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Zerbrochen

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12.02.2020
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Zerbrochen

Ich stehe vor Karlas Tür und lausche, höre John stöhnen, von ihr höre ich nichts. Dann kommt er. Vermutlich in ihr. Ich schleiche zurück in mein Zimmer und spüre meine wunde Muschi. John und ich haben gefickt letzte Nacht, die ganze Nacht. Karlas Name ist Hase, sie hatte Nachtschicht und weiß von nichts. Ich setze mich an den Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss. Wenn es nur nicht so regnen würde.

Ich höre Karla über den Flur trampeln, dann das Schleifen der Badezimmertür. Karla duscht. Nackt. Wasser, das über ihren Körper läuft. Ich starre auf den dunklen Bildschirm, strecke meinen Mittelfinger aus und bewege die Maus. Weiß leuchtet es mir entgegen: Nichtsnutzin, elende. Stilleübungen in der Motopädagogik tippe ich, mehr nicht, sitze regungslos vor meinem Laptop auf der Lauer, auf der Mauer, warte auf Worte. Doch da ist: Nichts. Überall ist nur: Nichts. Ich habe mich von John ficken lassen letzte Nacht und das Weiß meines Bildschirms ist kaum zu ertragen.

Es klopft. Frisch geduscht betritt Karla mein Zimmer, das Handtuch um ihren Körper geschlungen, die Haare nass. Karla, das fleißige Bienchen. Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht, dazwischen ihr Studium. Tag für Tag, Woche für Woche. Ich verstehe nicht, wie ein Mensch sowas von bienenfleißig sein kann, auch nicht wozu. Ihre einzigen sinnvollen Aktivitäten sind essen und ficken. Das reicht aber nicht, Karla!

„Hier stinkt’s“, sagt Bienchen Karla und ich wende mich wieder dem Bildschirm zu.
„Du hast die Miete für diesen Monat noch nicht überwiesen!“, fügt sie hinzu. Ich drehe mich nicht um, sitze still. Sie wartet. Ich atme. Sie wartet.
„Karla! Verschwinde!“ Ich springe auf mit fliegenden Armen, schlage dabei die Glastür des Schranks ein, der neben meinem Schreibtisch steht. Schlechterdings besitze ich weder einen Schreibtisch noch einen Schrank und Karla flucht: "Die wirst du ersetzen!" Ich sehe die Scherben, spüre den Schnitt und weiß: Das Glas ist zerbrochen.
„Natürlich werde ich sie dir ersetzen“, sage ich, weil ich weiß, dass ich kein Geld habe.
„Hast du Verbandszeug?“, frage ich und sie führt mich in die Küche. Ich sehe sie an, sehe ihr zu, wie sie das Blut von meinem Arm wischt, die Wunde verbindet. Wassertropfen fallen aus ihren nassen Haaren auf die weißen Küchenfliesen. Ich denke an John, der in Karlas Zimmer wartet und dessen Sperma heute morgen in einem Rinnsal meine Schenkel herunterlief.

„So“, sagt Karla, „Fertig!“
Ich sage nicht: Danke!
Ich sage: „Ich habe John letzte Nacht gefickt!“, und sehe sie an dabei; nehme meine Jacke und gehe.
„Ich weiß!“, höre ich sie rufen, als ich die Wohnungstür erreiche. Ich halte inne, die Klinke der offenen Tür in der Hand, das Treppenhaus dunkel hinter dem weißen Türrahmen. Ich schaue sie an: Sie steht vor der Küche am anderen Ende des Flurs, das Handtuch um ihren Körper geschlungen.
“Er ist nichts!”, sage ich.
“Genau wie du!”, erwidert sie.
Krachend lasse ich die Wohnungstür ins Schloss fallen; stolpere die Treppe herunter und versuche immer drei Stufen auf einmal zu nehmen, bis ich endlich an der Haustür, endlich draußen im Regen bin.

 

Hallo Katta,

das ist ein wuchtiger Text. Ich habe ihn jetzt mehrmals gelesen und er wird immer besser.

Die Zerrissenheit, bzw. das titelgebende Zerbrochene wird richtig spürbar. Respekt.

Ein paar Anmerkungen habe ich, denn wir wollen hier ja detaillierte Kritik, um uns weiter zu entwickeln:

Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich, die heilige Sophia, bin rein, sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss
Cool geschrieben. Das nimmt mich richtig rein.

Wenn es nur nicht so regnen würde. Traurig hängende Äste, die mit jedem neuen Windstoß gegen mein Fenster klatschen, lenken mich ab.
Gute Atempause und gleichzeitig der Übergang zum nächsten Abschnitt.

Ich hasse mich, würde gerne kotzen, weine stattdessen. Hehe, meine Kleine, warum weinst du denn? Doch wohl nicht, weil du eine gottverdammte Lügnerin bist? Dir sollte die Gebärmutter herausgeschnitten werden und in all deinen Texten deine Lieblingsstellen, dann wärst du tot, nicht mehr existent.
Selbsthass und emotionale Sprünge sprachlich komprimiert, verdichtet. Beeindruckend. Ich bin mir nicht sicher, ob Deine Leser Dir hier folgen können. Ich musste das tatsächlich zweimal lesen.

Die Sprünge sind schon heftig und nicht leicht nachvollziehbar.

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen, rufen sie. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen. Schreien würden sie: Erhängt sie! Erhängt sie! Schmoren soll sie in der Hölle. Bis in alle Ewigkeit. Amen. Aber ich, die heilige Sophia, bin eine gottverdammte Lügnerin und sage nichts.
Dieser Teil lässt mich ratlos. Psychotisch? Metaphorisch?

Doch da ist: Nichts. Überall ist: Nichts. Ich liege brach und die nächste Ernte wird verrotten, weil ich mir Regen wünsche das ganze Jahr. Ich habe John letzte Nacht gefickt und das Weiß meines Bildschirms ist kaum zu ertragen.
Das finde ich wieder echt gut.

Vielleicht habe ich jetzt verschreckt, was in mir ist und raus will. Komm heraus, kleines Mädchen! Ich will dich lieben und für dich sorgen. Hab‘ keine Angst! Mein kleines Mädchen gibt keinen Mucks von sich. Ich werde es töten müssen. Damit auch ich tot bin und dann erwachen kann am achten Tag – gehäutet und neu geboren.
Zugespitzt und böse.

Schlechterdings besitze ich keinen Schrank und die bleiche Karla wettert, ich müsse die Scheibe ersetzten. Ich sehe die Scherben, spüre den Riss und weiß, ich liebe John. Doch John liebt mich nicht wieder und das Glas ist zerbrochen.
Das ist perfekt. Das Glas ist in doppelter Hinsicht zerbrochen.

Ich denke an John, der in Karlas Zimmer wartet und dessen Sperma ich heute Morgen an meinen Schenkeln liebevoll entlanglaufen spürte. Aber es war nur sein Sperma, das ich spürte, nicht seine Liebe.
??

„Karla, ich werde ausziehen“, antworte ich, schnappe mir meine Jacke und laufe durch den Regen zum Fluss.
Und wieder das Wasser (Regen/Fluss). Der Schluss gefällt mir sehr gut.

Wie gesagt, der Text hat mir richtig gut gefallen. Wenn es für die Protagonistin eine Diagnose geben müsste, wäre es wohl eine Borderline-Störung.

Liebe Grüße,
Gerald

 

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen, rufen sie. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen.

Moin Katta,

hastu schon mal Dylan’s Murder Most Foul gehört - da meine ich gleich, nachdem ich das Einganszitat auswählte – zu wissen, wen Du da monologisieren lässt und mich freu, der guten Frau, die übrigens – ganz entgegen ihres sonstigen Images und beruflichen Lebens -auch mal einen Auftritt bei den Marx-Brothers hatte – dieser Frau würd ich jetzt einen Vortrag über das Wörtchen „ficken“ halten, das das angloamerikanische „fuck“ umzusetzen vermeint. Solltestu es nicht wissen, nur ganz kurz: „Ficken“ kommt vom Niederrhein, eben da, wo die Leute mundfauler sind als der Friese, und meinte dort die Bearbeitung der soeben geschnittenen Fingernägel mit der Nagelfeile. Wer also fickte, glättete sozusagen seinen Nagel.

Aber ich schweife ab und bin überzeugt, dass Du schreiben kannst, was Du ja hier beweist. Und die Flusenlese wird auch immer sparsamer. Hier zB

Ich höre nichts, was sowohl ein gutes, wie auch schlechtes Zeichen sein kann.
muss das zwote Komma weg, denn die vergleichende Konjunktion verbindet nur einen Vergleich und keinen weiteren, vollständigen Satz

Weiß leuchtet es mir entgegen: Nichtsnutzin, elende.
Hoppela, da wird aber nicht jede/r gendern wollen … Wer trägt schon gerne das negative Etikett? Aber da sag ich: Well done!

Ich sitze still, bewege mich nicht, will nicht, dass etwas verloren geht[...] von dem, was in mir ist.

Natürlich hab ich am Anfang geflunkert, MM war ja schon mehr- oder doch eher weniger feiwillig in die ewigen Jagdgründe eingegangen vor dem ersten Kennedy-Mord.

Aber der kleine Schwindel ermöglichte um so eleganter die Etymologie unterzubringen …

Gern gelesen vom

Friedel

 
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Hallo @Katta ,

super Text, hab ihn gerne gelesen, hat mir sehr gefallen. Ich dachte erst "ein wenig mager ist er schon", aber ... irgendwie ist alles da. Trotzdessen der Großteil der Handlung in den letzten Absatz "gequetscht" wurde; gequetscht wird deiner KG nicht so ganz gerecht, weil schon einiges dazugehört, so viel Tun und Machen mit so wenig Worten auszudrücken.
Vielleicht hast du an einer Stelle zu dick mit dem Weinerlichen aufgetragen, das war auf jeden Fall mein erster Eindruck, bei näherem Hinsehen muss ich aber sagen, ist der Gefühlswandel der Prota von Schuld zu Trauer zu Wut (so ungefähr?) deutlich erkennbar, wenn auch nicht perfekt. Ich meine, du gehst von Absatz zu Absatz auf die chaotische Gefühlswelt der Prota ein und dann im letzten kommt die Handlung. Das Innenleben der Prota steht im Vordergrund, was ja ok ist. Hast du auch gut umgesetzt. ...
Du merkst, ich würde gerne meckern, aber da ist: Nichts! Verdammt! :D

höre Karla zum Badezimmer stapfen und spüre Johns Samen in einem Rinnsal meine Schenkel entlanglaufen.
Das hier vllt. Habe beim ersten Durchgang überlegen müssen, wann sie denn mit John geschlafen hat. Habe das jetzt so verstanden, dass sie das von gestern (wieder) spürt. Ein Hinweis darauf hätte mir den Lesebruch erspart, vllt "spüre wieder" oder "immernoch".
Nur ein Vorschlag.
Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts
:lol:
Dir sollte die Gebärmutter herausgeschnitten werden und in all deinen Texten deine Lieblingsstellen,
:D super.
Mein kleines Mädchen gibt keinen Mucks von sich. Ich werde es töten müssen.
Hört, hört. Scheinst dich gut auszukennen mit der Materie.
Doch John liebt mich nicht wieder und das Glas ist zerbrochen.
Auch toll.
Aber es war nur sein Sperma, das ich spürte, nicht seine Liebe.
Wundervoll, auf den punkt, knack bumm!


Ich meckere ja so gerne an der Orthographie ... aber auch hier: Nichts, mist!

MfG

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @C. Gerald Gerdsen,
hach, der erste Kommentar war schon mal nicht niederschmetternd, da war ich erleichtert, als ich ihn heute nachmittag las. Statt wuchtig hättest du auch "zu dick" schreiben können und ich hätte mich nicht gewundert, aber hast du nicht :bounce:. Dass er besser wird beim zweiten oder dritten Lesen, freut mich wirklich sehr, allein dass du ihn mehrmals gelesen hast, freut mich. Du thematisierst die Sprünge, die die Ich-Erzählerin macht, dass Leser womöglich nicht hinterherkommen. Letztlich sind die für mich aber auch ein Zeichen ihrer emotionalen Not. So orientierungslos wie Leser möglicherweise sind, so fühlt sie sich auch, denke ich.

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen, rufen sie. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen. Schreien würden sie: Erhängt sie! Erhängt sie! Schmoren soll sie in der Hölle. Bis in alle Ewigkeit. Amen. Aber ich, die heilige Sophia, bin eine gottverdammte Lügnerin und sage nichts.
Dieser Teil lässt mich ratlos. Psychotisch? Metaphorisch?
Das ist sicher die kryptischste Stelle, habe auch im Vorfeld überlegt, was ich wohl für Kommentare dafür bekäme. Aber deiner ist ok. Ratlosigkeit und zwei Vermutungen, finde ich gut. Ratlos, aber trotzdem weiter dabei bleibend war eigentlich genau das, was ich wollte.

Wenn es für die Protagonistin eine Diagnose geben müsste, wäre es wohl eine Borderline-Störung.
Ja, vermutlich irgendsowas. Ich bin froh, dass sie ausziehen will, befürchte aber, dass sie es am Ende dann doch nicht tun wird.

Hab vielen Dank für deinen Kommentar. Er war sehr erlösend ;-)
Viele Grüße
Katta

Hallo @Friedrichard,
freut mich, erneut einen Kommentar von dir zu bekommen. Musste vor ein paar Tagen gerade an dich denken. Lese gerade Ein mögliches Leben und dort gibt es einen Satz mit scheinen ohne Infinitiv mit zu ... Du siehst, das beschäftigt mich noch immer. Dylan hab ich mir angehört, kannte ich nicht und wird sicher auch nicht eines meiner Lieblingslieder von ihm, aber ich finde deine assoziativen Kommentare immer wieder schön zu lesen (nicht nur unter meinem Text).

muss das zwote Komma weg, denn die vergleichende Konjunktion verbindet nur einen Vergleich und keinen weiteren, vollständigen Satz
sowohl als auch ... kann ich mir nie merken, wollte noch mal nachsehen vorher, bin aber irgendwie von abgekommen, darum danke für diese Fluse. Ach, und den Herrn Kluge habe ich auch noch mal aus dem Regal geholt und "ficken" nachgeschlagen. Dort steht: ficken, facken, fucken, fickfacken ... schnell hin- und herbewegen ... passt also auch zum feilen ... unklar sei nur, was da jetzt die Henne und was das Ei sei ... Ich selbst finde, dass das Wort in Texten oft affektiert wirkt, hoffte aber, dass es in diesem Text funktioniert. Ein anderes Wort hätte ich nicht verwenden können, das hätte wirklich nicht gepasst.

Zu guter Letzt noch eine Frage zur Rechtschreibung:

Doch John liebt mich nicht wieder und das Glas ist zerbrochen.
Ist "wieder" wirklich richtig? Oder müsste es "wider" heißen? Ich habe keine Ahnung ...

Hab vielen Dank für deinen Kommentar.
Viele Grüße
Katta

Hallo @Putrid Palace,

Ich dachte erst "ein wenig mager ist er schon", aber ... irgendwie ist alles da. Trotzdessen der Großteil der Handlung in den letzten Absatz "gequetscht" wurde; gequetscht wird deiner KG nicht so ganz gerecht, weil schon einiges dazugehört, so viel Tun und Machen mit so wenig Worten auszudrücken.
Ich war ja auf viel vorbereitet, aber tatsächlich nicht auf "mager" :D. Aber ich weiß, was du meinst. Auf Handlungsebene passiert nicht viel, ist schon viel ... ??? ... Introspektion? Darum hab ich es auch in FlashFiction gepostet. Ich habe, abgesehen von der Länge, keine Ahnung, was FlashFiction ausmacht, dachte aber, wenig Handlung ist hier vielleicht nicht verkehrt. Ich war mir auch nicht sicher, ob die Leser das so mitgehen, ich selbst finde Introspektion eigentlich eher öde, wenn ich es irgendwo lese ...

Vielleicht hast du an einer Stelle zu dick mit dem Weinerlichen aufgetragen, das war auf jeden Fall mein erster Eindruck, bei näherem Hinsehen muss ich aber sagen, ist der Gefühlswandel der Prota von Schuld zu Trauer zu Wut (so ungefähr?) deutlich erkennbar, wenn auch nicht perfekt. Ich meine, du gehst von Absatz zu Absatz auf die chaotische Gefühlswelt der Prota ein und dann im letzten kommt die Handlung. Das Innenleben der Prota steht im Vordergrund, was ja ok ist. Hast du auch gut umgesetzt. ...
Du merkst, ich würde gerne meckern, aber da ist: Nichts! Verdammt!
Ich habe sicherlich dick aufgetragen, das war die größte Unsicherheit, ob du (als Leser) mir das abkaufst. Und ich bin so froh, dass es bisher so scheint, als ob es funktioniert und ihr es so lest, wie ich es mir gewünscht habe. Es sollte natürlich auf eine gewisse Art roh wirken und unmittelbar und viel ...

Das hier vllt. Habe beim ersten Durchgang überlegen müssen, wann sie denn mit John geschlafen hat. Habe das jetzt so verstanden, dass sie das von gestern (wieder) spürt. Ein Hinweis darauf hätte mir den Lesebruch erspart, vllt "spüre wieder" oder "immernoch".
Nur ein Vorschlag.
Ja, da muss ich noch mal abwarten und irgendwann noch mal lesen. Der Text lebt natürlich auch ein Stück weit davon, dass er sehr assoziativ ist ... da passt das "wieder" mMn nicht, aber wie gesagt, ich behalte es mal im Auge. Vielleicht sagen ja auch noch andere etwas dazu.

Vielen Dank jedenfalls für deinen positiven Kommentar.
EDIT: Und vielen Dank auch für die Empfehlung. Wow, ich war so unsicher ... hätte auch der allergrößte Mist sein können ...
Viele Grüße
Katta

 

Hallo @Katta,

zunächst einmal Glückwunsch zur Empfehlung. Ich finde deine Geschichte selbst in weiten Teilen sehr gut, du erzeugst sehr gut Spannung und man kann die hilflose Wut und Enttäuschung deiner Prota gerade mit Händen greifen. Man leidet mit ihr. Gut gemacht. Aber es gibt auch Stellen, bei denen ich die Stirn kraus gezogen habe.
Mir hat gut gefallen, wie du die Zerrissenheit deiner Protagonistin darstellst. Ihre Gedanken, die du zwar immer wieder aufblitzen lässt, aber auch immer wieder mit Taten untermalst und es sind gerade diese Taten, die sie charakterisieren. Bei ihren Gedanken hatte ich manchmal das Gefühl, sie weiß selbst nicht, was sie eigentlich will. Oder weiß es die Autorin nicht?

Gehen wir es mal an:
Anfänglich stellt deine Prota die Frage, ob Karla frigide ist. Am Ende der Geschichte hält sie sie für frigide. Da frag ich mich, welche Definition sie dem Begriff gibt?
Dann fehlt mir eine Portion Stimmung im Hinblick auf John. Was macht deine Prota denn so wütend, eifersüchtig? Was war es denn, was John in ihr ausgelöst hat? Ganz schlicht könntest du sie kurze Satzfragmente aufblitzen lassen, die er in der Nacht gesagt hat. Oder davor irgendwann gesagt hat? Etwas, woraus ich entnehme, dass er grundsätzlich etwas Grund dafür gegeben hat, zu hoffen, dass er liebt. Das ist mir zu distanziert zwischen der Prota und John. Oder anders gesagt, da ist mir die Geschichte zu nackt.

Vielleicht, aber auch das wäre dann etwas, was man darstellen könnte, befindet sich deine Prota in diesem üblichen Irrtum, zu glauben, dass Sex mit John bedeutet, dass er sie liebt oder lieben könnte. Dieser Irrtum besteht darin, dass Männer und Frauen überwiegend Sex, den sie miteinander machen, ganz anders bewerten. Und genau diese unterschiedliche Wertung führt dann oft zu großem Frust auf beiden Seiten. Während Frauen überwiegend davon ausgehen, dass der gemeinsame Sex der Beginn einer Beziehung ist, ist er für den Mann überwiegend nur die Bestätigung seiner selbst, mit dem Beginn einer Beziehung hat das rein gar nichts zu tun.
Besteht aber erst einmal dieses Missverständnis zwischen beiden, ist es meist kaum mehr aufzulösen.
An manchen Stellen trägt mir deine Prota viel zu dick auf. Ich erlebe sie teils in diesen Phasen als zu theatralisch, denn und das sagte ich ja schon am Anfang, ihre Taten sind es, die sie prägen und auch verraten. Wenn sie solch grandios schlechtes Gewissen gegenüber Karla hätte, hätte sie zumindestens, wenn sie weiterhin die Sache mit John verschweigen möchte, versucht, so eine Art Wiedergutmachung an den Tag zu bringen. Da wäre sie dann nicht patzig zu Karla. Sie würde deren Einbruch in ihre Privatsphäre zwar nicht tolerieren, aber dem anders, sanfter begegnen. Wenn sie sich so schuldig fühlen würde, wie du sie denken lässt. Schon beim Herausschneiden der Gebärmutter dachte ich, oh je, da übertreibt sie aber sehr, aber hier bei diesem Absatz, gehen entweder die Pferde mit ihr durch oder ich habe nicht kapiert, was es mit der Kennedyermordung auf sich hat. Kann ja auch durchaus sein, dass ich hier etwas übersehe.

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen. Schreien würden sie: Erhängt sie! Erhängt sie! Schmoren soll sie in der Hölle. Bis in alle Ewigkeit. Amen.
Und wieso überhaupt Kennedy? Ich sehe da keine gedankliche Verbindung zur Tat der Prota. Ich empfinde den gesamten Absatz als Fremdkörper in der Geschichte.
Ich liege brach und die nächste Ernte wird verrotten, weil ich mir Regen wünsche das ganze Jahr.
Der erste Satzteil ist klar, wobei ich verdorren schreiben würde. Der zweite erschließt sich mir nicht, weil noch anfänglich deine Prota wegen des Regens betrübt ist. Da kommt nicht rüber, dass sie den liebt und gar das ganze Jahr über es regnen soll.
„Natürlich werde ich sie dir ersetzen“, sage ich, weil ich weiß, dass ich kein Geld habe.
Dieser Satz hat mir richtig gut gefallen. Deine Prota ist so richtig schön fies und rächt sich grad grandios an einer Unschuldigen, denn eigentlich sollte ihre Rache ja John gelten und nicht Karla, aber in diesem Moment ist sie voll blockiert. Sehr schön dargestellt.


Ich hoffe, du hast mit meinen Kritikpunkten etwas anfangen können und schüttelst nicht laufend den Kopf und sagst: "Nee, die kapiert es nicht, ich hatte es doch so ....gemeint."

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @lakita,
vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommentar, auch natürlich deine kritische Auseinandersetzung.

Mir hat gut gefallen, wie du die Zerrissenheit deiner Protagonistin darstellst. Ihre Gedanken, die du zwar immer wieder aufblitzen lässt, aber auch immer wieder mit Taten untermalst und es sind gerade diese Taten, die sie charakterisieren. Bei ihren Gedanken hatte ich manchmal das Gefühl, sie weiß selbst nicht, was sie eigentlich will. Oder weiß es die Autorin nicht?
Doch, ich denke, die Autorin weiß, was sie darstellen wollte :), aber die Prota hat keine Ahnung, was bei ihr abgeht ...

Anfänglich stellt deine Prota die Frage, ob Karla frigide ist. Am Ende der Geschichte hält sie sie für frigide. Da frag ich mich, welche Definition sie dem Begriff gibt?
Dann fehlt mir eine Portion Stimmung im Hinblick auf John. Was macht deine Prota denn so wütend, eifersüchtig? Was war es denn, was John in ihr ausgelöst hat? Ganz schlicht könntest du sie kurze Satzfragmente aufblitzen lassen, die er in der Nacht gesagt hat. Oder davor irgendwann gesagt hat? Etwas, woraus ich entnehme, dass er grundsätzlich etwas Grund dafür gegeben hat, zu hoffen, dass er liebt. Das ist mir zu distanziert zwischen der Prota und John. Oder anders gesagt, da ist mir die Geschichte zu nackt.
Ich habe natürlich Antworten auf die Fragen, die du stellst, aber ich denke nicht, dass es dir darum geht, die wirklich beantwortet zu kommen (wäre ja irgendwie nicht so richtig Sinn der Sache), sondern, dass für dich diese Fragen unbeantwortet bleiben. Und deine Anregung ist, diese Fragen klarer herauszuarbeiten, richtig? Das Dilemma ist, dass ich den Text mit Absicht in FlashFiction gepostet habe, weil die Geschichte eben so nackt ist, wie du schreibst, und sie das letztlich auch sein sollte. Aber vielleicht funktioniert es auch nicht so richtig gut, für dich auf jeden Fall nicht. Du willst mehr Fleisch am Knochen, das verstehe ich. Es ist ein komischer Text für mich, weil er entweder funktioniert oder nicht, das wusste ich vorher nicht, wie es euch damit geht, aber es ist kein Text, den ich noch überarbeiten könnte (also konzeptionell oder wie auch immer), also mehr Fleisch kann ich tatsächlich nicht liefern.
Und dann ist es ist auch schon auch so, wie in deinem letzten Satz, dass ich den Kopf schüttel (respektvoll natürlich ;-)) und denke: Nee, nee, nee ... Aber ich weiß auch, dass ich wohl was nicht richtig gemacht habe, wenn es bei dir so ankommt, wie es ankommt. Also, ich will gar nicht sagen, dass du da was nicht verstehst, sondern das ich es nur so schreiben konnte und das es gut möglich ist, dass man es nicht versteht. Tatsächlich ist das teilweise das Konzept. Unverständnis. Hin- und Hergeworfen. Orientierungslosigkeit. Die Prota ist ja keine Sympathieträgerin, die ist ja total abgefuckt und selbst total orientierungslos. Borderlinerin, hat @C. Gerald Gerdsen geschrieben. Und all das Übertriebene, das Theatralische, das ist sie auch und da war mir eben nicht klar, ob das so rüberkommt, dass das die Prota ist, oder ob du das als Leserin zu mir als Autorin rüberschiebst, aber das soll natürlich Teil der Charaktersierung der Prota sein. Keine Ahnung, schwieriger Text für mich.
Auf deine ganzen Fragen bin ich jetzt nicht wirklich eingegangen, weil ich davon ausgehe, dass du die im Rahmen deines Leseeindrucks schilderst und hoffe, das ist somit ok. Wenn nicht, schreib gern noch mal.

Vielen Dank fürs Lesen und die tolle inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text.
Viele Grüße
Katta

 

Hallo @Katta,

wenn ich deine Erwiderung richtig verstanden habe, sagst du mir: "So ist sie nun mal meine Prota, genau so und nicht anders."

Wenn das so zu verstehen ist, dann wäre es natürlich destruktiv ihre Brüchigkeit mit Logik auszustatten. Das sehe ich ein. Dann ist eben Karla anfänglich nicht frigide und am Ende ist sie es doch, weil deine Prota eben so unreflektiert und spontan drauflos denkt. Und die Sache mit Kennedy ist dann eben total neben der Spur, aber weil sie selbst auch neben der Spur ist.
Den Begriff Borderline finde ich jedoch im Zusammenhang mit deiner Prota höchst problematisch, weil es eben ja gerade nicht DIE eine Borderlineerkrankung gibt, an der man festmachen kann, dass es Borderline ist. Auch, wenn vielleicht einer der Kritiker es so sieht, finde ich es wenig hilfreich mit diesem Begriff zu arbeiten. Weil wenn du Klischee bedienen willst, dann wäre der Schluss der Geschichte keiner, der einer Borderlinerin zustünde. Die würde nämlich nicht ausziehen wollen, sondern unbedingt dranbleiben an Karla. Oder zumindestens würde sie wutentbrannt ihren Auszug ankündigen, aber nach einer Weile doch zurück kriechen.
Mein Fazit heißt dann runtergebrochen auf einen Satz: Wenn schon, denn schon, dann müsste deine Prota typischer Borderlinerin sein.

Lieben Gruß

lakita

 

Hey @lakita,

Den Begriff Borderline finde ich jedoch im Zusammenhang mit deiner Prota höchst problematisch, weil es eben ja gerade nicht DIE eine Borderlineerkrankung gibt, an der man festmachen kann, dass es Borderline ist. Auch, wenn vielleicht einer der Kritiker es so sieht, finde ich es wenig hilfreich mit diesem Begriff zu arbeiten. Weil wenn du Klischee bedienen willst, dann wäre der Schluss der Geschichte keiner, der einer Borderlinerin zustünde. Die würde nämlich nicht ausziehen wollen, sondern unbedingt dranbleiben an Karla. Oder zumindestens würde sie wutentbrannt ihren Auszug ankündigen, aber nach einer Weile doch zurück kriechen.
Mein Fazit heißt dann runtergebrochen auf einen Satz: Wenn schon, denn schon, dann müsste deine Prota typischer Borderlinerin sein.
Ja, stimmt, der Begriff ist nicht hilfreich, wobei es nicht DIE eine Borderlineerkrankung gibt und meine Prota trotzdem die Kriterien einer Borderlineerkrankung erfüllen könnte, ohne dass sie gleich typisch Borderline sein müsste, weil, wie du ja sagst, gibt es nicht DIE EINE TYPISCHE Erkrankung. Aber der Begriff ist nicht hilfreich, weil ich über eine Person geschrieben habe, nicht über eine Erkrankung/Diagnose. Ich wollte ja nicht stigmatisieren, tue es aber, wenn ich sie eine Borderlinerin nenne (wobei ich finde, dass es im Rahmen einer Interpretation ok ist), aber eben nicht für mich. Und was den Auszug angeht, so glaube ich nicht, dass sie tatsächlich auszieht ;-), but who knows ...

Gute N8 :sleep:
Katta

 
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Hallo Katta und hallo lakita,

da ich den Begriff "Borderline" eingeworfen habe, melde ich mich nochmal.

Ich würde die Diagnose auf keinen Fall in den Text mit hinein nehmen wollen. Mich haben nur so viele Aspekte an der Protagonistin an das Störungsbild erinnert. Die Zerrissenheit, die Leere, die Gefühllosigkeit/Leere und der Selbsthass (inkl. Selbstverletzung), dass ich es erwähnt habe.

Gruß, Gerald

 
Zuletzt bearbeitet:

Muttertext:
Doch John liebt mich nicht wieder und das Glas ist zerbrochen.

Ist "wieder" wirklich richtig? Oder müsste es "wider" heißen? Ich habe keine Ahnung ...
fragstu, liebe Katta

kurze Antwort: claro este,

„wider“ hat allein die Bedeutung von „(ent)gegen“, also „wider etwas kämpfen/sein“ oder auch substabntiviert im Widerstand und „wieder“ ist vieldeutig verwendbar, aber im 17. Jh. aus dem „wider“ „ent“wickelt und hat lt. Duden 23 (!) Synonyme, wovon einige gleichbedeutend sind. Ich zähl jetzt nicht alle auf, weil Synonyme sich logischerweise selber synonym sein sollten, also die häufigsten wie "abermals, aufs Neue (also mindestens) ein weiteres/zweites Mal; erneut, neulich, noch einmal, von Neuem, nochmals, noch (ein)mal usw.)

bairischen Dialekten (das österreichische Idiom ist zB bairisch) auch noch „neuerdings und Varianten zu andererseits/aber auch

Ja, und eh ichs vorm Frühstück vergess:

Herzlichen Glückwunsch zur Empfehlung!,

allemal verdient und damit tschüss und ein schönes Wochenende aus'm Pott vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich fasse mich kurz, liebe @Katta ,
dass ich deinen Schreibstil mag, habe ich bereits anderswo kund getan, wohin mich grade diese Lektüre weiterleitete. ;)
Tolle Flash-fiction, knapp, präzise auf den Punkt gebracht, zeigst du bildhaft das zerrissene Innenleben deiner Prota auf. Hab nix zu meckern.
Gratulation zur Empfehlung!!

LG, Manuela :)

 

Hallo noch mal,

ich habe mir erlaubt die Kritik von @lakita etwas näher zu besehen und möchte davon einige Punkte ansprechen. Dabei ist es keineswegs meine Absicht, die Meinung von Lakita zu entkräften oder zu widerlegen (wenn man denn eine Meinung widerlegen kann). Hier nur meine Meinung zu ein paar Punkten:

Das mit dem "frigide" ist mir erst gar nicht so sehr ins Auge gefallen, muss da aber zustimmen. Habe auch nicht so recht verstanden, was genau du damit ausdrücken wolltest. Dass Karla es erst nicht so recht ist und dann doch, klar, das verstehe ich, aber was genau steckt denn hinter dem Wort, warum sollte sie gerade frigide sein? Ich finde diesen super dreisten, sehr persönlichen Angriff auf Karla da schon passend zu deinem Text, beim Lesen hatte ich mich dennoch gefragt: "warum denn jetzt frigide?" Vllt, weil der Begriff zu vornehm ist für den Ton, der sonst so an den Tag gelegt wird.

Das mit Kennedy hatte ich folgendermaßen verstanden:
Die Leute jubeln ihr zu/trauern mit ihr = Karla weiß gar nichts von ihrer Schuld und ist der Prota auch noch eine Freundin
Wenn die Leute wüssten, dass die Prota Kennedy getötet hätte = wenn Karla wüsste ...
usw.

Kam bei mir gut an, beim ersten Durchgang war es gewiss kryptisch ... fand ich nicht schlecht.


Während Frauen überwiegend davon ausgehen, dass der gemeinsame Sex der Beginn einer Beziehung ist, ist er für den Mann überwiegend nur die Bestätigung seiner selbst, mit dem Beginn einer Beziehung hat das rein gar nichts zu tun.
Hmm :confused: Also die Tendenz mag ja an der Oberfläche der gesellschaftlichen Wahrnehmung vorhanden sein, aber bist du sicher, dass man, egal in welcher Sache, alle Menschen über einen Damm Kehren kann? Das finde ich schlicht falsch und im Bezug auf Kattas Text daher irreführend. Ok, du hast ja "überwiegend" geschrieben, aber wieso sollten dann die Helden aus eben diesem Text nicht etwas Besonderes sein? :Pfeif: Nur, um mal die Rakete zu starten ...


MfG

 

Hallo @Putrid Palace und @Katta,

eigentlich ist es hier nicht üblich Kritik an der Kritik zu üben, aber vielleicht betrachte ich es nur als etwas übergriffig und ansonsten sieht es keiner so. Ich versuch mal einerseits darauf einzugehen und trotzdem hart an der Geschichte zu bleiben.

Das mit Kennedy hatte ich folgendermaßen verstanden:
Die Leute jubeln ihr zu/trauern mit ihr = Karla weiß gar nichts von ihrer Schuld und ist der Prota auch noch eine Freundin
Wenn die Leute wüssten, dass die Prota Kennedy getötet hätte = wenn Karla wüsste ...
usw.
Das habe ich auch so verstanden, aber dennoch nicht verstanden, wieso die Protagonistin dieses Beispiel anführt. Wie alt ist sie z.B.? Ich war, als Kennedy ermordet wurde ein kleines Kind. Mich irritiert also bereits dieses Hervorzerren eines ziemlich betagten Attentats als aktuelle Version, um sein schlechtes Gewissen zu demonstrieren. Das zum einen und ich finde, dass es eindeutig bessere Vergleiche gäbe, die mehr zünden würden (natürlich nur bei mir). Ich empfinde diese Kennedysache nach wie vor als Fremdkörper dieses Textes. Denn ansonsten gefällt mir ja, wie die Prota sich die Sache zurecht redet und wie sie überhaupt agiert.
Hmm :confused: Also die Tendenz mag ja an der Oberfläche der gesellschaftlichen Wahrnehmung vorhanden sein, aber bist du sicher, dass man, egal in welcher Sache, alle Menschen über einen Damm Kehren kann? Das finde ich schlicht falsch und im Bezug auf Kattas Text daher irreführend. Ok, du hast ja "überwiegend" geschrieben, aber wieso sollten dann die Helden aus eben diesem Text nicht etwas Besonderes sein? :Pfeif: Nur, um mal die Rakete zu starten ...
Hier verstehe ich deinen Einwand so rein gar nicht. Ich habe Katta mehr oder weniger gefragt, was die Prota so aufgebracht hat, jetzt eifersüchtig zu sein. Welchen Bezug sie zu John hat. In dem Text erfahre ich nur, dass sie Sex hatten und ich habe spekuliert, ob es nicht vielleicht ein häufig auftretendes Problem sein könnte, dass Mann und Frau Sex völlig anders bewerten.
Ich finde an meiner Interpretation überhaupt nichts Negatives. Du tust aber gerade so, als hätte ich das unterschiedliche Verhalten bei Mann und Frau kritisiert. Da irrst du, falls dies deine Gedanken waren. Denn aus meiner Sicht hat jeder seine Sichtweise zu sexuellem Verhalten und wer wäre ich, da über die Frau oder den Mann den Stab zu brechen, beide fühlen doch völlig authentisch und bewerten jeweils aus ihrer Sichtweise korrekt. Und wenn zwischen zwei Personen etwas unterschiedlich wahr genommen wird, dann ist das für mich keinesfalls ein Fall, bei dem darüber entschieden werden muss, wer da richtig oder richtiger liegt.
Die eigene Wahrnehmung ist, wie es der Wortbestandteil mitteilt, immer für einen auch wahr.
Ich habe Katta ein Beispiel dafür gebracht, weshalb die Prota so aufgebracht sein könnte. Mein Problem ist nämlich, dass ich ihre Verhaltensweise eher nur wie eine Zoobesucherin von aussen betrachten kann und weder Empathie noch Antipathie für sie empfinden kann, sie kommt mir nicht nahe. Sie ist einfach nur eine Person für mich, die wirres Zeugs redet und tut, aber real eifersüchtig ist. Mir fehlt also etwas mehr Ausführung dazu.
Wie ich ja aber von Katta erfahre, wird das nicht passieren.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Katta

na, da gebe ich Dir doch auch noch einen Leseeindruck mit :D. Ein, für mich, interessantes Psychogramm was Du hier in die Runde wirfst. Hat auf jeden Fall was.

Ich stehe vor Karlas Tür und lausche. Ich höre nichts, was sowohl ein gutes wie auch schlechtes Zeichen sein kann. Und dann kommt er. Vermutlich in ihr. Von ihr höre ich weiterhin nichts. Frigide wird sie ja wohl nicht sein, denke ich, oder doch?
Da wird also an fremden Zimmertüren gelauscht, tse, tse. Für mich ein ziemlich guter Einstieg in den Text, da werden gleich mal die Karten auf den Tisch gelegt. Wobei gutes oder schlechtes Zeichen - das kann man eigentlich erst später einordnen, wenn man mehr um die Beziehung zwischen der Prot. und John weiß, beim Erstlesen hat das ne Weile gedauert, bis bei mir der Groschen viel, was hier eigentlich grad abgeht. Aber so rückwirkend ... sie steht also da und lauscht, ob John es noch mit Karla treibt und hofft, sie würden es nicht tun (gutes Zeichen), aber dann kommt er, geräuschvoll wie ich annehme, aber um Karla bleibt es still und daher dieses frigide und ich finde, der Gedanke passt hier ganz gut. Geht am Ende ja gar nicht darum, ob sie es ist oder nicht, geht darum, dass die Prot. sich gern einreden möchte, mit ihr war mehr los, der Sex mit ihr besser als der mit Karla. Wenn sie Karla in diesem Punkt abwertet, dann ist das nämlich gut für ihr angeknackstes Selbstvertrauen, gerade durch den ständigen Vergleich mit der Mitbewohnerin. Irgendwas muss sie doch besser als Karla auf die Reihe bringen, verdammt nochmal!

Ja, ich habe John letzte Nacht gefickt. John war nackt und ich war es auch. Zwei nackte Körper, spielende, ölige Zungen, verflochten, gelöst, immer in Bewegung und überall Hände mit unzähligen Fingern. Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich, die heilige Sophia, bin rein, sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss.
Nein, so sieht sie sich nicht. Sie hat das aus voller Absicht getan. Sie wollte Karla eins auswischen, ob sie nun in John verknallt ist oder nicht, sei mal dahingestellt, wenn ebenfalls ein Motiv. Für mich aber steht der erste Gedanke im Vordergrund - Karla verletzen. Und für mich weiß die Prot. das auch und das sie sich dann als heilig sieht, schwierig für mich.

Doch wohl nicht, weil du eine gottverdammte Lügnerin bist? Dir sollte die Gebärmutter herausgeschnitten werden und in all deinen Texten deine Lieblingsstellen, dann wärst du tot, nicht mehr existent.
hehe

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen.
Auch so ein Satz, der sich mir erst nach der Komplettlektüre erschloss. Beim Erstlesen wirkte er einfach nur hübsch schräg auf mich. Klar hat sie Karla betrogen, sie verletzt (so sie denn wüsste), wollte ihre Liebe töten, davon bin ich nach wie vor überzeugt, auch wenn sie jetzt hier sitzt und flennt. Für mich allerdings eher aus dem Grund, dass sie sich im Nachhinein eher von John benutzt fühlt, also John als eigentlicher Sieger hervorgeht und nicht sie. Ihr Plan nur so semi aufgegeangen ist. Also eigentlich gar nicht, denn er ist ja wieder bei Karla im Bett und das setzt ihr zu. Daher finde ich auch rückwirkend die Stelle eher so lala als Vergleich. Aber vielleicht nehme ich die Prot. auch anders wahr, als wie Du sie angelegt hast.

Ich sitze still, bewege mich nicht, will nicht, dass etwas verloren geht, von dem, was in mir ist. Doch da ist: Nichts. Überall ist: Nichts. Ich liege brach und die nächste Ernte wird verrotten, weil ich mir Regen wünsche das ganze Jahr. Ich habe John letzte Nacht gefickt und das Weiß meines Bildschirms ist kaum zu ertragen.
Auch so ein Vergleich der für mich hinkt. Ich könnt auch glatt ganz drauf verzichten. Den letzten Satz finde ich sau stark. Weiß wie rein und das ist sie nicht. Nicht, nachdem John ihr das angetan hat.

Ich leide. Aber woran? Vielleicht an meiner Mitbewohnerin, dem Bienchen Karla! Tag für Tag, Woche für Woche sammelt sie Honig und ich drehe durch wegen ihrer bienenfleißigen Sammelei.
Karla kriegt ihr Leben auf die Reihe, ist die Streberin. Kann man hassen und beneiden zugleich, v.a. wenn das eigene Leben so gar nicht in der Spur läuft.

Ihre einzig sinnvollen Aktivitäten sind essen und ficken. Und der einzige Grund, warum ich noch hier wohne, ist, dass ich sehen will, wie Bienchen Karla an ihrem Honig-Sammel-Trieb zugrunde geht. Dann werde ich ihr ganzes Zeug verkaufen und von dem Geld eine ganze Weile gut leben können.
Genau. Sie will Karla scheitern sehen. Karla der Übermensch, der am Ende doch auch nur Mensch ist wie sie selbst. Der letzte Satz hängt für mich wieder, was das für ein Blödsinn? Als wenn sie erben würde. Ich weiß nicht, aber durch solche Gedanken machst Du in meinen Augen deine Prot. schwächer als sie ist. Die hat ja keinen an der Waffel, die wird vom Neid und Eifersucht aufgefressen.

Ich sehe die Scherben, spüre den Riss und weiß, ich liebe John. Doch John liebt mich nicht wieder und das Glas ist zerbrochen.
Schön!

„Natürlich werde ich sie dir ersetzen“, sage ich, weil ich weiß, dass ich kein Geld habe.
Das auch.

Karla hat letzte Nacht fleißig Honig gesammelt und weiß von nichts, aber ich, die heilige Sophia, weiß alles. Ich weiß, dass Karla ein frigides, kleines Bienchen ist.
Ja, dieses Wissen darum, dass John Karla nicht treu ergeben ist, das lässt sie wachsen, daran labt sie sich. Und sie will sich Karla als Brett im Bett vorstellen, endlich den Fehler an ihr gefunden haben. Wie gesagt, von der heiligen Sophia bin ich kein Fan, noch immer nicht.

„Karla, ich werde ausziehen“, antworte ich, schnappe mir meine Jacke und laufe durch den Regen zum Fluss.
Schwächster Ausstieg den die Geschichte haben könnte. Für mich jedenfalls. Klar ist nicht gesagt, ob sie es denn auch wirklich tut und wegrennen passt auch gut zur Figur, aber ich fände cool, wenn sie jetzt noch einen draufsetzt. Karla kümmert sich um ihre Verletzung, John wartet, ist nebensächlich, und ich finde, ist ein guter Punkt auf die nächste Stufe zu gehen, ich fände cool, wenn sie hier wirklich alles kaputt macht, Karla sagt: Ich habe mit John gefickt. Sie will sie zerstören, also, bitte, dann lass sie es doch auch tun :D. Und zwar nicht mit: Ich habe John gefickt - was ja wie ein roter Faden durch den Text läuft, sondern in dessen Umkehrung, weil ja auch John sich schuldig gemacht hat und bestraft werden muss: John hat mich gefickt.
Und dann könntest Du Karla noch mal erhöhen, indem sie es mit einem Schulterzucken abtut, sagt: Ich weiß. Er hat erzählt, Du wärst frigide im Bett. Ob das stimmt oder ob Karla halt auch die bessere Strategin ist, kann dabei gern offen bleiben. Aber deine Prot. wäre komplett zerstört damit.
Okay kein Wunschkonzert. Du bist eben netter als ich zu deiner Figur ;).

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @lakita,
so, nu war ich am WE paddeln, das war schön und nu bin ich hoffentlich auch noch mal weiter weg vom Text und will dir noch mal antworten. Das ist so ein Ein-Guss-Text, den hab ich so runtergeschrieben und dann hier eingestellt und natürlich auch noch mal überarbeitet vorher, aber trotzdem, dadurch ist es wohl schon ein sehr emotionaler Text (nicht aber autobiographisch ;-))
Jedenfalls schreibst du:

wenn ich deine Erwiderung richtig verstanden habe, sagst du mir: "So ist sie nun mal meine Prota, genau so und nicht anders." Wenn das so zu verstehen ist, dann wäre es natürlich destruktiv ihre Brüchigkeit mit Logik auszustatten. Das sehe ich ein. Dann ist eben Karla anfänglich nicht frigide und am Ende ist sie es doch, weil deine Prota eben so unreflektiert und spontan drauflos denkt. Und die Sache mit Kennedy ist dann eben total neben der Spur, aber weil sie selbst auch neben der Spur ist.
ja, wahrscheinlich habe ich genau das gesagt: so ist meine Prota nunmal, aber die Frage ist für mich natürlich nicht (nur), wie ist die Prota, sondern: Funktioniert der Text? Weil sonst kann ich das ja zu allen Kommentaren sagen: So ist es nun einmal in meiner Geschichte. Die ist halt nicht logisch oder wat auch immer ... Das ist wie bei den autobiographischen Texten, da ist es ja auch kein Argument zu sagen: Aber so habe ich es nun mal erlebt! Ja, ok, mag sein, als Geschichte funktioniert es aber trotzdem nicht. Was nun also die Logik angeht, so ist die Prota für mich zwar nicht logisch im herkömmlichen Sinne (aber welcher Mensch ist das schon?), aber eben psychologisch (und das soll jetzt kein Kalauer sein), d.h. innerhalb ihres Systems ist sie für mich durchaus konsistent. Die einzige Stelle, die da auch für mich wirklich schwierig ist, ist die Kennedy-Stelle. Ich habe ne Weile überlegt, ob ich die rausnehme oder drinne lasse, ob es mir nur um den Effekt des Schrägen geht oder ob die wirklich etwas aussagt über die Prota. Ich bin da nach wie vor nicht sicher, tendiere aber noch immer, sie drin zu lassen, weil sie für mich eben durchaus eine Bedeutung hat, aber vielleicht - mit ein wenig mehr Abstand - ändere ich da meine Meinung auch. Kann gut sein. Jedenfalls wollte ich noch mal vorbeischauen und das da nicht so unbeantwortet stehen lassen, denn es hat mich durchaus zum Nachdenken gebracht, das wollte ich dir doch zurückmelden. Und dafür danke ich dir.
Viele Grüße
Katta

PS

Und wenn zwischen zwei Personen etwas unterschiedlich wahr genommen wird, dann ist das für mich keinesfalls ein Fall, bei dem darüber entschieden werden muss, wer da richtig oder richtiger liegt.
Unbedingt. Ich würde das gerne alles so stehen lassen ...

Mir fehlt also etwas mehr Ausführung dazu.
Wie ich ja aber von Katta erfahre, wird das nicht passieren.
Ja, momentan mag ich gerade das Flashige am Text und wenn es nicht funktioniert, dann sage ich gerade eher: ok, gut zu wissen, auch weil mir da die Ideen fehlen, wie ich beibehalten kann, was ich beibehalten möchte und trotzdem mehr ausführen kann. Aber wer weiß ...


Hallo @C. Gerald Gerdsen,

Ich würde die Diagnose auf keinen Fall in den Text mit hinein nehmen wollen. Mich haben nur so viele Aspekte an der Protagonistin an das Störungsbild erinnert. Die Zerrissenheit, die Leere, die Gefühllosigkeit/Leere und der Selbsthass (inkl. Selbstverletzung), dass ich es erwähnt habe.
So habe ich das auch nicht verstanden. Beim Schreiben selbst hatte ich diesen Gedanken nicht, aber ich finde diese Assoziation im Rahmen deiner Interpretation verständlich und auch absolut ok, dass zu schreiben ...
Viele Grüße
Katta

Lieber @Friedrichard,

„wider“ hat allein die Bedeutung von „(ent)gegen“, also „wider etwas kämpfen/sein“ oder auch substabntiviert im Widerstand und „wieder“ ist vieldeutig verwendbar,
Vielen Dank für deine Antwort. Ich hatte gedacht: liebt mich nicht zurück, wie beim der Spiegel spiegelt mich zurück ... darum kam ich auf das ohne e. Aber dann war die erste Intuition doch richtig und drüber nachdenken macht alles nur kompliziert ;-)
Viele Grüße
Katta

Hey @Manuela K.,
hab vielen Dank für deinen Kommentar. Freut mich, dass du es gelungen findest.
Viele Grüße
Katta

Hallo @Fliege,
ich habe mich so über deinen Kommentar gefreut. Hach, echt wahr! Vielen Dank dafür!

Wobei gutes oder schlechtes Zeichen - das kann man eigentlich erst später einordnen, wenn man mehr um die Beziehung zwischen der Prot. und John weiß, beim Erstlesen hat das ne Weile gedauert, bis bei mir der Groschen viel, was hier eigentlich grad abgeht. Aber so rückwirkend ... sie steht also da und lauscht, ob John es noch mit Karla treibt und hofft, sie würden es nicht tun (gutes Zeichen), aber dann kommt er, geräuschvoll wie ich annehme, aber um Karla bleibt es still und daher dieses frigide und ich finde, der Gedanke passt hier ganz gut. Geht am Ende ja gar nicht darum, ob sie es ist oder nicht, geht darum, dass die Prot. sich gern einreden möchte, mit ihr war mehr los, der Sex mit ihr besser als der mit Karla. Wenn sie Karla in diesem Punkt abwertet, dann ist das nämlich gut für ihr angeknackstes Selbstvertrauen, gerade durch den ständigen Vergleich mit der Mitbewohnerin. Irgendwas muss sie doch besser als Karla auf die Reihe bringen, verdammt nochmal!
Ja, der ganze Text ist, denke ich, erst beim zweiten Mal wirklich verständlich. Das ist eigentlich nicht so meine Art, aber da er so kurz ist, fand ich es ok. Und: Ja, genau! Sie wird doch nicht frigide sein, oder doch? Das "oder doch?" ist so ein ganz hoffnungsvoller Gedanke irgendwie. Und dann am Ende ist es vollkommen wurscht ob oder ob nicht, es besteht auf jeden Fall die Möglichkeit und das reicht schon dafür, dass es dann einfach so ist und sie sich etwas größer oder gleichwertiger fühlen kann.

Ja, ich habe John letzte Nacht gefickt. John war nackt und ich war es auch. Zwei nackte Körper, spielende, ölige Zungen, verflochten, gelöst, immer in Bewegung und überall Hände mit unzähligen Fingern. Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich, die heilige Sophia, bin rein, sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss.
Nein, so sieht sie sich nicht. Sie hat das aus voller Absicht getan. Sie wollte Karla eins auswischen, ob sie nun in John verknallt ist oder nicht, sei mal dahingestellt, wenn ebenfalls ein Motiv. Für mich aber steht der erste Gedanke im Vordergrund - Karla verletzen. Und für mich weiß die Prot. das auch und das sie sich dann als heilig sieht, schwierig für mich.
Ja, klar, hat sie es aus voller Absicht getan. Das ist auch mehr zynisch gemeint: Und ich die heilige Sophia. Sie weiß, dass sie ganz und gar nicht heilig ist. Sie weiß, dass es ganz schön scheiße ist, was sie getan hat und das alles aus so niederen Motiven wie Eifersucht oder Geltunsdrang oder so. Dafür hasst sie sich, dafür, dass sie so schwach ist. Aber an sich ist die heilige Sophia nicht so wichtig, die kann auch raus ...

Vor meinem Fenster stehen Leute und starren mich an. Kennedy ist tot, rufen sie und zeigen Verständnis für meine Tränen. Oswald hat ihn erschossen. Wenn sie wüssten, dass ich es war und Oswald nur vorschob, würden sie mich auf dem Marktplatz erhängen.
Auch so ein Satz, der sich mir erst nach der Komplettlektüre erschloss. Beim Erstlesen wirkte er einfach nur hübsch schräg auf mich. Klar hat sie Karla betrogen, sie verletzt (so sie denn wüsste), wollte ihre Liebe töten, davon bin ich nach wie vor überzeugt, auch wenn sie jetzt hier sitzt und flennt. Für mich allerdings eher aus dem Grund, dass sie sich im Nachhinein eher von John benutzt fühlt, also John als eigentlicher Sieger hervorgeht und nicht sie. Ihr Plan nur so semi aufgegeangen ist. Also eigentlich gar nicht, denn er ist ja wieder bei Karla im Bett und das setzt ihr zu. Daher finde ich auch rückwirkend die Stelle eher so lala als Vergleich. Aber vielleicht nehme ich die Prot. auch anders wahr, als wie Du sie angelegt hast.
sorry, muss los ... to be continued

 

... und weiter geht's @Fliege:
Hier (also obiges Zitat) komme ich tatsächlich selbst auch ins Straucheln... und ich habe mich gefragt, ob er passt oder nicht, ob ich ihn nur drin haben will wegen des Effekts (was ich nicht wollte) und ich habe da noch nicht so richtig den Abstand zum Text vielleicht, weil in mir natürlich auch noch der Prozess des Entstehens mitspielt und das Setting ist eine meiner früheren WGs und die Wohnung war im Erdgeschoss und ich habe das so geschrieben und sie an meinem Schreibtisch sitzen und verzweifeln sehen und da kam einfach dieses Bild und es war so beruhigend für Sophia, dass da Menschen vor ihrem Fenster standen (die da natürlich nicht wirklich standen, auch nicht für Sophia) und ihr wohlwollend gegenübertreten und ihre Tränen verstanden (was total abstrus ist, weil warum sollte sie weinen, weil Kennedy tot ist oder überhaupt wer hierzulande, das ist mir schon klar, und warum überhaupt Kennedy, was zum Henker hat der denn überhaupt hier zu suchen in dieser Geschichte?), also der Wunsch verstanden zu werden, aber dann müsste man sich auch zeigen und das geht dann wieder nicht, weil sie doch so blöd war, das hat eigentlich nicht mal Karla verdient, andererseits nervt sie richtig hart ab ... Also, das war das Bild dass sich zu diesem Gefühlschaos bei mir eingestellt hat und ich verstehe, dass es total deplaziert wirkt (Kennedy, echt jetzt?) und mglw zusammenhanglos, aber für mich ist es das eben nicht, und darum und in Ermangelung einer besseren Idee lasse ich es erstmal so wie es ist ...

Ich sitze still, bewege mich nicht, will nicht, dass etwas verloren geht, von dem, was in mir ist. Doch da ist: Nichts. Überall ist: Nichts. Ich liege brach und die nächste Ernte wird verrotten, weil ich mir Regen wünsche das ganze Jahr. Ich habe John letzte Nacht gefickt und das Weiß meines Bildschirms ist kaum zu ertragen.
Auch so ein Vergleich der für mich hinkt. Ich könnt auch glatt ganz drauf verzichten. Den letzten Satz finde ich sau stark. Weiß wie rein und das ist sie nicht. Nicht, nachdem John ihr das angetan hat.
Das ist im Grunde auch wieder Ausdruck ihres Selbsthasses ...


Ihre einzig sinnvollen Aktivitäten sind essen und ficken. Und der einzige Grund, warum ich noch hier wohne, ist, dass ich sehen will, wie Bienchen Karla an ihrem Honig-Sammel-Trieb zugrunde geht. Dann werde ich ihr ganzes Zeug verkaufen und von dem Geld eine ganze Weile gut leben können.
Genau. Sie will Karla scheitern sehen. Karla der Übermensch, der am Ende doch auch nur Mensch ist wie sie selbst. Der letzte Satz hängt für mich wieder, was das für ein Blödsinn? Als wenn sie erben würde. Ich weiß nicht, aber durch solche Gedanken machst Du in meinen Augen deine Prot. schwächer als sie ist. Die hat ja keinen an der Waffel, die wird vom Neid und Eifersucht aufgefressen.
Ja, stimmt, den lösche ich raus ...

Karla hat letzte Nacht fleißig Honig gesammelt und weiß von nichts, aber ich, die heilige Sophia, weiß alles. Ich weiß, dass Karla ein frigides, kleines Bienchen ist.
Ja, dieses Wissen darum, dass John Karla nicht treu ergeben ist, das lässt sie wachsen, daran labt sie sich. Und sie will sich Karla als Brett im Bett vorstellen, endlich den Fehler an ihr gefunden haben. Wie gesagt, von der heiligen Sophia bin ich kein Fan, noch immer nicht.
Ja, genau. Gleichzeitig zerfrisst sie aber auch der Selbsthass, weil sie eben genauso ist und der Selbsthass kommt möglicherweise nicht so richtig rüber, das zynische an der "heiligen Sophia". Ich lösche dann das heilig erstmal raus ... mal gucken, wie sich das dann anfühlt.

Schwächster Ausstieg den die Geschichte haben könnte. Für mich jedenfalls. Klar ist nicht gesagt, ob sie es denn auch wirklich tut und wegrennen passt auch gut zur Figur, aber ich fände cool, wenn sie jetzt noch einen draufsetzt. Karla kümmert sich um ihre Verletzung, John wartet, ist nebensächlich, und ich finde, ist ein guter Punkt auf die nächste Stufe zu gehen, ich fände cool, wenn sie hier wirklich alles kaputt macht, Karla sagt: Ich habe mit John gefickt. Sie will sie zerstören, also, bitte, dann lass sie es doch auch tun :D. Und zwar nicht mit: Ich habe John gefickt - was ja wie ein roter Faden durch den Text läuft, sondern in dessen Umkehrung, weil ja auch John sich schuldig gemacht hat und bestraft werden muss: John hat mich gefickt.
Und dann könntest Du Karla noch mal erhöhen, indem sie es mit einem Schulterzucken abtut, sagt: Ich weiß. Er hat erzählt, Du wärst frigide im Bett. Ob das stimmt oder ob Karla halt auch die bessere Strategin ist, kann dabei gern offen bleiben. Aber deine Prot. wäre komplett zerstört damit.
Okay kein Wunschkonzert. Du bist eben netter als ich zu deiner Figur ;).
Oh und ich danke dir hierfür. Das ist so wahr. Das klingt so friedlich nach Abschluss und dann geht sie zum Fluss und dann zieht sie aus und alles wird gut. Nee, wird es nicht. Ich weiß es, weil alles, was sie gerade tut darauf hindeutet, dass es noch lange nicht gut wird. Und ich finde deinen Schluss super und klau den jetzt einfach, darf ich doch, oder? Ich denke, ich lasse sie abhauen und im Rausgehen sagen: Und übrigens ... Und dann ruft Karla noch hinterher: Das weiß ich schon. Weil ich glaube, dass sie ihr das nicht ins Gesicht sagen würde, davor hätte sie zuviel Schiss auch vor Karlas Souveränität, sie sagt das im Rausgehen und will sich dann wieder schön vorstellen, wie Karla sich windet und grämt und sich klein fühlt ...

Vielen Dank liebe Fliege für deinen sehr hilfreichen Kommentar.

Viele Grüße
Katta

 

Hallo Fliege, hallo Katta,

ich fand den Schluss ursprünglich richtig gut (Regen, Fluss, usw.) Nach Flieges Kommentar leuchtet mir ein, dass etwas Zerstörerisches zum Schluss dem Text wahrscheinlich noch besser tun würde.

Wie wäre es mit dem Dialog, den Ihr gerade entworfen habt. Übrigens ... Ich weiß ...

Dann läuft sie "durch den Regen zum Fluss". In ihr kocht die Wut, oder so ähnlich und sie spürt die Rasierklingen in ihrer Tasche. (offenes Ende).

Spannend, wie sich so ein Text entwickelt.

Grüße,
Gerald

 

Hallo,

erstmal Glückwunsch zur Empfehlung. Mich erinnert der Text von Sujet und Sound ein wenig an Beth Nugent, die ich sehr verehre. An vielen Stellen ist mir dein Text aber zu voll, im Sinne dass er zu viel verrät und sich auch die Charaktere zu schnell offenbaren, sich selbst erklären und auch selbst reflektieren.

Ich stehe vor Karlas Tür und lausche. Ich höre nichts, was sowohl ein gutes wie auch schlechtes Zeichen sein kann. Und dann kommt er. Vermutlich in ihr. Von ihr höre ich weiterhin nichts. Frigide wird sie ja wohl nicht sein, denke ich, oder doch? Ich schleiche zurück in mein Zimmer, höre Karla zum Badezimmer stapfen und spüre Johns Samen in einem Rinnsal meine Schenkel entlanglaufen. Ja, ich habe John letzte Nacht gefickt. John war nackt und ich war es auch. Zwei nackte Körper, spielende, ölige Zungen, verflochten, gelöst, immer in Bewegung und überall Hände mit unzähligen Fingern. Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich, die heilige Sophia, bin rein, sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss.

Der ganze erste Absatz. Super Einstieg. Aber dann: warum muss sie erwähnen, dass es sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Zeichen sein kann, dass sie nichts hört? Dann kommt er. Aber woran macht sie das fest? Weil er laut stöhnt? Davor sagt sie aber, sie höre nichts. Nein, was du hier sagen willst, ist: Sie hört nichts von Karla. Karla liegt da wie eine Matratze. Oder? Du sagst dann zwar, dass du von ihr weiterhin nichts hörst, aber das wirkt einfach drangepappt. Warum fragt sie sich auch, ob Karla frigide ist? Das steckt doch da schon drin. Sie steht da an der Tür, lauschst, hört nur ihn, und sie bleibt die ganze Zeit still. Da erklärst du dem Leser die Absichten des Autoren, das ist wie ein permanentes Nachhaken, das musst du nicht, das hat dein Text nicht nötig. Es wirkt, als wärest du dir nicht ganz sicher mit deinen Charakteren. Ein gut erschaffener Charakter braucht keine Erklärung, der lebt aus sich selbst heraus. Dann auch Wortwahl. Stapfen. Karla stapft. Stapfen ist so etwas wie beschwertes Gehen durch schwieriges Terrain. Für mich klingt das in dem Kontext einfach seltsam. Warum beschreibst du nicht, wie die Prot Karlas Schritte wahrnimmt, den Klang? Das ist eine sinnliche Ansprache, du weckst sofort die Sensorik des Lesers, es entwickelt sich auch ein räumliches Gefühl. Ich weiß gar nicht, wie die da zusammenwohnen, das bleibt eine Leerstelle. Und das sie gerade dann, wenn Karla den Flur zur Toilette entlangstapft, Johns Samen spürt, das ist natürlich schon eine sehr offensichtliche Konstruktion. Kann sie sich nicht einfach feucht oder wund fühlen, muss es direkt so dick aufgetragen sein? Und wem bejaht sie das? Ja, ich habe John gefickt? Sich selbst? Da frage ich mich, warum? Du machst also mit einer solchen Schreibweise unzählige weitere Ebenen auf, die aber im Grunde nur einen großen Leerraum erschaffen - ich weiß nicht, wie man das besser ausdrücken kann. Dann diese Beschreibung von Sex - ölige Zungen? Haben die da das Gleitmittel gelutscht, oder wie? Also, wenn man das nicht wirklich, wirklich gut kann, Erotik beschreiben (ich kann es nicht) dann würde ich das rausstreichen. Ist doch klar, was passiert. Und deine eher romantische Beschreibung widerspricht auch dem Jargon, in dem deine Prot sonst so denkt, die denkt nämlich: ficken. Klar kann man argumentieren, dieses Schizoide, diese beiden Pole gehören eben zum gebrochenen Charakter der Figur, aber damit komme ich zu meinem Hauptpunkt: das Zerbrochene wird mir erklärt. Beziehungsweise erklärt sich die Figur selbst ihren zerbrochenen Charakter. Ich frage mich auch: ist sie wirklich zerbrochen? Woran denn? Was genau ist ihr Problem, ihr Konflikt? Sie liebt John, aber John liebt eigentlich Karla, die frigide ist? Woran entzündet sich die Eifersucht, und ist das wirklich Eifersucht, oder nicht eher eine eingebildete Stimmungsschwankung, aus einer dekadenten Langeweile heraus geboren? John bleibt immer eine Pappfigur. Der tritt nie aus einem ominösen Schatten heraus. Die Prot hat ihn gefickt, aber sie weiß, er liebt sie nicht. Vielleicht liebt er Karla. So genau scheint das die Prot auch nicht zu wissen, und auch nicht wissen zu wollen. Im Grunde ist das eine menage a trois Geschichte, wie sie Truffaut oder Ozon erzählt hat. Aber da gibt es ein Spannungsverhältnis, da haben alle drei Figuren eine Magie, eine Gravitation, das sind Katalysatoren für das Verhalten der anderen, die enzünden sich aneinander und gegeneinander, so entsteht auch diese sumpfige, schwüle Stimmung, permanet aufgeladen mit Sex und Spannung, man kann ihn förmlich riechen. Deine Figur hingehen, die Erzählerin, die erzählt sich permanent etwas selbst, was irgendwie ihr Verhalten erklären soll, was auch die anderen Teilnehmer der Narrative erklären soll, es sind einfach Beschreibungen, und dann kommen da so ein paar schräge Sentenzen, wie mit Kennedy etc, die das Ganze irgendwie interessant machen sollen, die einen doppelten Boden erzeugen sollen, die Fragen evozieren sollen, hier fiel schon der Begriff Borderline, das ist wie eine letzte Zuflucht, da braucht man dann keine innere Logik mehr.

Mir fehlt hier der Fokus. Der Text lenkt sich selbst davon ab, die Figuren wirklich ernst zu nehmen, sie unter die Lupe zu nehmen. Die Erzählerin schwätzt - sage ich mal ganz böse, und das ist die Geschichte. Hier tritt nie jemand heraus und handelt. Nie wird etwas durch eine Geste, ein Wort, eine Handlung bewiesen. Was wird mir hier eigentlich erzählt? Ich lese in den anderen Kommentaren etwas von Neid, Eifersucht etc, aber im Text lese ich davon eigentlich nichts. Da werden Vergleiche mit Bienen gebracht. Ich muss den Neid und die Eifersucht also sehen, ich muss sehen, wie ein Charakter etwas hat, was die andere nicht hat und auch nicht bekommen wird. Der Text scheint in großen Teilen Behauptung zu sein.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,

ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Ich habe schon ein paar deiner Kommentare gelesen und dabei oft gedacht: Stimmt! und, dass du deinen Finger genau drauflegst. Darum lese ich natürlich deinen Kommentar hier sehr genau.


Mich erinnert der Text von Sujet und Sound ein wenig an Beth Nugent, die ich sehr verehre.
Der Name sagt mir gar nichts, drum schau ich mal bzw. habe ich schon. Das finde ich immer schön, auch über den Text hinaus was zu lernen oder auch inspiriert zu werden. Darum danke dafür.

Aber dann: warum muss sie erwähnen, dass es sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Zeichen sein kann, dass sie nichts hört? Dann kommt er. Aber woran macht sie das fest? Weil er laut stöhnt? Davor sagt sie aber, sie höre nichts. Nein, was du hier sagen willst, ist: Sie hört nichts von Karla. Karla liegt da wie eine Matratze. Oder? Du sagst dann zwar, dass du von ihr weiterhin nichts hörst, aber das wirkt einfach drangepappt. Warum fragt sie sich auch, ob Karla frigide ist? Das steckt doch da schon drin. Sie steht da an der Tür, lauschst, hört nur ihn, und sie bleibt die ganze Zeit still. Da erklärst du dem Leser die Absichten des Autoren, das ist wie ein permanentes Nachhaken, das musst du nicht, das hat dein Text nicht nötig. Es wirkt, als wärest du dir nicht ganz sicher mit deinen Charakteren. Ein gut erschaffener Charakter braucht keine Erklärung, der lebt aus sich selbst heraus.
Naja, müssen ist schon ein starkes Wort in diesem Zusammenhang ;-), also: Nein, sie muss es nicht erwähnen, aber wenn du mich fragst, wieso sie es erwähnt, dann ist es wohl auf die schon von dir angeführte Schwatzhaftigkeit der Prota zurückzuführen und vor allem wohl, wie du auch sagst auf meine Unsicherheit, ob dem Leser sonst klar ist, dass es sie freuen würde. Aber vermutlich stimmt es, dass es sich aus dem Text ergeben sollte, ohne explizit genannt zu werden. Das mit dem Hören und dem Stöhnen: Eigentlich wollte ich nicht sagen, dass sie Karla nicht hört, sondern dass sie von beiden nichts hört. Der Gedanke war eigentlich: Das die beiden da eher so ruhigen Sex haben (auch wegen der Mitbewohnerin sicherlich) und er (nur er) dann eben kurz lauter wird. Sie fragt sich, ob Karla frigide ist, weil es sie freuen würde, wenn es so wäre. Steckt das immer noch drin, auch wenn ich den Satz weglasse?

Dann auch Wortwahl. Stapfen. Karla stapft. Stapfen ist so etwas wie beschwertes Gehen durch schwieriges Terrain. Für mich klingt das in dem Kontext einfach seltsam. Warum beschreibst du nicht, wie die Prot Karlas Schritte wahrnimmt, den Klang? Das ist eine sinnliche Ansprache, du weckst sofort die Sensorik des Lesers, es entwickelt sich auch ein räumliches Gefühl.
Ich denke, ich weiß, was du meinst mit sinnlicher Ansprache und Klang. Finde das an der Stelle aber echt schwer (aber ich überlege nochmal), und tatsächlich ist für mich das Wort stapfen mit einem sinnlichen Klang verbunden, es sollte nicht so viel sein viel trampeln, aber doch eine gewisse Schwerfälligkeit ausdrücken, die die Prota wahrnimmt, dass Karla kein leichtfüßiger Engel ist - auch wenn das vielleicht alle immer in ihr sehen! Es sollte heißen: Karla geht nicht, Karla stapft da wie ein Bauarbeiter über den Flur ... so klingt es zumindest ...

Ich weiß gar nicht, wie die da zusammenwohnen, das bleibt eine Leerstelle. Und das sie gerade dann, wenn Karla den Flur zur Toilette entlangstapft, Johns Samen spürt, das ist natürlich schon eine sehr offensichtliche Konstruktion. Kann sie sich nicht einfach feucht oder wund fühlen, muss es direkt so dick aufgetragen sein?
Ja, das stimmt, das mit der Leerstelle. Es sollte halt wirklich ein flashiger Text sein, ohne allzuviel "Ballast", reduziert im Sinne von Setting oder auch andere Charaktere, und, auch den Vorwurf bzw. die Empfindung der Konstruktion kann ich nachvollziehen.

Und wem bejaht sie das? Ja, ich habe John gefickt? Sich selbst? Da frage ich mich, warum? Du machst also mit einer solchen Schreibweise unzählige weitere Ebenen auf, die aber im Grunde nur einen großen Leerraum erschaffen - ich weiß nicht, wie man das besser ausdrücken kann.
Das habe ich mich selbst auch gefragt, wem sie das bejaht und ganz ehrlich, da habe ich keine Antwort.

Dann diese Beschreibung von Sex - ölige Zungen? Haben die da das Gleitmittel gelutscht, oder wie? Also, wenn man das nicht wirklich, wirklich gut kann, Erotik beschreiben (ich kann es nicht) dann würde ich das rausstreichen. Ist doch klar, was passiert. Und deine eher romantische Beschreibung widerspricht auch dem Jargon, in dem deine Prot sonst so denkt, die denkt nämlich: ficken. Klar kann man argumentieren, dieses Schizoide, diese beiden Pole gehören eben zum gebrochenen Charakter der Figur, aber damit komme ich zu meinem Hauptpunkt: das Zerbrochene wird mir erklärt. Beziehungsweise erklärt sich die Figur selbst ihren zerbrochenen Charakter.
Ölige Zungen, gefällt dir nicht? ;-) Es sollte tatsächlich etwas eklig sein, ich hatte auch an zwei Aale gedacht, fand das dann aber zu eklig ... aber der Rest passt dann nicht dazu, das stimmt wohl, zumindest an dieser Stelle dann nicht. Aber dann auch wieder, ja, die Prota sollte schon auch vieles sein, sehr ambivalent eben, aber sie soll das natürlich dir nicht erklären. Du sollst es dir natürlich selbst erklären und wenn das so nicht ist, ist das natürlich Mist.

Wenn ich deinen zitierten ersten Absatz und deine Kritik mal nehme und umschreibe, kommt übrigens das hier raus:

Ich stehe vor Karlas Tür, lausche. Ich höre Johns Stöhnen, von ihr höre ich nichts. Dann kommt er, vermutlich in ihr, und ich schleiche zurück in mein Zimmer. Karlas Bauarbeiterschritte hallen auf ihrem Weg ins Bad den Flur entlang bis in mein Zimmer, dorthin wo ich John letzte Nacht gefickt habe. Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss.
Vielleicht schreib ich auch alles noch mal so um, weniger behaupten mehr zeigen, einfach um mal zu gucken, wie es dann wirkt, wenn ich's denn hinkriege. Probieren geht ja bekanntlich über studieren.

Ich frage mich auch: ist sie wirklich zerbrochen? Woran denn? Was genau ist ihr Problem, ihr Konflikt? Sie liebt John, aber John liebt eigentlich Karla, die frigide ist? Woran entzündet sich die Eifersucht, und ist das wirklich Eifersucht, oder nicht eher eine eingebildete Stimmungsschwankung, aus einer dekadenten Langeweile heraus geboren? John bleibt immer eine Pappfigur. Der tritt nie aus einem ominösen Schatten heraus. Die Prot hat ihn gefickt, aber sie weiß, er liebt sie nicht. Vielleicht liebt er Karla. So genau scheint das die Prot auch nicht zu wissen, und auch nicht wissen zu wollen. Im Grunde ist das eine menage a trois Geschichte, wie sie Truffaut oder Ozon erzählt hat. Aber da gibt es ein Spannungsverhältnis, da haben alle drei Figuren eine Magie, eine Gravitation, das sind Katalysatoren für das Verhalten der anderen, die enzünden sich aneinander und gegeneinander, so entsteht auch diese sumpfige, schwüle Stimmung, permanet aufgeladen mit Sex und Spannung, man kann ihn förmlich riechen.
Vielleicht ist der Titel auch irreführend. Vielleicht würde Zerrissen besser passen, der Titel kommt von dem zerbrochenen Glas ... Sie ist ja nicht zerbrochen ... Ihr Problem oder Konflikt ist nicht, dass sie John liebt und John mglw Karla liebt, ihr Problem ist: Karla. Oder auch: ihr quasi inexistenter Selbstwert, ihr Selbsthass genährt von Karla. John soll ganz klar eine Pappfigur sein, weil John überhaupt nicht wichtig ist, sondern nur jmd/etwas, woran sie sich aufhängt. Also wenn es ein Theaterstück wäre, würden wir John auch nie zu Gesicht kriegen. Aber das scheint nicht so richtig klar zu sein, zumindest nicht jedem, aber erklären kann/will ich es ja eben auch nicht. Was ich habe, ist eine sehr unzuverlässige Ich-Erzählerin, die kaum Zugang zu ihren inneren Prozessen hat, darum passen Truffaut und Ozon hier mMn auch nicht als Vergleich. Weil tatsächlich die Stimmung eine ganz andere ist, weil es eben nur vordergründig um eine menage a trois geht, eigentlich geht es um diese tiefe Unsicherheit in der Prota.

Deine Figur hingehen, die Erzählerin, die erzählt sich permanent etwas selbst, was irgendwie ihr Verhalten erklären soll, was auch die anderen Teilnehmer der Narrative erklären soll, es sind einfach Beschreibungen, und dann kommen da so ein paar schräge Sentenzen, wie mit Kennedy etc, die das Ganze irgendwie interessant machen sollen, die einen doppelten Boden erzeugen sollen, die Fragen evozieren sollen, hier fiel schon der Begriff Borderline, das ist wie eine letzte Zuflucht, da braucht man dann keine innere Logik mehr.
Ja, das stimmt, dass sie sich permanent etwas erzählt. Aber es soll eigentlich nicht ihr Verhalten erklären, sondern eher ergänzen. Es soll auch nicht die anderen Teilnehmer erklären, sondern ihre ganz ureigene Sicht eigentlich _zeigen_. Und innere Logik soll da sein, die ist ja eigentlich auch immer bei psychischen Störungen da. Wenn du sie nicht siehst oder ich sie nicht gut genug gezeigt habe, ok, aber da sein soll sie, also das war natürlich schon das Mindestziel. Ich habe mich beim Schreiben nicht auf irgendeiner Diagnose ausgeruht oder so und mir damit alles erklärt. Was du hier ansprichst, war im Grunde meine größte Sorge, dass es sich liest, wie billige Effekthascherei. Und du bist ja auch nicht der Erste und Einzige, der das anspricht.

Mir fehlt hier der Fokus. Der Text lenkt sich selbst davon ab, die Figuren wirklich ernst zu nehmen, sie unter die Lupe zu nehmen.
Das tut schon weh, ist es doch etwas, was ich selbst nicht leiden mag, wenn Autoren ihre Figuren nicht ernst nehmen. Ich nehme die Prota schon ernst, aber ich wollte es auch gerne bei dem Flashigen belassen, nicht zu viel drumherum, nicht zu viel Setting, nicht zu viel Kulisse auch nicht in Form von Interaktion. Andererseits, es war natürlich ein Versuch. 1. im assoziativen Schreiben, mal nicht so kognitiv-verkopft ans Schreiben heranzugehen, was mir viel Spaß gemacht hat, aber auch 2. zu gucken, wie das wirkt, herauszufinden, was wie wirkt. Und da bin ich tatsächlich nun irgendwie (also nach sämtlichen Kommentaren) auch nicht soviel schlauer als vorher. Wenn ich mich frage, was ich hieraus lerne: Dann weiß ich das noch nicht so genau. Das stört mich schon am meisten an der ganzen Chose, das ich noch nicht so richtig weiß wie und was ich damit jetzt anfange.

Die Erzählerin schwätzt - sage ich mal ganz böse, und das ist die Geschichte.
Tatsächlich, so ist es. Und ich kann total verstehen, wenn jemand sagt, dass langweile ihn/sie. Ich kann das eigentlich nicht leiden, diese selbsbezogenen Texte voller Monologe und Blabla ...

Ich muss den Neid und die Eifersucht also sehen, ich muss sehen, wie ein Charakter etwas hat, was die andere nicht hat und auch nicht bekommen wird. Der Text scheint in großen Teilen Behauptung zu sein.
Ja, das krieg ich dann aber nicht in FlashFiction unter. Vielleicht ist es so, wie du schreibst, dass der Fokus fehlt. Vielleicht muss ich noch mal genau und ganz kognitiv-verkopft überlegen, was ich eigentlich damit erzählen will und warum ich es genau so erzähle.

So, es war auf jeden Fall einiges zum Nachdenken dabei, genau dafür bin ich ja hier und genau dafür danke ich dir.

Viele Grüße
Katta

 

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