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Wie es dazu kam, daß Bronko mir die Fresse polierte
"Du hast dir also eine Ananas komplett in den Mund gesteckt?"
"Ich hab es versucht, ja."
"Warum um alles in der Welt sollte man sowas versuchen?"
"Ich wollte mal sehen, ob es geht."
"Und?"
"Nein."
Das ist jetzt etwa zwei Wochen her.
Um die Ereignisse, die zwischen diesem Ananasvorfall und unserer jetzigen Begegnung mit niemand geringerem als Walther Gruber persönlich kurz zusammenzufassen, sei nur soviel gesagt: Kurt, mein Kumpel mit dem kurzzeitig ausgerenkten Kiefer, war wegen ebendiesem zum Arzt gegangen, wo er im Wartezimmer einen Blick auf das Goldene Blatt geworfen hatte, jener Zeitschrift, in welcher direkt neben dem Artikel über die neue Haarfarbe von Uschi Glas (grau) eine Anzeige des Großen Eduardos geschaltet war, der versprach, jede Frau dazu zu bringen, sich auf der Stelle willenlos in seinen Klienten zu verlieben, was wiederum Kurt dazu veranlasste, selbiges mit der feurigen Eva Gruber, geborene Conchita Corleone und ihres Zeichens Ehefrau des mächtigsten Drogenbarons der Stadt zu probieren, weshalb er und ich nun in dessen Keller sitzen und ich aus der Nase blute.
"Was habt ihr zwei mit meiner Frau gemacht?", herrscht der bullige Mittvierziger mich an, während sein leicht schmächtiger, aber dafür ziemlich kräftiger Schläger genau das tut, wofür er gemäß Berufsbezeichnung bezahlt wird.
"Nichts", blute ich auf den Boden. Kurt kann nicht antworten, denn er hat einen Tennisball im Mund. Diesmal unabsichtlich.
"Seit ihr beide meinen Pool reinigt, ist meine Eva nicht mehr wiederzuerkennen. Sie hängt nur noch an deinem Freund hier. Und, alles was Recht ist, ein Frauenschwarm sieht anders aus."
"Das kannst du laut sagen." Ich weiche Kurts hasserfülltem Blick aus und beobachte das filigrane Muster meiner Blutspritzer.
"Also müsst ihr sie irgendwie verhext haben."
"Nee. Also, ich meine... Autsch, das tut verdammt weh!"
"Ja, das liegt an meinem neuen Schlagring", sagt der Schlägertyp stolz und hält mir das glänzende Ding unter die Nase. "Der ist oben ganz geriffelt, das tut total weh."
"Ja, toll. Aber du musst wissen, daß es total dämlich ist, jemanden zu schlagen, der gerade reden wollte. Wobei es eigentlich schon von vornherein irgendwie nicht für übergroße Schläue spricht, von zwei Geiseln die einzige zu knebeln, die zu dem Thema etwas sagen könnte und die andere, mich, auszuquetschen, wobei doch offensichtlich ist, daß ich nichts mit der Sache zu tun haben kann, weil Ihre Frau sich sonst ja wohl sicher kaum mit Kurt vergnügen würde, oder?"
"Willst du mir jetzt hier meinen Job erklären?", mischt sich Walther Gruber ungefragt ein.
"Nee... also, ja. Aber nur, weil ich Recht habe. Woher soll ich denn wissen, warum Kurt mit Ihrer Frau... nicht wahr?"
"Ja, da ist was dran", grummelt Walther Gruber. "Luigi, entknebel diese Ratte. Und steck den Ball dem Andern ins Maul."
"Ich nehme an", sage ich, "daß die Ratte Kurt ist und der Andere ich, oder?"
"Ganz genau."
"Kann Luigi dann den Ball wenigstens vorher kurz reini..." Nein, kann Luigi nicht.
...
"Weißt du, was das Schlimmste an der Sache ist?"
"Das kalte Wasser, in das wir gleich geworfen werden?"
"Nee... also, ja, das ist schon ziemlich schlimm. Aber nicht das Schlimmste."
"Die Piranhas, die da in dem erwähnten kalten Wasser schwimmen?"
"Nee."
"Die Betonklötze an unseren Füßen?"
"Schon näher dran. Aber falsch."
"Der Knüppel in Luigis Hand, mit dem er uns vorher die Arme brechen will?"
"Nur weiter..."
"Ich geb auf. Was kann schlimmer sein, als mit Betonschuhen in einen eiskalten Tümpel voller Piranhas geworfen zu werden, nachdem einem von einem geisteskranken Irren die Arme gebrochen wurden?"
"Mein Sack juckt."
"Oh. Verstehe."
Das war nämlich so: Wir, also Kurt und ich, hatten mit Walther Gruber einen Deal geschlossen. Damals in dem Keller, während ich den Tennisball im Mund hatte.
Wir sollten für ihn von irgendeinem Italiener Schutzgeld eintreiben - anscheinend verdient man als Drogenbaron nicht mehr allzu gut in diesen Tagen, so dass der feine Herr Gruber sich nach neuen Betätigungsfeldern umgesehen hat - und dafür würde er sich damit begnügen, mir nur die Nase zu brechen und Kurt mit einem Lötkolben die Initialen aufs Gemächt zu schreiben. Damit wären wir dann quitt wegen der Sache mit seiner Frau und er würde uns am Leben lassen, sagte er. Fand ich durchaus fair, obwohl ich ja eigentlich mit der ganzen Sache gar nichts zu tun hatte. Aber was tut man nicht alles für einen Freund. Während ich also meine Nase hinhielt um noch einmal an Luigis wirklich formschönen Schlagring zu schnuppern, machte Walter Gruber schon mal den Lötkolben heiß.
Zwei Tage später stehen Kurt und ich vor dem Da Capo, eben jener Gastronomität, die, beziehungsweise deren Inhaber, unserem neuen besten Mafiafreund Geld schuldet. Da wir so etwas noch nie zuvor gemacht haben, sind wir natürlich entsprechend nervös. Zudem weitgehend unbewaffnet, mal von Kurts Taschenmesser mit Korkenzieher, Kompass, Nagelfeile, Minisäge und Lupe aus dem Yps-Heft und meiner Erbsenkanone selben Ursprungs abgesehen.
"Hast du einen Plan?"
"Natürlich nicht", sage ich. "Muss ich aber auch nicht. Während du gleich das Reden übernimmst, werde ich einfach stumm in der Ecke stehen und mir bei dem Versuch, eine bedrohliche Miene aufzusetzen, sämtliche Gesichtsmuskeln zerren."
"Warum muss ich reden?"
"Guckst du keine Filme? Es ist immer einer, der redet, während der andere stumm in der Ecke steht und sich die Eier schaukelt."
"Ja. Aber warum muss ich reden?"
"Weil das hier deine Nummer ist und du uns den Mist eingebrockt hast. Und außerdem kannst du dir in deinem gegenwärtigen Zustand nicht die Eier schaukeln."
"Erinner mich nicht daran. Immer wenn ich dran denke, fängt es an zu brennen."
"Denk an Schmetterlinge."
"Warum Schmetterlinge?"
"Was weiß ich... weil Schmetterlinge nicht brennen. Und jetzt lass uns reingehen."
Und dann gehen wir also rein. Kurt als erster, gefolgt von mir. Und, ich muss schon sagen, in unseren ultracoolen Armani-Anzügen und den schwarzen Sonnenbrillen sehen wir wirklich unverschämt mafiös aus. Gut, Kurts Hawaiihemd passt nicht so ganz zu seinem sonstigen Outfit, aber er geht vielleicht als Schläger durch, der extra wegen dieser Geschichte von seinem Boss aus dem Urlaub geholt wurde und deshalb noch mal extra angepisst ist. Unter Umständen und unter der richtigen Betrachtungsweise könnte das seine Gefährlichkeit noch mal unterstreichen.
"Darf ich Ihnen einen Tisch anbieten?" Alles, was recht ist, schnuckelige Kellnerinnen haben die. Gäste hingegen keine. Das ist gut, würde die Sache vielleicht etwas leichter machen. Sie hat eine entzückende Zahnlücke und zischt bei jedem S-Laut ein wenig. Das weiß ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, aber das sollte sich sofort ändern.
"Das hier ist ein sehr schöner Tisch mit Ausblick auf die Straße", sagt sie nämlich als nächstes. Kurt und ich setzen uns, er lässt sich die Weinkarte geben und ich gebe ihm ein unauffälliges Zeichen. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass er es nicht mitbekommen hat, gebe ich ein etwas auffälligeres Zeichen. Und als er auch das ignoriert, trete ich ihm auf den Fuß.
"Ey! Wer hat dir denn ins Gehirn gepullert?" Ja, er sagte wirklich gepullert. Peinlich. Die niedliche Kellnerin fängt an zu kichern und wird rot.
"Vielleicht dürfte ich dich daran erinnern, dass wir nicht zu einem romantischen Dinner hier sind, mein Freund."
"Was? Ach ja..." Er wendet sich weltmännisch an die außerordentlich attraktive Kellnerin. "Könnten mein Geschäftsfreund und ich bitte den Chef Ihres Etablissements sprechen? Es geht um etwas Geschäftliches. Wir sind Geschäftsmänner."
"Und geschäftlich unterwegs", füge ich hinzu. Nur, um sicher zu gehen. Aber die über alle Maßen reizende Kellnerin scheint nicht zu verstehen. Erst, als ich so tue, als würde ich in der Innentasche meiner Jacke etwas suchen und dabei bewusst unauffällig meine Erbsenkanone aufblitzen lasse, huscht ein Schleier des Verständnisses über ihr schönes Gesicht.
"Sofort."
"Und ein Glas Ihres besten Weines bitte."
"Wer ist Walther Gruber?", fragt ein sichtlich uneingeschüchterter Geschäftsführer wenige Minuten später.
"Das ist der Mann, der Ihre Sicherheit garantiert."
"Nein... nein, da muss eine Verwechselung vorliegen. Meine Sicherheit wird von Bronko gewährleistet. Der hat sieben Jahre Thai-Boxen gemacht, bis er gemerkt hat, dass es viel effektiver ist, seinem Gegner einfach in die Eier zu treten und dann die Augen aus den Höhlen zu quetschen. Wegen Bronko musste ich damals extra meine Tür verbreitern, weil er vorher nur quer durchgepasst hat. Kann sein, dass Sie ihn nicht gesehen haben, denn er macht gerade Mittag."
"Bronko?", fragt Kurt.
"Augen quetschen?", frage ich, kurz aus meiner Rolle als aggressiv aussehender Schlägertyp fallend.
"Mir wurde gesagt" fährt Kurt fort, während ich mit meinen Augen das Lokal mustere und irgendetwas Kleines und Rundes suche, das ich als Munition für meine Erbsenkanone benutzen könnte, "dass Sie Walther Gruber Geld schulden. Das bedeutet Sie schulden uns Geld... also, ihm und mir."
"Kann schon sein. Warum besprechen Sie die Angelegenheit nicht mit meinem Mitarbeiter?"
"Welcher Mitar... ach so... Bronko. Nein... nein, wir würden lieber mit Ihnen sprechen."
"Aber mein Mitarbeiter ist geschult in dieser Art Diskussionen. Ich bin nur so eine Art Koch, wissen Sie?" Mit seinem Grinsen hätte man ganze Elefanten verstecken können, so aufgesetzt ist es.
"Mach doch mal irgendwas kaputt", zischt Kurt mir zu. Ich zucke hilflos die Schultern, um ihm zu signalisieren, dass ich keine Munition habe, er versteht es miss, denkt vermutlich, ich würde nach einem Ziel suchen und deutet auf eine zerbrechlich aussehende Vase auf einem der Tische. Ich grummele irgendwas selbst für mich Unverständliches und werfe die Vase um.
"Sehen Sie, was passiert, wenn man sich nicht um Schutz kümmert?", fragt Kurt.
"Ihr debiler Begleiter verschüttet Blumenwasser?"
"Mein debiler Begleiter verschüttet Blumenwasser. Ganz genau. Solche Unfälle passieren nun mal. Sehen Sie, wir könnten Ihnen den Schutz bieten, den solch ein Lokal benötigt. Wäre doch schade, wenn, sagen wir, einfach so von selbst der Salzstreuer umfallen würde, oder?" Er gibt mir ein Zeichen und ich, inzwischen geschult in diesen Dingen, werfe den Salzstreuer um. Schöne Sauerei.
"Ja, das wäre schade", sagt der Geschäftsführer und sieht zur Tür, die sich in diesem Moment bedrohlich verdunkelt. Erst denke ich an eine plötzliche Gewitterfront, doch dann fällt mir wieder ein, dass dieses Lokal seine ganz eigene Gewitterfront hat.
"Bevor Bronko die Sache jetzt mit uns... ausdiskutiert", beginne ich, "könnte ich da bitte ein paar Erbsen bekommen?"
...
"Kannst ja Luigi fragen, ob er dir helfen kann."
"Meinst du?"
"Klar, warum nicht. Er wird dann sicher von seinem schändlichen Tun ablassen und dir mit Freude den Sack kratzen."
"Verarscht du mich gerade?"
"Ich könnte ihn fragen, wenn du dich nicht traust."
"Ja, leck mich doch." Kurt versucht, seinen Kopf demonstrativ wegzudrehen, verliert dabei das Gleichgewicht und kippt mitsamt den Betonschuhen um. Nicht ins Wasser zwar, aber ich bin sicher, dass es ihm trotzdem hinterher Leid getan hat, sich mir gegenüber so zu verhalten.
"Nur, um noch einmal all eure Verfehlungen durchzugehen", beginnt Walther Gruber. "Erst schlaft ihr mit meiner Frau."
"Eigentlich nur er", sage ich.
"Dann reinigt ihr meinen Pool nur oberflächlich."
"Kurt hat reingepinkelt."
"Dann bin ich so gnädig und lasse euch am Leben, damit ihr mir bei einem meiner Geschäfte helft und ihr vermasselt es."
"Eigentlich hat nur... ich meine, ich habe immerhin ganz böse den Salzstreuer umgeworfen."
"Luigi? Ich habe leider keine Tennisbälle mehr. Aber wenn diese Sülznase mich noch einmal unterbricht, schlag ihn."
"Darf ich meinen Schlagring benutzen, Boss?"
"Natürlich, Luigi. Du warst brav in letzter Zeit, da sei dir das gestattet."
"Oh, toll!", strahlt der Schläger und klatscht in die Hände. Das Geräusch erinnert mich an den Aufprall Bronkos Argumente auf meinen Rippen wenige Stunden zuvor und ich zucke zusammen.
"Ihr wisst, welche Strafe auf solche Vergehen steht, oder?" Da ich ziemlich sicher bin, dass Gruber eine Antwort erwartet, ich diese angesichts Luigis angerautem Schlagring aber auf keinen Fall verbalisieren möchte, nicke ich kurz. Vermutlich Todesstrafe, denke ich. Oder eine Nacht in einem Spukhaus. Nein, doch Todesstrafe.
...
"Ich habs geschafft!"
"Was hast du geschafft?"
"Gestern Abend."
"Gut zu wissen, aber was?"
Hier ist, was passierte: Nachdem der brutale Luigi nicht widerstehen konnte, mir dennoch mit seinem Schlagring ins Gesicht zu schlagen, was zu meiner Überraschung nochmal deutlich mehr schmerzte, als beim ersten Mal, verlor auch ich das Gleichgewicht und schlug lang auf den Boden. Und ja, auch das schmerzte. Tierisch sogar.
Und wie wir so dalagen, hilflos, wie zwei unförmige Delphine an Land, bekam Walther Gruber einen Moment lang Mitleid. Es war nur ein kleiner Moment, aber er reichte, um Kurt Gelegenheit zu geben, sich die Handfesseln aufzubrennen.
Sein Fall war nämlich keineswegs unbeabsichtigt gewesen - oder vermutlich war er es doch, aber das Schicksal ist manchmal ein Eichhörnchen - sondern er landete genau auf seinem Taschenmesser, das ihm bei der gleichen Bewegung aus der Tasche seines Hawaiihemdes gefallen war und nun mit der Lupe die Sonnenstrahlen fokussierte. Danach war es ein leichtes, die beiden Mafiosi mit meiner Erbsenkanone in Schach zu halten und sich aus den Betonschuhen zu sägen. Wenn Yps ein Taschenmesser mit Allzwecksäge herstellt, dann ist das auch für alle Zwecke. Punkt.
Danach haben wir uns ein paar Mal auf dem Heimweg verlaufen, weil der Kompass falsch geeicht war, aber schließlich kamen wir doch irgendwo an, wo es sicher war. Und von dort gingen wir dann nach Hause.
"Wie, was?"
"Naja, was hast du geschafft?"
"Ach so. Also, du erinnerst dich doch an die Ananas, die ich im Mund hatte."
"Nee, ich erinner mich daran, dass du eine in den Mund nehmen wolltest."
"Ja, und gestern habe ich es geschafft."
"Wahnsinn, Kurt. Wirklich..."
"Ja. Naja, ich hatte moralischen Beistand. Eva Gruber findet mein Intimbranding übrigens ziemlich hübsch."