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„Hey, wollen wir ficken?“

Challenge 1. Platz
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sim

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13.04.2003
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„Hey, wollen wir ficken?“

„Hey, wollen wir ficken?“
Er stand vor mir, hatte die Hose praktischerweise, ohne meine Antwort abzuwarten, gleich heruntergelassen, sodass sie ihm viel zu weit, um seine dürren Knie hing. Die Gürtelschnalle wippte noch ein bisschen. Eine recht hektische Erzieherin lief ihm sofort hinterher und zog ihm, ohne ein Wort zu verlieren, die Hose wieder hoch.
„Entschuldigen Sie bitte“, bat sie so zuversichtlich lächelnd, wie es in einer solchen Situation möglich ist, „ihm fehlt es ab und zu an der nötigen Distanz.“ Sie verwendete einen Fachausdruck dafür, den ich mir nicht merken konnte, der aber sicherlich richtig war. Sie zog den jungen Mann durch den Bus zu den Sitzplätzen, auf denen wohl die Anderen aus seiner Gruppe saßen. Ich hörte, wie sie leise mit ihm schimpfte.
„Unerhört", mokierten sich einige der anderen Fahrgäste, „man sollte solch eine Belästigung verbieten." Es kam nicht einmal eine Diskussion zustande, so einig war man sich.
„Sie sollten den jungen Mann anzeigen“, wandte sich die Dame zu meiner rechten an mich, „schließlich können auch die sich nicht alles erlauben.“
„Warum?" Ich wandte mich ihr zu, um vielleicht in ihrem Gesicht lesen zu können, wer denn die überhaupt sind. „Was hat er denn Schlimmes getan? Er hat mir eine Frage gestellt, die ich mit Ja oder Nein beantworten konnte."
„Er hat sich vor Ihren Augen entblößt", echauffierte sie sich, „ich nenne so etwas 'sexuelle Belästigung'." Sie platzierte ihre Einkaufstasche auf ihrem Schoß, als ob sie ihn schützen müsste. „Das darf man niemandem durchgehen lassen." Was hätte ich antworten sollen? Der Tumult, der entstand, war mir unangenehmer als der entblößte Unterleib, die Kommentare fand ich quälender als die direkte Frage des jungen Mannes.
„Er war doch ganz hübsch anzusehen“, grinste ich meine Nachbarin an. „Belästigt fühlte ich mich jedenfalls nicht.“
Sie rutschte ein Stückchen fort von mir, zwängte sich näher ans Fenster und korrigierte die Position der schützenden Einkaufstasche: „Dann sind Sie entweder ein Geduldsengel oder pervers.“
Zu ihrem Glück musste ich aussteigen, sie würde mich wahrscheinlich nicht wiedersehen.


„Hey, wollen wir ficken?“
Wir fuhren nicht im Bus, wie beim ersten Mal. Mein Weg führte mich an seinem Heim vorbei, da ich zum U-Bahnhof wollte. Dort stand er allein auf einer Wiese und stürzte mit seiner Frage auf mich zu.
Er hatte die Hose dieses Mal oben gelassen, soweit hatte man ihn schon dressiert. Er grinste herausfordernd, und dem Grinsen war anzumerken, dass er auf diese Frage noch nie eine ordentliche Antwort erhalten hatte. Wusste er, was er da fragte? Wusste er um die Bedeutung des Wortes?
Seine Augen strahlten mich an, sie glänzten braun in seinem vor Freude zuckendem Gesicht. Er hielt es vor Spannung kaum aus, so sehr wartete er darauf, dass ich mich endlich ärgern würde.
Könnte ich ihn mit einem „Ja“ überraschen? Oder würde es ihn enttäuschen?
Er sah nett aus, nicht wirklich hübsch, aber sehr sympathisch, und er hatte etwas an sich, dass mich neugierig machte.
„Hey, wollen wir ficken?“, wiederholte er seine Frage voller Ungeduld. Wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, so lange auf eine Reaktion warten zu müssen. Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte ein paar Minuten übrig, die ich mir nehmen könnte.
„Nein“, antwortete ich ihm freundlich und sah dabei fest in seine Augen, „aber wenn du magst, können wir uns ein bisschen unterhalten.“ Dabei setzte ich mich zu seinen Füßen auf die Wiese.
Er zögerte ein wenig, bevor er sich zu mir setzte: „Lieber würde ich ficken.“
„Ich kenne dich doch gar nicht", gab ich ihm zu bedenken, „stört dich das nicht?" Er schüttelte den Kopf so heftig, dass sein ganzer Oberkörper gleich mit in Bewegung geriet: „Nein“, grinste er, „du siehst gut aus und du gefällst mir“.
Ich schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Ganz sicher war er heute morgen nicht rasiert worden, oder konnte er sich selbst rasieren? Seine Haut war glatt, und es musste sich gut anfühlen, ihm den Rest Rasierschaum aus dem Gesicht zu waschen. Er war schlank, und wenn er nicht sprach, war nicht zu bemerken, woher er kam.
„Du gefällst mir auch“, antwortete ich lächelnd, „aber ich möchte trotzdem nicht.“
„Schade.“ Ein leichter Stich Traurigkeit überschattete ihn, dennoch stellte er fest, dass ich nett sei, und dass ich es mir ja noch mal überlegen könnte.
Ich schaute erneut auf die Uhr, eigentlich nur, um meine verwirrte Flucht zum Bahnhof einzuleiten, denn auch wenn ich nein gesagt hatte, er gefiel mir wirklich.


„Hey, wollen wir ficken?“
Meine Wege hatten mich in den letzten Tagen öfter als nötig am Bahnhof vorbei geführt, und so manches Mal hatte ich ihn getroffen. Ich hatte schon von weitem gespäht, ob ich ihn sehen würde, mich gefreut, wenn ich ihn erblickte, und meinen Schritt automatisch beschleunigt, um ein bisschen Zeit zu haben, wenn er mich ansprach. Er sprach mich immer an, er stellte immer diese Frage, aber er grinste anders dabei, etwas verschworen, als sei es ein Geheimnis zwischen uns. Langsam schlichen sich Vertraulichkeiten ein. Er fing an, mir auf die Schulter zu fassen, wenn er fragte, ich fing an, ihn zu kitzeln, wenn wir nebeneinander im Gras saßen.
Ich schüttelte ihm die Hand zur Begrüßung, wodurch seine Frage noch etwas merkwürdiger anmutete. Ich lernte, ihn zu mögen, und je mehr ich ihn mochte, umso schuldiger fühlte ich mich dafür.
Er war so warm, wenn ich ihm beim Kitzeln sein Hemd etwas hochschob, um an seinen Bauch zu kommen. Er war so zart, wenn er sich in dieser Balgerei tapsig entschloss, mich zu umarmen, mir mit seinem Gesicht ganz nah kam und ungelenk seinen heißen Atem ins Ohr pustete.
„Was machst du am Wochenende?“, fragte ich ihn, als er mir mal wieder seine Begrüßungsfrage stellte.
„Ich warte hier auf dich.“
Es war so schön, wie direkt er war. Ich suchte Vorwände, um zum Bahnhof gehen zu können, er brauchte das nicht. Er wartete auf mich.
„Hast du nicht Lust, mich zu besuchen?“
„Wollen wir dann ficken?“
Ich konnte ihm die Frage nicht mit Nein beantworten. Ich wusste, wenn er sie mir in meiner Wohnung stellen würde, würde ich ja sagen, gespannt, was dann passiert. Würde er sich einfach die Hose runterziehen, wie beim ersten Mal im Bus? Gern würde ich ihm sanft hinaus helfen, würde ihm beim Toben das Hemd öffnen und ausziehen, ihn kitzeln, streicheln und küssen, seinen Körper genießen, dem ich mich hingeben wollte. Gern würde ich mich von seinen etwas ungeschickten Händen betasten lassen, irgendwo auf seiner forschenden Suche nach Liebe und Sex.
Gern würde ich mit ihm einfach vor dem Fernseher sitzen, würde ihm vorlesen und dabei mit ihm kuscheln.
„Wir könnten ins Kino oder ins Theater gehen." Er verzog enttäuscht den Mund, aber er sagte nichts.
„Es sind ja noch ein paar Tage hin bis zum Wochenende", tröstete ich ihn, „wir können uns ja noch etwas einfallen lassen." Ich stach mit dem Finger leicht in seinen Bauchnabel, und erhob mich von der Wiese.
„Bis morgen.“ Er blieb liegen, als ich ihm die Hand hinstreckte, er winkte mir hinterher und lachte laut.
„Mir ist was eingefallen!“, rief er mir so breit grinsend hinterher, dass ich wusste, was ihm eingefallen war. Und er wusste, dass ich es wusste, denn sonst hätte er es laut gesagt.
„Ich muss verrückt sein", dachte ich mir und die Schamesröte kroch mir ins Gesicht, obgleich er seinen Einfall gar nicht für jeden hörbar kundgetan hatte. Ein Heer von Fragen und Ängsten machte sich über mich her.
Wie verbrachte er seine Tage, und was würde passieren, wenn ich mich mit ihm anfreunden würde. Würde ich ihn besuchen dürfen oder am Wochenende zu mir nach Hause holen? Wer besuchte ihn bisher? Hatte er eine Familie, die sich um ihn sorgte?
Wie wäre es eigentlich gewesen, wenn ich ihn ganz normal kennen gelernt hätte, wenn ich schon einen Teil meines Lebens mit ihm verbracht hätte, bevor er seine geistige Kraft, durch einen Unfall oder einen Schlaganfall verloren hätte. Würde ich mir dann Gedanken darum machen, ob er mir gefallen dürfte, und was andere darüber denken?
Aber wäre es nicht perverse animalische Lust, die mich dazu treiben würde, seine Frage mit Ja zu beantworten? Ist gleichberechtigte, gegenseitig erfüllende Sexualität überhaupt möglich mit ihm? Kann man lieben, wenn man keine Gespräche führen kann?
Würde er mir jemals über sich erzählen können, über seine Geschichte, über sein Leben, über seine Gefühle? Würde ich mich mit ihm jemals über Bücher austauschen können, könnte ich ihn für ein Theaterstück begeistern oder für einen Film?


„Hey wollen wir ficken?“
Ich entschied mich für meine Ängste und blieb beim Nein. Ich mied den Weg zum Bahnhof, jedenfalls den direkten, denn es gab einen zweiten, sehr viel weiteren Weg. Ich sagte nie adieu, ich wechselte einfach meine Gewohnheiten. Irgendwann sah ich seine strahlenden Augen nicht mehr in meinen Wachträumen, seine Frage erschuf keine Fantasien mehr in mir, für die ich mich schämte. Mit der Scham, ihn allein gelassen zu haben konnte ich besser leben. Vielleicht würde er ja mal bei sich im Heim jemanden unter den anderen Behinderten finden, der seine Frage mit Ja beantwortete? Vielleicht würde ja dann ein gnädiges Pädagogenauge die Tür schließen und den beiden ihren Spaß lassen?

 

Lieber sim!

Natürlich hab ich Deine Geschichte längst schon gelesen, nur geschrieben hab ich Dir bisher noch nicht. Und ich finde, es wird Zeit, daß ich das ändere, denn sie hat mir sehr gut gefallen. :)

Irgendwie kommt es mir vor, als hättest Du sie stark gekürzt – aber das kann auch daran liegen, daß ich beim ersten Lesen von der Handlung so beeindruckt war, während ich sie beim weiteren Lesen schon kannte. ;)

Was ich kritisieren möchte, ist der Schluß…

Vielleicht würde er ja mal bei sich im Heim jemanden unter den anderen Behinderten finden, der seine Frage mit Ja beantwortete. Vielleicht würde ja dann ein gnädiges Pädagogenauge die Tür schließen und den beiden ihren Spaß lassen.
Ich finde, das wirkt wie eine schnell als Abschluß hingeschriebene Aussage, auf die Du aber dann nicht mehr eingehst*. Also, damit Du mich nicht falsch verstehst: Ich meine, daß Du hier ein neues Thema anschneidest, das wiederum eine eigene Geschichte verdient hätte, da es viel zu viele Fragen aufwirft, um bloß der Abschluß einer Geschichte zu sein.
Da mir vorkommt, als wolltest Du ein irgendwie positives Ende erreichen, könntest Du zum Beispiel schreiben, daß der Protagonist ihn eines Tages händchenhaltend mit einer/m zweiten Behinderten spazieren gehen sieht oder so ähnlich. Das ist zwar kitschig, aber ich fänds trotzdem schön. :)

* Das Thema, das Du jetzt als Schluß hast, ist ja sehr weitreichend – vom Recht auf in Heimen kaum mögliche Intimsphäre über die Möglichkeiten, überhaupt jemanden näher kennen zu lernen, von der später erfolgenden Aufklärung über das wesentlich später als bei Nichtbehinderten erfolgende „Erste Mal“, das Nichtwissen der Eltern, wie sie damit umgehen sollen, wenn ihr umsorgtes Kind, das noch immer ihrer Hilfe bedarf, den Wunsch nach Sexualität äußert, usw.
Es nur als eine Sache des Tür-Zumachens darzustellen, finde ich das wirklich ein bisschen zu komplex. ;)

Aber diese Kritik sollte Deine Geschichte keineswegs abwerten, ich hab sie, wie auch die anderen Geschichten von Dir, sehr gern gelesen, schon Deines gefühlvollen Stils wegen. :)


Ein paar Kleinigkeiten hab ich noch:

»sodass sie ihm viel zu weit um seine dürren Knie hing.«
– es reicht meiner Ansicht nach, daß die Hose um die dürren Knie hing – daß sie da viel zu weit ist, ist eh klar…

»und zog ihm, ohne ein Wort zu verlieren, die Hose wieder hoch.«
– nachdem Du oben schon „ohne meine Antwort abzuwarten“ stehen hast, würde ich hier die Oder-Konstruktion ändern, zum Beispiel in „zog ihm einfach die Hose wieder hoch.“

»„Entschuldigen Sie bitte“, lächelte sie mich so zuversichtlich es in einer solchen Situation möglich ist an«
– würde vor und nach „so zuversichtlich es in einer solchen Situation möglich ist“ Beistriche machen

»zu den Sitzplätzen, auf denen wohl die Anderen aus seiner Gruppe saßen.«
anderen

»„Sie sollten den jungen Mann anzeigen“, wandte sich die Dame zu meiner rechten an mich, …«
– zu meiner Rechten

»um vielleicht in ihrem Gesicht lesen zu können, wer denn die überhaupt sind.«
– würde evtl. „die“ kursiv schreiben: wer denn die überhaupt sind

»Sie platzierte ihre Einkaufstasche auf ihrem Schoß, als ob sie ihn schützen müsste.«
– ich würde den Satz umdrehen, denn beim Lesen blieb ich hier hängen, weil sich „als ob sie …“ von der Satzstellung her eigentlich auf die Einkaufstasche beziehen müßte. Also entweder würd ich schreiben „Auf ihrem Schoß platzierte sie ihre Einkaufstasche, als ob sie ihn schützen müsste“ oder „Als ob sie ihn schützen müßte, platzierte sie die Einkaufstasche auf ihrem Schoß.“

»Zu ihrem Glück musste ich aussteigen, sie würde mich wahrscheinlich nicht wiedersehen.«
– hier hätte ich mir im zweiten Teil des Satzes erwartet, daß eine Erklärung kommt, warum es für sie ein Glück war, daß der/die Protagonist/in aussteigen mußte. Würde das eher so schreiben: Zum Glück musste ich aussteigen und hoffte dabei, sie nie wieder zu sehen.

»Er grinste herausfordernd, und dem Grinsen war anzumerken, dass er auf diese Frage noch nie eine ordentliche Antwort erhalten hatte.«
– „anzumerken“ find ich irgendwie nicht ganz das richtige Wort, vielleicht „war zu entnehmen“ oder „aus dem Grinsen war zu lesen/schließen“?

»Wusste er um die Bedeutung des Wortes?«
– fände besser „dieses Wortes“

»sie glänzten braun in seinem vor Freude zuckendem Gesicht.«
– „zuckenden“, glaub ich ;)

»er hatte etwas an sich, dass mich neugierig machte.«
– das

»Ich hatte ein paar Minuten übrig, die ich mir nehmen könnte.«
– „die ich mir nehmen könnte“ klingt, finde ich, hier irgendwie komisch – Vorschlag: „die ich für ihn aufbringen konnte“, oder einfach: „Ich hatte ein paar Minuten für ihn übrig.“

»Ich schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Ganz sicher war er heute morgen nicht rasiert worden «
– Mitte zwanzig
– heute Morgen

»Ich hatte schon von weitem gespäht«
– von Weitem


Liebe Grüße,
Susi :)

 

moin Sim.

Kurz und gut, auch wenn man sich das Ende der Geschichte anders wünschen würde, bleibt diese Geschichte eine gute Geschichte.
Sie Inspiriert mich dazu, in dieser Rubrik ebenfalls was zu schreiben.
das ist der Stoff, der einem länger im Gedächtnis bleibt.
Danke.
lord

 

Hallo Häferl, hallo Lord Arion,

vielen Dank fürs Lesen und für eure Kritik. Es ist schön, wenn diese Geschichte einem länger im Gedächtnis bleibt. Schön auch, dass du dich ermutigt fühltest, auch eine Geschichte für diese Rubrik zu schreiben, Lord Arion.

Die noch übrigen Rechtschreibfehler habe ich korrigiert, vielen Dank für die Hinweise.

»sie glänzten braun in seinem vor Freude zuckendem Gesicht.«
– „zuckenden“, glaub ich ;)
Normalerweise würde ich dir sofort recht geben, da nur einmal der dritte Fall benutzt wird. Hier klingt es für mich jedoch mit dem "zuckenden" derart komisch, dass ich extra beide Versionen durch die Grammatikprüfung gejagt habe. Sie wurden beide nicht moniert.

Interessant fand ich deinen Hinweis auf die Komplexität in die das Ende so entlässt. Ich hatte die Hoffnung des/der Prot mit Bedacht so gewählt, um die Naivität dieser Rechtfertigung für die Flucht vor den eigenen Bedenken zu unterstreichen. Allerdings hast du recht, es bleiben eine Menge an Themen übrig, über die hier in diesem Zusammenhang noch geschrieben werden kann. :)

 

Hallo Sim!

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sprachlich wie auch inhaltlich. Vor allem die Direktheit des Behinderten und die Reaktionen der Leute kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich war in den Sommerferien für zwei Wochen in einem Behindertenlager dabei und konnte das alles sehr gut beobachten - vor allem die Direktheit dieser Leute. Das hat mich sehr beeindruckt und auch nachdenklich gestimmt... Die Fragen der Prot. kann ich gut verstehen. Einzig den Schluss hätte ich anders gewählt oder umgeschrieben. Ich fand ihn ein wenig unbeholfen. Klar, die Reaktion kannst du ruhig so lassen, aber vielleicht wäre es besser, wenn du einen neuen Abschnitt machst und dann beschreibst, dass die Prot andere Wege geht, die Prot handeln lässt, es nicht nur allgemein erzählst wies jetzt ist. Beispiele, die "jetzige Situation live" zeigen ist immer spannender als erzählen, wies jetzt so läuft. Ansonsten - Hut ab, mach weiter so!!!!
LG, Bücherwurm

 

Hallo Bücherwurm,

vielen Dank fürs Lesen und für deine nette Kritik.
Auch wenn du grundsätzlich recht hast mit deiner Anmerkung, dass es besser ist aktiv etwas geschehen zu lassen, als allgemein zu erzählen, so hatte es in diesem Falle einen Sinn. Der/die Prot stielt sich davon. Er/sie geht andere Wege, schlicht einen Umweg, um ihm nicht mehr zu begegnen. Mehr ist da nicht. Man könnte sagen, die Geschichte stielt sich genauso knapp davon, wie es der/die Prot aus der gemeinsamen Geschichte mit dem geistig Behinderten tut.
Insofern habe ich das hier schon bewusst so gewählt.

Vielen Dank für die Anregung und liebe Grüße, sim

 

Hey Sim!

Deine Geschichte MUSS man ja einfach zu Ende lesen. Ich konnte jedenfalls nicht mehr aufhören bis ich sie zu Ende gelesen hatte!!!
Ja, da hast du allerdings recht. Insofern ist der Schluss gut gewählt.

LG, Bücherwurm

 

Hallo sim!
Nachdem du mir alleinig einen Kommentar zu meiner Story geschrieben hast, hab ich nun deine Geschichte gesucht (Ala Archetyp, Alarm in Lüdenscheid) und prompt festgestellt, daß ich deine Geschichte schon zweimal gelesen und mich nicht wirklich dazu aufraffen konnte zu antworten.

Ich bin darüber gestolpert, ob die Geschichte nicht das Vorurteil bedient, geistig Behinderte seien distanzlose, triebgesteuerte Wesen, vor denen es berechtigt ist Berührungsängste zu haben. Ich weiß, daß du etwas ganz anderes durch deine Geschichte aus-drückst, trotzdem kam mir der Gedanke beim Lesen.

Ziemlich am Anfang schreibst du, "Er hielt es vor Spannung kaum aus, so sehr wartete er darauf, dass ich mich endlich ärgern würde". Stellt er die Frage also um zu provozieren? - und warum stellt er sie dann am Ende (als die beiden schon eine Beziehung aufgebaut haben)dann immer noch. (als sie vorschlägt ins Kino zu gehen).
(Mal abgesehen davon, daß die meisten Menschen in Erwachseneneinrichtungen für Behinderte wahrscheinlich ziemlich begeistert wären, mal ins Kino mitgenommen zu werden.)

Und warum bist du nicht mutig genug ihn mit nach Hause gehen zu lassen? Das habe ich nicht richtig verstanden. Ich für meinen Geschmack fände es gut, es den Lesern zuzuMUTen, du könntest damit die Spannung und das Interesse des Lesers noch mehr steigern.

Vielleicht würde sich dann auch aufklären, an was der Mann denkt. Ich gibt mir nämlich ein Gefühl der Unzufriedenheit, daß ich es nicht sicher weiß. Meine Interpretation war, er denkt an Verhütung, an Kinderkriegen- nicht einfach nur an Sex, denn danach fragt er JA ständig, das fällt ihm JA nicht plötzlich ein.

Dazu fällt mir ein, daß du in den letzten 5 Zeilen 3 mal das Wort "ja" verwendest. Du siehst ich habe deine Geschichte öfter und intensiv gelesen, leider wurde sie dadurch nicht länger...

Würde mich freuen, wenn du irgendwas aus meinem Kommentar als Denkanstoß betrachten könntest...

 

Hallo Karin,

Würde mich freuen, wenn du irgendwas aus meinem Kommentar als Denkanstoß betrachten könntest...

Klar kann ich das und ich freue mich über deine Kritik.
Ich bin darüber gestolpert, ob die Geschichte nicht das Vorurteil bedient, geistig Behinderte seien distanzlose, triebgesteuerte Wesen, vor denen es berechtigt ist Berührungsängste zu haben
Zumindest habe ich diese Klischee für meine Geschichte ja auch benutzt. Manchmal finde ich es praktisch, sich eines Klischees gerade deshalb zu bedienen, um es aus sich selbst heraus in Frage zu stellen.
Stellt er die Frage also um zu provozieren? - und warum stellt er sie dann am Ende (als die beiden schon eine Beziehung aufgebaut haben)dann immer noch. (als sie vorschlägt ins Kino zu gehen).
Er stellt die Frage zu Beginn als stereotyp. Ich würde nicht sagen, dass er es tut um zu provozieren, wohl aber um eine Reaktion zu erhalten. Er hat gelernt, dass das mit dieser Frage klappt. Eine negative Reaktion ist immer noch besser als gar keine Beachtung. Aber die Frage verändert für ihn im Laufe der Beziehung die Bedeutung. Später wird sie für ihn zu einem verschwörerischen "Erkennungszeichen" ,zu einem einvernehmlichen Spiel dieser Beziehung, das er auch bei dem Vorschlag "Kino" aufrecht erhält. Eine genaue Vorstellumg vom "Ficken" hat er nicht, nur eine ungefähre, das steigert seine Neugierde. Insofern liegst du mit deiner Interpretation richtig. Er weiß es nicht sicher.
Und warum bist du nicht mutig genug ihn mit nach Hause gehen zu lassen?
Ich wollte einfach vermeiden, eine "ungleiche" und eventuell auch missbräuchliche Situation so zu beschreiben, dass sich jemand daran aufgeilen könnte. ;)

Vielen Dank für deine Anstöße. Mir ist beim nochmaligen Lesen aufgefallen, dass dich der Gehalt der Geschichte auch in mir im Laufe der Zeit geändert hat, so als sei sie ohne mein weiteres Zutun erwachsener geworden.

Liebe Grüße, sim

 

Hallo sim,

eine gute Geschichte und auch gut geschrieben.
Ich finde, die Distanziertheit, die Du schilderst, besteht nicht zu Behinderten. Sie scheint mir ein allgemeines Problem unserer Gesellschaft zu sein.

lg Fritz

 

Hallo Fritz,

ja mit Distanz haben wir Probleme. Es ist schwer zwischen Distanzlosigkeit und Nähe eine Unterscheidung zu machen und aus lauter Angst, hier zu versagen, wählen wir oft den falschen Weg, suchen Nähe, wo Distanz gefragt wäre und halten Distanz, wo Nähe gut tun würde.

Vielen Dank fürs Lesen und für dein Lob.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
Titel (und Rubrik) lockten mich ja schon lange, muss ich zugeben.
Der Plot deiner Geschichte ist kein alltäglicher, obgleich im Alltag angesiedelt, aber du schaffst es, deine Charaktere mit Leben zu füllen und glaubhaft wirken zu lassen. Obendrein hat deine Geschichte einen gewissen Spannungsbogen, ohne Knalleffekte bieten zu müssen, sieht man das Spiel mit deplazierten Moralvorstellungen, die uns wohl alle in irgendeiner Form umtreiben, einmal ab.
Was eine interessante Fragestellung wäre: Welcher der beiden Charaktere ist normal?
Der, der allzu offen anspricht, was der Kulturmensch nicht sagen darf, oder die, die sich aus oben angesprochenen Vorstellungen - als auch dem Druck der allgemeinheit, sei sie auch in deiner geschichte nicht erwähnt - entzieht.
Nun ja, andererseits werd ich mir ein längeres Geschwafel wohl höchstwahrscheinlich sparen können, angesichts der Antwortenschwemme, mit der du gesegnet wirst ;)
Liebe Grüße,
...para


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„Entschuldigen Sie bitte“, lächelte sie mich so zuversichtlich an,wie es in einer solchen Situation möglich ist,

Leerzeichen: "an, wie"

„Nein“, grinste er, „du siehst gut aus und du gefällst mir“.

{mir."}

 

Hi Paranova,

der Titel hat dich gereizt? Schäm dich! *g* ;)
Natürlich freut es mich, dass du meine Geschichte gelesen hast. Noch mehr freut es mich, dass sie dir gefallen hat. Erstaunlich, dass sich nach so vielen Lesern immer noch Fehler finden.
Deine Frage, wer der beiden normal ist, lässt sich nur in Abhängigkeit einer vorherigen Definition beantworten. Leiten wir Normal von ursprünglich, urtümlich, unverfälscht ab oder von gesellschaftlicher Norm?

Lieben Dank für deine Gedanken, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Gute Story

Hallo Sim,

mir hat die Geschichte sehr gut gefallen - zum einen wegen der deutlichen Platzierung des Tabu-Themas Sexualität: Schließlich stellt der junge Mann eine Frage, die ein Nein zulässt. (Wäre die Frage: Willst du mit mir essen gehen - eine kulinarische Belästigung?)

Zum zweiten, weil sie die Oberflächlichkeit durchbricht, mit der üblicherweise schablonenhaft Verhalten erklärt wird (!!!sehr gut gelungen! :thumbsup: ). Verhalten ist das Eine, - Verhalten hat aber auch ein Ziel oder ein Motiv, z. B. Aufmerksamkeit zu erhalten; es könnte natürlich auch sein, dass der junge Mann einfach nur ficken wollte. Durch die Beurteilung der Situation vor der Beobachtung ihrer Details - ergibt sich allerdings normalerweise eine soziale Reaktion, die oft in Diskriminierung, Ausgrenzung mündet.

Darin sehe ich den Haupt'verdienst' dieser Story; leider etwas schwach kommt der letzte Absatz, weil der Rückzug 'unmotiviert' bleibt - da klafft eine Lücke.

Dennoch insgesamt: :thumbsup:

 

Hallo FlicFlac,

irgendwie gehört diese Geschichte zu denen, die sich immer oben zu halten scheinen. Vielen Dank für deine lobenden Kritik. Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Über das Ende und den letzten Absatz wurde hier schon viel und widersprüchlich diskutiert. Letztlich finde ich die Angst vor der eigenen Courage ausreichend für einen Rückzug. Vielleicht ist es auch die Angst vor dem Ansehen vor den Kollegen oder vor den Folgen einer Liaison. Gerade bei dem Ende wurde an mich vielfach der herangetragen, eben nicht so genau diesen Rückzug zu erklären, sondern ihn dem Leser zu überlassen. Ich hoffe, du siehst mir nach, dass ich es deshalb auch nicht mehr überarbeite. :)

Einen lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim,

sollte Dich das ewige Lob an dieser kleinen Geschichte langweilen (dem Lob möchte ich mich anschliessen), so tut es mir leid.

Dennoch noch einmal: Chapeau!

Das Thema ist für "heile" Menschen schwierig.

Die Idee, die auffordernde Frage als wiederkehrendes Element zu nutzen ist interessant, da sich daraus für den Leser eine Orientierung im diesem Thema ergibt, an der er sich festhalten kann. Durch die Wiederholung stellt sich zudem ein auflockernder Witz ein.

Das Ende stimmt für mich. Aus dem Grund, dass sich der (ungeschlechtliche) Erzähler über das alltägliche Verhalten hinwegsetzt, neugierig bleibt und dann, allzu menschlich, die gewonnene Erfahrung abschliessen will; aus fehlendem weiteren Interesse oder aus Angst vor Grenzüberschreitungen oder warum auch immer sonst. Dieser Mensch hat dennoch eine Grenze überschritten, vor der andere weit früher halt machen. Das macht ihn zu einem Helden.

Aber sonst habe ich nichts an "Hey, wollen wir ficken?" auszusetzen .-)

dUCk.fACe

 

Hi Duck.Face,

Aber sonst habe ich nichts an "Hey, wollen wir ficken?" auszusetzen .-)

Ich suche ja verzweifelt, was du ausgesetzt haben könntest. :)

Es ist die Angst, die den Erhähler zurückschrecken lässt. Bei Desinteresse würde die Person die Wege nicht wechseln. Sich seiner Lust zu stellen für viele recht schwer.

Lieben Dank fürs Lesen und für deine Worte.

Und einen lieben Gruß, sim

 

Hey Sim!

Also zuerst einmal ist der Titel natürlich brillant. Weil wirklich jeder sowas sofort anklicken und lesen muss.
Jeder! Mancher, ohne es zugeben zu wollen.
Aber jetzt mal Hand aufs Herz... und klick!

schließlich können auch die sich nicht alles erlauben.
Diese Frau finde ich schon ziemlich erfunden. Gibt es wirklich Menschen, die so denken? Kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn doch: Huch!

Und nun: Lob über dich, denn du hast es wirklich geschafft, ein sehr heißes Eisen anzufassen. Behinderte und Sexualität. Da würden viele davor kapitulieren, aber du hast es wirklich sehr gut gemacht.
Der Schluss lässt einen etwas verwirrt zurück. Und doch fragt man sich sofort: wie hätte ich da wohl selbst gehandelt?

Eine schöne Geschichte. Was soll ich noch schreiben?

In diesem Sinne
c

 

hey chazar,

den brillianten Titel der Geschichte habe ich Microsoft zu verdanken, die Word so eingerichtet haben, dass es immer die erste Zeile einer Datei als Dateinamen speichert.

Ja, solche Banknachbarin muss man sicher ein bisschen suchen, aber irgendwie wollte ich eine etwas humorvolle Komponente in der Geschichte haben. Und dazu eignen sich Klischees oft recht gut. :)

Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Lieben Gruß, sim

 

Die Geschichte stellt heraus, daß die Gesellschaft in zwei Gruppen zerfällt; Menschen mit und ohne Behinderung. Irgendwo auf der Grenze zwischen den beiden findet sich der Protagonist wieder. An dem direkten Angebot im Bus, stört er sich nicht. Die Fahrgäste, repräsentativ für die nichtbehinderte Bevölkerung, erwarten, daß ihre Werte, Normen und Verhaltenskodizes eingehalten werden. Was bedeutet, daß man niemals direkt nach dem fragt, was man eigentlich will. Um sexuellen Kontakt herzustellen, muß eine Vielzahl von Vorstadien durchlaufen werden: angenehme Unterhaltung, gemeinsame gesellschaftliche, kulturelle Aktivitäten, ein vorsichtiger, erster Kuß, in extremen Fällen von Bürgerlichkeit (oder Katholizismus) auch Verlobung und Heirat. Und selbst dann bleibt das Thema außerhalb eines Schlafzimmers tabu.

Das Gegenüber, geistig behindert, stellt diese Frage direkt. Und, wie ein Werbespot, der die Vorteile eines Produkts anpreist, zeigt er auch, was das Gegenüber erwarten wird.

Es ist vermutlich legitim, die Abwehr der Fahrgäste in einer eigenen Unfreiheit begründet zu vermuten, auch wenn der Text hierzu nichts aussagt. Das Aufbegehren des Protagonisten, der den Behinderten verteidigt, bleibt fruchtlos. Die merkwürdige Forderung, man sollte den jungen Mann anzeigen, wirft die Frage auf, welche Konsequenz eine solche Aktion nach sich ziehen würde, und auch die Frage, was damit erreicht werden sollte. Es riecht nach einer "wer nicht hören will" Methode.

Der Protagonist verspürt zu Beginn der Geschichte noch die Lust zur Konfrontation, sowohl mit der Gesellschaft, als auch mit dem Gegenüber. Diese verliert sich aber immer mehr, bis er das Schicksal des jungen Mannes mehr oder minder unbekümmert offenläßt.

Der Protagonist, dessen einziges Motiv eigene Lust sein kann, vollzieht einen Wandel. Schuldgefühle kommen ins Spiel, die von außen, von der Gesellschaft erfunden sind, und er beginnt, sich ihr anzugleichen, indem er seine eigene Offenheit verrät. Seine Gratwanderung beendet er undramatisch. Er hat sich für eine Seite entschieden. Schweigend. Die vorgegebenen Regeln werden akzeptiert, und was bleibt ist eine mitleidige Hoffnung auf Barmherzigkeit, das Gegenüber möge seinen Wunsch mit Seinesgleichen eines Tages erfüllt finden.

Ein unglaublich dichter, feinsinniger Text über Normen und Individualität, die Gesellschaftsfähigkeit von sexueller Lust und die gedachte Trennung zweier Gruppen. Stark. Hat mich begeistert.

 

Hallo Claus,

viel kann ich zu deiner ausführlichen Kritik und feinfühligen Interpretation ja gar nicht schreiben. Diese Geschichte gehört zu denen, bei denen ich beim Schreiben überhaupt kein Gefühl für die Wirkung oder die Qualität hatte. Bei aller Planung, einen gelungenen Wurf kann man kann man nicht planen.

Vielen Dank fürs Lesen, für dene Kritik und für deine Gedanken, sim

 

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