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Das Ende des Wartens

Seniors
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22.10.2011
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Das Ende des Wartens

Manchmal glaubte Anna, das Warten habe sich in die Erinnerung ihrer Wohnung geprägt. Ein geisterhafter, blasser Pfad, der von der Küche zum Bad führte. Manchmal glaubte sie, das Warten habe ein Gesicht.
Noch fünf Stunden.
Sie rückte Bilder zurecht, die gerade hingen, und Sessel, die dort standen, wo sie sollten. Dann begann sie von vorn. Sie zupfte am Goldlack, der in einem Kübel auf dem Balkon blühte, und schnitt trockene Blüten heraus. In ihrer linken Hand häuften sich Blättchen, sie vergrub ihr Gesicht darin und sog den Duft ein.
Nur noch diesen Vormittag musste sie überstehen und die Zeit, bis der Arzt sie hineinrief, dann war das Warten vorbei. Für eine Weile. Dann konnte sie weinen oder glücklich sein. Sie würde mit allem zurechtkommen, sie würde es müssen. Für eine Weile.
Noch vier Stunden.
Anna wanderte weiter, durchmaß die Räume, um die Zeit voranzutreiben. Endlich, endlich losfahren, das Warten abkürzen bis zu dem Moment, wenn sie vor dem Arzt saß.
Sie hatte gedacht, sie sei geduldiger. Doch dann war das Warten in ihren Leib gekrochen und hatte die Furcht geboren. Sie nährte sich von Anna, fraß sie bei lebendigem Leib. Und als das Warten genug hatte von der Hülle, zu der Anna geworden war, schickte es die zweite Tochter: die Hoffnung. Anna wusste nicht, welche der beiden Töchter grindiger war.
Noch drei Stunden.
Sie schminkte sich, kirsch und schiefergrau, zog den knallroten Tanga an. Der Arzt würde ihn nicht sehen, diesen zu engen Fetisch, aber Anna würde ihn spüren, wenn der String beim Hinsetzen in die Haut kniff. Ihre Gedanken konnten sich mit den Bändchen in die Schenkel bohren, während ihr Oberkörper sich mit ruhiger Gelassenheit dem Arzt entgegenneigte. Was immer er sagen würde, das Warten wäre vorbei. Endlich.

Eine Bahn kam, spuckte Menschen aus, Anna trat zurück, ließ Platz für die Aussteigenden. Graue Gesichter, die zu Boden stierten, Stimmen, die in ihren Ohren stachen. Geplärre. Die Tür schloss mit einem Schmatzen und stieß einen Schwall säuerliche Luft auf das Gleis. Es roch nach ungewaschener Kleidung.
Die Ziffern der Anzeigentafel rückten vor, noch eine Minute. Anna schaute in den Tunnel, überlegte, von welcher Seite die Bahn einfuhr. Ein Luftzug erfasste sie, etwas schrillte, eine Hand riss sie zurück. „Sind sie wahnsinnig?“ Der Mund der alten Frau sprühte Speichel, schwere graue Haare, gewunden zu einem unordentlichen Knoten. Anna sah ihr nach, als sie davonging. Der Dutt schwang im Rhythmus ihrer Schritte von links nach rechts. Vorsichtig stieg Anna in die Bahn, wich Kaugummiblasen und Kopfhörern aus, streifte einen Schenkel, kniff die Falte in ihrem grauen Hosen-Anzug gerade. Jemand aß Pommes frites. Um sie herum schwirrten Stimmen, die alle gleichzeitig quäkten, „und dann hab ich … aber ich … und dann ist er ...“ Ein Mädchen strich ihr Haar zurück. Affektierte, gezupfte Augenbrauen, der Mund klaffte. Noch eine Stunde.

Sie erinnerte sich.
Ihr Leben hatte schon immer aus Warten bestanden. Auf den Job, die Tochter, den Mann, auf den Erfolg und wieder auf den Mann. Darauf, dass das Leben schöner wurde. Oder wenigstens blieb. Zuletzt hatte sie darauf gewartet, dass die Infusionen austropften und sich durch ihren Körper brannten, darauf, dass ihr übel wurde. Sie hatte sich müd und trüb gewartet.
Im Wartezimmer blätterte sie sich durch eine Zeitung, überlegte, was dagegen spräche, die Bilder an den Wänden gerade zu rücken. Von draußen kreischte und bimmelte es. Schließlich schloss sie das Fenster.
Die Sprechstundenhilfe wies mit ausgestreckter Hand auf das geöffnete Sprechzimmer, eine Galionsfigur mit Klettslippern. Nachdem Anna die Tür geschlossen hatte, blickte sie zaghaft zu dem Arzt hin. Er starrte auf den Schreibtisch. Als er sie anschaute, verzog sich sein Gesicht zu einer Maske. Die Fältchen an seinen Augen sahen tot aus.
„Frau Mönig, da sind Sie ja!“ Von draußen brauste noch immer der Straßenlärm, manchmal gellte eine Hupe. Mit durchgestrecktem Rücken schritt sie vor seinen Schreibtisch, nahm Platz. Hier war es still. Ganz still. Das Warten stand im Zimmer. Noch hatte es ihr den Rücken zugekehrt.
„Ich habe gute Nachrichten.“ Der Arzt öffnete beide Arme. „Sie haben es geschafft.“ Er strahlte, sein Lachen erreichte die Augen, ließ den Kranz von Fältchen flirren. „Die Quälerei hat sich gelohnt.“ Er streckte die Hand nach ihr aus. „Wir haben gewonnen.“ Zögernd ergreift sie seine Finger. Von draußen tönt Gelärme, das Bimmeln einer Fahrradglocke, ein paar Kinder, die sich ihr Lieblingseis zurufen. Himbeer, fällt ihr ein. Und Joghurt, obwohl keiner sie gefragt hat. Direkt vor dem Fenster singt eine Amsel. Ein Männchen, denkt Anna.
Zuhause würden sich die Schatten nicht mehr in den Ecken ihrer Wohnung sammeln, sie würden zu Boden sinken und sie würde sie wegfegen mit einem rauen, fröhlichen Besen. „Ja“, antwortet sie.

Auf dem kleinen Platz vor der Arztpraxis herrscht Getriebe, ein vergnügtes Menschenkarussell. Fahrradfahrer klingeln sich vorbei, aus einem Korb am Lenker linst ein aufgeregter, kleiner Hund. Männer mit Baskenmützen schwatzen über das letzte Spiel der Borussia, eine alte Frau wirft Brot für die Tauben. Zwei Teenies plagen sich mit riesigen Einkaufstüten, schnattern von den neuen Schuhen, die sie gleich anziehen werden. Ein junger Mann streift Anna im Vorbeigehen mit seinem Blumenstrauß, honiggelber Freesienstaub haftet an ihrer Jacke. „He, hoppla, mein Anzug ist frisch gewaschen.“ Ihre Stimme zittert.
„Na dann ziehen Sie ihn doch aus, sieht bestimmt noch hübscher aus.“ Er sagt es frech und mit einem bewundernden Blick. Dabei zieht er die Nase kraus und fängt sie mit seinen Augen. Nur mit Mühe und kichernd reißt sie sich los. Sie stöckelt vorbei an der älteren Dame auf der Parkbank, die mit einer riesigen Zeitung kämpft, und setzt sich. Neben ihr hockt ein Mädchen, das ihrem Opa ein iPhone zeigt. Ihre Stimme überschlägt sich, so sehr preist sie dessen Vorzüge. Der Opa zieht die Stirn in Falten und starrt auf das kleine Kästchen in ihrer Hand, dann deutet er auf seine Zeitung, nimmt das iPhone und packt es liebevoll ein. Das Mädchen jauchzt und zeigt seinem Opa die geöffnete Hand, prustend schlägt er ein. Und Anna lacht mit, einmal iPhone der Herr, wie hätten Sie es denn gern, eingewickelt und to go?
Gegenüber von dem kleinen Platz, in einem kleinen, frischen Park, blühen Pfingstrosen. Nur durch eine Böschung und Gleise von ihr getrennt. Zwischen Skulpturen und Fliederbüschen führt ein Weg zu einem weißen Pavillon. Ist das nicht der junge Mann von vorhin, der gerade dort läuft? Klar, das sind seine breiten Schultern, der wippende Haarschopf. Neben ihm schlenkern die Blumen. Und jetzt klingt Musik aus dem Park, ein Saxophon setzt ein, nein, nicht nur eines, es sind drei Bläser. Anna steht auf. Vielleicht tanzen sie da drüben im Park? Vielleicht geht sie ja selbst dorthin? Vielleicht tanzt sie mit dem jungen Mann, der eben so frech war? Worauf wartet sie? Sie braucht nicht länger zu warten, sie wird erwartet. Von Blumen, der Musik, dem jungen Mann. Klänge fluten in ihren Körper, ihr Becken wiegt sich, ganz sacht, ein Schritt vor, zurück, eine Drehung. Es ist Pantera Mambo, ihr Lieblingsstück. Ihre Hüften kennen den Takt, schwingen und kreisen, tanzen und sich verlieben, das erwartet sie. Die Hand eines Mannes wird sich auf ihren Rücken legen, er wird an den Hüften entlangfahren, mit glühenden Händen, und die Bänder ihres Strings tasten und das Weiche ihrer Haut. Sie fühlt sein Bein zwischen ihren, die Vorfreude, den Rhythmus, das Wiegen und Fühlen und Spüren. Ihr ist ganz heiß. Sie will nicht warten, nein, sie will tanzen, sie hat keine Zeit, eine Ampel zu suchen, einen Übergang über die Gleise. Schnell klettert sie die Böschung hinunter. Der Schotter strahlt Hitze, die ihre Sohlen durchdringt. Sie überklettert den ersten Schienenstrang, balanciert die Holzschwelle entlang. Von Weitem schmettert das Saxophon, fast ein bisschen grell, aber das ist egal, sie wird tanzen, sich drehen, die Wärme seiner Hände genießen. Etwas ruckt an ihrem rechten Fuß, sie zieht, doch der Pump hängt fest. Mit aller Kraft reißt sie an dem Schuh, zerrt, holt Schwung, um sich zu befreien, zerrt noch mehr, strauchelt, knickt um und schlägt lang hin. Der Schotter bohrt sich in ihr Fleisch. Als sie sich aufstützt, ihre verdrehten Beine bewegen will, fährt ein scharfer Schmerz durch ihr Knie, etwas reißt, als wäre ein Stück des Knorpels abgefräst. Der Ton hallt jetzt, dehnt sich, ganz lang, ganz hell, ganz grell, bis er über ihr zusammenschlägt. Es ist kein Saxophon, das ist schon lange verstummt. Es ist ein Brausen, das sie hört, ein Kreischen und Schrillen, das immer lauter wird. Dann ist es still. So still, dass Anna es hören kann, das Wispern, mit dem das Warten sich zu ihr dreht.

 

Diese Geschichte wurde von einem Autor geschrieben, der hier im Forum angemeldet ist, es für diese Geschichte aber bevorzugt hat, eine Maske zu tragen.
Der Text kann, wie jeder andere Text im Forum, kommentiert werden, nach zehn Tagen wird die Identität des Autors enthüllt.

Als Kritiker kann man bis dahin Vermutungen über die Identität des Autors anstellen. Damit man anderen mit einem schlüssigen Rateversuch nicht den Spaß raubt, sind Spekulationen und Vermutungen bitte in Spoiler-Tags zu setzen.
Beispiel:

[spoiler]Ich vermute, dass der Autor der Geschichte Rumpelstilzchen ist. Der schreibt doch auch immer von güldenem Haar und benutzt so viele Ausrufezeichen![/Spoiler]

Die eckigen Klammern setzt ihr mit der Tastenkombination Alt-gr+8 bzw. Alt-gr+9.
Da dies jedoch kein Ratespiel ist, sind Beiträge ohne Textarbeit, also reine „Vermutungen“, nicht erwünscht.

Viel Spaß beim Raten und Kommentieren!

 
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Ich hasse den Maskenball! Ich kann vor Arbeit kaum noch gerade gucken und trotzdem muss ich sofort hier lesen, sofort Spuren verfolgen und sofort kommentieren. Und dann muss ich 10 Tage vor Spannung zerspringen. Das ist doch alles :sealed:!

Guten Tag xy,

Dieses personifizierte Warten, hmm, da bin ich mir unschluessig. M. Glass hatte ja neulich dieses personifizierte Schweigen, oder wars Stille? Das ist vielleicht grundsaetzlich nicht so meins, obwohl es hier zweifellos gut gemacht ist. Es werden ja auch meist aehnliche Gefuehle personifiziert scheint mir: Stille halt und Warten und Furcht und auch Hoffnung. Die grossen eben. Wahrscheinlich wuerden mir personifizierte Gefuehle eher dann gefallen, wenn es mal was ganz abseitiges, undefinierbareres und schrabbeligeres waere, das viell. auch ganz lustig und struppig aussieht. Etwas, was eben keinen grossen, klangvollen Namen traegt. Da wuerde sich ne Personifikation lohnen, um sowas mal ein Gesicht zu geben. Aber klar, auch fuer die Grossen bietet sich ne Personifikation an, um eben aus der banalen Benennung herauszukommen, sie neu zu beleben. Ich bin auch noch nicht ganz entschlossen, ob mit das personifiziere Warten und seine Sproesslinge hier gefallen. Ich mag es glaub ich lieber, wenn Gefuehle sich nicht personifizieren sondern sich irgendwie somatisch am Perspektivtraeger bemerkbar machen.
Das Ende, ganz schoen boese. Wahrscheinlich hatte der Autor Angst, dass es sonst zu lieblich wird. Find ich sehr geschickt, macht auch irgendwie mehr Geschichte daraus, so mit Pointe.

Also das ist zweifellos ein sehr gut geschriebener Text, mit feinen Details und feiner Protagonistin ist, ist klar. Etwas zu pointiert vielleicht, ich weiss nicht. Und ich weiss, wie bescheuert sich das von mir anhoert, aber mir ist es auch vielleicht etwas zu detailliert. Das ist so von vorne bis hinten voll, und manchmal wiederholt es sich etwas, das Gewusel, das Gequake, das Geschrille. Das war zumindest mein Eindruck. Erinnert mich irgendwie an meinen "Fuks", da ging es ja auch um so ein Thema der Hypersensibilitaet und vielen war es dann auch zuviel. Vielleicht erleb ich das jetzt aus der anderen Perspektive.
Ich versteh allerdings schon, warum das so detailprall und sinnlich ist. Ich denke, dass man in so einer Sondersituation wahrscheinlich echt alles anders wahrnimmt, entweder wie durch einen Schleier, oder halt gerade andersrum, viel lauter, bunter, riechiger und doller halt. Das passt schon. Aber es ist schon viel in so einem kurzem Text. Ausserdem haette ich es besser gefunden, wenn das halbiert waere, also dass das Warten sie dumpf macht, weshalb sie versucht, sich durch so Sachen wie den Tanga zu spueren, und dann, wenn die Erloesung kommt, nimmt sie wieder alles wahr. So gibt es nur einen kurzen Moment der Stille, in diesem Spannungsmoment in der Artzpraxis. Davor und damnach ist alles laut und wuselig, vielleicht dass sie es nachher ein bisschen positiver spuert als vorher. Der Bruch kaeme m.E. allerdings besser bzw. deutlicher zur Geltung, wenn die erste Haelfte karg waere - wobei es soooo schade um den Pflanzenmist waere. Und ja, viell. waere das so als Anlage auch etwas klischeehaft, erst dumpf, dann wieder bunt. Ich bin mir uneins.

Kleinvieh hab ich auch noch:

Manchmal glaubte Anna, das Warten habe sich in die Erinnerung ihrer Wohnung geprägt. Ein geisterhafter, blasser Pfad, der von der Küche zum Bad führte.
Ich wuerde da konkreter werden. Die Erinnerung ihrer Wohnung, was immer das auch genau sein mag, ist ja auch ein Abstraktum. Waer doch irgendwie ne ordentlichere Personifikation, wenn die einen wirklichen Geisterpfad ins Parkett oder den Teppich praegen wuerde.
Blass + geisteraft ist auch son bisschen doppelt gemoppelt.

Manchmal glaubte sie, das Warten habe ein Gesicht.
Hier denk ich mir auch, warum so abgeschwaecht? Wenn schon Personifikation dann doch bitte mit richtigem Gesicht statt Fast-Gesicht.

Sie zupfte am Goldlack, der in einem Kübel auf dem Balkon blühte, und schnitt trockene Blüten heraus. In ihrer linken Hand häuften sich Blättchen, sie vergrub ihr Gesicht darin und sog den Duft ein.
Das fand ich supergut, so sammel auch ich totes Pflanzenzeug von meinen wenigen, halbtoten Pflanzen. Das "zupfen" liess mich uebrigens erstmals auf eine Autorin schliessen.

Nur noch diesen Vormittag musste sie überstehen und die Zeit, bis der Arzt sie hineinrief, dann war das Warten vorbei.
Da ist das Warten dann wieder voellig entpersonifiziert. Also insgesamt haette es mir glaub ich besser gefallen, wenn das Warten konsequenter personifiziert wuerde, eine richtige Gestalt erhielte. Hier schwirrt das immer zwischen Konkretem und Abstraktem hin und her.

Doch dann war das Warten in ihren Leib gekrochen und hatte die Furcht geboren.
Ich versteh das Gefuehl, aber normalerweise laufen Zeugungen und Geburten irgendwie anders ab. Ist mehr so ne parasitaere Besiedlung irgendwie.

Sie nährte sich von Anna, fraß sie bei lebendigem Leib.
Wer jetzt, Furcht oder Warten?

Anna wusste nicht, welche der beiden Töchter grindiger war.
"grindig" ist natuerlich saucool. Das sticht auch son bisschen heraus, aus der Sprachwahl, aber nicht zu fremdkoerpermaessig.

Der Arzt würde ihn nicht sehen, diesen zu engen Fetisch, aber Anna würde ihn merken, wenn der String beim Hinsetzen in die Haut kniff.
"spueren" wuerd ich hier sagen. Es geht ja wohl auch darum, sich zu spueren, den Koerper, die eigene Lebendigkeit.

Graue Gesichter, die zu Boden stierten
Das ist gut, so als Kontrast zu ihrer eigenen gesteigerten Sinnlichkeit. Ueberhaupt der Bahnsteig sehr gut beschrieben, die Luft und so.

Anna schaute in den Tunnel, überlegte, von welcher Seite die Bahn einfuhr. Ein Luftzug erfasste sie, etwas schrillte, eine Hand riss sie zurück.
jaja, im Nachhinein wird ein Schuh draus ...

Jemand aß Pommes frites.
"frites" wuerd ich streichen, aber sowas von

eine Galionsfigur mit Klettslippern.
:D

Nachdem Anna die Tür geschlossen hatte, blickte sie zaghaft zu dem Arzt hin.
Gefaellt mir nicht. Das Plusquamperfekt nicht und das "zaghaft" nicht und das "hin" auch nicht. "Anna schloss die Tuer und blickte den Arzt auf irgendwie interessantere Art als zaghaft an."

Die Fältchen an seinen Augen sahen tot aus.
Meinst Du "liessen ihn tot aussehen", so wie die Falten eines Toten? Denn Falten selbst sind ja nicht lebendig.

sein Lachen erreichte die Augen, ließ den Kranz von Fältchen flirren.
das ist aber wieder gut.

Zögernd ergreift sie seine Finger.
Aha, da faellt sie wohl in die Gegenwart. Und dann hoert sie wieder Geraeusche, was natuerlich als Umschwung etwas eindruecklicher gewesen waere, wenn sie vorher durchgehend taub gewesen waere. Also hier, was ich oben ausgefuehrt hab.

Zuhause würden sich die Schatten nicht mehr in den Ecken ihrer Wohnung sammeln, sie würden zu Boden sinken und sie würde sie wegfegen mit einem rauen, fröhlichen Besen.
"rauer, froehlicher Besen" ist super. Aber ich wuerde das wuerde, dass wohl noch Nachwirkung des Praeteritums ist, durch wird, bzw. werden ersetzen.

Auf dem kleinen Platz vor der Arztpraxis herrscht Getriebe
aeh, in dieser Bedeutung ist mir das unbekannt.

Und Frieda lacht mit, einmal iPhone der Herr, wie hätten Sie es denn gern, eingewickelt und to go?
Woher kommt der Name? Ich versteh das auch nicht ganz mit dem Einwickeln und was da zwischen den beiden abgeht. Insgesamt finde ich die Szene zu lang beschrieben. Es sind doch alles nur fluechtige Eindruecke im Vorbeigehen, nicht so laengere Interaktionen. Irgendwie faellt das als kleine Minigeschichte (die ich auch nicht recht verstehe) etwas aus dem Rahmen.

Der Schotter strahlt Hitze, die ihre Sohlen durchdringt.
Das ist schoen! :) Aber man koennte auch: "Die Hitze des Schotters durchstrahlt ihre Sohlen"

Also es ist schon ein sehr guter Text. Das sehe ich ueberall, an den sehr schoenen Details, am Thema etc. Also an den Einzelheiten kann ich mich sehr freuen. Weiss auch grad nicht so recht, warum der mich trotzdem nicht so richtig mitnimmt. Ich denk nochmal drueber nach und vielleicht ist es ja auch nur Tagesform, bzw. schlechtes Gewissen meinen eigentlichen Aufgaben gegenueber.

Ich bin mir in diesem Moment ziemlich sicher, dass es Fliege ist, auch wenn das Ende untypisch boese ist. Wegen der Details, dieser Frau, die feminin ist, ohne tussig zu sein und wegen der personifizierten Gefuehle (da gab's mal sowas mit Stille, wo mir die Personifikation aber besser gefaellt, weil sie konsequenter durchgefuehrt ist) und wegen dem Krankheitsthema (ganz schoener Sack, der Arzt uebrigens). Wenn es M.Glass sein sollte, hat er sich im Zuge des Copywrite etwas zu tief in Fliege eingefuehlt. Aber ich denke nicht, dass er es ist.

lg,
fiz

 
Zuletzt bearbeitet:

edit: es gibt ein paar Überschneidungen mit fiz' Kommentar, egal ...

Servus Maske,

Manchmal glaubte Anna, das Warten habe sich in die Erinnerung ihrer Wohnung geprägt.

Oje, dachte ich schon beim ersten Satz, was soll das denn? Annas Wohnung hat ein Erinnerungsvermögen? Also da hatte ich schon mal gleich zu Beginn gehörige Bedenken, das wird wohl so eine elende Betroffenheitskiste werden, befürchtete ich, und tatsächlich kommt die Geschichte anfangs nur schwer vom Fleck, nimmt nur ganz langsam Fahrt auf.

Endlich, endlich losfahren, das Warten abkürzen zu dem Moment, wenn sie vor dem Arzt saß.

Den Satz verstehe ich in dieser Formulierung nicht recht. Meinst du, Anna will das Warten bis zu dem Moment, in dem sie vor dem Arzt sitzt, abkürzen, oder das Warten soll sich reduzieren auf den Moment dann beim Arzt? Das ist mir ein bisschen zu nachlässig formuliert.

Anna wusste nicht, welche der beiden Töchter grindiger war.

furchtbarer, schrecklicher, was weiß ich, beinahe jeder Begriff gefiele mir hier besser als grindig. Das ist aber möglicherweise nur die persönliche Ablehnung eines schöngeistigen Ösis, bei uns ist das nämlich ein Wort aus der alleruntersten Schublade (so wie „g'fäut“; Berg, glaube ich, wird wissen, was ich meine …)

kirsch und schiefergrau

Müsste es nicht Kirsch, bzw. kirschfarben heißen? Das getraue ich mich als bekennender Modemuffel nicht zu beurteilen.

… aber Anna würde ihn merken, wenn der String beim Hinsetzen in die Haut kniff. Ihre Gedanken konnten sich mit den Bändchen in die Schenkel bohren,

kniffe, könnten (Konj.?) Um diese Frage kümmert sich wohl besser Friedel.

Hosen-Anzug

Es gibt keinen triftigen Grund, dieses Nominativkompositum mit einem Bindestrich zu zerstückeln.

Nachdem Anna die Tür geschlossen hatte, blickte sie zaghaft zu dem Arzt hin. Er starrte unter sich.

blickte sie zaghaft zum Arzt. (?)
Er starrte unter sich. Was tut er da genau?

Bist du noch da, Maske? Sehr gut, das war’s nämlich mit dem Nörgeln, ab jetzt gibt’s nur noch Lob von mir.

„Die Quälerei hat sich gelohnt.“ Er streckte die Hand nach ihr aus. „Ich liebe es, Ihnen das sagen zu können, wir haben gewonnen.“ Zögernd ergreift sie seine Finger.

Dass du hier mitten in einem Absatz vom Präteritum ins Präsens wechselst, erscheint mir als sehr gelungener Kunstgriff, weil ja mit des Arztes Befund Annas Leben gleichsam neu beginnt. Und ganz wunderbar gelingt es dir, Annas Zurückkehren ins Leben, ins Jetzt zu beschreiben, und was und wie sie plötzlich wieder alles wahrnimmt, in diesem winzigen, großartigen Augenblick der Erlösung. Das Bimmeln einer Fahrradglocke, den Kinderlärm, das Singen der Vögel, das Wunder der Welt.
Ab da wurde die Geschichte eigentlich eh ziemlich schön und berührend für mich, ich konnte mich förmlich mitfreuen mit der neugeborenen Anna. Und dass das alles jetzt ein bisschen dick aufgetragen ist, der liebevolle Opa, der kleine Park, die blühenden Pfingstrosen, Saxophon-Soundtrack und natürlich der unvermeidliche unbekannte Schönling, na ja, ich sag mal, wer würde die Welt nicht auch mit riesengroßen Augen neu wahrnehmen und sich darüber freuen, wenn er eben dem Tod von der Schippe gesprungen ist?

Vermeintlich von der Schippe gesprungen, hähä!
Das Ende finde ich gnadenlos. Perfekt, perfide und gnadenlos gut!

Die Geschichte ist wirklich toll komponiert, mit einem betulichen, langsamen Intro, einem sich stetig steigernden Mittelteil und einem wahrlich furiosen Finale.


offshore

 

Hallo,

die Geschichte ist so klar konstruiert, dass ich, während ich sie gelesen habe, mir überlegen konnte, wie sie wohl ausgeht.

Für mich der Höhepunkt der Geschichte ist:

Ihr Leben hatte schon immer aus Warten bestanden. Auf den Job, die Tochter, den Mann, auf den Erfolg und wieder auf den Mann. Darauf, dass das Leben schöner wurde. Oder wenigstens blieb. Zuletzt hatte sie darauf gewartet, dass die Infusionen austropften und sich durch ihren Körper brannten, darauf, dass ihr übel wurde. Sie hatte sich müd und trüb gewartet.
Das finde ich einen wunderbaren Absatz.
Ich fand den Absatz vorher, wie nagend das Warten ist – das war nicht so meins.
Die Schilderung der Auflösung: Sie hat doch keinen Krebs – das war okay, aber jetzt nichts besonderes für mich.
Dann kam für mich der Teil, der Geschichte, der mich so ein bisschen … hm, ich weiß nicht „geärgert“ ist das falsche Wort, aber ein bisschen enttäuscht hat. Also zu sagen: Lebensfreude besteht letztlich darin, sich im Park treiben zu lassen und zu tanzen, dem Opa beim Albern mit seiner Enkelin zuzusehen – das war mir wirklich zu viel Werber-Ästhetik. Mir hat da das Individuelle gefehlt: Filmbeispiel wieder, ganz ähnliche Situation: „Up“ - ich will nicht wissen, wieviele da nach den ersten 20 Minuten Wasser in den Augen hatten, wenn der Alte da seine Lebensfreude sucht und wiederfindet.
Und dann hab ich mich gefragt: Worauf läuft der Text wohl hinaus? Bringt sie sich am Ende um, weil sie nur warten kann, weil das alles ist, was ihr Leben ausmacht, ist ihr Leben leer, wenn sie nicht wartet. Und die Lösung der Geschichte ist dann – schon sehr naheliegend, fand ich – diese ironische Wendung am Schluss, wie aus so einer bunten Meldung: Frau hat erfahren, dass sie geheilt ist, 2 Minuten später wurde sie von einem Klavier erschlagen.
Das ist so eine typische schwarzhumorige Wendung, so eine poetische Gerechtigkeit – ich finde als Pointe des Textes, als Zweck des Textes ist mir das zu wenig.

Ich find diesen Absatz mit dem „müd und trüb“ gewartet – den find ich wirklich großartig, und ich hätte mir gewünscht, wenn man aus dem Kern heraus etwas macht. Wenn das die Keimzelle des Textes wäre. Das wäre sicher ein pessimistischer Ansatz. Es gibt ein Lied „Waiting for my real life to begin“ - das war mal in einer Fernsehserie als Abschied für eine Sterbende ganz toll verwendet, daran musste ich bei diesem Absatz denken.
Was macht man denn mit seinem Leben, wenn man das Gefühl hat, dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein? Was hat dann noch Bedeutung? Gibt es da einen Wandel? Lebt man danach anders? Was wenn nicht? Wenn man einfach weitermacht und nicht mehr auf den Tod wartet, sondern darauf, dass irgendetwas anderes passiert?
Ich finde der Text bleibt dem Thema gegenüber seltsam zahm und vorsichtig. Was machen Menschen denn, wenn sie hören, das sie doch weiterleben? Was wenn da gar nichts passiert?
So ist in dem Text so eine Art göttliche Fügung zu sehen, so eine Kraft von oben, die das Schicksal lenkt. Die Frau steht morgens auf, mit der Gewissheit, dass sie sterben wird. Dann wird ihr gesagt, sie müsse es nicht. Sie genießt das Leben und findet eine neue Wertschätzung dafür und dann stirbt sie doch. Ist das nicht alles ein bisschen zu simpel? Geht das nicht alles ein bisschen zu klar auf? Ist das nicht zu sehr ein „Carpe Diem“ , eine einfache Antwort?
Ich hab bei dem Text das Gefühl, die Frage, die er stellt, ist hochaktuell. Die Antwort, die er gibt, scheint mir nicht zeitgemäß zu sein. Die ist mir zu zahm.
Ich find aber auch nicht, dass das ein schlechter Text ist oder ein schlechter Ansatz oder irgendwas, aber ich bin dann nicht der richtige Leser dafür, weil ich in meinem Leben an einer ganz anderen Stelle bin und mir ganz andere Sachen überlege.
Ich finde nur, dem Text würde es gut tun, wenn er von dem Punkt, wo er jetzt ist, noch mal zwei Ecken weitergedacht worden wäre, nochmal zwei Zahnräder nach rechts. Dieser wunderbare Absatz mit dem trüb gewartet als Ausgangspunkt, diese Idee der Todesnachricht – und dann schauen: Wo kann man von da aus hin.
Es gibt so einen Ratschlag zum Plotten, da hält sich ja kein Mensch dran: Schreib die ersten 5 Einfälle auf, die du als Lösung für den Konflikt hast, und verbiete dir jeden einzelnen. Und wenn wir das täten, dann wäre doch „Sie stirbt am Ende an einem Unfall“ bestimmt unter den Top 3.Und so richtig viel rausziehen, kann man aus der Lösung doch auch nicht, finde ich.


Frau über 40, denk ich. Borussia – was für eine Borussia? Weiß nicht. Könnte eine fiese Nebelbombe sein! Da man sich mit dem Schätzen von Frauenaltern keine Freunde macht, sag ich lieber nix.

Gruß
Quinn

 

Hallo Maske,

ich hatte ja tatsaechlich so ein bisschen ein Problem damit, zu bestimmen, warum der Text bei mir nicht so recht zieht. Und mit meiner eigenen Loesung, da nen staerkeren Bruch in der Wahrnehmung einzubauen, war ich auch nicht so ganz gluecklich, weil das wie gesagt tatsaechlich etwas konventionell und absehbar waere.
Quinns Kommentar hat mir jetzt son bisschen geholfen, da den Kopf etwas klarer zu kriegen. Ich bin selbst halt nicht so der Experte in Plotstrukturen. Aber das stimmt schon, dass die hier ein bisschen simpel ist. Dass das eigentliche psychologische Problem dadurch umgangen, regelrecht abgehackt wird.
Die Geschichte ist ja als Psychodrama angelegt und muesste nun auch mit den psychologischen Folgen dieses von-der-Schippe-Springens irgendwie umgehen. Und tatsaechlich ist die Reaktion, juppieduppie, tanz durch den Park, geniess das Leben mit allen Sinnen, etwas einfach. Ich koennte mir zumindest interessantere Reaktionen vorstellen: Dass man sich ganz leer fuehlt, weil das Warten so einen grossen Platz eingenommen hat, dass man gar nicht weiss, was man mit dem neu geschenkten Leben anfangen soll, weil man ueberhaupt keine Plaene mehr gemacht hat. Ich kann mir auch vorstellen, dass man vielleicht den Sonderstatus, die Sorge der Mitmenschen vermisst, wenn man ploetzlich nicht mehr Sterbenskrank ist, ein normaler Mensch, der leben und leisten muss wie alle anderen auch. Da koennte man ganz widerspruechliche und auch unschmeichelhaft ehrliche Gefuehlswelten draus entwickeln.
Und bei dieser Figur waere das interessant, weil sie ja vor dem Warten schon gewartet hat. Nie so richtig ihre eigenen Ziele hatte, sondern immer ganz passiv war. Wie geht so jemand jetzt mit so einem neuen Leben um, dass er eigentlich nicht so recht zu fuellen weiss.
Und dieser Unfall kappt das dann total. Das kommt von aussen, hat nichts mit der Figurenpsychologie zu tun. Klar kann man auch in Psychodramen dem Protagonisten mal von aussen was vor die Fuesse werfen, aber dann doch eigentlich, um zu sehen, wie er dann damit umgeht. Das faellt hier weg, weil sie nur noch "oh, Mist" denken kann. Es hat schon sowas literarisch sehr konstruiertes auch, das meinte ich mit "zu pointiert", da wird schnell der Deckel draufgemacht, bevor sich das Problem richtig entfalten kann.
Ja, ich denke, das ist auch bei mir der Grund, warum es mich bei aller sinnlichen Ansprache und den schoenen Momenten letztlich unberuehrt zurueckgelassen hat. Gar nicht mal hungrig, weil dieser Text sich so klein macht, so ein abschliessendes Ende setzt, den Sack richtig zumacht, aber doch irgendwie unbefriedigt. So als haette man riesen Hunger und haut sich dann irgendeinen fettigen Doener im Stehen rein. Dann ist man nachher auch satt, meint aber, die Situation haette man auch schoener loesen koennen. Also, der Text hat das Potential, den Hunger des Lesers mit einem schoenen, mehrgaengigem Menu zu stillen und vergibt sich diese Chance mit dem Fast-Food-Ende.

lg,
fiz

 
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Hallo Maske,

das ist eine schöne & böse und auch eine ganz schön böse Geschichte. Du legst Wert auf wohl formulierte Beschreibungen, wo im entscheidenden Momenten die Worte sitzen müssen. Das passt schon!

Nicht nur die Geschichte an sich, sondern auch ihre beiden Teile haben einen guten Rhythmus, und das Gesamtkonzept wirkt fast wie eine Komposition, sagen wir mal eine literarische Symphonie mit einem ersten Satz des Wartens (Adagio), einem zweiten Satz der Hoffnung, einem dritten Satz der Offenbarung und einem fröhlichen Allegro, das in einem bösen Finale mündet. Es steckt viel Musik in deinem Text, jedenfalls für mich, und seit ich zuletzt sehr viele bildhafte, fast filmische Arbeiten kommentiert habe, entdecke ich in deiner Sprache und in deinen Formulierungen eher viel Klang, Ton und Melodie. Vielleicht sprichst oder summst du die Worte, während du sie schreibst ;-)

Auffällig ist auch eine - wenn auch gemäßigte - aber doch spürbare Lust an sinnlicher Beschreibung und der doch recht sorgfältige Blick auf bestimmte Einzelheiten, deren vermeintliche Nebensächlichkeit mit Sorgfalt im Text plaziert wird, und in der Gesamtwirkung des Textes viel mehr Bedeutung hat, als man zunächst annimmt. Das ist schon wohl durchdacht, ein Text, an dem gearbeitet wurde, und der auch pure Lust am Schreiben verrät.

Alles angekommen, eine gute Geschichte, die zart und sanft beginnt, und dann fröhlich ihrem bösen Ende zustrebt.

Hat mir gefallen. Und natürlich weiß ich, dass die KG von

Andrea. H.

stammt.

Rick

 

Hallo Anonymus

Ich finde es nicht uninteressant, diese Themenwahl die ich da vorfinde, jedoch schwierig umzusetzen. Ein solches Psychogramm ist nicht einfach auszuloten, da es sich an einem Punkt festmacht, der die unendliche Länge von bangen Gefühlen, dem Versuch möglicher Ablenkungen, zu einem kompakten Gefüge festmachen muss. Es steht vermutlich auch in Konkurrenz zu einer Flut von Büchern, die von Patientinnen solcher Erfahrungen schon verfasst wurden. Ich kenne zwar keines davon, da es mir als Unterhaltungsliteratur zu wenig Anreiz bietet. So bin ich hier auch mehr über die Titelwahl reingerutscht, als mit einer Vorahnung, wovon hier die Rede sein könnte. Vielleicht unbewusst ein Fortsetzungsstück zum Warten, wie Beckett es einst in einem anderen Bezug verarbeitete, gewärtigend. :hmm:

Die Präsentation der Problematik erfolgt mir eher zähflüssig, muss sich an raumfüllenden Details festbinden. Die Ungeduld und die bange Furcht, welche sich in fantasievollen Momenten auch in panische Angst wandeln könnte, zu einem Bild skizzierend.

Sie schminkte sich, kirsch und schiefergrau, zog den knallroten Tanga an.

Dies ist einer der Sätze, der mir suggestiv darauf hindeutet, dass sich die Autorenschaft weiblich identifiziert, wenn es nicht gewollt kaschiert wurde. Ein Mann als Autor würde mich hier jedoch überraschen, wirkte mir beinah wie ein Paradigmawechsel. Die Schwierigkeit, aus der Sicht des andern Geschlechts zu schreiben, wurde hier im Forum ja bereits mehrfach thematisiert. Der zitierte Satz erinnert mich auch an Worte einer Autorin hier, die mir bei einem Stück mal das Wort taubengrau empfahl. Doch nein, ich denke sie ist es nicht, die Autorin des vorliegenden Stücks, obwohl es in Teilen wahlverwandt wirkt.

Die Tür schloss mit einem Schmatzen und stieß einen Schwall säuerliche Luft auf das Gleis. Es roch nach ungewaschener Kleidung.

Es sind starke Worte, als wollten sie mich als Leser ablenken, vor der Identitätsfrage ebenso wie vom Vakuum des Wartens. Zugleich erinnert es mich an die Bildsprache einer Autorin, die mit viel Liebe zum Detail arbeitet. Wenn sie es ist, versucht sie möglicherweise mehr oder weniger bewusst von sich abzulenken, indem sie mir mehr maskulin wirkende Worte einbringt. Obwohl, diese Trennung, hob sich gerade in den vergangenen Jahrzehnten allgemein vermehrt auf, wenn sie sich auch nicht gänzlich verwischen lässt. Ein Hirngespinst von mir? Vielleicht?

Der Dutt schwang im Rhythmus ihrer Schritte von links nach rechts.

Hier stutzte ich, mich überzeugend, dieses altmodische Wort richtig zu deuten, mit dem mir geläufigeren französischen Chignon. Eindeutig eine weibliche Sprache, kein Mann käme auf die Idee über einen wippenden Haarknoten zu sprechen, ein mir merkwürdiges Bild, mir so kaum nachvollziehbar. Doch ich weiss es nicht mit Sicherheit. Gibt es auch lockere, die nicht mit Haarnadeln derart festgemacht sind, dass sie ein ruhender Pol sind?

Hier war es still. Ganz still. Das Warten stand im Zimmer. Noch hatte es ihr den Rücken zugekehrt.

In diesem kurzen Absatz – nicht allein den zitierten Sätzen -, der die entscheidenden Worte bringen soll, wird das Warten nochmals dramatisiert, mit einer Zähheit von dahinfliessenden Sekunden in Worten ausgedrückt, fast künstlich aufgefüllt. Um dann:

„Ich habe gute Nachrichten.“ Der Arzt öffnete beide Arme. „Sie haben es geschafft.“

Mir etwas überzeichnet wirkend, vor allem mit der Geste wie ein Erlöser ab einem Heiligenbildchen, die Absolution aussprechend. Da war es mir nahe an Kitsch, wenngleich der Moment die emotionale Entlastung der Protagonistin darstellen soll, den Sturzbach von Gefühlen, die die Wahrnehmung trübt.

Er strahlte, sein Lachen erreichte die Augen, ließ den Kranz von Fältchen flirren.

Hier verstärkt es sich nochmals, eine vollkommene Entlehnung von Devotionalien. :bib:

„Die Quälerei hat sich gelohnt.“

Hat es sich dies? Gibt es diese Gewissheit wirklich? Doch dies ist nur mein Lesereinspruch, gegen Absolutheitsansprüche, die sich wieder kehren könnten. Der Arzt hat es sicher so gesagt.

Ein junger Mann streift Anna im Vorbeigehen mit seinem Blumenstrauß, honiggelber Freesienstaub haftet an ihrer Jacke. „He, hoppla, mein Anzug ist frisch gewaschen.“ Ihre Stimme zittert.
„Na dann ziehen Sie ihn doch aus, sieht bestimmt noch hübscher aus.“ Er sagt es frech und mit einem bewundernden Blick. Dabei zieht er die Nase kraus und fängt sie mit seinen Augen.

Schön formuliert, doch er wirkt mir etwas unwirklich, dieser Dialog. Es ist das Bemühen der Autorin – ich bin mir nun einer weiblichen Stimme dahinter sicher –, die emotionale Entlastung der Protagonistin voll durchbrechen zu lassen.

Dann ist es still. So still, dass Anna es hören kann, das Wispern, mit dem das Warten sich zu ihr dreht.

Ein schöner Schlusssatz. Der ganze Absatz bis dahin ist überschwänglich, noch einen Bruch zeigend, mit dem Hangen bleiben des Pumps. Es braucht diesen Bruch, das Warten kann nicht einfach so abgehakt werden, wenngleich ich es mir eher mit einer schleichenden Skepsis im Hintergrund vorgestellt hätte. Doch ist es schon stimmig, dafür mag es immerhin viele Variationen geben, wie es sich darstellen kann.

Rückblickend muss ich sagen, meine anfängliche Skepsis dieses Thema in einer Kurzgeschichte einzufangen, hat sich weitgehend aufgelöst. Es ist ein sehr persönliches und individuelles Bild, wie eine Protagonistin mit einer solchen Situation umgehen könnte. Ob es in einem realen Leben so greifen würde, diese Frage ist müssig, da es sich hier auf Momentaufnahmen fokussiert. Von dem her wirkt es mir gelungen. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

Es ist mir nicht einfach einzuschätzen, wer dies verfasste, da ich kaum alle Autorinnen in ihren Sprachvariationen kenne. Und hier geht es ja anscheinend darum, Neues auszuprobieren. Anfänglich dachte ich an Gisanne, einiges sprach dafür, manches dann aber dagegen. Auch Andrea H. kam mir in den Sinn, doch dies glaube ich letztlich auch nicht, die Formulierungen sprachen mir weniger dafür. Die Bildsprache und der thematische Inhalt wirkten mir zunehmend dann spiegelgleich mit den erzählerischen Gefühlausdrücken von Fliege.

 

He Maske,

"Eine Bahn kam, spuckte Menschen aus, Anna trat zurück, ließ Platz für die Aussteigenden. Graue Gesichter, die zu Boden stierten, Stimmen, die in ihren Ohren stachen. Geplärre. Die Tür schloss mit einem Schmatzen und stieß einen Schwall säuerliche Luft auf das Gleis. Es roch nach ungewaschener Kleidung."
Das ist so eine Szene, die ist schon so oft bemüht worden, ich glaube, damit tut man sich in einer kg keinen großen gefallen, graue Gesichter, die aus den Öffentlichen gespuckt werden, unangenehmer Geruch, dazu das passend stechende Geräusch. Naja, es passt hier schon rein, also meine, es ist stimmig, aber ein bisschen so ist das wie mit dem ganzen Text - der gefällt, weil eben in sich stimmig und auf jeden Fall gut geschrieben. Aber ich habe das so auch schon diverse Male gelesen. So oder so ähnlich.
Damit will ich die Geschichte nicht schlecht machen, ich würde nur behaupten, dass sie insgesamt recht brav geraten ist. Was ein Spiegel der Protagonistin ist und damit wieder ein kleiner Kunstgriff irgendwie. Erst als sie aus dem kontrollierten/ braven ausbricht, da kommt dann auch inhaltlich der Bruch.
Brav, trotz dieses Bösen Endes? Zumindest nicht unerwartet. Nicht, dass ich das Ende sofort herausgeschnüffelt hätte, aber es überrascht mich auch nicht, denn es ist schlüssig. Dass noch was passieren würde, war ja klar. Dazu liest sich der Text auch zu versiert, als dass er einfach so lauwarm hätte enden können. Ganz klar hat sich der Autor Gedanken gemacht, wie er das alles aufbaut, wie sich das ganze Stück für Stück entfaltet, an welcher stelle welche Information preisgegeben wird - da liest man jemanden raus, der weiß, wie er mit den Schreiberling-Bausteinchen umgehen muss. Allerdings, so bleibt für mich in bisschen das Gefühl zurück, hat er es sich an einigen Stellen ein bisschen zu einfach gemacht. Eine runde Sache ist das auf jeden Fall, womöglich hätte ich den Text noch stärker gefunden, hätte er ein paar Ecken und Kanten.

Grüßlichst
Weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maske,

diese Geschichte umschleiche ich schon lange und weiss nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Sie lässt mich nicht kalt, sie haut mich aber auch nicht um. Das Warten ist nachvollziehbar beschrieben, hat auch gute Abschnitte – z.B. den von Quinn zitierten finde ich auch ganz prima. Auch diesen hier:

und schnitt trockene Blüten heraus. In ihrer linken Hand häuften sich Blättchen, sie vergrub ihr Gesicht darin und sog den Duft ein.
Das ist eine gute Beobachtung, still und echt so, wie man sich das Warten mit Kleinigkeiten vertreibt. Auch der Schluss ist gut geschrieben. Dazwischen aber gibt es Passagen, die mich nicht sonderlich erfassen. Anstelle der alten Frau, die sie vor der einfahrenden Bahn wegzerrt, hätte ich schon an dieser Stelle lieber von dem jungen Mann gelesen - noch ohne Freesien. Wie nimmt sie ihn wahr vor dem Bescheid des Arztes. Sicher anders, als wie sie es nach dem Bescheid tut oder? Mir ist die Frau zu unangenehm beschrieben. Sie taucht auf und tritt ab und hat wenig mit der Geschichte zu tun.
Dann noch diese ganze Passage:
blickte sie zaghaft zu dem Arzt hin. Er starrte unter sich. Als er sie anschaute, verzog sich sein Gesicht zu einer Maske. Die Fältchen an seinen Augen sahen tot aus.
„Frau Mönig, da sind Sie ja!“ Von draußen brauste noch immer der Straßenlärm, manchmal gellte eine Hupe. Mit durchgestrecktem Rücken schritt sie vor seinen Schreibtisch, nahm Platz. Hier war es still. Ganz still. Das Warten stand im Zimmer. Noch hatte es ihr den Rücken zugekehrt.
„Ich habe gute Nachrichten.“ Der Arzt öffnete beide Arme. „Sie haben es geschafft.“ Er strahlte, sein Lachen erreichte die Augen, ließ den Kranz von Fältchen flirren.
Warum verzog sich sein Gesicht zur Maske, wenn er dann strahlt? Und, wenn er unter sich starrt, (und dabei wohl den Kopf gesenkt hält?) wie kann er dann plötzlich strahlen? Macht der Mann Spässe? Warum begrüsst er sie nicht gleich strahlend, wenn er so eine gute Nachricht hat? Und das alles sieht sie, während er ihr noch den Rücken zukehrt? Also da sind Ungereimtheiten, da ist die Reihenfolge irgendwie durcheinander geraten. Um da Ordnung reinzukriegen, würde ich mir einen Situationsplan zeichnen: wo steht er, wo geht sie zum Schreibtisch usw.

Alles in allem: Die Geschichte ist nicht schlecht, hat gute Passagen und berührende Momente. Im Ganzen gesehen hat sie mich aber nicht überzeugt und begeistert.

Lieben Gruss,
Gisanne

PS: Au weia, da hab ich mir selbst ein Bein gestellt. Nicht ER - der Arzt -, sondern ES -das Warten - hatte ihr den Rücken zugekehrt. Ich bitte sehr um Vergebung. Nix ist blöder, als die eigene Lesefehlleistung zu kritisieren. Das wird mich lehren ...

 

Hallo Maske,

die Geschichte lässt mich etwas ratlos zurück. Ich finde sie gut geschrieben, handwerklich einwandfrei, guter Schreibstil, keine groben Fehler. Aber das ist halt etwas zu wenig, denke ich.

Ich fang mal mit dem Anfang und dem Ende an und versuche dann in die Mitte einzutauchen.

Schon nach wenigen Sätzen wird mir klar worum es geht und ich ahne, wie die Geschichte ausgeht. Das ist einerseits ganz gut, weil man nicht lange in den Plot reinfinden muss und wenn man vielleicht gerade nicht in der Laune ist, sich Gedanken zum machen, es relativ leicht beim Lesen hat. Anderseits ist der Rest der Geschichte dadurch etwas vorhersehbar und nimmt die Spannung. Das Ende ist dann doch etwas abrupt und wirkt auf mich so, als ob du dir irgendeinen Gag ausdenken musstest, um der Geschichte und der Heldin nur ja kein Happy Ende zu gönnen. Ich dachte mir ziemlich schnell, entweder sie ist unheilbar krank oder nicht, aber dann passiert halt irgendeine Katastrophe, alles andere wäre banal. Das finde ich zwar grundsätzlich richtig, aber mich enttäuscht das Ende dann doch etwas.

Man hätte die Heldin meiner Meinung nach nicht sterben lassen müssen (nicht nur weil ich es ihr gönnen würde), sondern den Konflikt des ewigen Wartens und wie sie mit der neuen Situation umgeht, weiter ausbauen können. Quinn hat das recht gut formuliert –

Das ist so eine typische schwarzhumorige Wendung, so eine poetische Gerechtigkeit – ich finde als Pointe des Textes, als Zweck des Textes ist mir das zu wenig.
Dem kann ich mich fast vorbehaltlos anschließen, außer dass ich es nicht für eine schwarzhumorige Wendung halte, weil das nicht zur Stimmung der Geschichte passen würde. Es sei denn das war genau beabsichtigt von dir, dann fände ich es aber misslungen.

Es wäre für mich spannender und interessanter gewesen, zu erfahren, wie sie nun, nach dem entnervenden Warten und der erlösenden Nachricht mit der neuen Situation umgeht. Du deutest das ja schon an, in den Szenen mit dem Opa und dem Kind und wie sie auf den junge Mann trifft und plötzlich die Musik hört und da mitmachen und tanzen will. Wie das die Lebensfreude langsam in sie zurückkehrt. Das finde ich, spürt man sehr gut, wie eine Erfrierende, die in einen warmen Raum gebracht wir und langsam „auftaut“.

Das finde ich gut und überzeugend gezeichnet, vielleicht an manchen Stellen und in Nuancen zu lang. Und dann hatte ich erwartet, dass die Geschichte nochmal Fahrt aufnimmt nach der Wendung und sich jetzt dem „Problem“ mit ihrem neu gewonnenen Leben zuwendet, aber dann kommt das schreckliche Ende. Und ja – sorry - das liest sich dann doch schon wieder etwas slapstickartig. Sie bleibt in den Gleisen hängen und kommt nicht mehr weg und ein Zug rast heran und die Geräusche von Saxophon und heranrasendem Zug, der noch verzweifelt seine Signalhupe erschallen lässt, vermischen sich und dann ist es plötzlich still – sehr kurzes fading out. Hhmm, Ich weiss nicht. Je mehr ich darüber nachdenke, umsomehr bedaure ich die verschenkte Möglichkeit. Das geht mir dann schon wieder zu sehr ins genaue Gegenteil von Happy End, das ist mir zu melodramatisch.

Dazwischen, finde ich, beschreibst du sehr anschaulich das Warten, die Angst vor dem Ergebnis, die Beschäftigung mit Belanglosigkeiten, die verzweifelten Ablenkungsversuche mit Bilder- und Stühle-Zurechtrücken. Das ist schon sehr gut erzählt. Gut, die Szene beim Arzt, da kann man auch noch Feinarbeit leisten. Wie der Arzt sich verhält –

Ich liebe es, ihnen sagen zu können...
– das ist mir auch etwas zu schwülstig, zu Soap-Opera-geschwängert.

Auch die Szene in der Bahn finde ich atmosphärisch sehr dicht beschrieben, die Gesprächsfetzen, die Berührungen, die kleinen kurzen visuellen Eindrücke, dann ganz kurz – noch eine Stunde. - das ist richtig gut.

Nun, vielleicht hattest du die Befürchtung, die Geschichte würde zu lang werden, wenn du das weitergetrieben hättest. Aber wer weiss, vielleicht wäre da noch was Spannendes und Erzählenswertes gekommen.

Vielleicht bin auch nur etwas traurig, weil ich Anna das Weiterleben gewünscht hätte – nicht dass ich unbedingt ein Anhänger von (erzwungenen) Happy Ends bin – aber dieses Ende lässt mich doch irgendwie leer zurück.

Trotzdem gern gelesen.

Fred

 

Wer diesmal zum Tanz aufgefordert hat, noch heute werden wir es erfahren :).

 

Hallo,
Oh je, kann ich nur sagen, da ist die arme Geschichte ja ganz schön gerupft worden. Die Verzapferin war ich. Bis auf Rick und teilweise ernst offshore hat die Geschichte ja leider keinem so recht gefallen – oder nur sehr eingeschränkt, sie ist sogar ziemlich gezaust worden, die arme Geschichte.
Klar, ich hätte es mir lieber anders vorgestellt: was durchgängig Gutes hinkriegen und Lob dafür, das will ja jeder. Aber es ist auch nicht so schlimm, dass es nix geworden ist. Und dass ich das mit einer derartigen Fassung trage, das hätte ich vorher nie geglaubt. Sie ist meine Geschichte, und das bleibt sie.

Der Maskenball war für mich eine merkwürdige Erfahrung. In recht vielen Hinsichten. (So und jetzt kommen eine Reihe sehr persönlicher Überlegungen, wem das zu nah oder zu schwülstig wird, der soll lieber hier nicht weiterlesen. Ich bin mir sicher, ihr tuts trotzdem oder vielleicht gerade wegen dieser Bemerkung, ihr Schlingel!)
Normalerweise hätte ich die Geschichte gleich umgearbeitet oder sogar ganz gelöscht, wenn so viele negative Kritiken kommen. Wär da nicht der Maskenball, der einen zum Stillhalten zwingt. Und wären da nicht ernst offshore und Rick, die ich nicht nur als Autoren, sondern auch als sehr ehrliche und ernsthafte und strenge Kritiker sehr schätze. Die haben was gefunden an der Geschichte. Und ich mag die Geschichte auch, obwohl ich sie auch mit kritischen Augen sehe. Dass eine reflektierte und trotzdem wohlwollende Distanz einer Geschichte und dem eigenen Schreiben gegenüber möglich wird, das hätte ich noch vor einigen Wochen nicht geglaubt. Ich denke, dass dies unter anderem durch die erzwungene Wartepause des Maskenballs entsteht, man muss nicht sofort reagieren (man darfs ja auch gar nicht) und man kann die Kommentare sichten, bedenken und die eigenen Gefühle sondieren, die man dabei entwickelt. Und zwei Gefühle sind da absolut falsche Ratgeber: Scham über Versagen und Kritikabwehr. Bei mir ist das vor allem das erstere. Aber beide führen einen auf Irrwege. Dass so ein Gefühl ein falscher Ratgeber ist, das kann man natürlich immer erfahren und für sich nutzen. Einer der Autoren hier z. B., den ich sehr schätze, hat mal den Tipp gegeben, mit dem Einstellen einer Geschichte abzuwarten, bis man Distanz zu ihr hat. Sie von außen betrachten kann. Und da ist eine Menge dran. Ich denke aber, dass der Maskenball auch eine Weise ist, diese Distanz zu entwickeln und ihre Vorzüge zu erkennen. Und jetzt werde ich das sicherlich noch leichter können, dieses von außen betrachten, diese distanzierte, reflektierte Haltung der eigenen Geschichte gegenüber.
Hinzu kommt, dass ich ja vor einiger Zeit mit dem Schreiben aufhören wollte. Ich entschied mich dann dazu, nur noch das zu schreiben, was mir während des Schreibens trotz der immensen Arbeit, die man damit hat, richtig Spaß macht. Dann hab ich nämlich was davon gehabt, egal, wie gut oder schlecht die Geschichte ankommt. Und egal wie gut oder schlecht sie im Vergleich zur allerersten Geschichte ist, was ja bei mir immer der Punkt war. Aber wie tragfähig diese Entscheidung sein würde, das wusste ich bisher nicht. Jetzt weiß ich es.
Aber noch was Drittes habe ich gelernt. Mir wird häufig gesagt, ich ginge nicht weit genug, arbeitete die Charaktere nicht genügend aus, bliebe „zu brav“, überschritte nicht genügend die Grenzen, ginge nicht dorthin, wo es schmerzt. Das wird wohl alles so sein. Ich nehme es zur Kenntnis und möchte das gerne hinkriegen. Die ganze Zeit. Aber offensichtlich geht das auch nicht auf Kommando und vielleicht auch nicht bei jedem/jeder oder nur auf eigenartige Weise. Woran das liegt, das weiß ich nicht, ich kann es nur registrieren und mir anschauen und von den Kommentaren das bedenken, was mir einleuchtet, was mir zusagt. Mir fehlt nicht die Lebenserfahrung, weiter zu gehen in Geschichten, ganz im Gegenteil, aber vielleicht der Mut oder die Fantasie. Ich weiß das nicht. Ich weiß auch nicht, ob das noch irgendwas mit Handwerk zu tun hat (wie irgendwelche stilistische Sachen) oder eher mit Begabung. Ich weiß noch nicht mal, ob ich so ganz wirklich weit gehen will oder nur denke, dass ich das will. Denn manchmal habe ich das Gefühl, ich befinde mich in so einer Art Schreibpubertät. Ich hab ja erst spät angefangen, mir gefällt so viel, es gibt so viele Möglichkeiten, die man alle schreiben kann. Wenn ich irgendwo was lese, was mir zusagt, dann knipst sich sofort ein Ding im Kopf an, das heißt, das könntest du auch mal machen. Und schon häng ich am Laptop und schreib irgendeinen Anfang. Und dann fällt mir nichts mehr ein oder ich merk, das ist ein Irrweg. Ich sprudele manchmal über vor Schreibanlässen, auf meinem Laptop wimmelt es von Kirschen fressenden Drachen und schmarotzenden Kakerlaken usw., abstrusen Kriminalfällen undsoweiter, da sind wahrscheinlich jede Menge totgeborene Geschichten dabei.
Manchmal stelle ich auch fest, dass ich gar nicht von den Charakteren oder einem Konflikt her denke, sondern schon vom Ende her. Dass mich irgendein merkwürdiger Abschluss fasziniert. Hier jedenfalls war es so. Ich musste so lachen, als ich las, dass die meisten annahmen, ich wollte das Ende dranhängen, damit die Geschichte nicht zu zahm wird. Es war genau anders herum. Das Ende stand von vorneherein fest, ich hab Anfang und Mitte drangehängt. Und vielleicht ist das ja auch ein entscheidender Punkt, dass man sich dann einschränkt und nicht mehr weit genug geht. Ich hatte der Geschichte gegenüber von vorneherein ein komisches Gefühl der Künstlichkeit, egal, wieviel ich daran rumgefriemelt habe, vielleicht war das so ein verstecktes Bewusstsein, dass man es auch anders machen könnte. Ich weiß es nicht. Von daher hab ich mich von feirefiz und Quinns Hinweisen, (die beiden stehen jetzt einfach mal für eine Sorte Einwand, die auch andere hatten) durchaus getroffen gefühlt.
Was bleibt: wenn so viele schimpfen, dann werden sie wohl Recht haben, wenn ich auch immer noch nicht so ganz versteh, warum die Geschichte so kacke ist.
Was außerdem bleibt, das ist, dass die Geschichte trotzdem eine gewisse Berechtigung hat. Wenn vielleicht auch nur für mich selbst und wenige andere. In der Hauptsache aber für mich selbst.
Sie hat nämlich einen ganz bestimmten Hintergrund. Seitdem ich den Film „Lohn der Angst“ gesehen habe, fasziniert mich die Idee, dass man, so sehr man sich auch geplagt hat, dem Tod nicht entkommt. Es ist eine sehr pessimistische Idee, die vielleicht ein bisschen zu jugendlich (?) altbacken (?) zu simpel (?) ist, aber ich bin von ihr so fasziniert, dass ich sie hier auf ihren Grundkern reduziert habe, nach der Plackerei, nach dem Warten, erwacht die Freude, die Lebenslust, nur um dann doch mit einem einzigen Moment des Übermuts beendet zu werden. Es ist auch eine sehr alte Idee. Seitdem ich diesen Film sah, spielte sie aber immer wieder im Kopf herum und jetzt hab ich es einfach gemacht. Die Idee mit dem Warten, dass sie ihr ganzes Leben lang gewartet hat, das hat sich so eher hinterrücks eingebaut, sozusagen meine Variante, die Sache aufzuziehen, entscheidend war für mich aber immer und von vorneherein das Ende der Geschichte.

Noch etwas ist mir aufgefallen: Insgesamt entbehrt die Sache nicht einer gewissen Komik. Aus mehreren Gründen.
Ich stand diesem Maskenball, was meine Person betrifft, sehr skeptisch gegenüber. Viele schrieben immer von der hohen Qualität, also da hatte ich einen ganz gehörigen Respekt vor. Ich hab mir also tierisch Mühe gegeben, sie kurz und gut zu schreiben, weil meine Geschichten ja oft furchtbar lang werden. Und jetzt ist sie für die meisten gar nicht gut und viel zu eingeschränkt und zu kurz. Ich hab mir außerdem tierisch Mühe gegeben, damit nur ja kein Fehler drin ist – und dann hab ich gleich mal einen Namen falsch eingesetzt und es geschafft, ihn fünfzigtausend Mal zu überlesen. Ich hätte vor Wut in die Tastatur beißen können. Da steht nämlich einmal Frieda statt Anna. Frieda ist der Name der Protagonistin meiner nächsten Geschichte , ich habe gleichzeitig an beiden Geschichten gearbeitet, also hat Frieda sich einfach mal in die Geschichte reingeschummelt und da Platz beansprucht, ohne dass ich es bemerkt hätte.
Und zweitens: Das, was ich als mein Hauptthema gesehen habe, dieses merkwürdige Ende, das hat Quinn so beschrieben: Frau hat erfahren, dass sie geheilt ist, 2 Minuten später wurde sie von einem Klavier erschlagen. Und fiz sagt: fastfoodende. Und Fred sagt: melodramatischer slapstick. Schluck! Ja, ich geb es nicht gern zu, aber so kann man das natürlich zusammenfassen. Ausgerechnet mein schönes existenzialistisches Ende, Erfüllung eines Jugendtraums, wird zu einem durch ein Klavier platt gebügelten Slapstick-Burger mitsamt der Frau, die noch dran hängt.
Nein, ich mach mich nicht lustig über euch, ganz im Gegenteil. Ich mach mich lustig über mich selbst und über das, was aus meinem Ideen und Träumen dann wird. Ich verstehe sehr gut, was ihr meint. Und trotzdem weiß ich halt auch nicht, ob das mit dem Weit-genug- gehen jemals was wird bei meinen Geschichten. Ich scheine so genau anders herum zu denken. Denn ausgerechnet das, was ich geschrieben habe, um das Ende aufziehen, also diese Krebserkrankung und das Warten der Frau, das findet Quinn einen guten Kern und eine hochaktuelle Frage und feirefiz auch und Fred auch und bei mir war es nur das Vehikel, um das Ende zelebrieren zu können. Hmmmhh! Ich scheine die guten Fragen oder Geschichtenanlässe noch nicht mal zu bemerken, selbst wenn ich sie habe. Also ich finde, das ist ein guter Grund Galgenhumor zu haben und zu schauen, was bei meiner nächsten Geschichte passiert und euch einen großen Dank zu sagen für euer Lesen, die Anregungen, die Kritiken, die Gedanken, das Lob und das Zausen.

Bis demnächst, wenns mit den Einzelkommentaren weitergeht.
Viele Grüße
Von Novak

 

Liebe Novak,

danke für deine schöne Nachbetrachtung. Ich habe ja auch die (erste, aber längerfristig wohl nicht letzte) Maskenballerfahrung hinter mir, und mich an vielen Stellen wiedergefunden. Besonders die Stelle

Was bleibt: wenn so viele schimpfen, dann werden sie wohl Recht haben, wenn ich auch immer noch nicht so ganz versteh, warum die Geschichte so kacke ist.

Zur Geschichte kann ich sagen (keine Ahnung, ob nicht jemand vor mir ähnliches geschrieben hat), dass es im Prinzip zwei Geschichten sind, die nicht ganz fließend ineinander übergehen. Die eine ist die Geschichte der Erleichterung, der Abfall einer schweren Bürde der Ungewissheit, die zweite diametral dazu die des leichten, beschwingten Lebens mit einem Ende, das geradezu konsequent die daraus resultierende Ignoranz der Gefahr bestraft. Wirkt wie eine Collage, wobei die beiden Teile einen recht losen inhaltlichen, hinsichtlich der Moral allerdings nicht ganz unproblematischen Zusammenhang besitzen: Auf einen Krebsnegativbefund hin nicht erleichtert sein zu dürfen, nicht auf eine leichtmütige Weise aus sich herausleben dürfen, da man so eine lange Zeit der Schwermut (=verschwendete, quasi aufzuholende Lebenszeit) verbracht hat, eben weil das zynische Schicksal einem gerade dann so tüchtig eins vor den Bug fahren könnte … also ich fürchte, das ist leider nichts wovon ich sagen könnte, das zu lesen bringt Genuss und/oder mich irgendwie weiter im Leben.

„Ich liebe es, Ihnen das sagen zu können, wir haben gewonnen.“
  • Dieser Satz erinnert mich an den Slogan einer Junkfoodkette, an deren Schaufenstern übrigens regelmäßig meine Meinung über sie hinunterrinnt (also, nur metaphorisch). Im Ernst: Wer redet so? Lieben kann man meinem Sprachgefühl nach nur, was man schon oft getan hat, eben weil man es liebt. Wenn ein Arzt zu einem Kollegen sagt: »Ich liebe es, Patienten zu sagen, dass sie den Krebs überwunden haben« – dagegen wäre nichts einzuwenden.

Schön ist dir hingegen gelungen, die Schwestern der Ungewissheit, Furcht und Hoffnung, darzustellen. Wie sie tauziehen, wobei das Tau nichts geringeres ist als der gelebte Augenblick, die Wahrnehmung des Lebens, die sich zwischen den Kräften wie Kaugummi verengt und zu zerreißen droht. Und was plötzlich passiert, wenn sich die Ungewissheit in Luft auflöst.


Sodele,
-- floritiv

 

Liebe Novak

Hoppla, auf dich wäre ich nicht gekommen, obwohl ich dich auch mal in die Klaviatur möglicher Autorinnen einbezog. Vom Themenbereich ist es dir also absolut gelungen, mich als Leser auf falsche Fährten zu schicken und anhand früherer Geschichten Orten zu wollen, wer sich dahinter verbergen mag. Die Spurensuche und die Eingrenzung waren ja nicht einfach.

Ich fragte mich nun, ob ich grundsätzlich etwas anderes geschrieben hätte, wenn ich gewusst hätte, von wem die Geschichte stammt. Ich denke aber nicht. Sicher teilweise andere Worte gewählt und vergleichend frühere Geschichten herangezogen, aber die Punkte, welche sich mir abhoben, wären mir dieselben geblieben. Ja etwas hart war das natürlich mit der „Entlehnung von Devotionalien“ :D, jetzt wo ich weiss … Hätte ich entfernt geahnt, eine Ex-Kickboxerin damit zu provozieren, wäre mir vor Angst und Schreck ein blaues Auge einzufangen, diese Worte nie über die Tastatur gegangen. :shy: Das hab ich nun davon, ehrlich zu sein, den dialektischen Ansatz ausser Acht lassend, der mir vorgibt, nicht immer alles Aussprechen zu müssen was ich meine, wenngleich ich stets nur das sage, was ich wirklich denke.

Hm, deine Selbstkritik will ich nun nicht kommentieren, aber vielleicht zur Differenzierung einwerfen:
Ich hatte an den Anfang meines Komms. gestellt, dass ich diese aufgegriffene Themenwahl schwierig umzusetzen finde. Und dies spricht für sich selbst. Von dem her, aus meiner Sicht, ein gewagter Versuch, der deshalb nicht falsch sein muss, weil er nicht einfach nur lobhudelnde Resonanz findet. – Ich selbst wäre manchmal heilfroh, bei meinen Geschichten nur solch gnadenvolle Hiebe zu kassieren.

Jetzt bleibt mir nur noch anzumerken, ich will bald wissen, was es mit Frieda auf sich hat. Einem neugierig machen und es dann einfach beim Namen zu belassen. Also ich muss sagen …

So jetzt kehre ich wieder in meine momentan dösende Abwesenheit zurück.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Novak,

war es also doch nicht so abwegig, dass ich beim Lesen des abrupten (existenzialistischen?) Endes der Geschichte an deinen Kommentar zu Bergs „Determinismus“-Geschichte (Gottes Fliegenklatsche) denken musste:

Novak schrieb:
Die Fliege würde ein bisschen zappeln und gerade dadurch in die Fliegenklatsche reindüsen. Verstehst du? So nach dem Motto, er sitzt im Bus und sieht an der Scheibe eine Fliege rumkriechen und er haut sie (oder sieht sie auch nur) und dann fällt ihm die Weissagung wieder ein und er besteht darauf, sofort auszusteigen und der Fahrer lässt ihn auch raus und dann wird er, als er einsam auf der Straße läuft, vom Auto überfahren. [ … ] Ich finde, du könntest sie [die Geschichte] durch so einen Dreh (ok, der ist auch nichts Neues, aber lesen tut man‘s schon immer wieder gern) verschärfen.

Diese Thematik scheint dich momentan ja wirklich zu beschäftigen.

… fasziniert mich die Idee, dass man, so sehr man sich auch geplagt hat, dem Tod nicht entkommt. Es ist eine sehr pessimistische Idee, die vielleicht ein bisschen zu jugendlich (?) altbacken (?) zu simpel (?) ist, aber ich bin von ihr so fasziniert, dass ich sie hier auf ihren Grundkern reduziert habe, nach der Plackerei, nach dem Warten, erwacht die Freude, die Lebenslust, nur um dann doch mit einem einzigen Moment des Übermuts beendet zu werden.

Wobei ich die Idee nicht unbedingt als zu jugendlich, zu altbacken, zu simpel bezeichnen würde, sondern eher als folgerichtige, unvermeidliche Erkenntnis jedes denkenden (erwachsenen) Menschen und vielleicht war es genau diese Aussage, die mich das Ende deiner Geschichte so mögen ließ.
Was gibt es denn Versöhnlicheres, als den Löffel just in einem Augenblick purer Wonne, im Augenblick größter Lebensbejahung und schieren Übermutes abzugeben, gerade wenn man sich denkt „Alles wird gut. Zum Teufel, alles ist gut!“ Vor allem, wenn die Alternative elendes Siechtum und langsames Verglühen (wie bei Ricks Friedemann) wäre.
So gesehen ist es ja sogar eine optimistische Geschichte eigentlich, fatalistisch hin oder her.

offshore

 

Hallo Novak!

Ich habe die Geschichte jetzt einige Male gelesen und ich hab mich lange gefragt, warum sie mich eigentlich so ärgert. Ich denke, du hast die Geschichte hier tatsächlich einer Idee geopfert, der Idee, dass das ganze Leben eigentlich ein Warten auf den Tod ist. Das ist eine Erkenntnis, die wir alle bereits wissen. Das Ende legt nahe, dass man auf jeden Fall für den Hunger nach Leben mit dem Tod bezahlt, ein glücklicher Ausgang eines Problems ist immer nur ein Aufschub.
Ich lese literarische Texte nicht zuletzt deswegen, weil ich ein anderes Leben mit meinem vergleiche, oder präziser: eine andere Geschichte mit der Geschichte vergleichen will, die ich mir von meinem eigenen Leben erzähle. Und ich tue das deswegen, weil ich, egal ob ich jetzt an Gott oder sonstwas glaube, nach einem Sinn suche oder einer Wahrheit, nach etwas, das der Welt, meinem Leben einen Zusammenhang gibt. Und der Sinn wird hier einem leeren Spannungsmoment geopfert: Es geht vorerst alles gut aus in der Geschichte, die Heldin ist glücklich, aber ha! das Schicksal schlägt trotzdem zu und sie kommt um. Wofür wird diese Heldin eigentlich so bestraft? Das größte Spannungsmoment oder der größte Konflikt in einer Geschichte, wie auch in unserer aller Geschichten, ist der Tod. Und ich fürchte, dass er hier etwas billig eingesetzt wird, damit es noch einen spannenden turning point gibt und damit das Motiv des Wartens möglichst "schwer" wird. Den Tod als Ende einer Geschichte zu setzen, ist immer billig, konstatiere ich hier mal, weil wir dieses Ende alle haben werden. Ich will in einem literarischen Text noch was anderes finden als das.
Die Geschichte nimmt keinen Umweg über das Leben, auch wenn sie es versucht, so wie ihre Protagonistin es von Beginn an versucht, etwas vom Leben zu erhaschen, indem sie den Duft der Blätter einsaugt oder sich einen knallroten Tanga anzieht usw. Für einen Moment erhält sie das Leben zurück, sie sehnt sich nach Musik, Tanzen, Liebe, aber gerade diese Sehnsucht lässt sie umso sicherer in den Sog geraten, der vom Tod ausgeht. Ja, man sollte meinen, dass sie für ihren neu erwachten Lebenshunger bestraft wird. Ist es wirklich das, was du uns mit dieser Geschichte sagen willst? Dass der Hunger nach Leben das Leben verkürzt?

Manchmal glaubte Anna, das Warten habe sich in die Erinnerung ihrer Wohnung geprägt. Ein geisterhafter, blasser Pfad, der von der Küche zum Bad führte.
ich finde es zuviel, dass die Wohnung hier auch sozusagen etwas mit Bewusstsein wird, das eben eine Erinnerung hat, es genügt, dass das Warten personalisiert wird, also besser vielleicht: das Warten habe eine Spur in ihrer Wohnung hinterlassen. Einen geisterhaften, blassen Pfad ...
das Warten abkürzen zu dem Moment,
bis zu dem Moment
Stimmen, die in ihren Ohren stachen
in ihre Ohren
Sind sie wahnsinnig?“ Der Mund der alten Frau sprühte Speichel
groß: Sie
Darauf, dass das Leben schöner wurde. Oder wenigstens blieb.
Darauf warten, dass das Leben schön bleibt oder überhaupt bleibt? Macht das Sinn? Kann man auf etwas warten, das ohnehin schon da ist?
Er starrte unter sich.
Ist das eine deutsche Wendung? Ich empfinde das als falsch.

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,
ich antworte dir zuerst, obwohl dein Kommentar der bisher letzte war, aber er hat für mich einen gewissen Vorrang.
Gleichzeitig sag ich mal schon im Voraus allen anderen sorry, dass ich so lange brauche mit den Antworten. Ich habe einfach furchtbar wenig Zeit im Moment.

Ich habe die Geschichte jetzt einige Male gelesen und ich hab mich lange gefragt, warum sie mich eigentlich so ärgert. Ich denke, du hast die Geschichte hier tatsächlich einer Idee geopfert, der Idee, dass das ganze Leben eigentlich ein Warten auf den Tod ist. Das ist eine Erkenntnis, die wir alle bereits wissen.
Du bist nicht die erste, bei der ich einen gewissen Ärger spüre. Du schreibst ihn nur "laut" hin und das finde ich auch gut. Dass du dich ärgerst, tut mir Leid. Ich habe die Geschichte nicht geschrieben, um irgendjemanden zu provozieren oder zu verärgern. Das lag nie in meiner Absicht.
Du gibst eine Reihe von klugen Hinweisen, wie der Text auf dich wirkt, Hinweise, die mit Sicherheit bei mir ankommen, die ich nachvollziehen kann, ja, die schon längst bei mir angkommen sind. Ich meine damit nicht nur deine sprachlichen Hinweise, sondern beispielsweise Gedanken wie in diesem Einleitungssatz und auch ganz grundsätzlich.
Aber: Du schießt in deinem Kommentar auch übers Ziel hinaus und äußerst Unterstellungen, die sich nicht mehr allein auf die Geschichte beziehen oder auf deine Wahrnehmung der Geschichte, sondern auf meine Motive. Und da gehst du mir zu weit. Denn die kannst du nicht beurteilen.
Aber von Anfang an: Ja, diese Idee. In meinem ersten Kommentar habe ich sie so beschrieben:
nach der Plackerei, nach dem Warten, erwacht die Freude, die Lebenslust, nur um dann doch mit einem einzigen Moment des Übermuts beendet zu werden.
Diese Idee hat sich ziemlich in mir breit gemacht, ich habe sie schon sehr lange und möglicherweise hat sie sich so sehr breit gemacht, dass es zu Lasten dieser Geschichte ging. Vielleicht wäre es spannender, interessanter sinnvoller gewesen, das weitere Leben der Frau zu beschreiben. Ich mag das jetzt und hier nicht beurteilen. Alle Hinweise, die in diese Richtung gehen, habe ich wahrgenommen und ich denke wirklich gut und ordentlich drüber nach. Vielleicht war/ist es hier ja auch so gewesen, dass man manchmal Geschichten schreibt, die, ohne dass man es so recht bemerkt, mehr für einen selbst sind als für andere.

Nur:
Du schreibst:

Idee, dass das ganze Leben eigentlich ein Warten auf den Tod ist. Das ist eine Erkenntnis, die wir alle bereits wissen.
Ja und? Weil es eine allgemeine Erkenntnis ist, kann/darf/soll man nicht darüber schreiben? Du schreibst später selbst, dass der Tod der größte Konflikt des Menschen ist. Da ist es dann doch wohl klar, dass Menschen sich schreiberisch oder auf andere kreative Weise damit auseinandersetzen. Gleichzeitig schreibst du, es sei immer billig, einen Text mit dem Tod enden zu lassen.
Mir klingt das zu widersprüchlich und zu allgemeingültig. Du darfst gerne sagen, dass ich das in meiner Geschichte schlecht gemacht habe, das wird wohl auch so sein. Du hast vielleicht auch Recht, wenn du sagst, dass man so ein Thema vorsichtiger angehen sollte oder grundsätzlich auf eine andere Weise, als ich das gemacht habe. Dass es so, wie ich es gemacht habe, schief gehen musste. Aber so wie du es hier begründest und formulierst, klingt es für mich wie ein Dogma. Ein Dogma, das in sich auch noch widersprüchlich ist.

Ich lese literarische Texte nicht zuletzt deswegen, weil ich ein anderes Leben mit meinem vergleiche, oder präziser: eine andere Geschichte mit der Geschichte vergleichen will, die ich mir von meinem eigenen Leben erzähle. Und ich tue das deswegen, weil ich, egal ob ich jetzt an Gott oder sonstwas glaube, nach einem Sinn suche oder einer Wahrheit, nach etwas, das der Welt, meinem Leben einen Zusammenhang gibt.
Den ersten Teil unterschreibe ich. Den zweiten nicht. Ich weiß, dass die meisten Menschen einen Sinn in ihrem Leben suchen. Was ist aber, wenn es den außerhalb der Dinge, die wir tun, gar nicht gibt? Oder was ist, wenn es zwar einen inneren Zusammenhang gibt, der sich aber ganz anders darstellt? Wenn jemand beispielsweise aus einem Job fliegt, dann in aller Regel doch deswegen, weil er aus Geschäftsgründen wegrationalisiert wird. Und nicht, weil der Mensch auf eine Bewährungs- und Sinnreise geschickt werden soll. Warum soll/muss man das, was man selbst als Zweck hat, genauso wie das, was einem von außen widerfährt, immer mit einer höheren Weihe versehen? Ich halte davon nichts.
Warum ich das so sehe, dazu gäbe es viel zu diskutieren, aber das führt weit über diese Geschichte und auch über ein Literaturforum hinaus.

Ist es wirklich das, was du uns mit dieser Geschichte sagen willst? Dass der Hunger nach Leben das Leben verkürzt?
Nein, nicht der Hunger nach Leben verkürzte ihr Leben, sondern ein Moment des Übermuts. Und ein schrecklicher Zufall.

Und der Sinn wird hier einem leeren Spannungsmoment geopfert: Es geht vorerst alles gut aus in der Geschichte, die Heldin ist glücklich, aber ha! das Schicksal schlägt trotzdem zu und sie kommt um.
Der "Sinn" meiner Geschichte war das, was du leeres Spannungsmoment nennst. Vielleicht geht das gar nicht, das zu einer Geschichte zu machen, vielleicht habe ich es trampelig und schlecht gemacht. Aber sicherlich habe ich es nicht gemacht, um einen leeren oder billigen Spannungsmoment einzusetzen.

Wofür wird diese Heldin eigentlich so bestraft? Das größte Spannungsmoment oder der größte Konflikt in einer Geschichte, wie auch in unserer aller Geschichten, ist der Tod.
Und ich fürchte, dass er hier etwas billig eingesetzt wird, damit es noch einen spannenden turning point gibt und damit das Motiv des Wartens möglichst "schwer" wird. Den Tod als Ende einer Geschichte zu setzen, ist immer billig, konstatiere ich hier mal, weil wir dieses Ende alle haben werden.
Das ist die Stelle, wo du aus Ärger, weil die Geschichte schlecht bei dir ankommt, eine Schlussfolgerung in den Raum stellst, die nichts mehr mit der Geschichte selbst und in ihren Elemente zu tun hat, sondern auf meine Motive abhebt. Und die kannst du gar nicht kennen. Da kommen dann Unterstellungen, warum ich das so gemacht hätte: wegen eines leeren Spannungsmoments, wegen des billigen Einsetzen des Todes, damit es einen turning point gibt, also zusammengefasst wegen eines billigen Effekts. Selbst, wenn ich dir zugestehe, dass es so auf dich wirkt, eine Unterstellung bleibt eine Unterstellung.
Ich hatte schon in meiner ersten Antwort geschrieben, dass diese Idee, diese Vorstellung über Leben und Tod schon lange in meinem Kopf herumgeistert. Das hat was mit meiner Biographie zu tun und mit meinen gegenwärtigen Erfahrungen. Wenn du mich kennen würdest, kämst du mit Sicherheit nicht mehr auf die Idee, dass es mir um einen leeren oder billigen Effekt ging. Wie gesagt, du kannst gerne sagen, Novak, das ist eine schlechte Geschichte, ein trampeliges Ende, sonstwas. Aber erzähl mir nichts darüber, dass ich es gemacht hätte wegen eines turning points. Und wenn du das dann noch mit Attributen wie leer und billig versiehst, rückst du meine Motive unweigerlich in ein effekthascherisches, schlechtes Licht. Da nützen dann auch Relativierungen wie „ich fürchte“ oder „etwas“ nichts mehr. Und meine Motive sind, wie gesagt etwas, was du absolut nicht beurteilen kannst, weil du mich gar nicht kennst.
Von diesem letzten Punkt mal abgesehen, finde ich es absolut blöd, dass der Text auf dich so wirkt, wie er das tut. Von daher bin ich dir dankbar, dass du mir deinen Ärger mitgeteilt hast. Der Text hat ja offensichtlich schon eine doof provozierende Wirkung. Eine, die ich gar nicht beabsichtigt hatte. Ich überlege von daher ganz ernsthaft, ob ich ihn nicht doch löschen sollte. Vielleicht frag ich mal jemanden um Rat.
Also Andrea, ich danke dir für deine Zeit und deine Auseinandersetzung mit dem Text, auch wenn ich einen Teil, also die Unterstellungen darin zurückweise.
Viele Grüße Novak

 

Hej Novak,

(meine Antwort ist schon alt, falls sie Dinge behandelt, die Du inzwischen geändert hast, bitte ich um Entschuldigung, ich habe jetzt nur grob überflogen)

ich konnte den Anfang genießen, als ich noch nicht wusste, worauf alles hinausläuft. Das Ende hat mich allerdings kaum berührt.

Ich mag es, wenn Gegenstände oder Dinge personifiziert werden, wenn sie einen guten Grund dafür haben. Warum sollte sich eine Wohnung nicht malträtiert fühlen und sich emotional bemerkbar machen, wenn jemand jahrelang achtlos Pfade in sie hinein trampelt?
Leider spielt die Wohnung anschließend keine Rolle mehr.

In ihrer linken Hand häuften sich Blättchen, sie vergrub ihr Gesicht darin und sog den Duft ein.
Sehr sinnlich. Ich spür nur das Warten nicht.

Anna wanderte weiter, durchmaß die Räume, um die Zeit voranzutreiben.
Mein Lieblingssatz. Hier zeigst Du sehr schön, wie Warten funktioniert. Davon hätte ich gerne mehr. Schlicht und klar.

Ihre Gedanken konnten sich mit den Bändchen in die Schenkel bohren
(sind da Strapse dran?) Ich finde die Idee, dass sich Gedanken mit Hilfe von was-auch-immer irgendwo in einen Körper bohren könnten, ich meine, einfach die Annahme, dass sie irgendwo anders logieren könnten als im Kopf, spannend gedacht. Ich finde es ist keine großartige Formulierung aber unbedingt eine großartige Idee, die hier aber in die Irre führt.

Die Ziffern der Anzeigentafel rückten vor
Zeiger rücken vor. Ziffern würden durch ein Vorrücken irgendwann auf den Bahnsteig fallen.

Ihr Leben hatte schon immer aus Warten bestanden. Auf den Job, die Tochter, den Mann, auf den Erfolg und wieder auf den Mann.
Für mich der Moment, an dem ich ein wenig das Interesse verliere. Das Warten vor dem Arzttermin ist akut, hier geht es aber um eine über Jahre gewachsene Lebenshaltung. Das ist spannend, aber diese Aufzählung fühlt sich für mich zu allgemein an.
Warum erzählst Du von ihrem Warten?
Ich meine nicht, dass es besonders kreativ oder schlimm dargestellt sein sollte. Aber es muss doch einen Grund gegeben haben, der über das, was ich hier lese hinausgeht, und Dich inspiriert hat, die Geschichte zu schreiben. Und den vermisse ich hier zwischen den Zeilen. Ich habe den Eindruck, sie kann Dir hier gar nicht nahe gewesen sein und mir bleibt sie deswegen auch fremd.

Im Wartezimmer blätterte sie sich durch eine Zeitung
Überspitzt ausgedrückt: Du zeigst eine Frau, die durch etwas gegangen ist, was viele mit "die Hölle" beschreiben würden - und sie sitzt da und liest die Brigitte. Da frage ich mich ernsthaft: Was will mir der Autor mit diesem Bild sagen?

Die Sprechstundenhilfe wies mit ausgestreckter Hand auf das geöffnete Sprechzimmer, eine Galionsfigur mit Klettslippern.
Alle Sprechstundenhilfen sagen immer Namen. Beneidenswert, so viele Namen an der Hand zu haben.
Ich hab noch nie erlebt, dass eine stumm weist.

Er starrte unter sich.
Bestimmt nicht. Dazu müsste er Fußaugen besitzen.

Die Fältchen an seinen Augen sahen tot aus.
Indem sie was tun? Wächsern wuchern? Schlabberig hängen?

Das Warten stand im Zimmer. Noch hatte es ihr den Rücken zugekehrt.
Irgendwie komisch, dieses Bild. Müsste es in dem Moment nicht kreischend an ihrem Hals hängen, ist dies nicht der Höhepunkt allen Wartens?

ließ den Kranz von Fältchen flirren
Entschuldige. Ich bin vllt extrem pedantisch, aber flirren, hat das nicht eher etwas mit Auren und Migräne zu tun? Mit Birkenblättern oder Lichtreflexen auf einer großen Wasserfläche?
Falten flirren vielleicht, wenn man wild lachend Autoscooter fährt und dabei von zehntausend blitzenden Paparazzi-Kameras fotografiert wird.

Von draußen tönt Gelärme, das Bimmeln einer Fahrradglocke, ein paar Kinder, die sich ihr Lieblingseis zurufen.
Seit wann rufen sich Kinder ihr Lieblingseis zu? Ab hier habe ich das Gefühl, ich bin in einer Langese-Eiskrem-Werbung gelandet.

Und zum Schluss kommt die Bahn um die Ecke und wird sie überfahren.
Isn't it ironic.
Ich habe den Eindruck, wenn Du Dich mehr auf ihr Warten einlassen, wenn Du deutlicher zeigen würdest, was für Ursprünge es hat, dann würde sich dieses Ätschi-Bätsch-Ende (so nenne ich es jetzt mal, ohne dass ich Dir damit so etwas unterstelle) von selbst erledigen.

LG
Ane

 

Liebe fiz,
du warst die erste, die mir geantwortet hat. Und ich hab mich total gefreut über deinen Kommentar. Auch wenn dir die Geschichte insgesamt nicht gefällt. Oder dich nicht berührt. Ich hab aber alles, was du schreibst, gut verstehen und nachvollziehen können. Zu meinen Gründen und Anlässen verweis ich auch mal auf den allerersten Kommentar, der an euch alle gerichtet war. Da steht schon so einiges drin.

Wahrscheinlich wuerden mir personifizierte Gefuehle eher dann gefallen, wenn es mal was ganz abseitiges, undefinierbareres und schrabbeligeres waere, das viell. auch ganz lustig und struppig aussieht. Etwas, was eben keinen grossen, klangvollen Namen traegt.
Klingt schon wieder wie ein Goldhamster. :D

Ich mag es glaub ich lieber, wenn Gefuehle sich nicht personifizieren sondern sich irgendwie somatisch am Perspektivtraeger bemerkbar machen.
Irgendwie hab ich es zur Zeit mit dem Symbolischen und den Personifikationen. Ich denk, das legt sich aber auch mal wieder.

Das Ende, ganz schoen boese. Wahrscheinlich hatte der Autor Angst, dass es sonst zu lieblich wird. Find ich sehr geschickt, macht auch irgendwie mehr Geschichte daraus, so mit Pointe.
Es war ja genau anders herum von der Anlage her. Kommt später noch was dazu. Also mir ging es immer um dieses Ende. Von Anfang an.

Ausserdem haette ich es besser gefunden, wenn das halbiert waere, also dass das Warten sie dumpf macht, weshalb sie versucht, sich durch so Sachen wie den Tanga zu spueren, und dann, wenn die Erloesung kommt, nimmt sie wieder alles wahr.
Ja, so hätte man das auch machen können. Ich hatte mich auch entschlossen, das sprachlich ein wenig unterschiedlich durchzuziehen. Hab das dann aber doch nicht so konsequent gemacht. Aber was stimmt, und was auch unbedingt so sein sollte, das ist, dass ihre Wahrnehmungen anders sein sollten. Nicht im Sinne von Taubheit versus Lebendigkeit. Aber in dem Sinne, dass vorher vieles von ihr negativ wahrgenommen wird. Und danach dann positiv. Und ich wollte auch ein bisschen mehr von ihr schon am Anfang drin haben, man sollte merken, dass sie zwar einerseits sehr darauf achtet, diszipliniert mit ihrem Leben weiterzumachen, dass aber andererseits schon Lebensfreude oder Sinnlichkeit in ihr schlummern. Die rote Wäsche, die Blumen, das sind auch Krücken, um eine absolute Scheißzeit zu überstehen. Aber man muss das trotzdem "haben" als Ressource.

Beim Kleinvieh bin ich am Brüten. Dass „geisterhaft und blass“ dir aufstoßen würden, war mir klar, noch kann ich mich nicht davon trennen. Vieles andere aber habe ich schon bzw. werde ich übernehmen. Das alles pberarbeite ich aber erst später, zur Zeit komme ich zu nix.

Die Erinnerung der Wohnung haben ja auch andere angemerkt. Andrea würds ganz rausschmeißen, damit nicht noch mehr Personifikationen da rumeiern. Ich muss mich da noch entscheiden.

Ich bin übrigens immer sehr froh, wenn du Stellen angibst, die dir gefallen, das machen ja zum Glück einige. Ich finde das auch eine unglaublich gute Rückmeldung. Das „grindig“ zum Beispiel, das find ich als Wort total gut. Und ich möchte es unbedingt lassen. Auch wenn ernst offshore vom Österreichischen her sagt, das ginge nicht.

Da ist das Warten dann wieder voellig entpersonifiziert. Also insgesamt haette es mir glaub ich besser gefallen, wenn das Warten konsequenter personifiziert wuerde, eine richtige Gestalt erhielte. Hier schwirrt das immer zwischen Konkretem und Abstraktem hin und her.
Ja, auch das überleg ich mir, genauso auch wie das mit den Töchtern.

Nachdem Anna die Tür geschlossen hatte, blickte sie zaghaft zu dem Arzt hin.
Gefaellt mir nicht. Das Plusquamperfekt nicht und das "zaghaft" nicht und das "hin" auch nicht. "Anna schloss die Tuer und blickte den Arzt auf irgendwie interessantere Art als zaghaft an."
Das habe ich im Ursprungstext schon geändert. Muss es nur noch hier einstellen.

Woher kommt der Name?
Oh je. Du warst glaub ich die einzige, die es gemerkt hat. Mein Gott war mir das peinlich.

Es sind doch alles nur fluechtige Eindruecke im Vorbeigehen, nicht so laengere Interaktionen.
Aber sie sitzt doch auf der Bank daneben und beobachtet den Opa und die Enkelin.

Also es ist schon ein sehr guter Text. Das sehe ich ueberall, an den sehr schoenen Details, am Thema etc. Also an den Einzelheiten kann ich mich sehr freuen.
Das hat mich wiederum sehr gefreut. Denn oft fühle ich mich beim Schreiben ja doch noch sehr sehr unsicher. Von daher gut, dass da wenigstens ein bisschen was klappt.

Dann hast du ja nach Qinns Kommentar noch mal durchdacht, wo genau die Probleme mit dem Text liegen. Du beschreibst das so:

Die Geschichte ist ja als Psychodrama angelegt und muesste nun auch mit den psychologischen Folgen dieses von-der-Schippe-Springens irgendwie umgehen. (…) Und bei dieser Figur waere das interessant, weil sie ja vor dem Warten schon gewartet hat. Nie so richtig ihre eigenen Ziele hatte, sondern immer ganz passiv war. Wie geht so jemand jetzt mit so einem neuen Leben um, dass er eigentlich nicht so recht zu fuellen weiss.
Und dieser Unfall kappt das dann total. (…)
Es hat schon sowas literarisch sehr konstruiertes auch, das meinte ich mit "zu pointiert", da wird schnell der Deckel draufgemacht, bevor sich das Problem richtig entfalten kann.
Deine Einwände leuchten mir sehr ein. Ich habe die ganze Geschichte ja von hinten her gedacht. So: Sie plagt sich, zum Schluss gibt es nur noch das letzte Warten, sie glaubt, ihr Leben würde sich dann völlig ändern, irgendwie irgendwohin. Und der Zufall, ihr eigener Übermut führt doch zu ihrem Ende. Eigentlich war das von mir gedacht als pessimistische, fatalistische Grundsicht, das ganze Plagen nützt nichts. So empfand ich das früher schon, sonst hätte dieser Film ja nicht so einen Eindruck bei mir hinterlassen können, und im Moment empfinde ich das auch immer immer wieder. Und diesem Gefühl wollte ich irgendwie ein Gesicht geben. Aber vielleicht habe ich durch die Konzentration auf dieses Ende was verpasst. Mich selbst geknebelt. Das Thema durch die Ursprungsidee oder das Ursprungsgrundgefühl geknebelt. Ich weiß es einfach nicht. Ich muss sich das erst mal setzen lassen. Und im Moment ist viel zu wenig Zeit, um das mal in Ruhe zu durchdenken. Aber ich bin sehr froh über deine gute und konstruktive Auseinandersetzung mit diesem Text.
Deswegen ein ganz fettes Dankeschön. Und bis dann.
Viele Grüße von Novak

 

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