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Wanderroboter

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19.01.2004
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Wanderroboter

Die letzte Produktionsschicht der automatischen Haushaltsroboterfabrik war gerade erst zuende gegangen. Es war fleißig gestanzt, gelötet, montiert und lackiert worden und im Prinzip alles wie immer gelaufen. Im Prinzip!
Der Vorarbeiter Miles Tenners und sein Chef standen etwas hilflos in der großen Lagerhalle am Ende der Fließbandstrecke.
„Was ist denn passiert?“, fragte der Boss eher interessiert als verärgert.
„Ähem... Ich weiß nich so genau. ... Vielleicht hab ich mich um eine Kommastelle bei der Größenangabe verhauen“, stammelte Miles unsicher.
Vor den beiden stand ein tausendköpfiges Heer aus zehn Zentimeter hohen Miniaturversionen des Typs „Robo IV Wistler“, scharrte mit den zweitausend Füßchen, klapperte mit den viertausend Ärmchen und wartete ansonsten allgemein geduldig auf seinen ersten Arbeitseinsatz.
„Was machen wir jetzt mit den Winzlingen?“
„Weiß nich. Wegwerfen?“
„Mein Großvater sagte immer: Nur Müll gehört auf den Müll. Vielleicht können wir ja mit den Kleinen noch etwas anfangen.“
Der Chef überlegte kurz und sagte dann: „Es wird schon bald dunkel. Wir bringen sie über Nacht ins Testlabor und lassen sie ein bisschen werkeln. Mal sehen, ob was bei rauskommt.“
Das Testlabor war ein komplett bewohnbares Zweifamilienhaus der Gattung „Sweet Home 12 Alpha“ mit dem Unterschied, dass es nicht bewohnt wurde und auf dem umzäunten Gelände der Fabrik nahe des Hauptportals stand. Hier wurden alle neuen Typen an Haushaltsroboter auf ihre Alltagstauglichkeit hin überprüft.
„Wir schalten sie auf Gruppenmodus“, bestimmte der Chef.
„Ich glaub nich, dass es bei so vielen funktioniert“, gab Miles zu bedenken.
„Was bei drei geht, geht auch bei tausend. Nun mach schon.“
Tenners gab einen Code auf der Generalfernbedienung des Werks ein, und die Roboter bestätigten automatisch mit dem dazugehörigen Tonsignal. Sie bildeten jetzt einen Schwarm, der sich die anfallenden Arbeiten teilen sollte.
„Macht das Haus sauber!“, befahl der Chef den kleinen Metallzwergen. Diese hörten die mächtige Befehlsstimme von irgendwo über ihnen aus dem Himmel und begannen unverzüglich mit der ihnen aufgetragenen Arbeit. Alles schien bestens zu funktionieren, woraufhin die beiden Männer die Roboter allein ließen und Feierabend machten. Morgen früh würde sich zeigen, wie gut sie gearbeitet hatten.
Geradezu arbeitswütig stürzten sich die Miniroboter auf den vorbereiteten Dreck. Sie schabten und kratzten den Staub mit ihren winzigen Händen auch noch aus den kleinsten Ecken. Verdampften die Schmutzreste mit den millimetergroßen Mikrowellenkanönchen rückstandslos und polierten das ganze Haus von oben bis unten auf Hochglanz. Einige Stunden später blitzte und funkelte es überall so sehr, dass man gezwungen war, die Zimmer mit einer Schutzbrille zu betreten, um nicht zu erblinden.
Die Roboterchen waren in Rekordzeit mit ihrem Auftrag fertig geworden. Oder etwa nicht? Programmgemäß begaben sie sich auf die Suche nach neuen Räumen, denen sie ihre Putzkraft angedeihen lassen konnten. Sie fanden den immer unbenutzten Briefschlitz in der Eingangstür und sprangen einer nach dem anderen hindurch. Draußen kamen sie nach kurzer Zeit an das Eingangstor und kletterten ohne Umstände durch die Gitterstäbe. Irgendwo musste es noch etwas zu tun geben. Ihre gnomigen Metallfüße klickten tausendfach über den Asphalt, als sie die Strasse in Richtung der nahen Stadt hinunter strömten. Der glitzernde Belag, den sie dabei atomar gereinigt hinterließen, würde noch die nächsten 4 Wochen keinen Schmutz ansetzen können, so sauber war er.
Die Roboknirpsarmee auf Wanderschaft erreichte das erste Haus am Stadtrand. Es war nur ein kleines, altes „Perfect Home 3“, aber sicherlich würde es genug Putzmöglichkeiten für alle aufweisen.
Miles Tenners saß nach seinem harten Arbeitstag bei einem letzten Bier vor dem Fernseher. Gott sei dank, war sein Boss nicht sonderlich böse gewesen. Er hatte die Fehlproduktion, an der Miles schuld gewesen war, sogar als eine neue Gelegenheit gesehen. Geschäftstüchtigkeit konnte man dem Chef wirklich nicht absprechen.
Während über den Bildschirm noch die letzten Minuten des abendlichen Films flimmerten, hörte Miles es seltsam klappern an der Eingangstür. Er ging in den Flur und sah die kleinen „Wistlers“, die schon durch seinen Briefschlitz gesprungen waren, und bereits begonnen hatten, den Teppich zu saugen und die Flusen zu verdampfen. Und es kamen immer noch weitere durch das Loch in seiner Tür gehüpft.
Etwas verwundert beobachtete Miles sie dabei, wie sie angestrengt und ganz in ihre Arbeit vertieft alles aufräumten und ordneten. Dann beschloss er, dass es ihm egal war, warum sie hier waren. Er wollte es genauso wie sein Chef als eine Chance betrachten – die Chance, dass sein Junggesellenhaushalt mal wieder so richtig auf Vordermann gebracht wurde. Eine der Roboterhilfen, bei deren Produktion er täglich mithalf, hatte er sich nie leisten können.
„Halt!“, befahl er und die Maschinengnome reagierten auf die laute Stimme aus dem Nichts. Ihre Mustererkennung konnte zwar zur verstandenen Anweisung keinen menschlichen Auftraggeber ausmachen, der den Größenverhältnissen entsprach, aber Befehl war Befehl.
„Fangt in der Küche an. Die hat’s am nötigsten.“
Die vielen kleinen Putzteufel schwärmten in die Küche und fanden endlich mal eine richtige Aufgabe, an der sie sich beweisen konnten. Miles war damit zufrieden und ging ins Bett. Die entlaufenen Prototypen konnte er auch morgen früh noch zurückbringen – nachdem sie bei ihm Ordnung geschafft hatten.
Die Roboter reinigten die Tellergebirge von ihrem organischen Abfall. Trockneten und polierten alle Oberflächen. Dann wuselten sie wieder heraus aus der Küche und begannen sich im Haus zu verteilen. Eine Horde saugte und entstaubte das Wohnzimmer. Eine andere entfernte die Spinnenweben und allen Schmutz aus dem Flur. Eine dritte machte sich an das Bad im oberen Stockwerk. Als sie damit fertig waren, liefen sie nach nebenan ins Schlafzimmer und setzten dort ihre Tätigkeit fort. Erneut wurde gesaugt, geputzt, verdampft und das Bettlaken glattgestrichen.
Am Morgen darauf waren die Zimmer des Hauses keim- und Miles-Tenners-frei. Die Zwergroboter versammelten sich im Flur und sprangen wie am Abend zuvor durch den Türschlitz. Dort draußen gab es noch eine ganze Menge Zimmer, die sie reinigen mussten.

 

Hallo Hagen

Tja, die Grundidee ist zwar uralt, aber du hast sie immerhin witzig rübergebracht. Die länge der Geschichte passt genau, ein kleiner Happen für zwischendurch. Hat mich unterhalten.;)

Porcupine

 

Danke porcupine

Ich wollt erstmal klein anfangen. Später werden die Roboter größer.

PS: Nur n Witz :D

ipy Hagen

 

Kann mich den Vorredner nur anschliessen: Grundidee alt, aber erfrischend neu verpackt und angenehm locker zu lesen. Unterhaltsam.

 

Hört das denn nie auf? Noch zwei geliebte Mit-kg.de-ler, die ich so sträflich vernachlässigt habe.

@beide Danke. Das Lob hatte mir damals viel bedeutet und tut dies auch heute noch :)

@Noel
Später sind die Roboter auch größer geworden. Aber das ist eine andere Geschichte und wird ein anderes Mal erzählt.
Na, aus welchem Buch stammt diese Formulierung? Hä? Wer weiß es?


snJ
Hagen

 

Hallo Hagen

Gräbst du deine alten Geschichten wieder aus :Pfeif: ?

Die kannte ich ja noch gar nicht. Hat mir jedenfalls gut gefallen. Bis auf das Ende, das ist einfach zu lahm.

Und auch für dich die obligatorische Fehlerliste:

... Miniaturversionen des Typs „Robo IV Wistler“ herum, scharrte mit den ...

Einige Stunden später blitzte und funkelte es überall so sehr, dass man gezwungen, war die Zimmer mit einer Schutzbrille zu betreten

Gott sei dank, war sein Boss nicht sonderlich böse gewesen.
Da gehört kein Komma hin.


Eine der Roboterhilfen, bei denen er täglich mithalf, sie zu produzieren, hatte er sich nie leisten können.
Dieser Satz ist zwar nicht direkt falsch, aber er klingt grauenvoll. Vielleicht solltest du ihn umformulieren.

André

 

Moin Hagen,

Ja, ich schließe mich an.
Witzige Idee, locker rübergracht - dazu ne schön schwarze Pointe und die Sache ist rund. Da ich SciFi-mäßig in etwa so beschlagen bin, wie eine Kuh im Regenmachen, fand ich die Pointe nicht wirklich vorhersehbar. Erst, als der Kerl ins Bett gegangen ist, war mir klar, was passieren wird.
Hat mich gut unterhalten.

Sie bildeten jetzt einen Schwarm, der sich die anfälligen Arbeiten teilen sollte.
anfallenden
Eine der Roboterhilfen, bei denen er täglich mithalf, sie zu produzieren, hatte er sich nie leisten können.
Besser: bei deren Produktion er mithalf
Am Morgen darauf waren die Zimmer des Hauses keim- und Miles-Tenners-frei.
Die Pointe hast du mit "Fleischberg" im Absatz vorher schon gebracht. Der Satz erklärt zuviel und ist daher komplett unnötig.

 

@AgAndre und gnoebel

Danke, dass ihr da noch mal drübergeschaut habt. Eigentlich wollte ich ja solche Uralt-Geschichten unverändert stehen lassen, um mir meine eigene Entwicklung zu dokumentieren. Aber das gilt selbstverständlich nicht für die schnöden Schreibfehler (von denen sogar noch ein paar mehr drinne waren, als ihr gefunden habt ;) )

@gnobel
Ein Lob? Du siehst mich erröten unter der zwei Meter dicken Schicht aus Coolness :cool:

Nein, im Ernst oberes gilt zwar weiterhin, aber den Tip mit der Pointe konnte ich einfach nicht ungehört lassen. Ich tu mich zuweilen als Pointen-Drechsler immer noch etwas schwer.
Aber guck mal rüber und sag mir, ob's dir jetzt besser gefällt.

Ansonsten danke für die Tips


lg
Hagen

 

Aber guck mal rüber und sag mir, ob's dir jetzt besser gefällt.
hehe... eigentlich meinte ich es genau andersrum - also, daß du die Fleischberge drinläßt (du könntest es vielleicht dezenter als "organische Substanz auf dem Bett" oder so bezeichnen) und "Miles-Tenner-frei" rausnimmst. Denn genau das ist eigentlich der Holzhammer, von dem ich sprach :D

Ungefähr so vielleicht (nur ein Vorschlag):
Als sie damit fertig waren, liefen sie nach nebenan ins Schlafzimmer und setzten dort ihre Tätigkeit fort. Auf dem Bett fanden sie eine organische Substanz von ungewöhnlich großen Ausmaßen. Erneut wurde gesaugt, geputzt, verdampft und hinterher das Bettlaken wieder ordentlich glattgestrichen.
Am Morgen darauf waren die Zimmer des Hauses keimfrei.

 

Also ich muss dir jetzt mal widersprechen (dass ich mich das traue :sealed:)

ICh find die Lösung so, wie sie jetzt ist besser, weil:
1) die Pointe jetzt (einen Satz) näher am Ende steht
2) "Organische Substanzen ungewöhnlich großen Ausmaßes" / "Fleischberg" mir schon immer etwas ungeschickt vorkamen.

Daher lass ich jetzt die Geschichte in dieser Form ihren Schlaf in den Untiefen des Forums finden.

Danke für all eure Hilfe :)


lg
Hagen

 

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