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„Hey, wollen wir ficken?“

Challenge 1. Platz
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sim

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13.04.2003
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„Hey, wollen wir ficken?“

„Hey, wollen wir ficken?“
Er stand vor mir, hatte die Hose praktischerweise, ohne meine Antwort abzuwarten, gleich heruntergelassen, sodass sie ihm viel zu weit, um seine dürren Knie hing. Die Gürtelschnalle wippte noch ein bisschen. Eine recht hektische Erzieherin lief ihm sofort hinterher und zog ihm, ohne ein Wort zu verlieren, die Hose wieder hoch.
„Entschuldigen Sie bitte“, bat sie so zuversichtlich lächelnd, wie es in einer solchen Situation möglich ist, „ihm fehlt es ab und zu an der nötigen Distanz.“ Sie verwendete einen Fachausdruck dafür, den ich mir nicht merken konnte, der aber sicherlich richtig war. Sie zog den jungen Mann durch den Bus zu den Sitzplätzen, auf denen wohl die Anderen aus seiner Gruppe saßen. Ich hörte, wie sie leise mit ihm schimpfte.
„Unerhört", mokierten sich einige der anderen Fahrgäste, „man sollte solch eine Belästigung verbieten." Es kam nicht einmal eine Diskussion zustande, so einig war man sich.
„Sie sollten den jungen Mann anzeigen“, wandte sich die Dame zu meiner rechten an mich, „schließlich können auch die sich nicht alles erlauben.“
„Warum?" Ich wandte mich ihr zu, um vielleicht in ihrem Gesicht lesen zu können, wer denn die überhaupt sind. „Was hat er denn Schlimmes getan? Er hat mir eine Frage gestellt, die ich mit Ja oder Nein beantworten konnte."
„Er hat sich vor Ihren Augen entblößt", echauffierte sie sich, „ich nenne so etwas 'sexuelle Belästigung'." Sie platzierte ihre Einkaufstasche auf ihrem Schoß, als ob sie ihn schützen müsste. „Das darf man niemandem durchgehen lassen." Was hätte ich antworten sollen? Der Tumult, der entstand, war mir unangenehmer als der entblößte Unterleib, die Kommentare fand ich quälender als die direkte Frage des jungen Mannes.
„Er war doch ganz hübsch anzusehen“, grinste ich meine Nachbarin an. „Belästigt fühlte ich mich jedenfalls nicht.“
Sie rutschte ein Stückchen fort von mir, zwängte sich näher ans Fenster und korrigierte die Position der schützenden Einkaufstasche: „Dann sind Sie entweder ein Geduldsengel oder pervers.“
Zu ihrem Glück musste ich aussteigen, sie würde mich wahrscheinlich nicht wiedersehen.


„Hey, wollen wir ficken?“
Wir fuhren nicht im Bus, wie beim ersten Mal. Mein Weg führte mich an seinem Heim vorbei, da ich zum U-Bahnhof wollte. Dort stand er allein auf einer Wiese und stürzte mit seiner Frage auf mich zu.
Er hatte die Hose dieses Mal oben gelassen, soweit hatte man ihn schon dressiert. Er grinste herausfordernd, und dem Grinsen war anzumerken, dass er auf diese Frage noch nie eine ordentliche Antwort erhalten hatte. Wusste er, was er da fragte? Wusste er um die Bedeutung des Wortes?
Seine Augen strahlten mich an, sie glänzten braun in seinem vor Freude zuckendem Gesicht. Er hielt es vor Spannung kaum aus, so sehr wartete er darauf, dass ich mich endlich ärgern würde.
Könnte ich ihn mit einem „Ja“ überraschen? Oder würde es ihn enttäuschen?
Er sah nett aus, nicht wirklich hübsch, aber sehr sympathisch, und er hatte etwas an sich, dass mich neugierig machte.
„Hey, wollen wir ficken?“, wiederholte er seine Frage voller Ungeduld. Wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, so lange auf eine Reaktion warten zu müssen. Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte ein paar Minuten übrig, die ich mir nehmen könnte.
„Nein“, antwortete ich ihm freundlich und sah dabei fest in seine Augen, „aber wenn du magst, können wir uns ein bisschen unterhalten.“ Dabei setzte ich mich zu seinen Füßen auf die Wiese.
Er zögerte ein wenig, bevor er sich zu mir setzte: „Lieber würde ich ficken.“
„Ich kenne dich doch gar nicht", gab ich ihm zu bedenken, „stört dich das nicht?" Er schüttelte den Kopf so heftig, dass sein ganzer Oberkörper gleich mit in Bewegung geriet: „Nein“, grinste er, „du siehst gut aus und du gefällst mir“.
Ich schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Ganz sicher war er heute morgen nicht rasiert worden, oder konnte er sich selbst rasieren? Seine Haut war glatt, und es musste sich gut anfühlen, ihm den Rest Rasierschaum aus dem Gesicht zu waschen. Er war schlank, und wenn er nicht sprach, war nicht zu bemerken, woher er kam.
„Du gefällst mir auch“, antwortete ich lächelnd, „aber ich möchte trotzdem nicht.“
„Schade.“ Ein leichter Stich Traurigkeit überschattete ihn, dennoch stellte er fest, dass ich nett sei, und dass ich es mir ja noch mal überlegen könnte.
Ich schaute erneut auf die Uhr, eigentlich nur, um meine verwirrte Flucht zum Bahnhof einzuleiten, denn auch wenn ich nein gesagt hatte, er gefiel mir wirklich.


„Hey, wollen wir ficken?“
Meine Wege hatten mich in den letzten Tagen öfter als nötig am Bahnhof vorbei geführt, und so manches Mal hatte ich ihn getroffen. Ich hatte schon von weitem gespäht, ob ich ihn sehen würde, mich gefreut, wenn ich ihn erblickte, und meinen Schritt automatisch beschleunigt, um ein bisschen Zeit zu haben, wenn er mich ansprach. Er sprach mich immer an, er stellte immer diese Frage, aber er grinste anders dabei, etwas verschworen, als sei es ein Geheimnis zwischen uns. Langsam schlichen sich Vertraulichkeiten ein. Er fing an, mir auf die Schulter zu fassen, wenn er fragte, ich fing an, ihn zu kitzeln, wenn wir nebeneinander im Gras saßen.
Ich schüttelte ihm die Hand zur Begrüßung, wodurch seine Frage noch etwas merkwürdiger anmutete. Ich lernte, ihn zu mögen, und je mehr ich ihn mochte, umso schuldiger fühlte ich mich dafür.
Er war so warm, wenn ich ihm beim Kitzeln sein Hemd etwas hochschob, um an seinen Bauch zu kommen. Er war so zart, wenn er sich in dieser Balgerei tapsig entschloss, mich zu umarmen, mir mit seinem Gesicht ganz nah kam und ungelenk seinen heißen Atem ins Ohr pustete.
„Was machst du am Wochenende?“, fragte ich ihn, als er mir mal wieder seine Begrüßungsfrage stellte.
„Ich warte hier auf dich.“
Es war so schön, wie direkt er war. Ich suchte Vorwände, um zum Bahnhof gehen zu können, er brauchte das nicht. Er wartete auf mich.
„Hast du nicht Lust, mich zu besuchen?“
„Wollen wir dann ficken?“
Ich konnte ihm die Frage nicht mit Nein beantworten. Ich wusste, wenn er sie mir in meiner Wohnung stellen würde, würde ich ja sagen, gespannt, was dann passiert. Würde er sich einfach die Hose runterziehen, wie beim ersten Mal im Bus? Gern würde ich ihm sanft hinaus helfen, würde ihm beim Toben das Hemd öffnen und ausziehen, ihn kitzeln, streicheln und küssen, seinen Körper genießen, dem ich mich hingeben wollte. Gern würde ich mich von seinen etwas ungeschickten Händen betasten lassen, irgendwo auf seiner forschenden Suche nach Liebe und Sex.
Gern würde ich mit ihm einfach vor dem Fernseher sitzen, würde ihm vorlesen und dabei mit ihm kuscheln.
„Wir könnten ins Kino oder ins Theater gehen." Er verzog enttäuscht den Mund, aber er sagte nichts.
„Es sind ja noch ein paar Tage hin bis zum Wochenende", tröstete ich ihn, „wir können uns ja noch etwas einfallen lassen." Ich stach mit dem Finger leicht in seinen Bauchnabel, und erhob mich von der Wiese.
„Bis morgen.“ Er blieb liegen, als ich ihm die Hand hinstreckte, er winkte mir hinterher und lachte laut.
„Mir ist was eingefallen!“, rief er mir so breit grinsend hinterher, dass ich wusste, was ihm eingefallen war. Und er wusste, dass ich es wusste, denn sonst hätte er es laut gesagt.
„Ich muss verrückt sein", dachte ich mir und die Schamesröte kroch mir ins Gesicht, obgleich er seinen Einfall gar nicht für jeden hörbar kundgetan hatte. Ein Heer von Fragen und Ängsten machte sich über mich her.
Wie verbrachte er seine Tage, und was würde passieren, wenn ich mich mit ihm anfreunden würde. Würde ich ihn besuchen dürfen oder am Wochenende zu mir nach Hause holen? Wer besuchte ihn bisher? Hatte er eine Familie, die sich um ihn sorgte?
Wie wäre es eigentlich gewesen, wenn ich ihn ganz normal kennen gelernt hätte, wenn ich schon einen Teil meines Lebens mit ihm verbracht hätte, bevor er seine geistige Kraft, durch einen Unfall oder einen Schlaganfall verloren hätte. Würde ich mir dann Gedanken darum machen, ob er mir gefallen dürfte, und was andere darüber denken?
Aber wäre es nicht perverse animalische Lust, die mich dazu treiben würde, seine Frage mit Ja zu beantworten? Ist gleichberechtigte, gegenseitig erfüllende Sexualität überhaupt möglich mit ihm? Kann man lieben, wenn man keine Gespräche führen kann?
Würde er mir jemals über sich erzählen können, über seine Geschichte, über sein Leben, über seine Gefühle? Würde ich mich mit ihm jemals über Bücher austauschen können, könnte ich ihn für ein Theaterstück begeistern oder für einen Film?


„Hey wollen wir ficken?“
Ich entschied mich für meine Ängste und blieb beim Nein. Ich mied den Weg zum Bahnhof, jedenfalls den direkten, denn es gab einen zweiten, sehr viel weiteren Weg. Ich sagte nie adieu, ich wechselte einfach meine Gewohnheiten. Irgendwann sah ich seine strahlenden Augen nicht mehr in meinen Wachträumen, seine Frage erschuf keine Fantasien mehr in mir, für die ich mich schämte. Mit der Scham, ihn allein gelassen zu haben konnte ich besser leben. Vielleicht würde er ja mal bei sich im Heim jemanden unter den anderen Behinderten finden, der seine Frage mit Ja beantwortete? Vielleicht würde ja dann ein gnädiges Pädagogenauge die Tür schließen und den beiden ihren Spaß lassen?

 

Hallo Sim,

sehr schöne Geschichte, die mich traurig zurückläßt.

Gegen Ende läßt du irgendwie nach. Die vielen Fragen der Protagonistin sind zwar nachvollziehbar, doch wäre es schöner gewesen, wenn du diese Fragen dem Leser nicht "vorgekaut" sondern durch entsprechende Bilder und Geschehnisse näher gebracht hättest.
Hier und da haben sich noch kleine Tipp- (Rasierscham) und Kommafehler eingeschlichen. Wenn du magst, suche ich sie dir raus und schicks dir per Mail.
Alles in allem eine wirklich nachdenkliche Geschichte, die bei entsprechder Bearbeitung noch eine Menge mehr zu bieten hätte.

liebe Grüße, Pandora

 

hi sim!

mir hat Deine Geshcichte gefallen, auch das Thema, das Du Dir innerhalb des Themas gesucht hat. Sexualität und Behinderte psst ja für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft nicht recht zusammen, es ist ein Tabuthema, und ich finde, Du hast es sehr gefühlvoll aufgearbeitet. Allerdings hat Pan schon recht, zum Schluss lässt die Geschichte leicht nach. Die Gedanken und Gefühle des Prot, die zwiegespaltenen Gedanken...auch das eingenltich Weglaufen des/der Prot könntest Du noch deutlicher schildern... denke ich.

„Er war doch ganz hübsch anzusehen.“, grinste ich meine Nachbarin an, „belästigt fühlte ich mich jedenfalls nicht.“Sie rutschte ein Stückchen fort von mir, zwängte sich näher ans Fenster und korrigierte die Position der schützenden Einkaufstasche: „Dann sind sie entweder ein Geduldsengel oder pervers.“
Zu ihrem Glück musste ich aussteigen, sie würde mich wahrscheinlich nicht wiedersehen.
eine der Stellen, die mir besonders gut gefällt....

schöne Grüße
Anne

 

hi Sim

ich bin selbst querschnittgelähmt (nicht geistig behindert) und finde, deine Geschichte ist gut erzählt... Bis auf den Schluss, aber das hatten wir hier ja schon ;-)

Gefällt mir trotzdem...

rolligirl

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Pandora, Maus und rolligirl,

ihr habt Recht, offensichtlich hat mich zum Schluss die Courage verlassen, die Geschichte einfach wirken zu lassen. Hier könnte ich viel mehr vertrauen, dass ein Leser diese Fragen stellt, selbst wenn ich sie gar nicht thematisiere.
So ist mir leider aus Mangel an Mut und ein Zuviel an Rücksichtnahme ein idiotischer und diskussionshemmender moralischer Zeigefinger in die Geschichte gelangt, den ich sofort beseitigen werde.

Einige Rechtschreibfehler habe ich auch noch gefunden und editiert, ansonsten bin ich diesbezüglich auch für jede Hilfe dankbar. Dies gilt auch für alle anderen Anregungen.

Vielen Dank fürs Lesen und für eure Kritik.

und an Maus einen besonderen Dank, dass sie die geschlechtliche Neutralität des/der Prot bemerkt hat. ;)

Liebe Grüße,
sim

 

Hallo sim!
Eine wirklich schöne Geschichte! Schade das sie, für mich jedenfalls, so traurig ausgeht, indem sie sich zurückzieht.
Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an, was man wohl in derselben Situation machen würde.
Komisch eigentlich, das so manch "gesunder" Mensch scheu vor Behinderten hat.
Aber wenn ein "gesunder" Lebenspartner plötzlich behindert ist, dann ist (meist)klar, das man bei ihm bleibt-ohne Scheu.
Noch ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen...
"Erhielt es vor Spannung kaum"
(zwischen Er und hielt eine leerzeichen-sonst perfekt)

Gruß Joker

 

Hallo Sim,
eine schöne, einfühlsame Geschichte, die mich sehr berührt hat, und die einen nachdenken lässt.
Das Ende ist zwar traurig, aber ich denke, es entspricht eben leider der Realität. Wahrscheinlich sind es einfach Unkenntnis und Ängste, mit der Situation umzugehen, die einen vor solchen Beziehungen zurückschrecken lassen.

LG
Blanca

 

Hallo Joker, hallo Blanca,

vielen Dank für eure netten Worte. Das Ende ist leider so traurig wie die Realität.
ich fürchte nur, wir machen es uns zu einfach, wenn wir dieses Ende mit Unkenntnis begründen. Dazu habe ich zu bewusst eine geistige Behinderung gewählt.

Schön, dass euch meine Geschichte gefallen und zum Nachdenken gebracht hat.

Liebe Grüße, sim

 

Hallo sim!

Obwohl deine Geschichte eigentlich komplett anders als meine ist, finde ich dennoch thematische Parallelen. Es ist ziemlich interessant für mich, wie du das Thema aufgearbeitet hast.

Insgesamt kann ich mich nur den positiven Kommentaren der anderen nur anschließen. Besonders gut gefallen hat mir, wie du gleichzeitig offen und sensibel Tabuthemen ansprichst.
Obwohl sie am Schluss dann einen negativen Gang nimmt, blieb nach dem Lesen für mich dennoch ein angenehmes Gefühl zurück. Vielleicht hätte es mich auch irgendwie "überfordert", wenn es zwischen den beiden tatsächlich zu Sex gekommen wäre. Weiß nicht .. Es ist eben ein nicht einfaches Thema.

lg
klara

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim,

Ich finde, das diese Geschichte Restlos ins Schwarze trifft. IMHO kann ich sie jedem nicht körperlich oder geistig beeinträchtigten Menschen empfehlen, der Vorurteile hat.
Warum drücke ich mich so umständlich aus? Ich habe selber mit behinderten Menschen gearbeitet und arbeite teilweise immer noch mit Menschen, die eine angeborene oder erworbene körperliche oder geistige Beeinträchtigung haben. IMHO finde ich das Wort "Behindert" stigmatisierend - klappe auf; Mensch rein; klappe zu und ja nicht mehr drüber nachdenken...

Von Medizinischer Seite aus betrachtet erinntert mich die Geschichte an Menschen mit M. Tourette (für nähere Infos und Links bitte Kontakt zu mir aufnehmen. :) )

Mein persönliche Fazit: 9 von 10 Rauchwolken.

matane,

Ryu - ki
(Koro no Ryu)

PS. Die Geschichte ist ein eindeutiger Fall für den Empfehlungsthread

 

Hallo Klara, hallo Ryu-Ki,

vielen Dank für eure Kommentare und vielen Dank für die Rauchzeichen.

Vielleicht hätte es mich auch irgendwie "überfordert", wenn es zwischen den beiden tatsächlich zu Sex gekommen wäre.

So traurig es andererseits ist, es hätte glaube ich auch die Beteiligten in der Geschichte eventuell überfordert. Ich bin zur Zeit noch unsicher, ob die Geschichte auch die Frage danach aufwirft, warum meine(e) Prot sich gerade wegen der sexuellen Fantasien, die der Mensch in ihr auslöst Vorwürfe macht, und ob es im Leser auch Gedankenketten in diese Richtung auslöst. Das fand ich schon beim Schreiben ganz schwierig, denn ich bemerkte bei mir ein Schuldgefühl diese Anziehungskraft überhaupt zu schildern, da es sich eventuell wie eine missbräuchliche Fantasie lesen könnte.
Bisher ist mir leider kein deutliches Bild für diese Angst vor einer Fantasie gekommen.
Für Anregungen bin ich also dankbar.

Liebe Grüße, sim

 

Hallo sim,
Geschrieben von sim

Zitat
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Ich bin zur Zeit noch unsicher, ob die Geschichte auch die Frage danach aufwirft, warum meine(e) Prot sich gerade wegen der sexuellen Fantasien, die der Mensch in ihr auslöst Vorwürfe macht, und ob es im Leser auch Gedankenketten in diese Richtung auslöst. Das fand ich schon beim Schreiben ganz schwierig, denn ich bemerkte bei mir ein Schuldgefühl diese Anziehungskraft überhaupt zu schildern, da es sich eventuell wie eine missbräuchliche Fantasie lesen könnte.
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Vielleicht liegt es daran, dass uns einige geistige
Behindete ( So wie du ihn beschrieben hast )als Erwachsene mit kindlichen Gemüt begegnen, wenn wir Nichtbehinderte sie näher kennengelernt haben.
Deren Vertrauen wirkt auf uns so echt und schutzbedürftig.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

hallo goldene Dame,

das weiß ich nicht, ich fürchte auch, das wäre ein Klischee. Ich glaube eher, mein(e) Prot spiegelt mein eigenes Erschrecken vor einer Fantasie wieder, und ich konnte mich als Autoren von den Fantasien meiner Figur nicht so trennen, wie es angemessen wäre. ;)

Ihr habt also noch eine Überarbeitung zu befürchten :D

Lieben Gruß, sim

 

Lieber sim,

hat mir gefallen, was du geschrieben hast von der Thematik her und von deren Umsetzung.

Behinderte und Sexualität als Thema zu wählen, find ich obendrein auch mutig von dir. Was die Spannung in deiner Geschichte aufbaut ist für mich die Frage, die sich der/die Protagonist(in)in deiner Geschichte doch wohl auch stellen wird:
was, wenn ich einen Menschen vor mir habe, dessen geistige Behinderung seine freie Willensentschließung auch im Hinblick auf sexuelle Handlungen eingeschränkt? Darf ich dann dennoch mit aller Behutsamkeit vorgehen und es versuchen? Laufe ich nicht Gefahr, etwas zu zerbrechen?
Andererseits:
sind meine Bedenken nicht der Tod aller Sexualität und damit eine Form von menschenverachtender Ausgrenzung eines Behinderten?

Da ist noch etwas, was vielleicht sogar unwillkürlich in deiner Geschichte mitschwingt. Dieser Junge sieht Sexualität losgelöst von einer tiefen Beziehung. Ob er dies tut, weil er geistig behindert ist, mag dahingestellt sein. Er fordert jedenfalls mit seinem Satz: "Wollen wir ficken?" schlicht dazu auf, die eigenen Vorstellungen zu überprüfen.
Wir sind so erzogen worden, dass Sexualität mit jemandem, den man gar nicht richtig kennt, etwas Anrüchiges hat.
Wir sind so erzogen worden, dass wir durchaus mit jemandem ins Restaurant oder Kino gehen können, den wir nur flüchtig kennen.
Ich möchte nicht danach fragen, was für eine gesellschaftliche Normverletzung wäre es, wenn man in sexuellen Kontakten genauso verführe, sondern möchte danach fragen, was wäre, wenn man diese Norm änderte?


Schau mal, was du alles an grüberlischen Gedanken bei mir losgetreten hast. :thumbsup: Gute Geschichte.:)


Lieben Gruß
elvira

 

Wenn ich meine ausführlich ehrliche Meinung zum Thema kundtue, werde ich gelyncht werden, egal wie gut ich sie begründe, deswegen hier nur das Wesentliche:

Das ist eine hervorragende Geschichte, und sie läßt zum Ende hin keineswegs nach (auch wenn, wie sim sagt, er nur keine Traute hatte, es anders zu gestalten (wie auch immer "anders" aussehen würde)).

Wenn sie so bleibt wie sie ist, werde ich sie empfehlen.

r

 

Wenn ich meine ausführlich ehrliche Meinung zum Thema kundtue, werde ich gelyncht werden, egal wie gut ich sie begründe,

Das ist nicht fair: erst neugierig machen und dann flüchten. :D
Her mit deiner ehrlichen Meinung! *hmpf*

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo lakita und hallo relysium

vielen Dank fürs Lesen, und vielen Dank für die Gedanken, die du mir als Essenz mitgeteilt hast.

Ich stelle auf alle Fälle fest, ich lasse mich zu schnell verunsichern und taumel hier gerade ein bisschen, anstatt zu meiner Geschichte zu stehen.

So klare Worte als Stärkung, wie von dir, elysium, freuen mich deshalb sehr. Vielen Dank.

Neugierig bin ich aber auch ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

Du hast mit Deiner Geschichte ein heißes Eisen angepackt, ein Thema, über das ich es normalerweise vermeide, nachzudenken. Ich reagiere so, wie Dein Protagonist / Deine Protagonistin am Ende Deiner Geschichte, ich denke, vielleicht findet ein geistig Behinderter ja einen anderen geistig Behinderten, mit dem er ein wenig Spaß haben kann - Hauptsache, ich muss in solch einem Fall nicht eindeutig Stellung beziehen, mich womöglich entscheiden, wie Dein / Deine Prot...

So wie Du die Begegnungen der beiden Menschen beschreibst, kann man sich eine sexuelle Beziehung der beiden gut vorstellen – und doch schwingt bei dieser Vorstellung für mich immer etwas Bitteres mit. Die beiden wären einfach nicht gleichberechtigt, oder? Der junge Mann kann wahrscheinlich keine der Bedenken der / des Prot nachvollziehen. So eine Beziehung hätte wohl kaum eine Zukunft. Wäre es also fair, in dem jungen Mann Hoffnungen zu wecken, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit doch zerstört würden?
Deshalb bin ich über das Ende der Geschichte im Innersten ganz froh gewesen, ich hätte es beängstigend gefunden, wenn die beiden eine sexuelle Affäre begonnen hätten, in der der Behinderte vermutlich immer der Abhängige gewesen wäre.
Allerdings hätte es natürlich für Deinen / Deine Prot ehrlichere Methoden gegeben, die Beziehung abzubrechen oder auf einer asexuellen Ebene zu belassen. Doch gerade Deinen Schluss halte ich für ausgesprochen realistisch. Viele Menschen regieren in solchen kritischen Situationen doch genau so: sie ziehen sich heimlich aus der ganzen Geschichte heraus und vermeiden die direkten Konfrontationen.

Deine Geschichte ist ein Denkanstoss für mich gewesen, über ein Thema nachzudenken, mit dem ich mich sonst nie befasse.
Wie immer schreibst Du flüssig, formulierst sicher und gut und die Personen, die Du auftreten lässt werden sehr lebendig.

Drei kleine Bemerkungen habe ich noch:
Wortwiederholung: „....wandte sich die Dame / Ich wandte mich zu
„zu meiner rechten“ : zu meiner Rechten
„würde ich ja sagen, gespannt, was dann passiert“: passierte

Liebe Grüße
Barbara

PS. Bevor ich obiges, das ich gestern geschrieben habe, abschickte, habe ich gerade noch Elviras Kommentar gelesen. Natürlich hat sie recht, vielleicht sollten wir die Normen ändern - aber für mich, ganz persönlich, ist eine sexuelle Beziehung mit jemandem beinahe Fremden zumindest schwer vorstellbar...

Gruß von einer ziemlich ins Grübeln geratenen Barbara

 

Hi sim

wie immer ein vergnügen eine deiner geschichten zu lesen.. und wieder einmal stellst du meine lieblingsbehauptung auf den kopf, dass es eigentlich keine neuen themen mehr gäbe..

anfang und hauptteil gefallen mir so gut, weil hier wirklich ein thema aufgerufen wird, mit dem ich mich wie die meisten anderen noch so gar nicht beschäftigt habe - stimmt schon, was hier gesagt wird - die meisten blenden derartige vorstellungen einfach aus.. das insofern ungewöhnliche denken und fühlen deiner heldin ist deshalb sehr interessant zu lesen..

deshalb war auch ich - wie die meisten anderen - etwas enttäuscht als es "plötzlich vorbei war"..:)

das ist zwar wahrscheinlich realistisch.. aber du hast uns so neugierig auf ihr weiteres verhalten gegeben.. das antworten angebracht wären..:D

also setz dich hin - und schreib nen zweiten teil..ist ja oft so, dass man es sich wieder anders überlegt..könnte auch gut für deine protagonistin gelten.. sehnsucht nach ihm? ein flirt mit einem anderen mann (am besten gut gebaut, intelligent, gepflegt - alles was dir so an klischees des perfekten mannes einfällt) - und sie sehnt sich nach....... schon klar.. ein erstes wiedersehen.. die empfnindungen.. wie reagiert er.. etc etc.. stoff satt..

diese geschichte zu ende zu schreiben, ist doch genau die richtige herausforderung für dich ..;)

wie immer ntaürlich sehr realistisch und sauber formuliert..

viele grüße, figaro

 

Hallo al-dente, hallo Streicher,

vielen Dank für eure umfangreichen Kritiken.
Du hast genau meine Bedenken formuliert, al-dente. Sie schienen also doch beim Lesen anzukommen. Das beruhigt mich sehr. Ich werde an dieser Geschichte also jetzt definitv nichts mehr ändern.

aber du hattest ja die rettende Idee, lieber Streicher.
Darüber werde ich bestimmt mehr als nur nachdenken.(ach, wenns doch schon wieder Wochenende wäre, möglichst ein verregnetes, damit ichzum Schreiben komme ;))

Vielen Dank und liebe Grüße, sim

 

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