Von Geburt und Tod
Mein Mädchen
heute vor genau 8 Jahren wurdest du an einem Sonntag geboren. Deine Mama hatte sich 10 Tage über die Zeit gequält. An einem Samstagmittag fingen die Wehen an, aber deine Mama hat noch unermüdlich gebügelt. Schliesslich sollte das Nest blitzen und funkeln wenn du kommst. In der Nacht lief deine Mama immer zwischen Küche und Bett hin und her, am frühen Morgen dann weckte sie deinen Vater. Die Wehen waren mittlerweile so stark geworden, dass sie dachte du könntest jeden Moment kommen.
Sonntag in der Frühe hat dein Papa dann den Opa angerufen und ab gings in die Kinderklinik. Dein Papa schleppte sich mit Kamera, Reisetasche und deinem Monitor ab. Und deine Mama zwängte sich mit ihrem superdicken Bauch in das Auto. Und ab ging die Fahrt nach Oberhausen. Wenigstens dreimal unterwegs dachte deine Mama du kämst sofort. Aber sie pustete fleissig und nur ja keinen Pieps von sich gebend, damit die Männer nicht in Panik geraten ). Dazwischen machte sie noch kleine Scherzchen, damit die Männer nicht merkten, wie es ihr ging.
Dann schlurfte sie im Schneckengang zum Kreissaal. Die Nonnen der Klinik kannten sie schon und winkten vom Fenster zu ihr runter. Dann gleich ab zum Doktor, eine Fruchtwasseruntersuchung. Und dann der aufmunternde Satz *Man kann die Häärchen schon sehen, Muttermund 7 cm*. Normalerweise braucht Mama für eine Geburt so 2 Tage , aber diesmal war es etwas flotter.
Und jetzt noch ab in die Badewanne , zum Entspannen. Mama wollte aber sofort wieder raus. Sie dachte du kämst jeden Moment. Dann gleich ab aufs Familienbett. Papa auch mit ins Bett. Das war für alle spassig nur für Mama nicht mehr. Dann ein paar Minuten später warst du auch schon da. Mama meinte sie müsse sterben, ist sie aber nicht.
Gesund warst du mein Mädchen, putzmunter und gesund. Du warst einfach wunderschön. Dann kamst du sofort an den Monitor. Direkt am ersten Tag gab es wenigstens hundertmal Fehlalarm und Mamas Blutdruck stieg mit jedem Piepsen ein Stück höher. So hatte sie sich das nicht vorgestellt.
Vom ersten Tag an hatten Mama und Papa nur Angst um dich. Überall wo wir hingingen, schleiften wir den Riesenapparat hinter uns her. Es war die schrecklichste Zeit, die deine Eltern je erlebt hatten. Den Tod immer vor Augen. Eine Riesenangst dich auch zu verlieren. Du wurdest wie in Watte eingepackt, behütet wie ein Augapfel.
Auch die Untersuchung in der Schlafklinik gab zwar grosse Hoffnung aber keine Gewissheit. 18 Monate lang warst du an den Monitor angeschlossen. 18 lange Monate ob der Ungewissheit. Deinen zweiten Geburtstag feierten wir so wie andere den ersten. Und selbst da noch hatten wir Angst.
Heute bist du 8 Jahre alt geworden. Ein selbstbewusstes, sehr energisches, lustiges aber auch hochsensibles Kind. Wir sind froh, dass es dich gibt, wir wissen du wirst deine Schwester nie ersetzen können, das war von Anfang an klar. Mit der Pflicht solltest du auch nie geboren werden. Wir lieben dich weil du einzigartig auf dieser Welt bist. Du hast sie nicht ersetzt, aber du hast ihrem Tod einen Sinn gegeben.