Was ist neu

Witwer

Seniors
Beitritt
14.08.2012
Beiträge
2.274
Zuletzt bearbeitet:

Witwer

Liesi saust den Sandhügel hinauf und verschwindet in den Sträuchern, als er gerade mal den Teichgrund unter den Zehen spürt. Er kämpft sich die letzten Meter durchs Wasser, klettert das Ufer hoch und jagt hinter ihr her. Liesi flitzt durch den Wald, kurvt um die Bäume, dass Blätter und Rindenstücke nur so durch die Gegend fliegen, und er fühlt sich, als verfolgte er eine Antilope. Und keinen Augenblick kann die den Mund halten. Selbst jetzt, während sie rennt, kichert und quasselt sie in einem fort.
„… he, du Träumer, wo bleibst du denn, hast du dich verirrt? … Du willst Fußballer werden, du Schnecke? Hihi, Ich lach mich schief … ich hab schon geglaubt, du saufst mir ab im See … du lahme Ente, hihi …“
Und so weiter, so geht das ohne Pause. Wo nimmt die nur die Luft her, hat die überhaupt noch Zeit zum Atemholen? Er könnte sie manchmal erwürgen.
Er rennt wie ein Irrer und hat sie beinahe erwischt, da schlägt sie einen Haken und fegt durch ein Dickicht, als wäre das ein fadenscheiniger Vorhang, als wäre da gar nichts. Er lässt sich der Länge nach ins Gras plumpsen.
„Hast gewonnen, Liesi!“, ruft er und schnappt nach Luft.
Liesi taucht hinter einem Baum auf und grinst ihn an. Die feuchten Haare stehen ihr zu Berge, das ausgeleierte Badetrikot ist übersät mit Kletten und Brombeerranken. Wassertropfen zeichnen ein Muster in den Staub auf ihren Beinen und müssen da und dort einen frischen, rosigen Kratzer überqueren. Sie sieht aus wie eine Vogelscheuche, wie der leibhaftige Kobold aus einem Märchen.
„Ich geb‘ auf, Liesi.“
„Zwei zu null für mich, hihi.“
Sie lässt sich neben ihn fallen und tut dabei, als müsse sie nicht schnaufen, als wäre sie nicht genauso außer Atem wie er. So ein verrücktes Wiesel! Manchmal könnte er sie wirklich erwürgen.
„Da ist‘s so schön wie im richtigen Urwald“, flüstert sie.
„Das ist eh ein richtiger Urwald ... nur halt ohne Menschenfresser.“
Sie liegen nebeneinander auf dem Rücken, kneifen die Augen zusammen und schauen in das leuchtende Blätterdach. Was sehen sie dort oben? Papageien und Pfefferfresser mit riesigen Schnäbeln? Wirbeln Horden von schnatternden Klammeraffen durchs Geäst? Schnüffeln Tapire und Wasserschweine an ihren Fingern, schlängeln sich Anakondas über den Boden? Erstreckt sich der Dschungel endlos in alle Himmelsrichtungen?
„Wenn wir groß sind, fahren wir zum Amazonas, Franzl.“
„Wenn ich groß bin, werd‘ ich Traktoren reparieren wie der alte Horvath. So schaut’s aus.“
Liesi kichert. „Der Horvath ist plemplem, der hat zu mir gesagt, richtig schön ist‘s nur zu Hause. Der will ja nicht einmal über die Donau rüber in die Stadt, tut immer so, als wär‘ das eine Weltreise, der alte Depp.“
Sie dreht sich zu ihm und zupft Wasserlinsen aus seinen Haaren.
„Die Welt ist weit, die Welt ist bunt, die Welt ist groß und kugelrund …“, summt sie vor sich hin.
„Willst du wirklich nach Amerika, Liesi?“
„Nach Südamerika will ich und nach Grönland und nach Ägypten. Und nach Japan, nach Venedig, nach Sumatra, nach China, nach Ceylon, nach England, nach Paris, nach Feuerland, zum Kilimandscharo und zum Titicacasee, nach Madagaskar, nach Mexiko … überall will ich hin. Und Eisberge möchte ich sehen und die Pyramiden. Und Mammutbäume. Und Kokospalmen.“
Das ist ihr Lieblingslied, das kennt er, das hat endlos viele Strophen.
Sie schmiegt sich an ihn wie ein glatter, warmer Fischotter und ergreift seine Hand. Sie spielt mit seinen Fingern und ihre Haare kitzeln ihn an der Nase.
„Und dich nehm‘ ich mit“, haucht sie ihm ins Ohr.
Dann küsst sie ihn auf den Mund.

Franz blinzelt und fährt sich mit den Händen durch die Haare. Feuerland! Eisberge, lieber Himmel! Es ist drückend schwül, kein Windhauch regt sich, seit Tagen geht das so. Er starrt in die Baumkronen. Eine Armlänge über seiner Nase hängt eine Libelle in der Luft wie ein schwebendes blaues Streichholz, eine Azurjungfer. Papagei ist keiner zu sehen. Er rollt sich auf den Bauch, schnappt sich das Papier und den Bleistift und beginnt zu schreiben.

Liebste Liesi, die Welt wird von Tag zu Tag verrückter. Weißt du noch, wie stolz wir auf unsere Schrammen und Narben waren? Auf unsere blutigen Nasen? Auf die gestopften Risse und die aufgenähten Flicken auf unseren Hosen?
Die trugen wir wie Tapferkeitsmedaillen. Das waren die Orden für unseren täglichen Leichtsinn und Übermut, und manchmal bezahlten wir mit Tränen, aber meistens mit einem schiefen Grinsen. Unsere Heldentaten waren die Fahrradstürze und Raufereien, das Runterfliegen von Bäumen, das heimliche Eindringen in den Dachboden deiner Oma, in den mit Gerümpel vollgestopften Schuppen vom Horvath, das Durchstreifen und Entdecken unseres Urwaldes, das Erobern unserer ganzen Welt …
Und heute? Die Kinder kaufen sich für teures Geld kaputte, zerrissene Klamotten und nennen den Mist stolz „Designerjeans“. Was für ein Witz!

Franz spürt ein Kitzeln an der linken Hand. Ein Käfer erklimmt seinen Handrücken, überquert ihn, purzelt runter aufs Papier und krabbelt weiter. Behutsam folgt ihm Franz mit der Bleistiftspitze, malt eine graue, kurvige Linie auf das weiße Papier.
Der Käfer dreht eine Runde auf dem Brief und bleibt stehen. Er ist bläulichschwarz und glänzt wie ein Edelstein. Die Nase knapp über dem Papier beginnt Franz, ihn zu zeichnen. Die Rundungen der Deckflügel und des Halsschildes, drei filigrane Beinpaare, den Kopf mit den kleinen Zangen, die Fühler ganz dünn, beinahe nicht zu sehen.
Als das Bild fertig ist, winzig wie ein Hosenknopf, krabbelt der Käfer weiter, der Bleistift zeichnet seinen Weg bis zum Rand des Blattes nach. Der Käfer verschwindet im Gras.

Ich habe keine Ahnung, wo dieser Käfer her kommt und ich weiß auch nicht, wohin er will ... aber ich weiß, wo ich noch hin will mit dir, Liesi, ich will so gern nach Feuerland und dort mit dir das Kreuz des Südens anschauen. Vielleicht müssen wir erst einen Vorhang aus Polarlicht zur Seite ziehen, um die Sterne sehen zu können, mit ein bisschen Glück.
Ach Liesi.

Franz setzt sich auf und zerknüllt den Brief. Er wickelt ihn um ein Steinchen und rollt ihn zwischen den Handflächen zu einer kleinen, festen Kugel. Dann wirft er ihn in den Teich. Er steckt sich eine Zigarette an und starrt aufs Wasser. Langsam versinkt das Papier.
Er steht auf und drückt ächzend das Kreuz durch. Obsidian, jetzt fällt es ihm ein, Obsidian heißt der schwarze Edelstein. Er packt seinen Kram zusammen, steigt aufs Fahrrad und fährt durch den Auwald nach Hause.

 

Jetzt will ich doch was dazu sagen. Nicht kritisieren, da find ich nichts und meine Kritiklaune hängt auch gerade auf der Leine.

Aber Pluspunkte der Geschichte:

  • Ein in medias res-Einstieg wie aus dem Wörterbuch. Ne, Moment, Bilderbuch, Bilderbuch, ich Dussel. Jedenfalls gab es mal so einen Wettbewerb hier, da hätte die Geschichte echte Chancen gehabt ...
  • Wunderschöne authentische Naturbeschreibungen. Ich befürchte, dass hat unsere Generation einfach nicht mehr drauf. Wenn ich in zwanzig Jahren eine Geschichte mit einer Kohlmeise oder einem Rotkehlchen schreibe, will man diese Einsprengsel bestimmt auch gestrichen sehen. Nicht nur Naturschutz, sondern auch der besondere Schutz von Naturbeschreibungen ist nötig, damit unsere Enkel auch gut sehen, was wir ihnen direkt oder indirekt durch den Konsum von völlig unnötigem Zeug kaputt gemacht haben :(.
  • Und natürlich gibt es grammatisch richtige Sätze, die zwei Akkusative beinhalten. Wenn ein Verb neben einem obliquen Akkusativ auch eine Orts-/Richtungsangabe binden kann und diese zufällig eine Präposition mit eigener Akkusativbindung hat, dann heißt es aufpassen, dass man nicht voreilig dem Präskriptivismus verfällt.

Negativpunkte:
überlass ich den anderen.

 

floritiv schrieb:
Nicht nur Naturschutz, sondern auch der besondere Schutz von Naturbeschreibungen ist nötig!
Da hast du, lieber floritiv, verdammt recht. Auch witzig: Naturschutz für Naturbeschreibung! Und es stimmt schon, offshore, hat da schon einiges geleistet. Vor allem bei dem Käfer, wie ich finde. Aber Naturbeschreibungen, wie wir sie von Gottfried Keller kennen, verkaufen sich einfach schlecht.

Beste Grüße
markus.

 

Servus floritiv,

dass du nichts Kritikwürdiges in der Geschichte finden konntest (oder wolltest?), freut mich natürlich und auch in deinen weiteren Zeilen steckt ja noch ordentlich viel Lob drin, vielen Dank. Und vielen Dank auch fürs Sekundieren bei meinem grammatikalischen Duell mit Friedel.

Nicht nur Naturschutz, sondern auch der besondere Schutz von Naturbeschreibungen ist nötig, damit unsere Enkel auch gut sehen, was wir ihnen direkt oder indirekt durch den Konsum von völlig unnötigem Zeug kaputt gemacht haben
Es freut mich auch, dass du den leisen, gesellschaftskritischen Aspekt meiner Geschichte ansprichst, der ja wirklich nur auf einer quasi subtextoralen (wow, was für ein Wort) Ebene wahrnehmbar ist.
Das mag jetzt nach nostalgischem „Früher war alles besser-Gesudere“ klingen, aber in meiner Kindheit (zumindest in meiner Familie) war es halt noch üblich, kaputte Klamotten wieder herzurichten, um sie so lang wie möglich verwenden zu können, und heutzutage lässt man z.B. Jeans in einem Fernost-Billiglohnland von entrechteten, obszön schlecht bezahlten Minderjährigen nähen und kunstgerecht zerfetzen damit sie dann, nach einer Reise um den halben Erdball, von uns dekadenten, hedonistischen Scheißschnöseln nach siebenmaligem Tragen weggeschmissen werden, weil sie von heute auf morgen uncool, „no go“, was weiß ich was sind.
Ja, das ist elend, gewissenlos und dumm, aber eigentlich egal.
Weil irgendwann werden die Urur…urenkeln desjenigen Hainlaufkäfers (Carabus nemoralis), der in meiner Geschichte eine Nebenrolle spielt, über die verwüstete Erde krabbeln und sich fragen, was wohl aus diesen eigenartigen zweibeinigen Wesen geworden ist, von denen die Mythen ihrer Urahnen erzählen. Ob’s die in Wirklichkeit überhaupt gegeben hat?


@ Markus

Aber Naturbeschreibungen, wie wir sie von Gottfried Keller kennen, verkaufen sich einfach schlecht.

Vergiss Gottfried Keller, lieber Markus, der ist für Mädchen. Lies mal was von Adalbert Stifter, das ist hardcore!

Und mit dem Forum angemessenem Ernst will ich abschließen und noch Thomas Mann zitieren:

"Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur. Hinter der stillen, innigen Genauigkeit seiner Naturbetrachtung ist eine Neigung zum Exzessiven, Elementar-Katastrophalen wirksam".

Na, ist das eine Leseempfehlung?


Vielen Dank euch beiden.

offshore

 

Na, ist das eine Leseempfehlung?

Lieber offshore,

hab seine Steine gelesen. Die haben mich verrückt gemacht! Da lese ich lieber ernst. =)

Beste Grüße
markus.

 

Hallo offshore

Klein-Anakreon musste ich so stehen lassen, mein herzliches Lachen darüber konnte nicht in die weite Welt hinausdringen, da ein Kurzschluss im Internet-Kabel meines PC diesen vom Samstag bis heute lahmlegte. Das Lachen verging mir dennoch nicht.

Tiger nach Afrika! Glaube ich dir einfach nicht, Anakreon.

Doch, doch, diesbezüglich hatte ich eine sehr lange Leitung, bis ich merkte, dass Tiger nicht synonym mit allen Dschungeln sind. Wahrscheinlich kam es davon, dass in den Zoos die Tiger und Löwen einhellig ihre Reviere nebeneinander haben.

Ich habe die Geschichte heute nochmals gelesen. Die Ausmerzung der Zahl behob das Stolpern und Nachdenken über diesen Aspekt endgültig.

Anakreon: … In Erinnerung habe ich da die Brombeerranken in ihrem Badekleid.

Wo liegt das Problem? Ich weiß nicht recht, was ich euren Bedenken entgegnen soll, außer dass ich von Selbsterlebtem schreibe. …
Aber vielleicht ticken in Österreich die Uhren wirklich anders, oder doch nicht?

Ich denke, ohne vertiefte botanische Kenntnisse zu besitzen, dass es eine Interpretationsfrage ist, was man darunter versteht. Brombeerranken sind entgegen bei andern Pflanzen eher holzig und reissen vom daran streifen wohl nicht einfach ab. Die Dornen an den Ranken hingegen piken sich leicht an menschlichen Objekten fest und brechen von den Ranken ab. Aber ich habe mich nie durch Gebüsche mit Brombeerranken gedrängt, wie du und Novak. So ist mir diese Vorstellung also nur graue Theorie und bei einer solchen ist der Irrtum nicht auszuschliessen.

Es war mir ein Vergnügen, die Geschichte nochmals zu lesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hey ernst offshore,

das ist eine kleine Geschichte, die gut zu unterhalten weiß und von mir aus, hätte sie auch noch etwas länger sein dürfen. Hat mir gefallen, weil ich das Gefühl hatte, hier mag jemand sein Personal. Dafür habe ich ne Schwäche ;).
Auch wenn das Thema jetzt nicht groß ist und man daher nicht viel sagen kann, aber hübsch zu lesen ist sie allemal. Mein Liebling ist übrigens der Käfer.

Viel beizutragen habe ich nicht, aber wollt Dir dennoch mitteilen, gern gelesen. Nimmt man ja gern mit, als Autor.
Beste Grüße Fliege

 

Hallo ernst offshore,

das hat mir sehr gut gefallen! Am liebsten mag ich die Stelle mit dem Käfer, der so plötzlich die traurige Klage über die Welt von heute stört.

Noch besser würde die Geschichte meiner Meinung nach wirken, wenn du sie umdrehen und zuerst den verlorenen Franz zeigen würdest, der Briefe an seine tote Frau schreibt. Seine tiefe Verzweiflung ist gut eingefangen. Am Ende gäbe die Szene mit Liesi an der Donau, die so voller Leben und Albernheit und lustig ist, einen schönen Kontrast.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo ernst,

tolle Geschichte, scheinbar mühelos geschrieben, alles wird zwanglos, und dann kommt sie so fies von hinten. Ich würde manchmal auch gerne so schreiben können, aber, auch wenn ich es versuche, immer kommt der Dampfhammer raus.
Ich habe nur einige Kommentare überflogen, mein Eindruck ist einer, den ich direkt nach dem ich es zuende gelesen habe, niederschreibe.

Ich mag den Titel, er funktioniert ja hier als Intro und auch als Outro, ist eine Verbindung, kein Versatzstück, etwas, dass die Geschichte zusammenhält, etwas Immanentes. Nur ein kleines Wort, aber so viel Bedeutung. Das ist gut gewählt, man muss nachdenken, und das finde ich löblich. Mir geht es das bei vielen Kurzgeschichten von Carver so, er beschreibt so alltägliche Situationen, die scheinbar ohne große Prämisse daher kommen, doch dann erwischt es einen.

Diese Verzweiflung, wenn er schreibt: Ach Liesl!, das ist herzzerreißend. Sie wollten soviel sehen, sie sprühten über vor Leben, und dann, was ist geblieben: eine Erinnerung, exakt zwar, aber eben nur eine Erinnerung.
Großes Gefühlskino, wie ich finde, und vor allem: so verdichtet.

Gerne gelesen, ernst

Lieben Gruss, Jimmy

 

Hey Fliege, Servas Berg,

Fliege: Mein Liebling ist übrigens der Käfer

Berg: Am liebsten mag ich die Stelle mit dem Käfer,


Wenn das so weitergeht, werde ich wohl bald einen Carabus nemoralis-Fanclub gründen, mir scheint, der kleine Krabbler stiehlt schön langsam sogar der süßen Liesi die Show.
Aber wäre der Käfer schon im ersten Akt auf- und wieder abgetreten, hätte danach möglicherweise keiner mehr weitergelesen, glaub‘ ich schön langsam, und das spricht auch gegen deine Idee, Berg, die Chronologie der Geschichte umzudrehen, obwohl die Idee natürlich etwas für sich hat, und
Dann küsst sie ihn auf den Mund.
ein wunderschöner letzter Satz wäre, keine Frage. Ich glaube allerdings nicht, dass ich mir die Geschichte noch einmal vornehmen werde, nicht so bald jedenfalls. Ich brauche mal ein bisschen action zur Abwechslung, glaub‘ ich.

Dass ihr im Grunde nur Gutes zur Geschichte sagt, freut mich ehrlich.

Vielen Dank euch beiden.


Sehr geehrter Herr Schuchmann,
ich möchte Sie auf diesem Wege davon in Kenntnis setzen, dass mein Mandant ernst offshore
durch Ihre Aussage:
„Die (Sprache) ist Reinhard Mey“
sein öffentliches Ansehen erheblich beschädigt sieht und mich deshalb beauftragt hat,
eine Schadensersatzklage in der Höhe von 400 Millionen Dollar gegen Sie einzubringen.
Sollten Sie eine außergerichtliche Einigung vorziehen, können wir eventuell darüber reden (Ich denke in diesem Falle an so, na sagen wir mal, 150 Millionen Dollar Wiedergutmachung.)

In Erwartung ihrer Antwort verbleibe ich hochachtungsvoll,
Ed Fagan

Spaß beiseite, lieber Alex,
als Punk-und Hardrock-affiner Mensch musste ich bei deinem Vergleich natürlich ordentlich schlucken,
immerhin stand im Freundeskreis meiner Jugendzeit Reinhard Mey quasi sinnbildlich für die Art von Musik, die absolut, nein danke, nie, niemals, und überhaupt …
Dementsprechend wenig, also eigentlich gar nicht, habe ich mich jemals mit seinen Texten auseinandergesetzt.

Aber natürlich weiß ich, wie du es gemeint hast, du verpackst es ja in ein dermaßen fettes Kompliment zu meiner Sprache, dass einem sprach-und stilverliebten Zausel wie mir ganz warm ums Herz wird.

Und dann pickst du auch noch zielsicher meine Lieblinge heraus:

Wunderschön, allein der Klang des Wortes: Obsidian. Wahnsinn.

Du sagst es.

Dann küsst sie ihn auf den Mund.

Steckt darin die Seele der Geschichte?
Diesen Satz habe ich sozusagen schrittweise herausgeschält aus einem ganzen Absatz, in dem er in der Erstfassung noch stand. Ich habe immer mehr gestrichen, bis er schließlich alleine übrigblieb.
Ich lese „auf den Mund“ nach wie vor kursiv und offenbar hast du das auch erkannt, wie sich in diese bisher rein kindliche Freundschaft der beiden plötzlich etwas ganz Neues, Großartiges, rätselhaft Anderes mischt.

Zwei Punkte will ich aber kritisieren. Nicht weil sie schlecht sind, sondern weil sie vom Niveau her nicht ganz so hoch sind, wie der Rest der Geschichte. Also alles Jammern auf hohem Niveau .

Franz will Fußballer werden und Mechaniker. Ich weiß die beiden Berufe waren und sind noch immer beliebt, aber muss es immer so klischeehaft sein? Kann man nicht anders zeigen, dass Franz noch ein Kind ist? Fußballer ... wie viele tausend Mal hat man das schon gelesen.


Selbst jetzt, nachdem du es kritisiert hast und ich noch mal darüber nachgedacht habe, fällt mir kein besserer Ersatz für den Fußballer ein. Mein Ziel bei dieser kurzen Geschichte war unter anderem, möglichst ökonomisch zu schreiben. (Kein Scheiß, ich setzte mir ursprünglich eine 1500 Wörter Obergrenze, ca. 1070 sind’s letztlich geworden, yeah!) Das heißt, ich wollte ohne großartige Erklärungen möglichst viel, ja eigentlich alles eben, rüberbringen.

Und wenn ich schon während des Wettrennens der beiden vermitteln will, dass es sich nicht um Erwachsene handelt, tja, da bietet sich das halt einfach an: …du willst Fußballer werden, du Schnecke?
So wirklich weiß es ja nur ich als der Autor, dass diese Szene ca. 1950 spielt, was konnte Franz da wohl werden wollen? Marathonläufer, Tennisstar?
Zum Mechaniker kam’s eher zufällig, weil ich auf diese Art den Horvath gleich zweimal verwenden konnte.
Glaub‘ ich zumindest.
Und die Designerjeans? Ich weiß, das ist ein wahrlich hässliches Wort. Ich wollte damit den Bezug zur Jetztzeit herstellen, irgendwie zeigen, dass Franz mittlerweile wirklich alt ist und seiner verstorbenen Liesi von Sachen „erzählt“, die sie nicht mehr kennenlernen konnte.
Glaub‘ ich zumindest.

Aufzählungen! (…) … finde ich langweilig und ermüdend.

Ich hab mich doch eh ziemlich zurückgehalten. Alter, du hättest die Erstfassung sehen sollen! (Die mit den 1850 Wörtern, heiliger Strohsack, die hatte es erst in sich!)

Selbst ich als Zwanzigjähriger habe so ein bisschen von dem Flair mitbekommen, …

Das ist ein wirklich schönes Kompliment. Also wenn ich auch Junge mit dem Text erreichen kann, was will ich mehr. Du hast die Geschichte verstanden, toll, ganz vielen Dank, Alex.

Und dass ich dich, Jimmy,

mit dieser Geschichte überzeugen konnte, freut mich wirklich ganz besonders!
Meine Befürchtungen (unter Ricks Kommentar geäußert) waren offenbar unbegründet

Aber das war mir ohnehin klar, dass ich mit dieser Geschichte meinen Verbleib in der „Kirche von der Letzten Literatur der BösenGroßenBuben“ ernsthaft gefährde. Jimmysalaryman betreibt sicherlich schon meine Exkommunikation. Wird wohl nix werden mit der Goldenen William S. Burroughs-Nadel. Aber vielleicht verleiht mir ja Novak als Trost die Peter Schlemihl-Gedächtnisplakette.

Mein Unvermögen, mir hochkomplexe Storyplots auszudenken, kompensiere ich momentan halt mit stilistischem Ehrgeiz. Und dass ihr nahezu einhellig meine Sprache lobt, lässt mich ziemlich breit grinsen, im ernst.

Vielen Dank euch allen

offshore

 

Also jetzt, wo der Alex das gesagt hat, da fällt mir auch so eine gewisse Ähnlichkeit ....

Als Punk-und Hardrock-affiner Mensch musste ich bei deinem Vergleich natürlich ordentlich schlucken,
immerhin stand im Freundeskreis meiner Jugendzeit Reinhard Mey quasi sinnbildlich für die Art von Musik, die absolut, nein danke, nie, niemals, und überhaupt …
:D

Nur zum Vergleich, womit wir es Reinhatd Meymäßig zu tun haben:

Dann ist alles still, ich geh'
Regen durchdringt meine Jacke
Irgendjemand kocht Kaffee
In der Luftaufsichtsbaracke
aus, na du weißt schon ...

Da lasst uns lieber alle ins Beiserl gehen, ein Bier trinken

 

Hallo Ernst,

es wurde schon so viel zu deiner Geschichte gesagt, da war ich schon drauf und dran meinen Senf zurückzuhalten. Mein Senf würde eh mit keiner neuen Note aufwarten. Aber immer wenn ich durchs Forum scrolle und mir der Titel Witwer unterkommt, ploppen Bilder zu deiner Geschichte bei mir auf und irgendwie wollte das jetzt doch mal raus.
Ich finde deine Geschichte fabelhaft, die ist mit so viel Gefühl geschrieben, so federweich ... verletzlich und dadurch wirkt die Verletzung des Prots bei mir so sehr. Der wahre Kunstgriff ist aber auch hier wie sanft du diese Verletzung in Szene setzt. Kein Wehklagen, kein Drama, sondern sensibel gezeichnet. Das tut viel mehr weh. Aber vor allem leuchtet das einen Verlust auch noch mal auf andere Weise aus. Auf mich wirkt dein Prot so, als würde er nicht zerbrechen an seiner Einsamkeit. Wichtig ist (und gleichzeitig wohl das schwerste), dass man vermissen darf und kann, aber gleichzeitig auch mit einem Lächeln auf das Schöne, das gemeinsam Erlebte (was einem ja nicht mehr genommen werden kann) zurückblickt und daraus auch Kraft schöpft.

Weiß nicht, ob das schon kam (habe die zahlreichen Kommentare nur überflogen), aber eine Lesart wäre auch, dass dein Prot nie geheiratet hat, allzu begeistert schien er ja von ihrer Reiselust nicht zu sein, und das jetzt, in hohem Alter, sehr bedauert und quasi mehr ein gefühlter Witwer ist. Er hat sie sozusagen an die Welt verloren.

sehr gern gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 

Servus Weltenläufer,

Ich finde deine Geschichte fabelhaft, die ist mit so viel Gefühl geschrieben, so federweich ... verletzlich und dadurch wirkt die Verletzung des Prots bei mir so sehr. Der wahre Kunstgriff ist aber auch hier wie sanft du diese Verletzung in Szene setzt. Kein Wehklagen, kein Drama, sondern sensibel gezeichnet.

Und diese so gefühlvollen Worte wolltest du mir allen Ernstes beinahe vorenthalten? Alter, mir hat‘s beim Lesen deines Komms die Härchen auf den Unterarmen aufgestellt, kein Scheiß.
Noch einer von den großen Buben, der kein Hehl macht aus seinem weichen Herz, dachte ich mir, und grinste dabei und freute mich.

Weiß nicht, ob das schon kam (…), aber eine Lesart wäre auch, dass dein Prot nie geheiratet hat, (…) und quasi mehr ein gefühlter Witwer ist.

Von den (kommentierenden) Lesern bist du der erste, glaube ich, dem diese Idee kam, und ich hoffe, auch der letzte, weil das eher nicht meine Erzählabsicht war. In meiner, zugegeben absurd romantischen Vorstellung, blickt Franz wirklich auf ein wunderbares Leben mit Liesi zurück und ist weniger ein trauernder, als vielmehr ein zufrieden Rückschau haltender alter Mann.

Auf mich wirkt dein Prot so, als würde er nicht zerbrechen an seiner Einsamkeit.

Genau so stellte ich ihn mir vor.

Wichtig ist (und gleichzeitig wohl das schwerste), dass man vermissen darf und kann, aber gleichzeitig auch mit einem Lächeln auf das Schöne, das gemeinsam Erlebte (was einem ja nicht mehr genommen werden kann) zurückblickt und daraus auch Kraft schöpft.
Sehr schön gesagt, weltenläufer, lass uns das sozusagen als die Quintessenz der Geschichte sehen.

Vielen Dank für deine wirklich einfühlsamen Zeilen.

offshore

 

hi ernst offshore,

puh, zu deiner geschichte wurde ja echt schon viel geschrieben, ich muss gestehen, die vorhigen kommentare habe ich jetzt nicht gelesen, aber ich würde dir gerne einfach mal meine eindrücke mitgeben.
also was ich spontan richtig gut fand, war, dass du im ersten (kinder-)teil ja mit keinem wort (bis zu:

„Wenn wir groß sind, fahren wir zum Amazonas, Franzl.“
) gesagt hast, dass die beiden tatsächlich kinder sind, aber es kommt einfach so klar zwischen den zeilen heraus, dass da kein zweifel besteht. diese ganze beziehung zwischen ihnen, das spielerische gestichel, das 'duellieren', das sind glaube ich so kindheitserinnerungen, die irgendwie jeder hat, zumindest glaube ich das, und das hast du echt richtig gut hinbekommen.
was dir auch echt gut gelungen ist und irgendwie diese kindliche sichtweise der dinge gut rüberbringt, finde ich, sind deine szenischen beschreibungen, deine vergleiche, z.b.
als verfolgte er eine Antilope.
Sie schmiegt sich an ihn wie ein glatter, warmer Fischotter und ergreift seine Hand.
Sie sieht aus wie eine Vogelscheuche, wie der leibhaftige Kobold aus einem Märchen.
das ist auch gut. da merkt man, der kerl sieht viel mehr in ihr als nur ihr aussehen, er mag sie sogar, wenn sie aussieht wie eine vogelscheuche ;)
Eine Armlänge über seiner Nase hängt eine Libelle in der Luft wie ein schwebendes blaues Streichholz,
das fand ich auch gut. ich gehe ja immernoch davon aus, dass sich der prot. tatsächlich die dinge so vorstellt wie du es schreibst, dass er findet, dass die libelle wie ein schwebendes streichholz aussieht. wenn ich das so richtig verstanden habe, dann passt das richtig gut, das zeigt irgendwie, dass er noch der selbe, verträumte typ ist, der als kind durch die wälder gerannt ist, finde ich.

im 'erwachsenenteil' kommt dann die einzige stelle, die mir irgendwie suspekt vorkam, die, meiner meinung nach, irgendwie nicht so richtig reinpasst. und zwar ist steht das in dem brief, den er schreibt:

Und heute? Die Kinder kaufen sich für teures Geld kaputte, zerrissene Klamotten und nennen den Mist stolz „Designerjeans“. Was für ein Witz!
nee, ich finde irgendwie das passt nicht. die kinder kaufen sich ja erstens die hosen nicht selbst, das sind doch überwiegend die mütter, oder? also wenn es das kinderalter ist, an dem ich jetzt denke, so bis 12, 13, 14, je nach dem. außerdem rennen die kinder ja heutzutage auch noch draußen rum, selbst die, die von ihren eltern in designerklamotten gesteckt werden, und lieben es im schlamm rumzuplanschen, durch wälder zu rennen, was auch immer. dieser 'hass' auf die neue generation... der passt da irgendwie einfach nicht. der prot. ist doch kein gehässiger mensch, der schreibt doch nicht in einem brief an seine (verstorbene) liebe über so etwas, finde ich. verstehe mich nicht falsch, ich teile dem prot. seine ansicht über diese mode, aber ich finde einfach nicht dass das passt ;)

ich muss gestehen, ich bin kein großer überschriften-merker, deswegen saß ich nach diesem ende etwas verblüfft vor dem bildschirm, aber als ich dann nochmal hochscrollte und die überschrift laß, war es klar... traurig!
aber lieber offshore, hat mir echt gut gefallen! eine knackige, idyllische, traurige geschichte, wirklich gut geschrieben. doch, hat mir gut gefallen, hat mich irgendwie mitgenommen, da wirkt so gar nichts aufgesetzt. da ist viel zwischen den zeilen geschrieben, das muss man erstmal schaffen.

ich wünsch dir was,

grüße zigga :)

 

Servus zigga,

dass du neben den Großen Buben (Jimmy et al.) und nach Markus und Alex nun schon der Dritte von den zwanzigjährigen Youngsters bist, der mit dieser romantischen Herz/Schmerz-Torte was anfangen konnte, freut mich wirklich, das finde ich echt schön, dass ich damit offenbar auch die Jungen erreichen kann.

Und zu deiner einzigen (wow!) Beanstandung habe ich schon unter Alex‘ Kommentar etwas gesagt, der mochte die „Designerjeans“ nämlich auch nicht.

offshore schrieb:
Und die Designerjeans? Ich weiß, das ist ein wahrlich hässliches Wort. Ich wollte damit den Bezug zur Jetztzeit herstellen, irgendwie zeigen, dass Franz mittlerweile wirklich alt ist und seiner verstorbenen Liesi von Sachen „erzählt“, die sie nicht mehr kennenlernen konnte.

Franz ist ja wirklich kein gehässiger, verbitterter alter Sack, im Gegenteil, er ist altersmild, sentimental und blickt sozusagen mit einem Schmunzeln auf die Albernheiten der neuen Zeit. So sehe ich das.


Vielen Dank, zigga.
offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo offshore,

Ich las diese Geschichte vor einer Weile und fand bislang noch keine Muße, dir einige Worte zu schreiben.

Ich folgte gebannt den Zeilen und Nostalgie flammte in meinem Herzen auf. Ja, das war sie, die unschuldige Liebe aus Kindertagen, die Träume und die Au, die Frage, warum der Blick in eine Zeit zurück, und dann die Überschrift, ...

das Herz hat´s mir zerissen ... , eine feinfühlige Geschichte, sehr gerne gelesen!

Ich kann mich erinnern, wie sich der Teichgrund anfühlte. Jeder Schritt war ein Abenteuer :D

LG, GD

 

Servus Güldene Dame,

das Herz hat´s mir zerissen ...

Dafür muss ich mich aber nicht entschuldigen bei dir, oder?

Vielen Dank für deine netten Worte!

offshore

 

Offshore,

du bist ein Poet, außerdem Romantiker wie ich, weswegen mir deine Geschichte einen wirklichen Lesegenuss bereitete. Es ist eine Kurzgeschichte im besten Sinn, jedenfalls ganz nach meinem Geschmack: Auf verhältnismäßig engem Raum schaffst du es, dieses kleine Luftschlösschen hochzuziehen, in die Luft zu bauen. Die Mühelosigkeit, Unbemühtheit des Stils verrät dein Können.

„Wo nimmt die nur die Luft her, hat die überhaupt noch Zeit zum Atemholen? Er könnte sie manchmal erwürgen.“

Liebe, Tod, Ekstatik des Fangenspielens. Jemanden fangen wollen und ihn doch nicht kriegen bzw. nur scheinbar kriegen können: das ist Romantik pur. Irgendwie muss ich grade an Storms „Immensee“ denken.

„Wassertropfen zeichnen ein Muster in den Staub auf ihren Beinen und müssen da und dort einen frischen, rosigen Kratzer überqueren.“

Geil gesehen. Gehn mir runter wie Butter solche plastischen Details: Poesie, wie ich schon sagte.

„Sie liegen nebeneinander auf dem Rücken, kneifen die Augen zusammen und schauen in das leuchtende Blätterdach. Was sehen sie da oben? Papageien und Pfefferfresser mit riesigen Schnäbeln? Wirbeln Horden von schnatternden Klammeraffen durchs Geäst? Und schnüffeln Tapire und Wasserschweine an ihren Fingern, schlängeln sich Anakondas über den Boden? Erstreckt sich der Dschungel endlos in alle Himmelsrichtungen?“

Eine Prise Dschungel-Mystik: Genau richtig an dieser Stelle. Gut, dass du das in Fragesätze kleidest. Fernweh, Abenteuerlust. Die über die Wirklichkeit triumphierende Phantasie, die die Kraft hat, sie zu transzendieren, auszuspinnen und, wenn man will, zu vollenden. Das ist Freiheit, romantische Freiheit.

„Willst du wirklich nach Amerika, Liesi?“
„Nach Südamerika will ich und nach Grönland und nach Ägypten. Und nach Japan, nach Venedig, nach Sumatra, nach China, nach Ceylon, nach England, nach Paris, nach Feuerland, zum Kilimandscharo und zum Titicacasee, nach Madagaskar, nach Mexiko, … überall will ich hin. Und Eisberge möchte ich sehen und die Pyramiden, und Mammutbäume. Und Kokospalmen.“
Das ist ihr Lieblingslied, das kennt er, das hat endlos viele Strophen.“

Das ist es. Das romantische Entgrenzungsstreben setzt du hier sprachlich durch die Reihung, die Aufzählungskonstruktion gut um. Die Jetztzeit schleicht sich übrigens ein, indem gerade nicht mehr Amerika als „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ erscheint.

„Weißt du noch, wie stolz wir auf unsere Schrammen und Narben waren? Auf unsere blutigen Nasen? Auf die gestopften Risse und die aufgenähten Flicken auf unseren Hosen?
Die trugen wir wie Tapferkeitsmedaillen.“

Unbekümmertheit der Lebenslust des Kindes, kindliche Draufgängerei. Der Vergleich dann: Wieder ein Detail, das ich sehr gelungen finde.

Insgesamt, wie gesagt, mein Kompliment, offshore. Schön auch das Nüchtern-Lakonische des Titels: „Witwer“. Punkt. Muss grade an Fontanes Roman „Unwiederbringlich“ denken. Es erfordert viel Geschick, sowas zu schreiben, ohne in Kitsch, Gefühlsduselei abzudriften. Das ist dir gelungen.

Viele Grüße
makksi

 

Hey! Deine Geschichte ist total romantisch, das ist ja unglaublich, dass sie ihr ganzes Leben lang zusammen waren.
Ich kann den Alter dieser Kinder/ Jugendliche irgendwie schwer einschätzen, sie haben kindliche Spiele und Fantasien, aber sie küssen sich doch dann. Wie alt waren sie?

du willst Fußballer werden, du Schnecke?
„Wenn ich groß bin, werd‘ ich Traktoren reparieren wie der alte Horvath. So schaut’s aus.“
Er ist am Ende doch wie der alte Horvath geworden und blieb für immer in seinem Heimatdorf. Irgendwie traurig. Kinder haben immer eine Sehnsucht nach Abenteuern, aber sie vergeht leider mit der Zeit. Vielleicht sind Kindheitserrinerungen wirklich die schönsten im Leben, deshalb erinnert er sich gerade an diese Zeit, obwohl er das ganze Leben mit Liesi verbracht hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Witwer – Die radikale Antithese zu zielgruppenorientiertem Schreiben?

Servus makksi, servus Schenja,

makksi schrieb:
Offshore,
du bist ein Poet,

Vielen Dank, makksi, seit ich deinen Kommentar meinen Söhnen zeigte, kriegen die sich nicht mehr ein. „Guten Morgen, Pöt.“, „Wie geht’s, alter Pöt?“
Teufel, denen hast du eine großartige Wuchtel aufgelegt …

Nein, im Ernst jetzt, makksi, ich lasse mich gerne als poetischen Menschen bezeichnen, noch dazu von so einem Sprachliebhaber, wie du einer zu sein scheinst.
Aus deinem Profil ist dein Alter nicht ersichtlich, allerdings muss ich annehmen, dass du kein ganz junger Mann mehr bist (deine Schulzeit liegt schon einige Jahrzehnte zurück, schreibst du unter Ente Fisch), und somit sehe ich dich im Spektrum der Leserschaft an demjenigen Ende, das jenem, an dem sich Schenja findet, die eine sehr junge Frau ist, genau entgegengesetzt ist.
Und euch beiden hat meine Geschichte offenbar gleichermaßen gefallen …

Vor etwas mehr als zwei Wochen stellte ich den Witwer hier ein, und nach wie vor überrascht mich die Tatsache, dass dieses Geschichtchen, in dem kaum etwas passiert, in dem ich eigentlich nicht viel mehr als eine bezaubernde, nostalgische Atmosphäre anbiete und in dem ein Großteil des möglichen Geschehens vom Leser selbst entschlüsselt bzw. erdacht werden muss, solch beinahe einhellige Zustimmung findet.
Schön langsam glaube ich, dieses generationen- und geschlechterübergreifende Mögen meines Textes spricht weniger für meine Qualität als Autor, sondern vielmehr für euch Leser und für euer empfindsames Lesenkönnen und für eure Fähigkeit zur Imagination.

Und dafür muss ich mich bedanken, bei euch beiden und noch einmal bei allen anderen Lesern, die sich so bereitwillig auf meine Geschichte eingelassen haben.

Noch kurz zu deiner Frage, Schenja:

Ich kann den Alter dieser Kinder/ Jugendliche irgendwie schwer einschätzen, sie haben kindliche Spiele und Fantasien, aber sie küssen sich doch dann. Wie alt waren sie?

In einer meiner Antworten auf die Kommentare schrieb ich, dass sie Kinder seien, oder gerade eben keine Kinder mehr, dreizehn, vierzehn, was weiß ich, gleichalt zwar, aber Liesi, das Mädchen, eben eine Spur mehr nicht mehr Kind als Franzl, der Bub.
Tja, Schenja, jetzt will ich’s mal so sagen: Denke an deinen allerallerersten Kuss, und dann darfst du dir selbst aussuchen, wie alt die beiden sind …

offshore

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom