Was ist neu

Zwei Grog für zwei Weihnachtsmänner

Seniors
Beitritt
03.07.2004
Beiträge
1.585

Zwei Grog für zwei Weihnachtsmänner

Gestern saß ich in meinem Lieblingscafé und schlürfte meinen Cappuccino. Meistens ist das Café sehr voll, aber es war kurz vor Feierabend, das Kaufhaus gegenüber hatte schon geschlossen und die Menschen strömten von ihren Weihnachtseinkäufen gestresst nach Hause. 'Ohne mich,' dachte ich. 'Ich lass mich nicht in diesen Kaufrausch versetzen. Keine Geschenke. Kein Tannenbaum. Keine sinnlose Hektik.' Solche Gedanken gingen mir in dem ruhigen Café durch den Kopf.

Es war so still, dass ich sogar das Gespräch am Nebentisch deutlich mithören konnte. Da saßen zwei alte Männer in Anzügen, die gewiss schon bessere Tage gesehen hatten. beide hatten neben sich eine Sporttasche stehen, aus der einen schaute der Zipfel eines roten Mantels heraus. Der andere hatte noch ein paar weiße Wattefusseln an seiner Wange. Kein Zweifel: Zwei Weihnachtsmänner, die ihren Einsatztag in einem der Kaufhäuser hinter sich gebracht hatten.

"Ich habe es so satt," stöhnte der eine und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Grog.

"Wem sagst Du das, mir tun die Beine weh vom Laufen," entgegnete der andere und nahm auch einen ordentlichen Zug aus seinem Grogglas.

"Ich kann ja wenigstens immer wieder sitzen, aber dann muß ich den Kindern eine Geschichte vorlesen. Glaubst Du, die hören mal ruhig zu? Ständig stellen sie Fragen, reden dazwischen oder laufen weg, grabbeln an meinem Mantel herum, versuchen den Sack auszukippen. Manchmal würde ich wirklich gerne ausprobieren, ob die Rute wirkt."

"Bestimmt nicht. Ich habe das schon lange aufgegeben. Die Kinder erwarten ihre Geschenke, als ob sie einen Anspruch darauf haben. Und wehe, es gibt nicht das richtige."

"Vor zwei Tagen hat mich ein Kind richtig fest gehauen, weil es Schokolade haben wollte und keine doofe Mandarine."

"Bringen Sie uns noch zwei Grog," rief der eine Weihnachtsmann zur Kellnerin.

"Und morgen die gleiche Tretmühle wieder. Noch vier Tage bis zum 24. Aber dann mach ich drei Kreuze."

"Ja, in vier Tagen beginnt der heilige Abend, aber wer weiß denn noch, was das bedeutet. Die Kinder doch wohl kaum und die Erwachsenen interessieren sich auch nicht. Die meisten wissen doch nicht einmal mehr, wo die Weihnachtsgeschichte steht."

"Äh, also ich glaube in der Bibel, nicht. Aber ist das wichtig? Weihnachten gibt es eine warme Suppe und Kaffee und ein paar Geschenke in der Suppenküche und dann ist das gute Leben wieder vorbei."

"Ja, nach Weihnachten gibt es für den Weihnachtsmann nichts mehr zu tun. Dan heißt es warten bis zum nächsten Weihnachtsfest."

"Naja, jetzt gibt's ja Hartz IV, da wird für uns vielleicht auch noch was abfallen. Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen soll, mal wider was zu tun zu bekommen."

"Es ist doch schön, wenn man gebraucht wird und arbeiten kann, oder nicht?"

"Werde ich denn gebraucht? Wenn ich so lese, was in der Zeitung über Arbeitslose steht, komme ich mir eher sehr überflüssig und unnütz vor."

"Das kenne ich. Die meisten Menschen glauben ohnehin nicht mehr an den Weihnachtsmann, da habe ich dann auch nicht mehr so viel zu tun."

"Das verstehe ich jetzt nicht. Was hat denn Deine Arbeit damit zu tun, ob die Menschen an den Weihnachtsmann glauben. An den glaubt doch sowieso keiner mehr."

"Naja, ich komme nur zu den Menschen, die an mich glauben. Und ich gebe ihnen auch gar keine Geschenke, sondern helfe ihnen, dass es wirklich Weihnachten wird, für sie selber und andere."

"Ich denke das ist bei mir auch so. Ich arbeite ja drüben in den Kaufhaus-Arkaden. Die Geschäftsleute bezahlen mich, damit bei den Kunden Weihnachtsstimmung aufkommt. Geschenke verteile ich kaum, die sollen die Kunden schließlich selber kaufen. Aber ob die Menschen an mich glauben? Naja, vielleicht würden sie mich gar nicht beachten, wenn ihnen der Weihnachtsmann egal ist. Aber wo arbeitest Du denn nun?"

Der andere schwieg lange und sah sein Gegenüber freundlich lächelnd an. Dann verblasste er und nur noch sein Flüstern hing im Raum: "Ich arbeite im Himmel."

Der andere Weihnachtsmann starrte lange auf den leeren Stuhl und das leere Glas. Dann schüttelte er den Kopf, trank sein Glas aus, nahm seine Tasche und ging leicht schwankend aus dem Café.

"Wir wollen jetzt schließen." Die Kellnerin tippte auf meine Schulter. Ich schaute zum Nebentisch, aber der war schon abgeräumt. Hatte ich das Gespräch geträumt? Oder hatte ich wirklich den Weihnachtsmann gesehen? Das hieße ja wohl, dass ich an ihn glaube. Und dann fielen mir mehrere Menschen ein, die ich kannte und die auch einsam waren wie ich. 'Morgen werde ich losgehen und Geschenke für sie kaufen,' sagte ich mir. Und ich freute mich auf Weihnachten.

 

zwei grog für zwei weihnachtsmänner

hi jobär,

die geschichte fing gut an. 2 weihnachtsmänner nach getaner arbeit im frustgespräch über nörgelnde kinder, ich las und freute mich auf ein furioses finale von zwei betrunkenen.....

aber die geschichte nimmt eine wendung. der eine entschwindet im himmel, der zuhörer will geschenke für freunde kaufen und weihnachten mit freude erwarten....

dass ende ist mir zu rührselig und der mittige dialog müsste m. e. ein wenig gedehnt werden mit... er sprach, er sagte, er antworterte oder ähnlichem. nur wörtliche rede fand ich persönlich zu anstrengend.

in dem sinne

gute nacht

kardinal

 

Hallo Kardinal!

Danke frü Deie Worte. Ich hätte alerdings gedacht, dein Nickname prädestiniert Dich für rührselige Geschichten mit Himmel und Freude auf Erden.
Ich hätte die Geschcihte vielleicht auch anders schreiben können, aber dann hätte sie in der Rubrik Gesellschaft gestanden, denke ich mal.
Nur örtliche Rede mag anstrengend sein, aber das Aufblähen durch Füllsätzchen finde ich persönlich nicht gut.

Also lasse ich die Geschichte mal so, wie sie ist, höre aber gerne auf weitere Kritiken,

Gruss

Jo

 

Hi Jobär,

manchmal geschehen die Dinge, so wie man sie braucht. ;)

Darum ist es auch egal, ob dein Prot die beiden Weihnachtsmänner wirklich gesehen hat.

Gefrustet über den Weihn.Stress, steht für ihn fest, dass er dies nicht mitmachen will. Er sieht das Fest mit dem Kopf, nicht mit dem Herzen.

Doch tief in ihm, ist die Sehnsucht nach Besinnlichkeit, danach, seine Einsamkeit, die er sich wohl selber auferlegt hat, zu beenden.
Es bedurfte einer Vision, oder war es wirklich der Weihnachtsmann? :)
um seine wahren Gefühle ins Bewußtsein zu bringen.

Und so wird er selber zum W.M., es gibt so viele, die ihn brauchen, so wie er sie.
Obwohl ich bei dem Dialog auch mehr Bilder gesetzt hätte, hat es mich nicht gestört. Weil, so glaube ich, der Sinn der Unterhaltung war, sein Herz zu öffnen.
Mir hat die Intention deiner KG gefallen.

lieben Gruß, coleratio

 

Hallo coleratio!

Vielen Dank für Deine Worte. Ihren Anfang nahm diese Geschichte bei der Diskussion um Häferls Weihnachtsgeschichte. Und dann hat sie sich so langsam weiterentwickelt. Unf vielleicht brauchen wir ja wirklich manchmal so einen Weihnachtsmann/Christkind - in uns drin oder eben auch um uns herum, denn manchen Menschen fällt es nicht leicht, auf sich selbst zu hören.

Lieben Gruß

Jo

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom