Liebe Susi,
na dann wollen wir deine alte Geschichte mal wieder aus der Versenkung holen.

Allgemein stehe ich solchen ultrakurzen Geschichten eher skeptisch gegenüber, da ihnen meist die notwendige Tiefe fehlt – du hast mit "Vibrationen" allerdings das Gegenteil bewiesen.
Ich hab die anderen Kritiken, nachdem ich meine eigenen Notizen aufgeschrieben habe, um mich nicht beeinflussen zu lassen, nur überflogen – daher schon mal sorry für eventuelle Wiederholungen.
Vieles wurde ja bereits gesagt.
Die Geschichte kommt ohne viel Handlung aus, sie lebt vielmehr von der Atmosphäre. Und das finde ich als Selbst-eher-Atmosphäre-erzeug-anstatt-viel-passieren-lass-Autor natürlich gut. 
Du hast die Stimmung, als deine Protagonistin die Musik im Auto hörte, sehr gut in den wenigen Zeilen eingefangen, und da ich ebenfalls gerne Musik zum Autofahren höre, konnte ich mir den vibrierenden Rhythmus mit den Bässen sehr gut vor Augen führen.
Der Titel passt, er trifft den Kern ohne allzu viel vorweg zu nehmen. Das Ende war unvorhersehbar für mich. Den erklärenden Schlusssatz finde ich, ebenfalls wie die Sätze zuvor, sehr gut zu Papier gebracht.
Die Idee an sich mag nicht neu sein, störte mich beim Lesen aber nicht. Welcher Autor kann von sich schon behaupten, etwas vollkommen Neues geschrieben zu haben?
Gefragt habe ich mich, warum die Passanten oft über deine Protagonistin schimpfen – es liegt wohl, wie du selbst in einem Posting erklärst, an die oft zu laute Musik.
Allgemein haben es Taubstumme sicherlich nicht einfach und "Vibrationen" könnte sehr gut der Realität entsprechen.
Kennst du den Film "Mr. Hollands Opus"?
Als angehender Komponist träumt der Hauptcharakter davon, eine große Symphonie zu komponieren – doch wie das Leben so spielt, wird er eben "nur" Musiklehrer.
Als er einen Sohn bekommt, stellt er fest, dass dieser taubstumm ist und, wie die Frau in deiner Geschichte, ebenfalls nicht hören kann. Für den Musik über alles liebenden Vater natürlich ein großer Schock.
Was mich an dem Film fasziniert: Auch er baut Atmosphäre auf, die Geschichte ist wunderbar einfühlsam erzählt, von den Schauspielern gut gespielt, ...
Ohne allzu sehr von deiner Kurzgeschichte abschweifen zu wollen, kann ich dir den Film sehr ans Herz legen. Absolut sehenswert.
Die Geschichte zeigt, dass Musik auch Taubstummen kein Fremdwort ist und sie zumindest die Bässe spüren können. Selbst Beethoven war am Ende seines Lebens taub und hat trotzdem weiterhin komponiert.
Im Allgemeinen sollte die Länge einer Kritik wohl nicht die Länge der dazugehörigen Kurzgeschichte überschreiten – aber Ausnahmen bestätigen eben immer wieder mal die Regel.
Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen. Hab die Geschichte gerne gelesen.
Viele Grüße,
Michael