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Warteschleife der Vorhölle

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08.11.2001
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Warteschleife der Vorhölle

Ich habe die Geschichte überarbeitet!

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Warteschleife der Vorhölle

Ich habe es mir reiflich überlegt. Sowohl das Ob als auch das Wie. Und das Wann. Selbst das ist bis ins Detail geplant. Ich werde es heute tun, weil mich niemand aufhalten kann.
Eigentlich ist genau das auch der Grund, warum ich es tu. Es ist Heilig Abend und es ist niemand da, der mich aufhält. Warum also sollte ich es nicht tun?
Atmen. Das wird mir wohl am meisten fehlen. In einem völlig kindischen Impuls hole ich deshalb noch einmal tief Luft und mache den letzten Schritt.

Ich war mir unsicher, ob es wahr ist, was man liest: Dass man den Aufprall nicht spürt. Deshalb habe ich eine Brücke über eine Flussaue gewählt. Hoch, aber ein recht weicher Untergrund. Gerade hart genug. Ich springe nicht in den Fluss. So dumm bin ich nicht. Denn erstens kann ich schwimmen und zweitens gibt es böse Unfälle bei solchen Sachen. Hinterher ist man nur bewusstlos und ertrinkt, oder so. Das könnte ich nicht ertragen. Von solchen Fällen habe ich gelesen. Gelitten habe ich genug. Das muss jetzt ein Ende haben.
Deshalb bewege ich mich jetzt erstaunlich langsam senkrecht auf eine halbgefrorene Wiese zu. Mein Körper wird es äußerlich recht heil überstehen, vermute ich. Es wird kein so grausiger Anblick. Ich wollte wirklich nicht vom Pflaster gekratzt werden. Obwohl ich eine Weile lang daran gedacht habe, mich so an ihr zu rächen. Verwandte habe ich hier nicht, also hätte man wohl sie gebeten, mich zu identifizieren. Verdient hätte sie es, aber dann habe ich doch davon abgesehen. Soll sie lieber ewig bereuen, dass sie mich verlassen hat, als zu bereuen, dass sie mich noch einmal gesehen hat.
Sie hat gesagt, sie wolle nicht mehr warten. Dass ihr alles zu langsam ginge und dass sie das Gefühl hätte, irgendwo abgestellt und vergessen worden zu sein. Und angeblich bin ich daran schuld. Ich habe Frauen nie verstanden und habe es aufgegeben.
Als sie mir eröffnet hat, dass sie geht, hat sie ihr schönstes Kleid getragen und umwerfend darin ausgesehen. Ich habe gehört, Frauen machen das mit Absicht. Also werde ich es ihr gleichtun.

Tower an Erde, ich komme. Im Grunde freue ich mich auf die Zeit nach dem Aufschlag. Genaue Vorstellungen davon, wie es sein wird, habe ich nicht. Aber das Leben danach existiert in irgendeiner Form. Also werde ich mich überraschen lassen. Nachdem hier alles schief geht, sollte dann endlich einiges besser laufen. Ich habe es verdient.
In den letzten drei Wochen habe ich versucht, herauszufinden, was eigentlich geschehen ist. Ob das Ganze vielleicht tatsächlich meine Schuld ist, wie sie gesagt hat, oder ob sie das nur vorgeschoben hat. Zu einem Ergebnis bin ich nicht gekommen. Also ist es wahrscheinlich doch allein ihre Schuld. Sonst hätte ich schließlich was merken müssen.

Der Boden ist jetzt schon ganz nah. Ich breite die Arme weit aus, so als wollte ich die ganze Welt umarmen, und auf meinem Gesicht machen sich ironische Züge breit. Na sicher, das wär' genau mein Ding.
Ich kann nicht genau sagen, ob ich den Aufprall gespürt habe, ich meine: körperlich gespürt. Wenn überhaupt, dann fühlte es sich an, als wenn man in einem Aufzug steht und leise Jazzmusik von der Decke rieselt und mit einem Mal öffnet sich die Tür und man steht in der Empfangshalle eines sehr hektischen Flughafens. Der Lärm war unerwartet und ohrenbetäubend.
Zu meinem Glück schloss sich die Tür schon einen Moment später wieder und der Aufzug federte noch ein Stockwerk tiefer. Dort öffnete sich die Kabine in die Dunkelheit und Kälte kroch hinein.
Ich trat einen Schritt vor. "Hallo?", hörte ich mich in das Leben danach hineinfragen. "Wer ist denn hier?" Ein weit entferntes Echo in der Dunkelheit deutete an, dass jedenfalls eine Menge Platz vorhanden war. Nur sehen konnte ich nichts.
Als ich mich umdrehte, hatte sich der Fahrstuhl in Luft aufgelöst, falls es ihn denn je gegeben hatte und mit einem Mal fühlte ich mich sehr einsam. Es ist erstaunlich, wie unvorbereitet man sich in Situationen begibt, die man eigentlich genau geplant hatte.

Wenn man genau hinhört, dudelt immer noch irgendwo die Fahrstuhlmusik vor sich hin. Allerdings scheint der Sound von überall zu kommen. Vielleicht habe ich den Fahrstuhl nie verlassen? Welchen Fahrstuhl eigentlich? Ich bin von einer Brücke gesprungen.
Mir kommt es immer mehr so vor, als befände ich mich schon seit Stunden in dieser Wartehalle, oder was auch immer das ist, aber mir scheint mittlerweile jegliches Zeitgefühl zu fehlen. Nur das Gedudel beweist, dass überhaupt Zeit vergeht. Auch, wenn es sich in fortlaufenden Schleifen zu wiederholen scheint.
Langsam fange ich an, mir Gedanken über diesen Zustand zu machen. Das hier kann es jetzt ja wohl nicht gewesen sein, oder? Ich meine: Irgendwas sollte doch noch kommen, oder? Ich fühle mich, als wäre ich im Kino eingeschlafen und wieder aufgewacht, als alle schon nach Hause gegangen sind. Aber ich bin doch gesprungen, oder hab ich das nur geträumt? Bestimmt nicht und im Kino war ich seit Monaten nicht.

"Jenseits-Service-Center, guten Tag!" Ich zucke so heftig zusammen, dass ich mir den Kopf gestoßen hätte, wenn ich gewusst hätte, woran. Die Stimme kommt aus dem Nichts, aber irgendwie macht es mir vor allem Angst, dass sie überhaupt so plötzlich da ist. Wo auch immer ich bin.
"Ich bin die Empfangschefin Elisabeth, was kann ich für sie tun?" "Ich, äh...", mir fehlen die Worte. Service Center? Was sagt man denn da bloß?
"Ich würde mich gern zuerst über ihr Angebot informieren", nehme ich geschickt den schnellsten Ausweg. Sie wird mir schon erzählen, was ich wissen muss. Wissen muss wofür?
"Ich bin dafür zuständig, den richtigen Ansprechpartner für Sie auszuwählen. Dieser wird Sie dann zu ihrem Platz navigieren." Aha, jetzt weiß ich immer noch nicht mehr.
"Welche Plätze sind denn noch frei?" Ich komme mir leicht unbeholfen vor, aber mir fällt nichts besseres ein.
"An Platz mangelt es nicht, wir müssen nur erst ermitteln, welcher Ihnen zusteht. Aber ich merke schon, Sie sind zum ersten Mal hier." Sie macht eine kurze Pause, dann kichert sie ein wenig albern. "Entschuldigen Sie! Das ist Jenseits-Humor, daran sind Sie vermutlich nicht gewöhnt."
Ich kann nichts, aber auch gar nichts Komisches daran finden. Und eigentlich bin ich sehr humorvoller Mensch. Muss es vielleicht heißen: war ich? Na, wie auch immer. Nach einem weiteren Moment scheint sie sich wieder zusammengerissen zu haben. "Es ist seltsam, wie viele Menschen hier erscheinen, ohne konkrete Vorstellungen vom Jenseits zu haben. Man sollte erwarten, dass sie es wichtiger nehmen würden. Immerhin müssen sie mit dieser Entscheidung bis in alle Ewigkeit leben." Ein weiteres kurzes Kichern folgt diesem Satz. "Auch das: Ein Insider, Entschuldigung. Ich würde vorschlagen, ich verbinde Sie mal mit einem Kollegen."
Ich höre ein Klicken, dann wieder die Musik. Schleife um Schleife. Allerdings ertönt jetzt in regelmäßigen Abständen eine Ansage über die Musik: "Bitte warten Sie! Hold the line, please!" Dann wieder Musik. Dann: "Leider befinden sich gerade alle Mitarbeiter im Servicegespräch. Wir bemühen uns weiter, Sie umgehend mit dem nächsten freien Ansprechpartner zu verbinden."
Sag mal, das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Ich bin eben von einer Brücke gesprungen. Ich habe Schluss gemacht. Habe mich umgebracht. Habe mir das Leben genommen. Und was passiert? Ich hänge in einer Warteschleife! Ich habe das Gefühl, irgendwo auf dem Weg nach unten eine falsche Abzweigung erwischt zu haben. Auch wenn das eigentlich nicht möglich sein dürfte.

Urplötzlich klickt es wieder und die Musik verstummt. "Jonas, Abteilung Klassifizierung, guten Abend!" - "Äh, guten Abend." Er hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. "Was kann ich für Sie tun?", fragt er höflich. Für mich tun. Ne Menge. "Geben Sie mir bitte einen schönen Platz. Gern am Fenster. Und dann ist gut." Jahrelange Flugreisen. Da sollte man doch in der Lage sein, einen guten Platz zu ergattern. Ich habe zwar noch nicht durchschaut, worum es hier eigentlich geht, aber ich werde mich einfach irgendwo hinsetzen und abwarten. Das klärt sich schon alles auf. Und sollte es alles nur ein böser Traum sein, dann schlafe ich wenigstens ruhig, sobald ich irgendwo sitze.
"Oh, das haben Sie wohl falsch verstanden. Wir verteilen nicht einfach Plätze, ich dachte, das hätte man Ihnen gesagt. Wir müssen erst einmal herausfinden, wie wir Sie einstufen." Aha. Ich verstehe. Nein, eigentlich natürlich nicht. Aber das ändert wohl auch nichts.
Von meinem Dilemma und Unverständnis völlig unbeeindruckt fährt er fort: "Wir müssen gemeinsam einen Fragebogen durchgehen. Dann können wir Ihnen weiterhelfen. Also, zuerst nennen Sie mir bitte den Grund, aus dem Sie hier sind." Mir entschlüpft ein Ton, der nur Unverständnis ausdrücken kann. Es ist so etwas wie ein langgezogenes Häää. "Was hat Sie hergebracht? Welches Ereignis führte zu Ihrem Tod?"
Ich zucke wieder zusammen. Diesmal fühlt es sich beinahe wie Schmerz an. Es hört sich so grausam an, zu hören dass man tot ist. Ich will das nicht hören. Ja, gut, ich habe mich umgebracht, vorsätzlich, aber "Tod" klingt so endgültig. Ich brauche ein paar gestammelte Sätze um diesen doch etwas konfusen Inhalt zu transportieren. Aber schließlich versteht er mich. So in etwa.
"Sie wollen also sagen, Sie haben den Freitod gewählt?" "Ja", bestätige ich, immer noch mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, oder jedenfalls da, wo die einmal war.
"Oh, Entschuldigung, dann bin ich gar nicht für Sie zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!"

Wieder muss ich mich fürchterlich lange mit der Wartemusik beschallen lassen, bevor sich jemand einklinkt. Es folgt wieder die Begrüßungszeremonie in vertrauten Mustern. "Was kann ich für Sie tun?"
"Sie können mir sagen, wie ich hier rauskomme!", fordere ich mit aller Energie, die ich hineinlegen kann. Ich hab diese ganze Schose satt.
"Hier raus? Ich verstehe nicht ganz. In Ihrem Aufnahmebogen steht, dass Sie freiwillig hergekommen sind. In diesen Fällen hören wir selten die Bitte, jemanden herauszuholen."
"Na, aber ich bitte nun mal!" Ich kann mir zwar keinen rechten Reim auf das machen, was er da erzählt, aber ich würde lieber noch mal hier raus und alles überdenken. Und vor allem kann ich diese Musik jetzt schon nicht mehr hören.
"Sollten Sie wirklich an diesem Wunsch festhalten, bin ich nicht für Sie zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!" "Nein", will ich schreien, aber es ist schon zu spät. Statt der Stimme nervt mich nun wieder die Musik. Wohlgemerkt: Unterbrochen von Ansagen, die mein Nervenkostüm weiter belasten.
Habe ich eigentlich noch Nerven? Wie ist das hier so? Ich versuche, an mir selbst herunterzusehen um herauszufinden, in welchem Zustand sich mein Körper befindet, aber es ist sogar dafür zu dunkel. Mir gelingt es nicht einmal, mit Sicherheit festzustellen, welche Richtung unten ist.
In einem neuen Anlauf bemühe ich mich, mit den Armen um mich zu schlagen, bis ich mich selbst treffe. Aber weder kann ich spüren, meinen eigenen Körper zu erwischen, noch kann ich feststellen, ob ich überhaupt Arme habe, oder so. Ich scheine beinahe körperlos zu sein.

Müsste ich aufgrund dessen jetzt in Panik geraten? Zu diesem Zeitpunkt bin ich mir nicht einmal darüber im Klaren. Aber bevor ich weiterdenken kann, klickt es wieder in der Leitung und die Schleife verstummt.
"Michael, Abteilung Klassifizierung, ja bitte?"
Ich bin in Versuchung, äußerst laut zu schreien. Stattdessen reiße ich mich zusammen. "Ich habe einen kleinen Disput mit Ihren Kollegen. Und..." "Ja", unterbricht er mich, "darüber bin ich informiert. Ich soll mit Ihnen den Bogen durchgehen und dann sehen wir weiter." Ich grunze in den Bart, den ich auch zu Lebzeiten nicht hatte und ergebe mich in mein Schicksal.
"Also noch einmal: Welches Ereignis führte zu Ihrem Tod?" "Meine Exfreundin. Also die Tatsache, dass die Freundin zur Ex wurde." Ich finde diese Antwort witzig. Er nicht. Trocken fordert er mich noch einmal auf, die Frage zu beantworten.
"Ich bin von einer Brücke gesprungen."
"Freiwillig?" - "Klar, wie soll man schon unfreiwillig springen."
"Ach", entgegnet er, während ich so was wie Bleistiftkratzen höre, "Sie wären erstaunt, was wir hier alles erleben." Es folgt wieder ein irritierendes Kichern, wie ich es heute schon ein paar Mal gehört habe. Was immer daran jetzt lustig war.
"Dann fülle ich also hier aus: Freitod, Brückensturz. Gut. Damit hat sich dann Frage 2 von allein beantwortet: Anwesenheit im Jenseits: ebenfalls freiwillig."
"Nein", fahre ich ihm dazwischen. Freiwillig bin ich nicht hier. Ich will ja weg."
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe nicht die Möglichkeit, das hier einzutragen. Das Formular gibt diese Option bei Freitod nicht vor." Gleich platze ich. Falls das möglich ist. ‚Das Formular gibt die Option nicht vor.' Wo sind wir denn hier?
Gute Frage eigentlich. Wo bin ich hier? Und wo ist der Typ am Telefon? Wer ist das und überhaupt? Nein, konzentrier Dich, fahre ich mich selbst an. Nicht abschweifen.
"Das können Sie aber nicht anders eintragen. Das wäre gegen meinen Willen."
Er seufzt vernehmlich. "Gut, dann trage ich vorläufig ein: Anwesenheit: ungeklärter Grund. Wir müssen dann aber auf diese Frage später noch einmal zurückkommen. Jetzt werden wir erst mal sehen, dass wir die anderen Fragen erledigen. Dafür ist ein Kollege zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!"
Diesmal versuche ich erst gar nicht mehr, zu protestieren. Es hätte ja sowieso keinen Effekt. Zu gerne würde ich die Musik ignorieren. Einfach nicht hinhören, aber das scheint technisch nicht machbar zu sein. Ich würde Finger brauchen, die ich offenbar nicht habe, um mir Ohren zuzuhalten, die ich ebenfalls nicht zu besitzen scheine. Also ertrage ich und lasse mich von den Klängen überspülen. Die reinste Folter, wenn man mich fragt. Aber das fragt mich ja keiner. Das nicht.

"Guten Abend, Oberes Einstufungscenter, es tut mir leid, ich habe es eilig", leiert eine Stimme vor sich hin.
"Sie haben es eilig? Sie?" Diesmal platzt mir beinahe der Kragen. Ich wüsste gern, wie lange ich in der Schleife gefangen war, das würde meinem Zorn eine gerechte Note geben. So aber kann ich nur brüllen. "Ich warte bereits seit einer Ewigkeit!"
"Oh", kommt es belustigt zurück, "ich sehe, Sie gewöhnen sich langsam an unseren Humor hier. Dann lassen Sie uns beginnen. Haben Sie je einer Katastrophe vermieden? Je einer größeren Anzahl von Menschen das Leben gerettet?"
"Nein", ich bin zu verblüfft, um weiter wütend zu sein. Die Gleichgültigkeit mit der er die Fragen herunterleiert ist geradezu erschreckend. Dann komme ich mir aber dumm vor, wenn ich so einsilbig antworte. Also füge ich schnell eine schlaue Gegenfrage hinzu. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass man damit Eindruck schindet. "Was verstehen Sie unter ‚größere Anzahl'?" Ich höre mich geradezu wissbegierig an.
"Sie können sich in verschiedene Kategorien einstufen, wenn dies auf Sie zutrifft", leiert er weiter. "Beginnend mit Volksgruppe oder ethnische Gruppe, dann mehr als eine Million Menschen, zwischen einer und einer halben Million Menschen, zwischen einer halben Million und hundert tausend Menschen, zwischen hundert tausend und einhundert Menschen, ja ich weiß das Spektrum ist weit gestreut, aber es dient natürlich nur der ersten Eingruppierung. Dann gibt es weiter weniger als hundert aber mehr als zwanzig, unter zwanzig und über fünf oder zwischen fünf und drei." Mir wird beinahe schwindelig vor lauter Zahlen, die er abspult, wie ein Viertklässler das Einmaleins bis fünf.
Ich vergesse vor lauter Verwirrung etwas darauf zu erwidern, aber das scheint er zu erwarten. "Nein", muss ich ihm schließlich erklären, "keine der Kategorien trifft auf mich zu."
"Dann haben Sie zwischen ein und zwei Menschen das Leben gerettet?" "Nein, noch nie jemandem", teile ich mit.
"Und wozu dann die Nachfrage nach der Zahl? Halten Sie sich für witzig? Hören Sie mal, wir haben hier besseres zu tun, bei dem Ansturm ganz bestimmt!"
"Ansturm? Was meinen Sie denn jetzt damit?"
"Ach", er stöhnt entnervt auf. "Heute ist der vollste Tag im ganzen Jahr. Heute wollen Sie alle rein. Und die meisten auch noch freiwillig. Ich frag mich immer, ob die sich gar nicht informieren. Ich würde wissen wollen, wann ich in den Stau komme. Aber nein. Immer alle fröhlich rein hier. Ist ja Weihnachten, da ist ja bestimmt nix los."
Er hustet einmal. "Entschuldigen Sie, wir sollen so etwas eigentlich nicht mit den Kunden besprechen. Lassen Sie uns zum Thema zurückkehren. Überspringen wir einfach mal einen Fragenblock. Ich denke das wird ohnehin nicht zutreffen. Also: Haben Sie jemals eine nachhaltige positive Reaktion bei einer Gruppe von mindestens zehn Menschen hervorgerufen?"
Ich überlege schwer. Was mag wohl ‚nachhaltig' dabei bedeuten? "Ich habe mal auf einer Party Karaoke gesungen und fast zwanzig Leute haben einen ganzen Abend lang über mich gelacht." ‚Einschließlich ihr', denke ich, aber das verschweige ich lieber.
Seine Fragen prasseln noch mehrere Minuten, falls es denn hier Minuten gibt, auf mich ein. Um es kurz zu machen, entweder sage ich nein, oder er lehnt es trotzdem ab.
"Wissen Sie, ich denke, den Rest dieses Bogens können wir uns sparen, ich verbinde Sie mal mit einem Kollegen." Diesmal fühle ich mich durch das Klicken regelrecht erlöst, denn ich hatte eine Stufe von Genervtheit erreicht, die ich kaum noch ertragen konnte und die nur noch von seinem Gleichmut getoppt wurde. Vielleicht lag das daran, dass kein normaler Mensch seine Fragen positiv beantworten konnte. Obwohl: "Haben Sie einem Kind einmal eine Freude gemacht?" Die Frage kam so kurz vor Schluss. Das kann bestimmt jemand mit ‚Ja' beantworten, könnte ich mir denken.
Die Musik raubt mir alle Geduld, die ich noch habe. Sollte die nicht eigentlich dafür sorgen, dass man sich gut fühlt, während man wartet? Offenbar nicht. Ich weiß nicht, was das hier für Service ist, aber ich bin kurz davon, einfach aufzulegen.
Mit diesem Gedanken spiele ich eine ganze Weile, bis mir aufgeht, dass ich vermutlich gar nicht auflegen kann. Warteschleifen sind die Hölle.

"Jepp, da bin ich!" Die Fahrstuhlmusik hat ein abruptes Ende, dafür dröhnt jetzt Techno im Hintergrund, so als riefe jemand von einer Party an. Es handelt sich um eine eindeutig wachere Stimme als der letzten.
"Wie bitte?", rutscht es mir raus.
"Ey Mann, mach voran. Ich hab hier nicht ewig Zeit. Also spuck mal aus, was Sache ist und wir machen den Deal klar." Mich beschleicht das Gefühl, dass ich was verpasst habe.
"Ich sollte hier noch mal Fragen beantworten, hat man mir gesagt." Manchmal ist Bürokratie eben doch was Feines. Sie ist jedenfalls verlässlich.
"Na jut, Mann, wenn's die Fragen sein sollen, dann aber schnell. Glaub nicht, dass Du der Einzige wärst. Morde?"
"Selbstmord, einer."
"Spaßvogel, wie? Also keiner. Haben Sie jemals ein Eichhörnchen überfahren?"
"Wie bitte?" Ich kann die Frage weder überhaupt verstehen noch in irgendeinen Zusammenhang einordnen.
"Ein Eichhörnchen. Ob Sie mal eins übern Haufen gefahren haben."
"Nein, sollte ich?"
"Was soll'n das jetzt für 'ne Frage sein?"
"Galgenhumor!", kontere ich. Der Typ hat wohl einen an der Waffel. Da lob ich mir doch den steifen Kerl von eben, der hatte wenigstens Manieren.
"Galgenhumor, so, so. Ein ganz Schlauer. Aber immerhin, das ist mal ein Witz, den ich noch nicht kannte. Kürzen wir das hier mal ab: Was ist das Abscheulichste, was Sie je getan haben?"
"Hab ich Ihrem Kollegen schon gesagt: Karaokesingen." Mein Zynismus hat kurzzeitig wieder die Oberhand gewonnen.
"Erstens: Grauenhauft, glaube ich, zweitens: das ist nicht mein Kollege sondern so zu sagen die Konkurrenz von oben und drittens: Karaoke reicht nicht, sonst würden wir hier unten aus allen Nähten platzen. Tierquälerei? Umweltsünden? Parkverbot?"
Nicht, dass ich noch was verstanden hätte, aber ich muss mehr oder weniger alles mit nein beantworten. Denke ich jedenfalls.
"Haben Sie wenigstens mal Ihre Freundin geschlagen?" Langsam klingt er entnervt. Ist wohl heute wirklich ein schlechter Tag.
"Nein, hab ich nicht." - "Hatten Sie es wenigstens vor?"
"Nein, sie hat mich verlassen." - "Dann hätten Sie vielleicht nicht herkommen sollen, sondern sie schicken, aber das nur nebenbei. Ich lese hier, Sie sind freiwillig hier?"
"Nein", ich protestiere schon fast aus Gewohnheit.
"Also hören Sie, ich hab hier noch einen Haufen Gespräche in der Leitung und ich glaube nicht, dass wir zwei ins Geschäft kommen. Ich schick Sie doch noch mal zur Konkurrenz hoch." Jetzt kann ich ihn wieder kichern hören, so wie die anderen vorhin. Ich muss ja ein wirklich lustiger Typ sein, selbst wenn ich nicht ganz verstehe, was hier vor sich geht. Ich wollte doch einfach nur tot sein. So schwierig sollte das eigentlich nicht werden, oder etwa doch?

Die Warteschleife ringt mir das letzte bisschen Fassung ab, bis sich wieder jemand einklingt. "Guten Abend, purgatorisches Beurteilungscenter für Problemfälle, Christina mein Name. Hat man Sie warten lassen?"
Endlich erlöst man mich aus dieser Warterei. "Ja!", schreie ich gerade zu. "Schon viel zu lange."
"Gut." Höre ich die freundliche Hostess, dann wieder das Klicken und die Musik beginnt von neuem.

"Ey Mann! Was wollen denn Sie schon wieder hier?"
"Raus will ich. Nur raus." Ich habe nicht einmal bemerkt, dass die Musik wieder verstummt ist. In meinem Kopf dreht sie noch ihre munteren Runden.
"Ich seh schon, es wird langsam."
"Was? Was? Was zum Teufel ‚wird langsam'?" Meine Stimme hat einen leicht hysterischen Unterton. "Lassen Sie den Boss aus dem Spiel. Manche der Gespräche werden zu Kontrollzwecken aufgezeichnet", reagiert er trocken.
"Ich will nur endlich wissen, was hier vor sich geht. Ich will hier raus und langsam ist es mir egal, wohin die Reise geht. Solange es nur irgendwo anders ist als hier", platzt es aus mir heraus.
"Wenn das so leicht wäre, hätte man Sie längst durchgeschleust, Mann. Wir hatten eben eine außerordentliche Konferenz über Sie. Beide Seiten am runden Tisch und das kommt nicht oft vor, können Sie mir glauben. Keiner weiß, wohin mit Ihnen. Deshalb das alles."
"Deshalb schickt man mich im Kreis?"
"Nein, das ist der Grund, warum Du hier noch rumhängst. Das gehört zu dem ganzen Scheiß dazu."
Ich beginne zu realisieren, dass mein Hirn vollständig aufgeweicht ist. Es bereitet mir schon Schwierigkeiten, ihm überhaupt zu folgen.
Seine Stimme wird plötzlich zu einem leisen Zischen: "Hör mal, Mann, der Boss ist grad weg. Hör auf, Dich zu wehren und sitz es einfach aus. Das ist Teil des Ganzen. Irgendwann holt man Dich da raus. Auf welche Seite auch immer."
"Ich soll hier weiter in der Warteschleife hängen?" "Ja, Mann. Das hast Du mehr als verdient. Aber ich hab nix gesagt. Von mir hast Du's nicht."
Ich versuche mit aller Kraft die Rädchen in meinem Hirn anzuschieben, um ihm zu folgen, aber es gelingt mir nicht.
"Kann ich nicht einfach jetzt auf Eure Seite kommen? Ist mir ganz egal, wo das ist."
"Nein, Mann, wir können nicht einfach einen reinlassen. Es gibt da Verträge. Der Boss ist eh schon sauer, weil hier unten alles vollgestopft ist. Und die da oben jammern, dass sie nicht mal jeden zehnten Platz gefüllt haben. Die Zeiten sind halt nicht mehr, was sie mal waren und die legen ihre Latte einfach zu hoch, wenn man mich fragt. Denn wenn man's genau nimmt: Die meisten warten schließlich ein Leben lang drauf, da reinzukommen, also sollten die einfach den Fans die Türen auf machen." Diesen Satz begleitet wieder das irre Kichern. "Dann hätten wir hier unten auch wieder würdiges Material. Und nicht immer diese Halbgebackenen."
Nach einer kurzen Pause fährt er fort: "Also, Mann. Letzte Chance: Haben Sie mal einen Busfahrer beleidigt?" "Nein", muss ich zugeben. Ich fahre schon seit einer Ewigkeit nicht mehr Bus. ‚Aber Taxifahrer, fast wöchentlich!', will ich hinzufügen, nur dazu komme ich nicht mehr.
"Na dann, good luck, Mann!" Dieser Satz wird von einem Klicken gefolgt, an das sich wieder das Gedudel anschließt.

Ich habe in all dem hier zwar keinen Sinn ausmachen können, aber vor einer unmessbaren Weile hat es mich an etwas erinnert, was ich mal gehört habe. Ich glaube, es hat mit der Kirche zu tun, oder so. Seitdem hat keiner mehr abgehoben. Ich verbringe die Ewigkeit damit, den Rest meines Denkvermögens von Fahrstuhljazz aufweichen zu lassen, weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass Denken die Wurzel allen Übels ist. Dann muss ich nicht mehr darüber nachdenken, ob ich hier bis zum Jüngsten Gericht festhänge, oder ob man mich früher erlöst. Ein wenig habe ich die Befürchtung, dass ich religiös werden könnte, oder so. Ich weiß nicht, ob ich das ertragen könnte.

 

Warteschleife ...

Hi arc en ciel,

eine erschreckende Vorstellung humorvoll erzählt. :)

Bürokratie im Jenseits, auch nach dem Leben Qual und Folter.
Wenn man deine KG nicht nur humorvoll sieht, kann man sogar etwas daraus lernen.
Z.B.: zeichne dich im Leben aus. Rette wenigstens einem Menschen das Leben. Sei nett zu Kindern, tu alles was dich im Jenseits nicht zu lange in der Warteschleife hängen lässt. Und vor allem, nimm dir nicht das Leben. :shy:

hat mir gefallen, dein Jenseitsbesuch :)

lieben Gruß, coleratio

 

Hi coleratio!
Viele lieben Dank für die schnelle Kritik! und dann noch für eine gute!
Naja, vielleicht liegt es an meinem mangelden Erfahrungsschatz in Sachen Humor! Aber ich mußte schon ein wenig Inhalt reinpacken, aus dem man auch was lernen kann.

Motiviert hat mich zu diesem Text vor Ewigkeiten mal die Warteschleife der Telekom, die ich als extrem nervtötend empfinde (schon wieder so untergründiger Humor :D )
Hakuna Matata oder so was in der Richtung. Jungle-Trommeln oder sowas.

Naja, irgendwann dachte ich mir: Warteschleifen sind die Hölle! Und dann habe ich das noch ein wenig relativiert. :D

Danke fürs Lesen und Mögen,

Frauke

 

Hey Frauke!

Schön, wieder mal in Humor was von dir zu lesen. Hat mir durchaus gut gefallen und mich wunderbar unterhalten.
Einziger Kritikpunkt: irgendwie fand ich, dass das Ende zu abrupt kam, bzw. es hat mich irgendwie nicht ganz zufrieden gestellt. Kann dir aber jetzt nicht wirklich einen Grund dafür nennen, war halt mein Eindruck beim Lesen.
Aber auf der anderen Seite hättest du das natürlich nicht bis in alle Ewigkeiten weiterführen können. ;)

...weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass Denken die Wurzel allen Übels ist.
Genau mein Reden :D

Motiviert hat mich zu diesem Text vor Ewigkeiten mal die Warteschleife der Telekom, die ich als extrem nervtötend empfinde (schon wieder so untergründiger Humor )
Genau daran musste ich beim Lesen denken - "Frauke hat bestimmt zu lange in der Telekom-Warteschleife gehangen" :lol:

Liebe Grüße
Ally

 

Danke für die Kritik. Die Telekom wird mich noch hassen, wenn man sofort daran denkt. :D Vielleicht wird das meine gute Tat, mit der ich zu dem richtigen Servicemitarbeiter durchgestellt werde: Ich hab die Telekomschleife gekippt :D

Du findest also offenbar nicht, dass die Geschichte zu lang ist? Vermutlich hab ich das Ganze so abrupt beendet, weil ich dachte, dass man den Gag nicht zu sehr in die Länge ziehen sollte und mir aufging, wie lang ich schon draufrumreite. Aber Warteschleifen sind ja auch perpetuum moritae (äh, so ähnlich, oder?)

Lieben Gruß,
bis bald,

Frauke

 

Moin Regenbögin,

Tja, mir hat die Geschichte leider nicht so gut gefallen. Es dauert für meinen Geschmack ziemlich lange, bis die Sache richtig in Fahrt kommt und wenn es dann soweit ist, fehlt dem Ganzen immer noch Feuer, reizt du die Thematik nicht wirklich aus.
Allerdings fand ich den letzten Absatz hervorragend. Der war genau mein Ding.

Der Einstieg mit dem Selbsmord ist meiner Meinung nach arc... ich meine arg (ja, ich bin schon ein kleiner Scherzkeks) zu lang, zu ernst und zu klischeehaft. Hat mir ehrlich gesagt nicht gefallen und den würd ich ganz doll kürzen.
Als dein Protagonist dann endlich woauchimmer angekommen ist, gewinnt die Geschichte aber deutlich an Fahrt. Hier wirkt er auf mich aber reichlich einfältig, es kommen mir zu oft Einschübe der Art "Wo bin ich hier?", "Was ist das hier?". Ich meine, dein Protagonist ist von ner Brücke gesprungen und wartet jetzt im Jenseits-Service-Center auf einen Platz. Wieviele Interpretationsmöglichkeiten gibt es da schon? ;)
Die danach geschilderte Bürokratie mit den Warteschleifen ist ganz witzig, die Dialoge hier teilweise wirklich gut, aber insgesamt fehlte es mir auch hier an Pfeffer. Ich weiß auch nicht, aber da hättest du mehr draus machen können. Böser, zynischer. Die endlose Verbindung und Cholerigkeit (ein Wort, das es nicht gibt, es aber geben sollte) deines Protagonisten haben mir nicht gereicht.
Nicht so gut fand ich auch, daß du so oft kommentiert hast, daß deine Witze Witze sind (zB hier: "Galgenhumor, so, so. Ein ganz Schlauer. Aber immerhin, das ist mal ein Witz, den ich noch nicht kannte").

Insgesamt wars natürlich schon unterhaltsam (nach dem Anfang), aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, daß du mit angezogener Handbremse geschrieben hast. Der Knoten wollte irgendwie nicht platzen. Geschmackssache.

Denn erstens kann ich schwimmen und zweitens gibt es böse Unfälle bei solchen Sachen.
Ja, ist schon scheiße, wenn man sich während des Selbstmordes zusätzlich noch den Arm bricht... Der Gag ist zwar alt, aber nicht schlecht. Aber die folgende Erklärung (bewußtlos ertrinken) würd ich mir sparen.
Na sicher, das wär' genau mein Ding.
was wär sein Ding?
Ich zucke so heftig zusammen, dass ich mir den Kopf gestoßen hätte, wenn ich gewusst hätte, woran.
gut
"Nein", fahre ich ihm dazwischen. Freiwillig bin ich nicht hier. Ich will ja weg."
Hier solltest du noch mal die Gänsefüßchen zählen. Kommst du auf ein ungerades Ergebnis, fehlen irgendwo welche ;)
Haben Sie je einer Katastrophe vermieden?
eine
Dann gibt es weiter weniger als hundert aber mehr als zwanzig, unter zwanzig und über fünf oder zwischen fünf und drei.
gut
Morde?"
"Selbstmord, einer."
auch gut.
Aber der Höllenrezeptionist wechselt ziemlich oft zwischen duzen und siezen. Soll das so?

 

Moin!

Finde ich eigentlich Klasse die Idee. :D
Hat reichlich Situationskomik.

Das Ende ist mir allerdings ein wenig zu lax. Da hätte noch meiner Meinung nach eine "Punkt über das I" gehört.
Vielleicht ein "wegen unzustellbar, zurück an Absender" oder so. ;)
Tschüß

shade :cool:

 

Hallo arc en ciel,

deine Geschichte hat mir sehr gefallen.

Eigentlich schilderst du ja hier etwas ziemlich schreckliches. Wenn ich mir vorstelle die Ewigkeit in solchen Warteschleifen verbringen zu müssen. (Das reicht ja schon, wenn man in irgendeinem Amt anruft und ständig hört: Dafür bin ich nicht zuständig...)
Nichtsdestotrotz war deine Geschichte sehr humvorvoll. Ich musste wirklich ein paar Mal schmunzeln und die Idee, dass man anhand eines Fragebogens in verschiedene Kategorien von Himmel oder Hölle verwiesen wird, fand ich ziemlich genial.

Kritikpunkt: Den Anfang fand ich auch etwas zu lang. Es wäre besser, wenn du schneller in die Geschehnisse im Jenseits einsteigen würdest.

LG
Bella

 

hallo
an erster stelle: manchmal musste ich echt lachen, wie ich es nicht oft bei geschichten tue - und der humor des lebens nach dem tode gefiel mir echt gut, und wie er erst nicht so sehr durchblickt.

"Bestimmt nicht und im Kino war ich seit Monaten nicht."
würde ich ändern: "Bestimmt nicht, und im Kino war ich auch seit...." blickt man schneller durch

"Hold the line please"
ich würd das please an den anfang stellen, so shöre ich es immer in irgendeiner warteschleife.

also mir hat sie gut gefallen, sie ist zwar ein bisschen lang, da muss ich zustimmen, wenn man genug zeit hat, ist das aber meiner meinung nach nicht schlimm. am anfang kam mir die idee noch relativ "normal" vor, ich hatte auch mal so was ähnliches vor, aber wo es dann zum ständigen hin-und-her geschalte zwischen den verschiedenen stellen kam, hab ich gemerkt, dass ich darauf nicht gekommen wäre. klasse!

"Ich warte bereits seit einer Ewigkeit" - "Sie gewöhnen sich an unseren Humor"
super!
"Selbstmord, einer"
genialst!

nochmal, ich fand sie total lustig.
gruß, jonny

 

danke Ihr Lieben! Ich muß leider zur Arbeit, denn das Leben ist auch nur eine grausame Warteschleife. Aber ich werd an der Geschichte noch arbeiten, sobald ich den Kopf frei hab. Und dann wird gekürzt und geschliffen und wo nötig auch wieder verlängert. Dann geh ich auch auf alle einzelnen Kritiken ein. Versprochen.

 

Hallo arc en ciel!

Das mir aufgefallene:

Denn erstens kann ich schwimmen und zweitens gibt es böse Unfälle bei solchen Sachen.
Na ja

mich zu identifizieren. Verdient hätte sie es, aber dann habe ich doch
Der Sprung von den Verwandten zur Frau ist etwas plötzlich.

Und eigentlich bin ich sehr humorvoller Mensch.
ein

Jahrelange Flugreisen.
Was müssen das für riesige Flugzeuge sein. Tanks so groß wie Monde und Piloten die nie schlafen. ;)

" Ich grunze in den Bart, den ich auch zu Lebzeiten nicht hatte
Nee, absurd zwar aber nicht gut

Welches Ereignis führte zu Ihrem Tod?" "Meine Exfreundin
Das hingegen ist super

falls es denn hier Minuten gibt
Laut dem Typen vom oberen Einstufungscenter, gibt es doch auch Tage.

bis sich wieder jemand einklingt
einklinkt

Ich finde die Idee mit der Warteschleife nicht schlecht, allerdings ist die Umsetzung in einen lustigen Text mE nicht ganz gelungen. Der Spannungsaufbau vollzieht sich eigentlich nur bis zum Öffnen der „Fahrstuhltür“. Obwohl der Einstieg, die Erklärung warum sich dein Prot das Leben nehmen will, etwas langatmig wirkt. Danach wartet der Leser (und hierbei musste ich mich regelrecht anstrengen weiterzulesen) vergeblich auf etwas Abwechslung und Vortrieb in der Geschichte. Zu oft redet der Prot von „Wo bin ich hier? Hab ich überhaupt noch einen Kopf?“ etc. Hier hätte ein wenig Kürze nicht geschadet.
Der Schluss ist mehr als unbefriedigend. Ich hatte gehofft, dass der Selbstmörder einen entsprechenden Ausweg aus seiner Jenseits-Misere findet.
Im Großen und Ganzen hat es mir nicht sehr zugesagt. Leider.


Gruß

 

@flashback:
auch Dir danke für's Lesen. Ich werd mal sehen, was ich davon einarbeite. Wie gesagt, gekürzt wird auf jeden Fall. Ansonsten... einen Ausweg kann er nicht finden. Das ist im Fegefeuer nun mal so :D

 

Also, manchmal hab ich das Gefühl, dass man dem Schreiber seine Persönlichkeit / seinen Stil lassen sollte. Frauke hatte - wie die meisten, die hier etwas Vernünftiges produzieren - sicher ihre Gründe, das eine oder andere eben so und nicht anders zu schreiben.
Ich fand den herrlich trockenen Stil sehr unterhaltsam, und im Gegensatz zu vielen, die nicht in der Lage sind, mehr als 15 Zeilen mehr oder weniger zusammenhangloser Gedanken bei kurzgeschichten.de abzuliefern, hat Frauke hier schon etwas gemacht, das einer Geschichte gleicht. Eine gute Kurzgeschichte soll ja auch eine Atmosphäre aufbauen, es soll was drin geschehen. Dafür braucht man eine gewisse Anzahl Worte, und das ist gut so.
Nur beim letzten Absatz frage ich mich: Gehört der schon noch zur Geschichte? Oder ist das ein persönlicher Kommentar? :-) Er ist abrupt anders im Stil. An einem anderen Tag geschrieben, um einfach fertig zu werden?
Nach "...an das sich wieder das Gedudel anschließt." war´s für mich gut.

Ich mochte diese Geschichte !

Wiesi

 

@Wiesi:
Hi!
Danke für die doch irgendwie positive Kritik :)
Ich schrieb ja schon: sobald ich dazu komme, wird das Ding nochmal runderneuert und manche der Vorschläge sicher auch eingearbeitet oder ausgebügelt. Nur derzeit würde ich der Geschichte keinen Gefallen tun, wenn ich mich daran auslassen würde. Sie ist dann doch zu nett, um verschlimmbessert zu werden. :D

Ich mach da irgendwann noch was dran.

Lieben Gruß,
Frauke

PS: Nein, der letzte Absatz war nicht von einem anderen Tag und nicht einfach um fertig zu werden. Es sollte darstellen, dass er sich irgendwann aus dem Singsang ausklinkt und seinen eigenen Gedanken nachhängt. Mal sehen, welches Schicksal ihm blüht.

 

Hallo erstmal,

Also ich finde die geschichte gut, hat n paar klasse gags und ist sonst auch gut gelungen. Den Anfang finde ich gar nicht zu lang! Nur hatte ich das gefühl, er würde sich umbringen, weil er neugierig ist, was danach kommt und nicht weil er so traurig oder verzweifelt ist. (O-Ton: "Gelitten habe ich genug") Oder klingt er nicht so traurig weil er sich schon so auf den Tod freut?
Am Ende hätte ich gerne gewusst, was denn nun mit ihm passiert ist, wo er gelandet ist bzw. wohin er abgeschoben wurde! Aber gut, das ist deine Sache....

Bis dann........
Snoopy

 

hi Snoopy!

Also, wie schon ein halbes Dutzend mal gesagt: Ich überarbeite die Geschichte noch gründlich. Sobald ich mal dazu komme, wieder zu schreiben :D

Nur hatte ich das gefühl, er würde sich umbringen, weil er neugierig ist, was danach kommt und nicht weil er so traurig oder verzweifelt ist.

Huch! Nein!

O-Ton: "Gelitten habe ich genug")
das bezieht sich darauf, dass er nicht leiden will, bei seiner Art zu sterben. Auf mehr nicht.

Oder klingt er nicht so traurig weil er sich schon so auf den Tod freut?

naja, nicht wirklich irgendwie... :confused:

Aber gut, das ist deine Sache....
Wie gesagt, das überarbeite ich noch :peitsch:

Frauke

 

Hallo arc en ciel,

eine gute Idee, deine Geschichte. Also: Wenn das mit der Bürokratie nach dem Tod so weiter geht, dann stell´ ich den Antrag auf ewiges Leben.
Die Geschichte muss noch etwas eingedampft werden, wurde wohl schon gesagt, die beiden Fahrstuhlabsätze finde ich unnötig, man kann auch ganz schnell in die bürokratischen Mühlen des Jenseits kommen - rein geht immer schnell...

„Als sie mir eröffnet hat, dass sie geht, hat sie ihr schönstes Kleid getragen und umwerfend darin ausgesehen. Ich habe gehört, Frauen machen das mit Absicht. Also werde ich es ihr gleichtun.“

Hier ist mir nicht klar, ob er ein Kleid anziehen will oder nur etwas schickes.

L G,

tschüß... Woltochinon

 

umwerfend aussehen will er, kein Kleid tragen. (Aber gute Idee, das steht ihm bestimmt! ) Das ist ein guter Hinweis. Wird beim Überarbeiten auch nachgefeilt. Irgendwie ist das Ding nicht so pralle. Aber danke für's Trotzdem-Loben.

Dein Antrag: Wird geknickt und abgeheftet!

 

umwerfend aussehen will er, kein Kleid tragen.
Jetzt hab ich's aber! Nein, er will schon etwas tragen. Er denkt nicht, dass er gar nichts (=kein Kleid) tragen sollte, na, Du verstehst schon :D

 

Warteschleife der Vorhölle

Tower an Erde: Ich will Starterlaubnis. Ich habe es mir reiflich überlegt. Sowohl das Ob als auch das Wie. Und das Wann. Selbst das ist bis ins Detail geplant. Ich werde es heute tun, weil mich niemand aufhalten kann.
Eigentlich ist genau das auch der Grund, warum ich es tu. Es ist Heilig Abend und es ist niemand da, der mich aufhält. Warum also sollte ich es nicht tun? Ich bin es müde, zu analysieren ohne zu ändern. Keine Erklärungen. Kein Warum!
Atmen. Das wird mir wohl am meisten fehlen. In einem völlig kindischen Impuls hole ich deshalb noch einmal tief Luft und mache den letzten Schritt.

Ich war mir unsicher, ob es wahr ist, was man liest: Dass man den Aufprall nicht spürt. Deshalb habe ich eine Brücke über eine Flussaue gewählt. Hoch, aber ein recht weicher Untergrund. Gerade hart genug. Ich springe nicht in den Fluss. So dumm bin ich nicht. Denn erstens kann ich schwimmen und zweitens gibt es böse Unfälle bei solchen Sachen. Hinterher ist man nur bewusstlos und ertrinkt, oder so. Das könnte ich nicht ertragen. Von solchen Fällen habe ich gelesen. Gelitten habe ich genug. Das muss jetzt ein Ende haben.
Deshalb bewege ich mich jetzt erstaunlich langsam senkrecht auf eine halbgefrorene Wiese zu. Mein Körper wird es äußerlich recht heil überstehen, vermute ich. Es wird kein so grausiger Anblick. Ich wollte wirklich nicht vom Pflaster gekratzt werden.
Nochmal Tower an Erde: ich komme. Im Grunde freue ich mich auf die Zeit nach dem Aufschlag. Genaue Vorstellungen davon, wie es sein wird, habe ich nicht. Aber das Leben danach existiert in irgendeiner Form. Also werde ich mich überraschen lassen.
Der Boden ist jetzt schon ganz nah. Ich breite die Arme weit aus, so als wollte ich die ganze Welt umarmen, und auf meinem Gesicht machen sich ironische Züge breit. Na sicher, das wär' genau mein Ding.
Ich kann nicht genau sagen, ob ich den Aufprall gespürt habe, ich meine: körperlich gespürt. Wenn überhaupt, dann fühlte es sich an, als wenn man in einem Aufzug steht und leise Jazzmusik von der Decke rieselt und mit einem Mal öffnet sich die Tür und man steht in der Empfangshalle eines sehr hektischen Flughafens. Der Lärm war unerwartet und ohrenbetäubend.
Zu meinem Glück schloss sich die Tür schon einen Moment später wieder und der Aufzug federte noch ein Stockwerk tiefer. Dort öffnete sich die Kabine in die Dunkelheit und Kälte kroch hinein.
Ich trat einen Schritt vor. "Hallo?", hörte ich mich in das Leben danach hineinfragen. "Wer ist denn hier?" Ein weit entferntes Echo in der Dunkelheit deutete an, dass jedenfalls eine Menge Platz vorhanden war. Nur sehen konnte ich nichts.
Als ich mich umdrehte, hatte sich der Fahrstuhl in Luft aufgelöst, falls es ihn denn je gegeben hatte und mit einem Mal fühlte ich mich sehr einsam. Es ist erstaunlich, wie unvorbereitet man sich in Situationen begibt, die man eigentlich genau geplant hat.

Wenn man genau hinhört, dudelt immer noch irgendwo die Fahrstuhlmusik vor sich hin. Allerdings scheint der Sound von überall zu kommen. Vielleicht habe ich den Fahrstuhl nie verlassen? Welchen Fahrstuhl eigentlich? Ich bin von einer Brücke gesprungen.
Mir kommt es immer mehr so vor, als befände ich mich schon seit Stunden in dieser Wartehalle, oder was auch immer das ist, aber mir scheint mittlerweile jegliches Zeitgefühl zu fehlen. Nur das Gedudel beweist, dass überhaupt Zeit vergeht. Auch, wenn es sich in fortlaufenden Schleifen zu wiederholen scheint.
Langsam fange ich an, mir Gedanken über diesen Zustand zu machen. Das hier kann es jetzt ja wohl nicht gewesen sein, oder? Ich meine: Irgendwas sollte doch noch kommen, oder? Ich fühle mich, als wäre ich im Kino eingeschlafen und wieder aufgewacht, als alle schon nach Hause gegangen sind. Aber ich bin doch gesprungen, oder hab ich das nur geträumt?
"Jenseits-Service-Center, guten Tag!" Ich zucke so heftig zusammen, dass ich mir den Kopf gestoßen hätte, wenn ich gewusst hätte, woran. Die Stimme kommt aus dem Nichts, aber irgendwie macht es mir vor allem Angst, dass sie überhaupt so plötzlich da ist. Wo auch immer ich bin.
"Ich bin die Empfangschefin Elisabeth, was kann ich für sie tun?" "Ich, äh...", mir fehlen die Worte. Service Center? Was sagt man denn da bloß?
"Ich würde mich gern zuerst über ihr Angebot informieren", nehme ich geschickt den schnellsten Ausweg. Sie wird mir schon erzählen, was ich wissen muss. Wissen muss wofür?
"Ich bin dafür zuständig, den richtigen Ansprechpartner für Sie auszuwählen. Dieser wird Sie dann zu ihrem Platz navigieren." Aha, jetzt weiß ich immer noch nicht mehr.
"Welche Plätze sind denn noch frei?" Ich komme mir leicht unbeholfen vor, aber mir fällt nichts besseres ein.
"An Platz mangelt es nicht, wir müssen nur erst ermitteln, welcher Ihnen zusteht. Aber ich merke schon, Sie sind zum ersten Mal hier." Sie macht eine kurze Pause, dann kichert sie ein wenig albern. Ich kann nichts, aber auch gar nichts Komisches daran finden. Und eigentlich bin ich sehr humorvoller Mensch. Aber muss es vielleicht heißen: war ich? Na, wie auch immer. Nach einem weiteren Moment scheint sie sich wieder zusammengerissen zu haben. "Es ist seltsam, wie viele Menschen hier erscheinen, ohne konkrete Vorstellungen vom Jenseits zu haben. Man sollte erwarten, dass sie es wichtiger nehmen würden. Immerhin müssen sie mit dieser Entscheidung bis in alle Ewigkeit leben." Ein weiteres kurzes Kichern folgt diesem Satz. " Ich würde vorschlagen, ich verbinde Sie mal mit einem Kollegen."
Ich höre ein Klicken, dann wieder die Musik. Schleife um Schleife. Allerdings ertönt jetzt in regelmäßigen Abständen eine Ansage über die Musik: "Hold the line, please! Bitte warten Sie! " Dann wieder Musik. Dann: "Leider befinden sich gerade alle Mitarbeiter im Servicegespräch. Wir bemühen uns weiter, Sie umgehend mit dem nächsten freien Ansprechpartner zu verbinden."
Sag mal, das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Ich bin eben von einer Brücke gesprungen. Ich habe Schluss gemacht. Habe mich umgebracht. Habe mir das Leben genommen. Und was passiert? Ich hänge in einer Warteschleife! Ich habe das Gefühl, irgendwo auf dem Weg nach unten eine falsche Abzweigung erwischt zu haben. Auch wenn das eigentlich nicht möglich sein dürfte.

Urplötzlich klickt es wieder und die Musik verstummt. "Jonas, Abteilung Klassifizierung, guten Abend!" - "Äh, guten Abend." Er hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. "Was kann ich für Sie tun?", fragt er höflich. Für mich tun. Ne Menge. "Geben Sie mir bitte einen schönen Platz. Gern am Fenster. Und dann ist gut." Jahrelange Flugreisen. Da sollte man doch in der Lage sein, einen guten Platz zu ergattern. Und sollte es alles nur ein böser Traum sein, dann schlafe ich wenigstens ruhig, sobald ich irgendwo sitze.
"Oh, das haben Sie wohl falsch verstanden. Wir verteilen nicht einfach Plätze, ich dachte, das hätte man Ihnen gesagt. Wir müssen erst einmal herausfinden, wie wir Sie einstufen." Aha. Ich verstehe. Nein, eigentlich natürlich nicht. Aber das ändert wohl auch nichts.
Von meinem Dilemma und Unverständnis völlig unbeeindruckt fährt er fort: "Wir müssen gemeinsam einen Fragebogen durchgehen. Dann können wir Ihnen weiterhelfen. Also, zuerst nennen Sie mir bitte den Grund, aus dem Sie hier sind." Mir entschlüpft ein Ton, der nur Unverständnis ausdrücken kann. Es ist so etwas wie ein langgezogenes Häää. "Was hat Sie hergebracht? Welches Ereignis führte zu Ihrem Tod?"
Ich zucke wieder zusammen. Diesmal fühlt es sich beinahe wie Schmerz an. Es klingt so grausam, zu hören dass man tot ist. Ich will das nicht hören. Ja, gut, ich habe mich umgebracht, vorsätzlich, aber "Tod" klingt so endgültig. Ich brauche ein paar gestammelte Sätze um diesen doch etwas konfusen Inhalt zu transportieren. Aber schließlich versteht er mich. So in etwa.
"Sie wollen also sagen, Sie haben den Freitod gewählt?" "Ja", bestätige ich, immer noch mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, oder jedenfalls da, wo die einmal war.
"Oh, Entschuldigung, dann bin ich gar nicht für Sie zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!"

Wieder muss ich mich höllisch lange mit der Wartemusik beschallen lassen, bevor sich jemand einklinkt. Es folgt wieder die Begrüßungszeremonie in vertrauten Mustern. "Was kann ich für Sie tun?"
"Sie können mir sagen, wie ich hier rauskomme!", fordere ich mit aller Energie, die ich hineinlegen kann. Ich hab diese ganze Schose satt.
"Hier raus? Ich verstehe nicht ganz. In Ihrem Aufnahmebogen steht, dass Sie freiwillig hergekommen sind. In diesen Fällen hören wir selten die Bitte, jemanden herauszuholen."
"Na, aber ich bitte nun mal!" Ich will hier raus und vor allem kann ich diese Musik jetzt schon nicht mehr hören.
"Sollten Sie wirklich an diesem Wunsch festhalten, bin ich nicht für Sie zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!" "Nein", will ich schreien, aber es ist schon zu spät. Statt der Stimme nervt mich nun wieder die Musik. Wohlgemerkt: Unterbrochen von Ansagen, die mein Nervenkostüm weiter belasten.
Habe ich eigentlich noch Nerven? Wie ist das hier so? Ich versuche, an mir selbst herunterzusehen um herauszufinden, in welchem Zustand sich mein Körper befindet, aber es ist sogar dafür zu dunkel. Mir gelingt es nicht einmal, mit Sicherheit festzustellen, welche Richtung unten ist. Selbst die Musik scheint von allen Seiten zu kommen.
In einem neuen Anlauf bemühe ich mich, mit den Armen um mich zu schlagen, bis ich mich selbst treffe. Aber weder kann ich spüren, meinen eigenen Körper zu erwischen, noch kann ich feststellen, ob ich überhaupt Arme habe, oder so. Ich scheine beinahe körperlos zu sein.

Müsste ich aufgrund dessen jetzt in Panik geraten? Zu diesem Zeitpunkt bin ich mir nicht einmal darüber im Klaren. Aber bevor ich weiterdenken kann, klickt es wieder in der Leitung und die Schleife verstummt.
"Michael, Abteilung Klassifizierung, ja bitte?"
Ich bin in Versuchung, äußerst laut zu schreien. Stattdessen reiße ich mich zusammen. "Ich habe einen kleinen Disput mit Ihren Kollegen. Und..." "Ja", unterbricht er mich, "darüber bin ich informiert. Ich soll mit Ihnen den Bogen durchgehen und dann sehen wir weiter." Ich grunze in den Bart, den ich auch zu Lebzeiten nicht hatte und ergebe mich in mein Schicksal.
"Also noch einmal: Welches Ereignis führte zu Ihrem Tod?" "Meine Exfreundin. Also die Tatsache, dass die Freundin zur Ex wurde." Ich finde diese Antwort witzig. Er nicht. Trocken fordert er mich noch einmal auf, die Frage zu beantworten.
"Ich bin von einer Brücke gesprungen."
"Freiwillig?" - "Klar, wie soll man schon unfreiwillig springen."
"Ach", entgegnet er, während ich so was wie Bleistiftkratzen höre, "Sie wären erstaunt, was wir hier alles erleben. Dann fülle ich also hier aus: Freitod, Brückensturz. Gut. Damit hat sich dann Frage 2 von allein beantwortet: Anwesenheit im Jenseits: ebenfalls freiwillig."
"Nein", fahre ich ihm dazwischen. "Freiwillig bin ich nicht hier. Ich will ja weg."
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe nicht die Möglichkeit, das hier einzutragen. Das Formular gibt diese Option bei Freitod nicht vor." Gleich platze ich. Falls das möglich ist. ‚Das Formular gibt die Option nicht vor.' Wo sind wir denn hier?
Gute Frage eigentlich. Wo bin ich hier? Und wo ist der Typ am Telefon? Wer ist das und überhaupt? Nein, konzentrier Dich, fahre ich mich selbst an. Nicht abschweifen.
"Das können Sie aber nicht anders eintragen. Das wäre gegen meinen Willen."
Er seufzt vernehmlich. "Gut, dann trage ich vorläufig ein: Anwesenheit: ungeklärter Grund. Wir müssen dann aber auf diese Frage später noch einmal zurückkommen. Jetzt werden wir erst mal sehen, dass wir die anderen Fragen erledigen. Dafür ist ein Kollege zuständig. Einen Moment bitte, ich verbinde!"
Diesmal versuche ich erst gar nicht mehr, zu protestieren. Es hätte ja sowieso keinen Effekt. Zu gerne würde ich die Musik ignorieren. Einfach nicht hinhören, aber das scheint technisch nicht machbar zu sein. Ich würde Finger brauchen, die ich offenbar nicht habe, um mir Ohren zuzuhalten, die ich ebenfalls nicht zu besitzen scheine. Also ertrage ich und lasse mich von den Klängen überspülen. Die reinste Folter, wenn man mich fragt. Aber das fragt mich ja keiner. Das nicht.

"Guten Abend, Oberes Einstufungscenter, es tut mir leid, ich habe es eilig", leiert eine Stimme vor sich hin.
"Sie haben es eilig? Sie?" Diesmal platzt mir beinahe der Kragen. Ich wüsste gern, wie lange ich in der Schleife gefangen war, das würde meinem Zorn eine gerechte Note geben und ich könnte es ihm vorwerfen. So aber kann ich nur brüllen. "Ich warte bereits seit einer Ewigkeit!"
"Oh", kommt es belustigt zurück, "ich sehe, Sie gewöhnen sich langsam an unseren Humor hier. Dann lassen Sie uns beginnen. Haben Sie je einer Katastrophe vermieden? Je einer größeren Anzahl von Menschen das Leben gerettet?"
"Nein", ich bin zu verblüfft, um weiter wütend zu sein. Die Gleichgültigkeit mit der er die Fragen herunterleiert ist geradezu erschreckend. Dann komme ich mir aber dumm vor, wenn ich so einsilbig antworte. Also füge ich schnell eine schlaue Gegenfrage hinzu. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass man damit Eindruck schindet. "Was verstehen Sie unter ‚größere Anzahl'?" Ich höre mich geradezu wissbegierig an.
"Sie können sich in verschiedene Kategorien einstufen, wenn dies auf Sie zutrifft", leiert er weiter. "Beginnend mit Volksgruppe oder ethnische Gruppe, dann mehr als eine Million Menschen, zwischen einer und einer halben Million Menschen, zwischen einer halben Million und hundert tausend Menschen, zwischen hundert tausend und einhundert Menschen, ja ich weiß das Spektrum ist weit gestreut, aber es dient natürlich nur der ersten Eingruppierung. Dann gibt es weiter weniger als hundert aber mehr als zwanzig, unter zwanzig und über fünf oder zwischen fünf und drei." Mir wird beinahe schwindelig vor lauter Zahlen, die er abspult, wie ein Viertklässler das Einmaleins bis fünf.
Ich vergesse vor lauter Verwirrung etwas darauf zu erwidern, aber das scheint er zu erwarten. "Nein", muss ich ihm schließlich erklären, "keine der Kategorien trifft auf mich zu."
"Dann haben Sie zwischen ein und zwei Menschen das Leben gerettet?" "Nein, noch nie jemandem", teile ich mit.
"Und wozu dann die Nachfrage nach der Zahl? Halten Sie sich für witzig? Hören Sie mal, wir haben hier besseres zu tun, bei dem Ansturm ganz bestimmt!"
"Ansturm? Was meinen Sie denn jetzt damit?"
"Ach", er stöhnt entnervt auf. "Heute ist der vollste Tag im ganzen Jahr. Heute wollen Sie alle rein. Und die meisten auch noch freiwillig. Ich frag mich immer, ob die sich gar nicht informieren. Ich würde wissen wollen, wann ich in den Stau komme. Aber nein. Immer alle fröhlich rein hier. Ist ja Weihnachten, da ist ja bestimmt nix los."
Er hustet einmal. "Entschuldigen Sie, wir sollen so etwas eigentlich nicht mit den Kunden besprechen. Lassen Sie uns zum Thema zurückkehren. Überspringen wir einfach mal einen Fragenblock. Ich denke das wird ohnehin nicht zutreffen. Also: Haben Sie jemals eine nachhaltige positive Reaktion bei einer Gruppe von mindestens zehn Menschen hervorgerufen?"
Ich überlege schwer. Was mag wohl ‚nachhaltig' dabei bedeuten? "Ich habe mal auf einer Party Karaoke gesungen und fast zwanzig Leute haben einen ganzen Abend lang über mich gelacht." ‚Einschließlich ihr', denke ich, aber das verschweige ich lieber.
Seine Fragen prasseln noch mehrere Minuten auf mich ein. Um es kurz zu machen, entweder sage ich nein, oder er lehnt es trotzdem ab.
"Wissen Sie, ich denke, den Rest dieses Bogens können wir uns sparen, ich verbinde Sie mal mit einem Kollegen." Diesmal fühle ich mich durch das Klicken regelrecht erlöst, denn ich hatte eine Stufe von Genervtheit erreicht, die ich kaum noch ertragen konnte und die nur noch von seinem Gleichmut getoppt wurde. Vielleicht lag das daran, dass kein normaler Mensch seine Fragen positiv beantworten konnte. Obwohl: "Haben Sie einem Kind einmal eine Freude gemacht?" Die Frage kam so kurz vor Schluss. Das kann bestimmt jemand mit ‚Ja' beantworten, könnte ich mir denken.
Die Musik raubt mir alle Geduld, die ich noch habe. Sollte die nicht eigentlich dafür sorgen, dass man sich gut fühlt, während man wartet? Offenbar nicht. Warteschleifen sind die Hölle.

"Jepp, da bin ich!" Die Fahrstuhlmusik hat ein abruptes Ende, dafür dröhnt jetzt Techno im Hintergrund, so als riefe jemand von einer Party an. Es handelt sich um eine eindeutig wachere Stimme als der letzten.
"Wie bitte?", rutscht es mir raus.
"Ey Mann, mach voran. Ich hab hier nicht ewig Zeit. Also spuck mal aus, was Sache ist und wir machen den Deal klar." Mich beschleicht das Gefühl, dass ich was verpasst habe.
"Ich sollte hier noch mal Fragen beantworten, hat man mir gesagt." Manchmal ist Bürokratie eben doch was Feines. Sie ist jedenfalls verlässlich.
"Na jut, Mann, wenn's die Fragen sein sollen, dann aber schnell. Glaub nicht, dass Du der Einzige wärst. Morde?"
"Selbstmord, einer."
"Spaßvogel, wie? Also keiner. Haste jemals ein Eichhörnchen überfahren?"
"Wie bitte?" Mein Unglaube würde Berge versetzen.
"Ein Eichhörnchen. Du mal eins übern Haufen gefahren hast."
"Nein, sollte ich?"
"Was soll'n das jetzt für 'ne Frage sein?"
"Galgenhumor!", kontere ich. Der Typ hat wohl einen an der Waffel. Da lob ich mir doch den steifen Kerl von eben, der hatte wenigstens Manieren.
"Galgenhumor, so, so. Ein ganz Schlauer. Kürzen wir das hier mal ab: Was ist das Abscheulichste, was Du je getan hast?"
"Hab ich Ihrem Kollegen schon gesagt: Karaokesingen." Mein Zynismus hat kurzzeitig wieder die Oberhand gewonnen.
"Erstens: Grauenhauft, glaube ich, zweitens: das ist nicht mein Kollege sondern so zu sagen die Konkurrenz von oben und drittens: Karaoke reicht nicht, sonst würden wir hier unten aus allen Nähten platzen. Tierquälerei? Umweltsünden? Parkverbot?"
Nicht, dass ich noch was verstanden hätte, aber ich muss mehr oder weniger alles mit nein beantworten. Denke ich jedenfalls.
"Hast Du wenigstens mal Deine Freundin geschlagen?" Langsam klingt er entnervt. Ist wohl heute wirklich ein schlechter Tag.
"Nein, hab ich nicht." - "Hattest es wenigstens vor?"
"Nein, sie hat mich verlassen." - "Dann hättest' vielleicht nicht selbst herkommen sollen, sondern sie schicken, aber das nur nebenbei. Ich les, Du bist freiwillig hier?"
"Nein", ich protestiere schon fast aus Gewohnheit.
"Also hör mal, Mann, ich hab hier noch einen Haufen Gespräche in der Leitung und ich glaube nicht, dass wir zwei ins Geschäft kommen. Ich schick Dich doch noch mal zur Konkurrenz hoch."

Die Warteschleife ringt mir das letzte bisschen Fassung ab, bis sich wieder jemand einklingt. "Guten Abend, purgatorisches Beurteilungscenter für Problemfälle, Christina mein Name. Hat man Sie warten lassen?"
Endlich erlöst man mich aus dieser Warterei. "Ja!", schreie ich gerade zu. "Schon viel zu lange."
"Gut." Höre ich die freundliche Hostess, dann wieder das Klicken und die Musik beginnt von neuem.

"Ey Mann! Was willst'n Du schon wieder hier?"
"Raus will ich. Nur raus." Ich habe nicht einmal bemerkt, dass die Musik wieder verstummt ist. In meinem Kopf dreht sie noch ihre munteren Runden.
"Ich seh schon, es wird langsam."
"Was? Was? Was zum Teufel ‚wird langsam'?" Meine Stimme hat einen leicht hysterischen Unterton. "Lass den Boss aus dem Spiel. Manche der Gespräche werden zu Kontrollzwecken aufgezeichnet", reagiert er trocken.
"Ich will nur endlich wissen, was hier vor sich geht. Ich will hier raus und langsam ist es mir egal, wohin die Reise geht. Solange es nur irgendwo anders ist als hier", platzt es aus mir heraus.
"Wenn das so leicht wäre, hätte man Dich längst durchgeschleust, Mann. Wir hatten eben eine außerordentliche Konferenz über Dich. Beide Seiten am runden Tisch und das kommt nicht oft vor, kannste mir glauben. Keiner weiß, wohin mit Dir. Deshalb das alles."
"Deshalb schickt man mich im Kreis?"
"Nein, das ist der Grund, warum Du hier noch rumhängst. Das gehört zu dem ganzen Scheiß dazu."
Ich beginne zu realisieren, dass mein Hirn vollständig aufgeweicht ist. Es bereitet mir schon Schwierigkeiten, ihm überhaupt zu folgen.
Seine Stimme wird plötzlich zu einem leisen Zischen: "Hör mal, Mann, der Boss ist grad weg. Hör auf, Dich zu wehren und sitz es einfach aus. Das ist Teil des Ganzen. Irgendwann holt man Dich da raus. Auf welche Seite auch immer."
"Ich soll hier weiter in der Warteschleife hängen?" "Ja, Mann. Das hast Du mehr als verdient. Aber ich hab nix gesagt. Von mir hast Du's nicht."
Ich versuche mit aller Kraft die Rädchen in meinem Hirn anzuschieben, um ihm zu folgen, aber es gelingt mir nicht.
"Kann ich nicht einfach jetzt auf Eure Seite kommen? Ist mir ganz egal, wo das ist."
"Nein, Mann, wir können nicht einfach einen reinlassen. Es gibt da Verträge. Der Boss ist eh schon sauer, weil hier unten alles vollgestopft ist. Und die da oben jammern, dass sie nicht mal jeden zehnten Platz gefüllt haben. Die Zeiten sind halt nicht mehr, was sie mal waren und die legen ihre Latte einfach zu hoch, wenn man mich fragt. Denn wenn man's genau nimmt: Die meisten warten schließlich ein Leben lang drauf, da reinzukommen, also sollten die einfach den Fans die Türen auf machen." Diesen Satz begleitet ein irres Kichern. "Dann hätten wir hier unten auch wieder würdiges Material. Und nicht immer diese Halbgebackenen."
Nach einer kurzen Pause fährt er fort: "Also, Mann. Letzte Chance: Hast Du mal einen Busfahrer beleidigt?" "Nein", muss ich zugeben. Ich fahre schon seit einer Ewigkeit nicht mehr Bus. ‚Aber Taxifahrer, fast wöchentlich!', will ich hinzufügen, nur dazu komme ich nicht mehr.
"Na dann, good luck, Mann!" Dieser Satz wird von einem Klicken gefolgt, an das sich wieder das Gedudel anschließt.

Wann genau ich die Entscheidung getroffen habe, kann ich nicht mehr sagen. Ich fand mich jedenfalls mit dem Gesicht auf dem gefrorenen Boden wieder. Ich habe aufgelegt. Wenn ich es noch mal versuche, dann wenn weniger Betrieb ist. Mal sehen.

 

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