Was ist neu

Was habt ihr gegen Adjektive?

aber mich würde nun doch interessieren, wieso ein "hübsches Kleid" besser als ne "blonde Strähne" sein soll...
Es kommt auf den Kontext an, aber mein spontaner Senf dazu: Das "hübsch" finde ich bedeutsamer als das "blond", weil es eher eine Rolle spielt ob das Kleid hübsch ist oder nicht, als wenn gesagt wird, dass eine Person blond ist. Wenn das Blond eine Rolle spielt, weil irgendjemand in der Geschichte blond besonders mag oder so, dann kann auch das notwendig sein, aber an sich ist es eine völlig belanglose Aussage, sofern die Person einfach nur blond ist um des Blondseins Willen und genauso gut braune oder rote Haare haben könnte, ohne dass es die Geschichte verändern würde. Es wäre für mich als Leser uninteressant.
Ob das Kleid "hübsch" ist oder nicht wäre für mich vergleichsweise interessanter.

 
Zuletzt bearbeitet:

@Ginny: Danke für diese Erklärung. So verstehe ich, was du meinst. Wenn man bei "der Wind frischt auf und weht mir blonde Strähnen in die Augen" dieses Adjektiv einfach weglässt, würde mir etwas fehlen. "Hübsch" ist für mich ein sehr schwaches Wort aus der Umgangssprache. Ich würde mir eine genauere Beschreibung erwarten, die z. B. klar macht, dass die x Farbe ihr steht, der Schnitt ihre Figur betont etc.
Wen es interessiert, hier ist die umstittene Geschichte:
http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=18943

@Sue: Im Lexikon habe ich eine Definition gefunden, nach der Trivialliteratur "1. sprachlich und stilistische der Aufbau und die Erzählstruktur, Zeichnung der Personen Wortwahl und Satzbau völlig von wenigen Grundmustern und Schablonen geprägt sind und 2. vorgeprägte Themen klischeehaft wiederholt." Ich denke, man kann doch kaum immer wieder irgend etwas neu erfinden, deshalb gehört ein Großteil der Literatur wahrscheinlich inzwischen dazu. Es sei denn, der Autor hat den Wahnsinnsgeistesblitz!
viele liebe Grüße
Charlotte

 

tamara schrieb:
Also "blonde Strähne" ist ein objektives Adjektiv, das ich im Gegensatz zu dem subjektiven "hübsch" keineswegs für überflüssig halte.

Ginny-Rose schrieb:
Es kommt auf den Kontext an

So ist es.

Für diejenigen, die das nicht verstehen, gilt die Daumenregel:

Vermeide Adjektive, wann immer möglich. Benutze auf gar keinen Fall subjektive Adjektive. Und: Superlative sind Teufelszeug, für das du in der Hölle schmoren wirst.

Klaus

 

Sternenkratzer schrieb:
Für diejenigen, die das nicht verstehen, gilt die Daumenregel:

Vermeide Adjektive, wann immer möglich. Benutze auf gar keinen Fall subjektive Adjektive. Und: Superlative sind Teufelszeug, für das du in der Hölle schmoren wirst.

Klaus


Aber ein Dogma ist das nicht, oder? ;) :D

 

sim schrieb:
Aber ein Dogma ist das nicht, oder? ;) :D

Ich und Dogma? - Naaaaa. Ich doch nicht!

Klaus

(Außerdem: eine Daumenregel als Dogma zu bezeichnen, ist leicht am Ziel vorbei.)

 

*Das Daumendogma sofort ins Visier nehm* :D

Benutze auf gar keinen Fall subjektive Adjektive.
Ich denke, man könnte hier eine kleine, aber wichtige Einschränkung vornehmen: Wenn Du auktorial erzählst!

Wenn ein Ich-Erzähler z.B. behauptet, dass eine Frau "höllisch gut aussieht", es in einer Kneipe "abartig warm" ist oder der Antagonist einen "abgefuckten Haarschnitt" daherträgt, ist das nicht nur legitim, denke ich, sondern kann sogar viel zur Glaubwürdigkeit und Stimmung von Charakter und Erzählung beitragen. Bei einem auktorialen Erzähler sieht das natürlich anders aus. Da beschränkt man sich mit sowas wohl wirklich besser auf Dialoge oder Gedankenwiedergabe. Sonst wirkt es seltsam. Inwieweit das allerdings auch mit unseren Lesegewohnheiten gekoppelt ist, vermag ich so spontan nicht zu sagen...

 

Zu subjektiven und objektiven Adjektiven hab ich auch schon was in diesen Thread geschrieben.

 

Interessanter Thread, den es sich durchzulesen lohnt!

Allgemein stimme ich vielen hier geäußerten Aussagen zu, unpassende und subjektive Adjektive mag ich auch nicht.

Aber genau hier will ich (mit meiner bescheidenen Meinung, das heißt ab jetzt ist alles mMn) mit meinem Post ansetzen (will ja auch etwas, in dieser Ausführlichkeit, Neues beitragen ;) ): »[...] Adjektive mag ich auch nicht.«

Das bringt mich zur Frage nach der Zielgruppe, welche ich für sehr wichtig halte. Verallgemeinert: Wir als Autoren sind allgemein eine andere Zielgruppe als beispielsweise die Leser dieser Adjektivoverkillhefte, haben andere Ansprüche und entwickeln auch ganz andere Bewertungsprinzipien als andere Lesergruppen (von extremen Viellesern und professionellen Kritikern mal abgesehen).

Beispiel: Vor Jahren mußte ich in der Schule ›Effi Briest‹ lesen, und fand es einfach nur komplett (zensiert). Heute hingegen finde ich es interessant, wie es dem Buch mit ausufernden und überflüssigen Beschreibungen, überlangen Satzkonstruktionen und einem absolut vorhersehbaren Plot möglich ist, dauernd als Literaturempfehlung von professionellen Kritikern ausgegeben zu werden. Und obschon ein gutes Jahrhundert veraltet immer noch in Schulen gelesen zu werden. Diese Bewertungskriterien hatte ich damals noch nicht.
Andererseits finden andere Leser tatsächlich ›Effi Briest‹ gut - und zwar aus genau den Gründen, deretwegen ich das Buch hasse.

Worauf wollte ich mit diesem Beispiel hinaus? Nun, es gibt genauso viele Lesevorlieben wie es Leser gibt, und nicht für alle gelten unsere (bzw., noch genauer, meine) Vorgaben.

Hier werden Adjektive, aus durchaus berechtigten Gründen, abgelehnt. Gilt das auch für alle Leser? An dieser Stelle möchte ich ein Beispiel aus dem Thread aufgreifen:

SHOW: Er hatte damals als einziger gewagt, dem Chef ins Gesicht zu sagen, daß der Betriebsrat lediglich ein Marionettentheater war, das die Arbeiter ruhigstellen sollte. Die Kollegen applaudierten, Chef feuerte ihn.
TELL: Er hatte seinen Job recht schnell durch zwar mutige und wahre aber nichtsdestotrotz unbedachte Äußerungen gegenüber seinem Chef verloren.
›SHOW‹ klingt hier wesentlich besser als ›TELL‹. Ist es deshalb immer besser? Ich denke nicht. Das hängt wieder von der Zielgruppe ab. Jemand, der nur mit halber Aufmerksamkeit, ohne ›Autorengespür‹ etc liest, könnte das reine ›SHOW‹ fehldeuten, oder schlimmer noch, gar nicht deuten.

Wieder möchte ich es mit einem persönlichen Beispiel veranschaulichen. Vor einigen Monaten gab ich einen Text meinen Probelesern. In Text traf der Prot auf zwei Personen, die miteinander reisten. Für die meisten Leser (3 von 4) nun war nach dem Lesen klar, daß die neuen Bekanntschaften des Prots eine tiefe Freundschaft verband. Es gab eine Ausnahme: Jener vierte Probeleser hielt die beiden nur für zwei Personen, die zusammen reisen. Nicht mehr.
Letztgenannter Probeleser las den besagten Ausschnitt auf dem Weg zur Arbeit, also nicht mit voller Aufmerksamkeit. Im Text wurde, wie er richtig feststellte, nie gesagt, in welcher Beziehung die beiden Bekanntschaften miteinander standen. Es wurde nur gezeigt, und er erkannte es nicht.

Wenn meine Zielgruppe nun er gewesen wäre, müßte ich meinen Schreibstil darauf einstellen. Genau dasselbe Phänomen trifft auch auf die Heftchen zu, wo an fast jedem Nomen (mindestens) ein Adjektiv klebt. Würden sie besser, wenn die Adjektive gestrichen werden? In unseren Augen schon, aber auch in den Augen der Leser jener Literatur? Was, wenn sie genau diesen adjektivlastigen Stil tatsächlich mögen?

Worauf ich hinaus möchte: Selbst wenn die Mehrheit (oder, wie bei den Verkaufszahlen der Hefte, eher eine Minderheit) etwas nicht mag, muß die Alternative nicht notwendigerweise allgemein besser sein. Veränderungen, oder Stiländerungen allgemein, würde es nur für spezielle Zielgruppen besser machen - und für andere schlechter. Auf Adjektive trifft das ebenso zu wie auf andere Bereiche, die ich aber nicht abhandeln will (z.B. das Erinnern eines Plotteils in längeren Geschichten vs diesen Aussparen und die Erinnerung beim Leser voraussetzen). Alles eine Frage der Zielgruppe. Und auch des Ermessens des Autors, wenn jeder ›optimal‹ schreiben würde, wäre es doch langweiliger Einheitsbrei ;).

Der Autor schreibt für den Leser - aber es gibt nicht den Leser, sondern viele Leser. Alle kann man nicht ansprechen, und das sieht man an der Adjektivdiskussion sehr gut. Je nach gesetzter Zielgruppe mögen auch schreckliche Adjektive (›Am dunklen Nachthimmel zogen finstere Wolken entlang, verdeckten die Sterne und stahlen die sonst blasse Nachtbeleuchtung‹ + ein paar subjektive Adjektive, die mir grad nicht einfallen wollen) sinnvoll sein. Es kommt auf die Zielgruppe an.

Aber: Es kommt ebenso auch auf den Einsatz an, ein mißbrauchtes Adjektiv ist ebenso falsch wie jedes andere mißbrauchte Stilmittel.

Statt sich also zu fragen, ob dieses und jenes Adjektiv (objektive und subjektive sind gemeint) unbedingt notwendig sei, wäre die passende Frage also: »Ist dieses Adjektiv für meine Zielgruppe geeignet?« Wenn ja, drinlassen, wenn nein: Streichen.

Was ich mit diesem viel zu lang gewordenen Post sagen will: Adjektive sind Stilmittel. Die Verwendung von Stilmitteln ist Moden unterworfen und nicht allgemeingültig, sondern hängt von der Größe der Zielgruppe ab. Anstatt also mit Allgemeinplätzen drauflos zu schlagen, sollten sich Autoren und Kritiker fragen, welche Zielgruppe der Text ansprechen will - das erspart dann auch Diskussionen über faustgroße Kiesel und die Sinnhaftigkeit der Blondheit von Haarsträhnen ;).

PS: Ups, soviel wollte ich gar nicht schreiben...

 

Ich wiederhol's mal ganz langsam, damit es auch alle verstehen.

Adjektive machen einen Text poetisch und statisch. (Das wurde bereits, wenn ich mich richtig erinnere, weiter oben im Thread festgestellt.)

Ein fortgeschrittener Autor weiß das. Deshalb benutzt er Adjektive bewusst, um bestimmte Textstellen poetisch klingen zu lassen oder um ihnen die Dynamik zu entziehen. Er benutzt Adjektive als stilistisches Mittel. (Ich verweise hier ganz uneingebildet auf meinen eigenen Text "Das Geschenk", in dem ich gar das Teufelszeug Superlative verwende. Wer sich die betreffenden Stellen anguckt, wird verstehen, weshalb.)

Für einen Autor, der das nicht weiß, gilt die Daumenregel: Vermeide Adjektive, wann immer möglich. Benutze auf gar keinen Fall subjektive Adjektive. Und: Superlative sind Teufelszeug, für das du in der Hölle schmoren wirst. - Diese Autoren sollten sich an die Daumenregel halten, weil sonst ganz einfach die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie Müll produzieren.

Denn es gibt bei den Adjektiven eine Falle, und wenn ein Autor erst einmal in diese Falle getappt ist, dann weigert er sich meist, da wieder raus zu kommen. (Ich vermute sogar, dass diese Autoren sich insgeheim für Genies halten.)

Es ist die Poetik-Falle.

Sue Sunflowers Text war so ein Text (wenn ich mich jetzt richtig erinnere, ansonsten bitte ich um Entschuldigung). Sie hat den Text durch den übermäßigen Gebrauch von Adjektiven in einen poetischen Text verwandelt. Wenn sie selbst diesen Text liest, ich wette, sie ist begeistert von dem Klang der Wörter, der Adjektive, dem Rhythmus. Das folgende ist jetzt nicht beleidigend gemeint, sondern es gibt nur übertrieben wieder, was dahinter steckt: Es ist sprachliche Onanie. Der Autor (und mancher Leser) geilt sich an dem Klang der Wörter, am Rhythmus der Sätze auf. Sprachlichen, informativen, inhaltlich kommunikativen Sinn haben die Wörter, die Sätze oft nicht mehr. (Siehe dazu auch die Texte <Titel vergessen, irgendwas mit Glas> von Der Illusionist.) (Und leider viele andere.)

Und da wir hier auf Kurzgeschichten.de sind und nicht auf DaDa.de, ist sprachlicher Sinn etwas, dass ich - irgendwie dogmatisch - voraussetze.

(Anmerkung: Das ist die Meinung, die ich vertrete. Und irren ist menschlich.)

Klaus
(Ts - wer postet mir denn da dazwischen?)

 

@bg....zahlenkonntichmirnochniegutmerken... :D

Ganz kurz zu Show and Tell:

Der Grund, warum man dieses Prinzip immer wieder forciert, liegt darin, dass Show zwar sehr viel schwieriger ist, aber im allgemeinen für die meisten Leser den größeren Lesespass bietet (neben anderen Vorteilen wie besserer Möglichkeit zur Charakterisierung etc.).

Denn zu diesem

TELL: Er hatte seinen Job recht schnell durch zwar mutige und wahre aber nichtsdestotrotz unbedachte Äußerungen gegenüber seinem Chef verloren.
wäre ein Show nicht unbedingt das, was oben dazu steht, sondern vielmehr eine komplette Szene inkl. Dialog, die das Geschehene darstellt. (Es sei denn, es ist für die Story selbst nur marginal von Bedeutung - aber selbst dann ist das obige Show noch besser als das Tell!). Dadurch erst werden Geschichte und Charaktere lebendig, bekommt der Text Dynamik usw.

Das von Dir angeführte Beispiel mit den Freunden im Zug bedeutet dann auch nicht, dass in diesem Fall das Tell besser gewesen wäre, sondern vielmehr, dass mit dem Show noch irgendwas nicht stimmt. Es gibt nur ganz wenige Fälle (mir fällt spontan echt keiner ein), wo man dieses Prinzip ernsthaft umkehren könnte...

Und das mit der Zielgruppe ist schwerer Tobak. Und als Gedankenansatz nicht wirklich praktikabel. Weil du selbst sagst, dass jeder Leser anders ist. Ergo schriebest Du streng genommen jeden Text immer nur für einen einzigen Leser, mit der Hoffnung, dass ein paar andere ihn aus Nettigkeit auch kaufen.:D
Denn Zielgruppenorientierung erfordert möglichst exakte Marktforschung, die in diesem Falle schwierig bis unmöglich ist. Selbst bei Zahnpasta und Staubsaugern ist das schon schwierig genug. Ergo funktioniert das ganze Konzept nur bedingt. Man kann höchstens im Nachhinein feststellen, welche Gruppe sich bestimmten Dingen zuwendet. Aber auch das ist m.E. eine wacklige Angelegenheit.

Soll heißen: In erster Linie sollte jeder Autor die Geschichte schreiben, die er schreiben muss - weil sie raus will. Alles andere hat mit der eigentlichen Kunst des Schreibens nur noch eingeschränkt zu tun. Für eine Zielgruppe zu schreiben, halte ich so gezielt für unmöglich bzw. u.U. kontraproduktiv, jedenfalls in diesem Sinne. Ich kann höchstens Altbewährtes aufgreifen bzw. feststellen, dass bestimmte Dinge (trotzdem) funktionieren, aber das ist was anderes. Denn es kommt zu einer Rückkopplung zwischen den Gewohnheiten von Produzent und Konsument. Echte Zielgruppenorientierung funktioniert allerdings etwas anders.

Ein Beispiel: Zwei französische Filmemacher haben sich einmal hingesetzt und alle "Kultfilme" der letzten 30 Jahre oder so akribisch analysiert und auf dieser Grundlage quasi tatsächlich eine zielgruppenorientierte Marktforschung versucht, mit dem Ziel, den Kultfilm überhaupt fürs Kultfilm-Publikum zu drehen. Das Ergebnis war ein absolut unsäglicher Film, den keine Sau angeschaut hat und dessen Namen sogar ich inzwischen vergessen habe...

Man sieht also: Das mit der Zielgruppe ist nicht so wirklich das beste aller Konzepte - so meiner Meinung nach. ;)

Gruß,
Horni

 

Das Beispiel mit dem Leser, der aus dem Weg zur Arbeit nur die Hälfte des Textes wahrnimmt ist das Show zu meinem Tell, daß die Zielgruppe der Trivialliteratur ohne Füllwörter und Adjektive den Faden verlieren könnte. (Post #63)
Diese Leute haben eine andere Aufmerksamkeitskonsistenz. Sie überlesen Wörter und ganze Sätze, und wenn gewisse Dinge nicht ständig betont und wiederholt werden, fallen sie durch das Raster.
Derselbe Stil treibt durch seine ständigen Wiederholungen und Wiederkäuen von bereits Gesagtem einen aufmerksamen und konzentrierten Leser wiederum in den Wahnsinn.

r

 

Und das mit der Zielgruppe ist schwerer Tobak. [...]
Die Zielgruppe ist auch nicht als starres Konstrukt gemeint, sondern als Tendenz. Nehmen wir die oben gelinkte Geschichte: Sie zeichnet im großen und ganzen aufgrund der Adjektive ein statisches Bild. Wer nun Dynamik erwartet, der wird das bekritteln. Genauso wird ein Leser, der keine ausufernden Beschreibungen (usw) mag, Effi Briest hassen. Dennoch findet beides seine Leser, die genau das mögen.
Das meine ich mit Zielgruppen - nicht die eigenen Vorlieben zu Allgemeinplätzen formulieren, sondern auch immer bedenken: Es wird für die Leser geschrieben! Als Autor kann es deshalb nötig werden, Texte dahingehend zu überarbeiten (und zwar in eine der vielen möglichen Richtungen). Und als Kritiker evtl die Kritik in einer angepaßten Form zu formulieren, wenn man das Sprachgenre nicht mag.

Oder um es mit relysiums Worte zu sagen ;):

Diese Leute haben eine andere Aufmerksamkeitskonsistenz. Sie überlesen Wörter und ganze Sätze, und wenn gewisse Dinge nicht ständig betont und wiederholt werden, fallen sie durch das Raster.
Derselbe Stil treibt durch seine ständigen Wiederholungen und Wiederkäuen von bereits Gesagtem einen aufmerksamen und konzentrierten Leser wiederum in den Wahnsinn.
Andere Zielgruppen. Schreibe ich für den aufmerksamen Leser? Oder für den Aufmerksamkeitsgeizhals? Wage ich gar einen Spagat? Ich denke, sehr viele Autoren entscheiden sich für einen dieser Wege schon intuitiv. Aber wenn man mal das Stilgenre wechseln muß (aus welchen Gründen auch immer, z.B. um allgemein anerkannt gute Kurzgeschichten zu schreiben ;) ), dann muß man darüber nachdenken und es einplanen.
Bei Kritikern ist es genau andersherum: Sie wechseln das Genre und zerreissen fröhlich. Aus ihrer Sicht durchaus berechtigt - was aber, wenn der Autor gar nicht das schreiben wollte, was die Kritiker sich erhofft haben?

PS: Wenn eine Geschichte da ist, die raus muß, macht man sich ja doch schon Gedanken um deren Umsetzung (häufig auch unbewußt), zum Beispiel Erzählperspektive und so weiter. Hinterher, bei der Überarbeitung (welche man aus Rechtschreibkorrekturgründen schon machen sollte), kann man dann auf Adjektive achten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Äpfel sollte man nicht mit Birnen vergleichen

SHOW: Er hatte damals als einziger gewagt, dem Chef ins Gesicht zu sagen, daß der Betriebsrat lediglich ein Marionettentheater war, das die Arbeiter ruhigstellen sollte. Die Kollegen applaudierten, Chef feuerte ihn.
TELL: Er hatte seinen Job recht schnell durch zwar mutige und wahre aber nichtsdestotrotz unbedachte Äußerungen gegenüber seinem Chef verloren.

Obiges Beispiel ist ungeeignet, irgendetwas in Sachen pro und contra Adjektive zu beweisen. Während SHOW konkret sagt, was passierte, gibt TELL lediglich eine Zusammenfassung der Ereignisse wieder. Beim TELL kann man über tatsächliches Geschehen nur Vermutungen anstellen, es ist eine gefilterte Information aus zweiter Hand und daher langweilig, sie lässt mich draußen, TELL will nicht informieren, ergo will er auch keine Geschichte erzählen.

Noch ein Wort zu blond und hübsch. Blond ist eine Tatsachenbeschreibung, hübsch eine Wertung des Autors. Da man nicht wissen kann, was der betreffende Autor für Maßstäbe anwendet, ist hübsch ein Wort, das null Aussagekraft hat.

Dion

 

Dion schrieb:
Noch ein Wort zu blond und hübsch. Blond ist eine Tatsachenbeschreibung, hübsch eine Wertung des Autors. Da man nicht wissen kann, was der betreffende Autor für Maßstäbe anwendet, ist hübsch ein Wort, das null Aussagekraft hat.
Und wenn man es aber aus der Perspektive eines Protagonisten verwendet, über den der Leser durchaus solche Informationen hat ... ?

 

Ginny-Rose schrieb:
Und wenn man es aber aus der Perspektive eines Protagonisten verwendet, über den der Leser durchaus solche Informationen hat ... ?

... kommt auf den Kontext an ...

 

Dann es ist okay. Natürlich auch in der direkten Rede – wir alle reden so, denn wir werten unsere Umgebung fortgesetzt und äußern dies auch, gleichgültig ob gewollt oder nicht.

Dion

 

Sternenkratzer schrieb:
... kommt auf den Kontext an ...
... das hätte ich fast dazugeschrieben, aber ich wollte nicht wie eine Schallplatte mit Sprung klingen.

 

Wie Horni schon sagte (hm, sagte ich das nicht auch irgendwo?): Aus der Sicht des Icherzählers oder eines Prot. ist das Verwenden subjektiver Adjektive legitim. Weil ja die Sichtweise eine subjektive ist.
Und es kommt nicht darauf an, ob die hübschen Beine für den Leser wirklich hübsch wären, wenn er das als Film serviert bekäme, sondern daß der Prot. sie hübsch findet.
Wenn der auktoriale Erzähler dies tut, funktioniert das wiederum nicht. Aber so richtig überhaupt nicht. Dann baut sich beim Leser eine Gegenspannung auf.

r

 
Zuletzt bearbeitet:

Dion schrieb:
Obiges Beispiel ist ungeeignet, irgendetwas in Sachen pro und contra Adjektive zu beweisen.
Natürlich ist es kaum geeignet, da es nicht gut ist. Gute Beispiele sind länger. Nun, dann "Show" ich mal wieder:

Als der erste HdR-Film rauskam, gab es in meinem Freundeskreis eine Diskussion über die Änderungen Buch => Film. Jeder meinte, daß Zeigen von Gandalfs Flucht sei eine Änderung, da es im Buch nur von Gandalf erzählt werden würde. Ich war anderer Meinung, meinte die Flucht würde auch gezeigt. Wer hat Recht? Nun, im Buch wird Gandalfs Flucht gezeigt, es wird dem Leser aber nicht gesagt, wodurch es keiner der anderen (immerhin ein halbes Dutzend Leute, die den HdR wesentlich mehr mögen als ich) bemerkte. Wer es nachprüfen will: Frodos Traum in Bombadils Haus. Klassisches Beispiel für Show, don't tell.

Auch das ist, natürlich immer noch, kein Argument pro Adjektive. Adjektive sind, sozusagen, abstrahierte und von eigentlichen Situationen gelöste Handlungsverben. Als solche können sie (genauso wie der ganze Tell-Kram) drei Funktionen erfüllen:
1. Erinnerungen und Überhöhungen, sodaß ein beliebiger Sachverhalt unaufmerksamen Lesern bewußt wird. Es ist -leider!- so, daß in dem Moment, wo auch für unaufmerksame Leser geschrieben wird, subjektive Adjektive genauso notwendig werden wie "tell" allgemein. Für die Unaufmerksamen bleibt sonst jeder Text kalt und unbedeutend.
Schlußfolgerung für mich persönlich: Ich schreibe nicht für unaufmerksame Leser. Das ist aber, was jeder Autor für sich selbst wissen muß. Um bei meinem Beispiel mit dem Zugfreund von oben zu bleiben: Nachdem ich für ihn eine spezielle Version angefertigt hatte, in der ich die beiden neuhinzugekommenen Figuren dauernd ( = übertrieben oft) mit subjektiven Adjektiven beschrieb, und auch deren Freundschaft zueinander explizit getellt habe, war für ihn der Text »voller menschlicher Wärme«. Ich fand ihn hingegen so schrecklich, daß ich ihn gelöscht habe (an der Stelle verweise ich wieder auf die Zielgruppe ;)).*
2. Schaffen einer statischen Atmosphäre, Textverlangsamung. Und Dinge, die man nicht aus der Nähe beschreiben sollte / will, zu abstrahieren (im übertragenen Sinn mit der Kamera herauszoomen).
3. Wörtliche Rede / Erzählung authentisch machen.

* = An besagten ersten Punkt schließt wieder das oben kritisierte Beispiel an: Der unaufmerksame Leser hätte das Tell verstanden, das Show jedoch nicht. Zumindest nicht, wenn es alleine gestanden hätte. Man kann natürlich mit Tell keine ganzen Geschichten erzählen (das Ergebnis wäre eine Zusammenfassung), aber man kann Dinge betonen. Ob man das tut, hängt wieder von der eigenen Autorenintention ab. Darauf wollte ich hinaus, daran, daß selbst das SHOW wesentlich besser ist, habe ich nicht gezweifelt. Es sei denn, es kommen die kognitiven Geizhälse als Zielgruppe infrage.
Hingegen dienen Adjektive in Punkt 2 wieder anderen Dingen und in 3 nochmal anderen. Das halte ich für durchaus erwähnenswert.

 

@Sternenkratzer:
Jetzt verstehe ich, was dir nicht gefällt, es geht nicht um die pure Anzahl der Adjektive, sondern:

... ist sprachlicher Sinn etwas, dass ich - irgendwie dogmatisch - voraussetze.
Das ist meiner Meinung nach eben Geschmackssache. Vielleicht sollten wir ins Profil doch das Ziel des Autors aufnehmen: kurze, gefühlvolle Handlungen mit schönen Bildern malen versus action. Wenn gar keine Handlung mehr zu erkennen ist, gebe ich dir Recht, dann sollte die Geschichte hier gelöscht werden.

@Horni:

In erster Linie sollte jeder Autor die Geschichte schreiben, die er schreiben muss - weil sie raus will.
:thumbsup: Das passende Publikum findet sich dann schon oder eben nicht.

@bg:

Bei Kritikern ist es genau andersherum: Sie wechseln das Genre und zerreissen fröhlich. Aus ihrer Sicht durchaus berechtigt - was aber, wenn der Autor gar nicht das schreiben wollte, was die Kritiker sich erhofft haben?
:thumbsup:
Deine drei Punkte eben hast du gut zusammengefasst, aber könntest du dich bitte etwas kürzer fassen? ;)

@relysium:

Aus der Sicht des Icherzählers oder eines Prot. ist das Verwenden subjektiver Adjektive legitim.
:thumbsup:
Genau! Ich habe versucht, das Beispiel aus dem Heft umzuschreiben und habe mir fast die Zähne ausgebissen, bis mir aufging, warum das so schwer ist. Hier noch einmal das Beispiel:
Maria lächelte noch einmal besonders freundlich und ging mit beschwingten Schritten hinaus. Ihr hübsches Sommerkleid mit den frechen Punkten wippte dabei um ihre schlanken Beine. Thorsten sah ihr fasziniert nach. Hoffentlich ergab sich eine Gelegenheit, sie bald wiederzusehen!
Hier haben wir einen abrupten Perspektivwechsel, vorher und hinterher wird aus der Sicht der Frau geschrieben. Für wen ist das Kleid nun hübsch?
Ich behaupte hier mal, dass gute Literatur dem Leser ermöglicht, sich in neue Personen hinein zu versetzen, zu erkennen, warum für den einen ein Kleid z. B. hübsch ist, für den anderen eben nicht. Und der Leser hat die Freiheit selbst zu entscheiden. Trivialliteratur wiederholt nur Klischees (siehe mein Lexikonzitat #215). Es wird also in diesem Beispiel unterstellt, dass es objektive Kriterien für "hübsche Kleider" gibt.
(Falls mich wieder jemand mit Trockenfrüchten bewerfen sollte: Das ist nur ein Beispiel, vielleicht zur Verdeutlichung überspitzt! ;))
viele liebe Grüße
tamara

 

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