anderes.

"gerade Marcels Erzfeind im Internat die Aufgaben finden" => Die sind beide aus dem Internat? Und Jana? Die auch? Wie gesagt, das ist sehr verwirrend.

"Marco war nicht mehr der kleine eklige Junge von damals." => Von wann? Wenn sie ihn schon aus dem Kindergarten kannte oder so, solltest du das erwähnen (und auch, warum er damals ekelig war). Wenn Marco im Internat lebt, ist er doch sicher nicht aus dem Ort. Also, warum kennen sich die beiden?

Und auch sonst sind eine Menge Fehler drin, besonders bei der Kommasetzung, wie du aber sicher selbst bemerkt hast.

Aber für eine erste Geschichte ist das ganz ordentlich. Wenn du sie überarbeitest, könnte das noch was werden.

Grüße
Chris

 

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