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Wein zum Essen
»Holst du noch was fürs Wochenende?«, fragt Monika, während sie den Esstisch abwischt. »Übrigens kommen morgen Judith und Clemens zum Essen, da mach ich einen guten Rindsbraten mit Kroketten und Rotkraut.«
Manfred streicht eine Haarsträhne aus dem Gesicht seiner Frau und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. »Mal sehen, ob ich was Gutes bekomme. Ich schau vielleicht am besten zu Tina«, schlägt er vor, tauscht seinen Jogging-Anzug gegen Pullover, Latz-Jean und Jacke, und verabschiedet sich. »Bis später, mein Schatz.«
Manfred stellt sein Auto zwei Gassen vom Café »Tinas Corner« entfernt ab. Er geht erst an dem Lokal vorbei und wirft einen prüfenden Blick hinein. Nach einer Runde um den Häuserblock tritt er ein, mustert die drei Gäste an den Tischen und begrüßt dann Tina, die hinter der Kaffeemaschine hervorlugt. Robert und Karl, die gelangweilt an der Bar sitzen, Tee trinken und dazu gemeinsam einen Joint rauchen, begrüßt er per Handschlag.
»Na, is nix los?«, fragt er die drei.
Robert verdreht seine Augen als wolle er rückwärts schauen und murmelt: »Wenn der hinten vom Flipper verschwindet, gehts wieder.« Dann bietet er auch Manfred höflicherweise den Joint an. »Danke, aber du weißt ja, dass ich nicht rauche.«
»Na komm, ein Zug schadet doch nicht.« Manfred tut, als hätte er es gar nicht gehört, er ärgert sich nicht mehr über den gesellschaftlichen Zwang zum Rauchen, dem er als Nichtraucher Tag für Tag begegnet.
Wie selbstverständlich reicht Tina Manfred ein Glas Apfelsaft: »Nicht zu kalt, wie du es gerne hast.«
Manfred lächelt sie an. »Danke, Tina. Siehst du, das schätze ich hier so: Dass du dir die Gewohnheiten der Stammgäste merkst. Das ist nämlich heutzutage gar nicht mehr überall so üblich.«
Tina weiß gar nicht, was sie auf so viel Lob sagen soll, doch Robert hilft ihr mit einem netten Grinsen aus der Verlegenheit: »Geh, Tina, machst du die Musik ein bisserl lauter?« Im selben Augenblick dröhnt »Hocus Pocus« von Focus in voller Lautstärke aus den Boxen, die irgendwo hinter den stets geschlossenen Vorhängen stehen. Manchen Gästen wird überhaupt erst bewusst, dass das Lokal auch Fenster hat, wenn sie außen dran vorbeigehen.
»Alles okay bei dir, Robert?«, erkundigt sich Manfred.
»Es könnte besser gehen, aber was solls … Wie geht´s übrigens Monika? Hat sie schon wieder eine Stelle gefunden?«
»Nein. Seit sie diese blöde Vorstrafe hat, findet sie nichts mehr. Keine Firma will eine Vorbestrafte aufnehmen. Dabei war das, was sie bei ihr gefunden haben, doch bloß für den Eigenverbrauch.«
»Scheiße sowas. Manche werden nur verurteilt, um die anderen einzuschüchtern. Die wissen gar nicht, was sie damit anrichten. Wie viele Existenzen damit sinnlos zerstört werden.«
»Du sagst es. Dabei könnten sie den ganzen Staat damit sanieren, wenn sie es geschickt anstellen.«
Karl schüttelt energisch den Kopf. »Und ich als Türlsteher bin dann arbeitslos. Nein, das könnt ihr nicht machen!«
. »Wir«, Robert klopft ihm auf die Schulter, »übernehmen dann einen stillgelegten Bauernhof, wo das Zeug gut wächst, und du arbeitest auf dem Feld. Ich lass dich doch nicht hängen. Aber solange wir diese Regierung haben, ist daran ohnehin nicht zu denken.«
»Ich schau mir den Typen mal an«, beschließt Manfred, läßt sich von Tina zwei Euros geben, grinst sie an und geht in den hinteren Teil des Lokals.
Kurz mustert Manfred den auffällig gekleideten Mann, der wie wild auf den Flipperknöpfen herumdrückt. Er trägt eine braune Lederhose mit seitlicher Zick-Zack-Schnürung, sowie eine dazupassende Jacke, beides noch so neu, dass Manfred die Frische der Tierhaut trotz des im Raum stehenden kalten Rauchs noch riecht. Dazu hat er besonders hohe, spitze Cowboy-Stiefel an den Füßen, ebenfalls wie gerade erst gekauft. Seine Brust ist geziert von einem aus dünnen Metallrohren geschweißten Peace-Zeichen, das an einer Lederschnur baumelt. Die nackenlangen braunen Haare sind von einem perlenverzierten Stirnband umgeben und an einer Lederschnur um den Hals hängt ein Cowboy-Hut auf seinem Rücken.
Während Manfred sein Glas auf den Tisch neben dem Flipper stellt, sagt er: »Nächste Partie spiel ich mit, hast eh nix dagegen, oder?« Er muß innerlich grinsen, als er sieht, wie viele Münzen sich der Mann am unteren Rand des Flippers bereitgelegt hat. Ein Blick auf den Spielstand bestätigt ihm seine Vermutung. In allen vier Zahlenfeldern sind die Punkte weit vom Freispiel entfernt. Nach der letzten Kugel bekommt der Mann einen aufgeregten Blick und wartet auf die Endzahl, die ihm noch ein Glücks-Freispiel hätte einbringen können. Aber er hat Pech.
Dann endlich beginnt das Spiel von vorne und Manfred schießt die erste Kugel aus. Sein Spielpartner war bisher nicht sehr gesprächig, doch nun, da Manfred an der Reihe ist, versucht er es zaghaft. »Bist du öfter hier?«
»Ja«, antwortet Manfred, zugleich die Kugel souverän in einem Zehntausenderloch versenkend. »Ich komm gern zum Spielen her.«
»Man merkt, dass du nicht zum ersten Mal auf diesem Flipper spielst.«
»Du bist aber ein Blitzgneißer«, antwortet Manfred zwinkernd.
»Ich spiel nur ganz selten«, erwidert der in Leder gekleidete Mann.
»Und dann gleich um so viel Geld?«, fragt Manfred neugierig – von einem lauten Knall begleitet, bei dem der »Cowboy« zusammenzuckt – und setzt daraufhin mit gespielt ungläubiger Betonung nach: »Was ist, hast du noch nie erlebt, wie sich ein Freispiel anhört?«
»Zumindest noch nie bei der ersten Kugel«, staunt der Ledermann.
»Naja, immer gehts bei mir auch nicht so gut. Ist halt doch Glückssache.«
Der Mann beugt sich näher zu Manfred und flüstert: »Kann ich dich was fragen?«
»Nur zu, schieß los!«
»Weißt du vielleicht, wo ich hier ein paar Promille krieg? Ich hab gehört, hier kann man was kaufen.«
Manfred schaut ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Bitte was?«
»Na du weißt schon, Bier, Wein, Schnaps, ganz egal. Hauptsache, Promille.«
»Nein, ich hab davon hier noch nie was gehört… Das kann ich gar nicht glauben. Wo erzählt man sich denn so etwas?«, tut Manfred entgeistert und zur Erleichterung seines Gegners fällt die Kugel endlich kerzengerade zwischen den beiden Flippern durch, womit der Ledermann der Frage elegant ausweichen kann, denn er muss sich wieder absolut auf das runde Metall konzentrieren, das er nun wieder über die schräge bunte Fläche kullern lässt. Aber nach einem Schluck von seinem Apfelsaft ist Manfred schon wieder an der Reihe und schafft die nächsten beiden Freispiele. Siebenundzwanzig Minuten hat er die Kugel, bevor sie endlich über die linke seitliche Bahn entwischt, doch er kann dem Mann trotz gezielter Fragen die Küche dieses »Gerüchtes« nicht entlocken, der nach Ende des Spiels seine am Flipper abgelegten Münzen eilig wieder einsammelt und sich verabschiedet.
Manfred trinkt seinen Apfelsaft aus, lässt seine Freispiele Freispiele sein und gesellt sich wieder zu den anderen an der Bar. In der Zwischenzeit hat sich das Lokal etwas gefüllt. Am Billardtisch stehen zwei Pärchen, die sich zwischen den Stößen einen dicken Joint immer wieder über dem grünen Tisch weitergeben. Tina ermahnt sie, Acht zu geben, dass keine Asche oder gar Glut auf den Filzbelag fällt. An einem kleinen Tisch beim Fenster würfelpokern zwei rund dreißigjährige Männer und an einem weiteren Tisch sitzen zwei Männer und eine Frau, die synchron mit starrem Blick in Roberts Richtung schauen. Alle Anwesenden sind nicht zum ersten Mal hier – man kennt sich.
Robert klopft Manfred auf die Schulter. »Gute Arbeit, Manfred, den hast du ja schön verjagt. Was willst du trinken?«
»Oh, danke, du zahlst? Ich glaub, jetzt ist mal Zeit für einen Kaffee«, antwortet Manfred. »Tina, eine Melange, bitte.«
»Geht auf mich«, ruft Robert Tina zu. Manfred bedankt sich und Tina fragt:
»Und, glaubst auch, dass der Cowboy ein Ziviler war?«, dabei deutet sie mit dem Kopf Richtung Tür, durch die der Mann das Lokal verlassen hat.
Manfred antwortet: »Das war hundertprozentig ein Bulle, so wie der mich auszufragen begonnen hat. Außerdem waren seine Finger viel zu fein, für das, was er darstellen wollte.«
»Und dann erst der nagelneue Lederdress, also wenn das nicht auffällt …«, steuert Tina zur Übereinstimmung bei. Noch bevor es in Gelächter ausartet, schaut Robert auf die Uhr und fordert Karl auf: »Na dann, gehen wir´s an.«
Karl beginnt seine Arbeit, mit der er sich zu seiner langjährigen Arbeitslosigkeit etwas dazuverdient. Er geht vors Lokal und hält Ausschau in alle Richtungen, kommt wieder und nickt Robert zu. Dieser nimmt eine Sporttasche, die bislang scheinbar herrenlos bei einem der Tische stand, und begibt sich damit auf die Toilette. Sämtliche Augenpaare im Lokal sind auf ihn gerichtet, sich davon überzeugend, dass er auch wirklich hinter der Türe des WCs verschwindet.
Langsam wird der Würfelbecher abgestellt, die Kös werden beiseite gelehnt, Joints einfach in den Aschenbecher gelegt oder gleich ausgedämpft. Binnen zwei Minuten sind fast alle Gäste des Lokales hintereinander vor der Klotür aufgereiht. Auch Manfred.
Karl geht, mit einem Joint in der Hand, immer wieder vors Lokal und blickt um sich, als würde er einen Freund erwarten. Dann setzt er sich zurück an die Bar und starrt in den Spiegel, über den er die Eingangstüre gut im Blick hat. Würde jemand Unbekannter oder uniformierte Polizei das Lokal betreten, hätte er die Aufgabe, einen Knopf unter der Bar zu drücken, der einen Lichtalarm am WC auslöst.
Robert läßt den ersten Wartenden eintreten, der kurz darauf die Toilette wieder mit geschlossener Jacke verläßt. Der nächste betritt den Raum. Alle scheinen glücklich wieder herauszukommen und alle haben geschlossene, gut ausgefüllte Jacken oder prall gefüllte Handtaschen. Die meisten bezahlen anschließend ihre Getränke bei Tina und verlassen das Lokal – unauffällig, im Zwei-Minuten-Takt.
Als alle weg sind, verlässt auch Robert wieder die Toilette, mit einer sichtbar leichter gewordenen Tasche. Hinter der Bar zählt er ein Häuflein Euro-Scheine, gibt einen Fünfziger Tina, einen Karl, und sagt zu Manfred: »Ich hab da ein kleines Fläschchen Rum. Wenn du was davon willst, dann trink noch einen Tee und ich leer dir was rein.«
Manfred verzieht das Gesicht und schüttelt sich demonstrativ. Dann sagt er leise zu Robert: »Du solltest auch aufhören mit dem Scheiß. War das nicht früher auch mal deine Devise: keine harten Sachen? Cool drauf sein wollten wir, aber das Zeug ist ziemlich uncool. Denk mal nach, Alter.«
»Hast ja irgendwie Recht«, antwortet Robert und holt tief Luft, »aber wenn du ständig mit anderen Dealern zusammenkommst, kannst du nicht leicht nein sagen.«
»Siehst du, wieder eine Folge der Illegalität. Sonst würdest du mit so was gar nicht in Kontakt kommen.«
Manfreds Handy läutet. »Es hat sich nur ein bisserl verzögert, Schatz, ich bin schon beim Gehen. … Ja, ein Packerl Gras aus dem Automaten bring ich dir mit. Bis gleich!« Nachdem er bezahlt hat, verabschiedet er sich von Robert mit einem Schlag auf den Rücken und den Worten »Cool bleiben, Alter!«, schaut mit zum Gruß erhobener Hand einmal in der Runde und geht.
Am Weg zu seinem Auto hat er ein mulmiges Gefühl. Immer wieder kommt es vor, dass Gäste des Lokales auf der Straße einer Leibesvisitation unterzogen werden. Aber er kommt gut bei seinem Fahrzeug an und ist kurz darauf wieder bei Monika.
»Da bist du ja endlich wieder, Mandi!«, begrüßt sie ihn freudig und umarmt ihn, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. »Ich hatte jetzt schon Angst um dich …«
Manfred drückt sie fest an sich. »Schatz, du sollst dir doch keine Gedanken machen. Ich pass schon auf.«
»Und, hast du was bekommen?«, will Monika gleich danach wissen.
»Ja«, antwortet er, und öffnet seine Jacke, nimmt je eine grüne Plastikflasche aus den beiden Innentaschen der Jacke und zieht zwei unter seinem Latz hervor. »Ein Bier machen wir jetzt gleich auf, der Wein ist für morgen zum Essen.«
Monika freut sich, holt die eben frisch gemachten Pop-Corn aus der Küche und setzt sich zu Manfred ins Wohnzimmer, der bereits das Bier in zwei Gläser aufteilt und eines davon Monika reicht. Mit »Prost« und »Auf uns!« stoßen sie an und trinken genüsslich den ersten Schluck seit einer Woche.
»Spielts was im Fernsehen?«, fragt Manfred und nimmt das Programmheft zur Hand. »Ach, alles schon vorbei, was interessant gewesen wäre …«
»Ja, wenn du so spät kommst, ist alles schon vorbei. Ich bin allerdings noch nicht vorbei.« Sie schenkt ihm ein Lächeln.
»Wenn das Bier legal wäre, hätte ich es auch schon beim Einkaufen am Nachmittag aus dem Supermarkt mitgenommen«, regt Manfred sich auf. »Eigentlich ist das ja ein Witz, daß wir so an den Rand gedrängt werden, während sich jeder Joint-Raucher Gras und Shit im Supermarkt kaufen kann.«
Monika seufzt. »Heute bist du aber wieder sehr kritisch unterwegs, Mandi.«
»Verzeih, mein Schatz. Aber weißt du, als ich diese Woche den tollen Geschäftsabschluss zustande brachte, wollte ich gern nach dem zweistündigen Essen einen Schluck Rotwein, nur so für die Verdauung, während die anderen schon mit der dritten Wasserpfeife darauf anblubberten, um gebührend zu feiern. Zufällig hatte ich noch ein kleines Fläschchen bei mir und ging damit aufs Klo. Und als ich dann da so in der kleinen Kabine stand und möglichst lautlos langsam Schluck für Schluck trank, da wurde mir das so richtig bewusst.«
»Äh, was wurde dir bewusst? Wie laut sich das Schlucken anhört?«
»Wie unfair das alles ist. Jeder darf seinen Joint rauchen, wo und wann er will, der Staat kassiert noch fleißig, und wenn ich einen Schluck Wein oder Bier trinken will, dann muss ich mich verstecken, statt es gemütlich bei den anderen zu trinken … Ach, ich reg mich zu sehr auf. Es ist nur: Ich will mich ja nicht ständig ausschließen, aber dieses Verbot zwingt mich dazu.«
»So«, Monika legt ihren Finger auf Manfreds Lippen und lächelt ihn an. »Und jetzt machen wir uns einen gemütlichen Abend, ja?«
»Weißt du eigentlich, dass man überall dort, wo jetzt der Hanf wächst, auch Wein anbauen kann?«
»Schatz …«, sagt sie gedehnt, während sie sich zu ihm dreht, ihre Arme um seinen Hals schlingt und sich auf seinen Schoß setzt.
Es ist Samstag Mittag und der Braten gerade fertig, als wie erwartet Judith und Clemens an der Tür klingeln. Wenig später sitzen die vier Freunde vor dem guten Essen. Manfred holt die schönen Weingläser, sowie eine der Plastikflaschen. Mit dem Hinweis, dass es sich um italienischen Wein handle, schenkt er die rote Flüssigkeit ein. Er setzt sich wieder und alle prosten sich zu, machen den ersten Schluck und beginnen, während des Essens einen gemeinsamen Urlaub auf einem Hausboot zu besprechen.
Da läutet es nochmals an der Tür.
»Erwartet ihr noch jemanden?«, fragt Clemens.
»Eigentlich nicht. Ich schau mal nach.« Manfreds Stimme klingt unsicher. Er geht möglichst leise zur Tür und schaut durch den Spion. Er kennt die Männer nicht, aber er erkennt sie, weshalb ihm der Schreck kalt in die Glieder fährt. Ein Pumpern von draußen.
»Machen Sie auf, wir wissen, dass Sie zuhause sind!« Noch ein kräftiges Klopfen an der Tür, nur wenig lauter als Manfreds Herzschlag. Er geht ebenso leise wieder ins Zimmer zurück.
»Polizei ist draußen!«, teilt er den anderen leise mit. Nach einer Schrecksekunde nimmt Monika die Gläser, schüttet alles ins Waschbecken und lässt Wasser nachlaufen. Der Weingeruch steht verräterisch in der Luft.
Die geöffnete Flasche versteckt Judith im Mistkübel und drapiert eine zerknüllte Zeitung darüber. Manfred bleibt nichts anderes übrig, als zu öffnen, da die Männer nun schon so heftig pochen, dass die Tür beinahe von selbst aufspringt. Monika und Judith rauchen sich schnell je einen Joint an, um den Alkoholgeruch zu übertönen.
Die drei Beamten in Zivil weisen sich aus und treten ein. »Wir müssen eine Hausdurchsuchung machen. Geben Sie freiwillig heraus, was sie haben, dann bringt Ihnen das mildernde Umstände.«
»Was meinen Sie?« Manfred ist sich sicher, dass er die beiden vollen Flaschen gut versteckt hat.
»Schauen Sie, wenn Sie auch alles abstreiten, wir wissen, dass Sie Alkohol im Haus haben und wir werden ihn finden.«
»Woher haben Sie solche Gerüchte?«, erkundigt sich Manfred.
Der Beamte grinst. »Hellsehen.«
Manfred gibt sich eingeschüchtert. »Nur hin und wieder trink ich was, Herr Inspektor, ehrlich. Ganz heimlich und alleine. Meine Freunde hier wissen nicht einmal etwas davon.«
»Und das sollen wir Ihnen glauben?« Seine Kollegen schickt er ins Wohn- und ins Schlafzimmer, während er selbst in die Küche geht. »Machen wir einmal den Geschirrspüler auf … Na, und was haben wir da? Vier Weingläser.« Mit einem Grinsen in Richtung Monika setzt er noch hinzu: »Spülen Sie immer alles so fleißig vor?« Monika wird rot im Gesicht und der Beamte bestätigt sich selbst: »Na bitte.«
»Ich …«, stammelt Monika nur.
»Und wo werden wir denn die leere Flasche hingegeben haben, hm? In den Mistkübel?« Er zieht die halbvolle Flasche mit selbstzufriedenem Blick heraus. »Ah, da haben wir ja, was wir suchen. Und es ist sogar noch was drin, haben wir Euch etwa gerade gestört?«
»Hier ist was, Chef!«, freut sich der Beamte, der gerade mit den restlichen zwei Flaschen, eine mit Bier, eine mit Wein befüllt, in die Küche kommt.
»Das ist alles von mir«, behauptet Monika, als ihr bewusst wird, dass Manfred seine Arbeit verlieren würde.
»Das könnt Ihr uns dann alles beim Verhör erzählen.« Der Beamte funkt um Verstärkung, damit alle vier zum Kommissariat chauffiert werden können.
Manfred beginnt, sich aufzuregen: »Aber das darf doch alles nicht wahr sein – wegen ein bisschen Wein so einen Aufwand zu treiben, während richtige Verbrecher draußen frei herumlaufen! Wir haben unsere Freunde doch bloß zum Essen eingeladen …«
»Und zum Trinken von Alkohol verführt. Wenn Sie jetzt nicht den Mund halten, schreib ich die Anzeige auf Weitergabe und muss Sie vorläufig festnehmen. Wenn Sie kooperativ sind, können Sie in einer Stunde wieder nach Hause. Dann werden Sie nur als Zeuge geladen, wenn Ihr Dealer sich vor Gericht zu verantworten hat.«
Clemens versucht noch, sich dagegen zu wehren, dass er und Judith ebenfalls mitkommen müssen, aber es hilft nichts. Wenig später sitzen sie, aufgeteilt auf vier Räume, beim Verhör.
Nach rund einer Stunde können sie alle wieder gehen, weil Manfred und Monika kooperativ genug waren. Sie haben gleich zwei verschiedene Dealer angegeben, weil ja keiner wusste, was der andere sagen würde.
»Eine Übernahmebestätigung kriegen Sie noch, auf der wir die konfiszierten Alkoholika bestätigen, warten Sie noch kurz«, meint einer der Beamten, worauf ein zweiter grinst und sagt: »Lass mich das schreiben …«
Manfred nimmt die Bestätigung entgegen, steckt sie ein, und zu viert verlassen sie das Gebäude.
Bei der Busstation meint Monika: »Lass mal schauen, was da draufsteht.« Manfred gibt ihr den Zettel. Sie liest erst leise, lacht und liest dann laut vor: »Beschlagnahmt: eine Flasche Bier und zwei leere Weinflaschen …«