Was ist neu

451

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04.08.2002
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451

Noch drei Jahre

Attarin wankte den schmalen Pfad zwischen Krommbach und Waldstatt entlang. In der Dunkelheit nach einem festen Halt suchend, fuhren seine Finger durch die taunassen Zweige der Bäume am Wegesrand. Im letzen Moment fanden sie einen festen, glatten Baumstamm. Der junge Brukterer übergab sich zum dritten Mal. Die gallige Flüssigkeit brannte in seinem Mund. Attarin war im Streit vor Gerhard aus Krombach geflohen. Zwar hatte Gerhards Nase geblutet und vielleicht fehlte ihm jetzt ein Zahn, doch am Ende waren die Krombacher Freunde von Gerhard herbeigeeilt, und gegen die zehnfache Übermacht hatte selbst der starke Attarin keine Chance gehabt. Noch einige harte Schläge austeilend war er am Schluss aus dem Kreis der Angreifer geflüchtet. Er drehte sich um, um sicher zu gehen, dass er nicht mehr verfolgt wurde. Nach Waldstatt, seinem Heimatdorf, waren es zwei Stunden. In seinem Zustand hätte es auch zwei Tage entfernt liegen können. Er taumelte vom Weg und fiel über einen niederen Busch ins dichte Unterholz. Attarin raffte sich auf, stolperte erneut und blieb auf dem Rücken liegen. Der Weg war nicht mehr zu sehen. Gerhard und seine Freunde würden ihn hier nicht finden. Erleichtert schloss er die Augen und schlief sofort tief und fest. Selbst als kurze Zeit später Reiter den Pfad entlang ritten, wachte er nicht auf.

Attarins Kopf schmerzte. Seine Kleidung war feucht vom Tau, und übelriechendes Erbrochenes klebte an seinem Fellwams. Er reinigte sich mit Gras so gut es ging, spuckte mehrmals aus, und schwor sich, in Zukunft weniger zu trinken. Als er auf den Weg zurücktrat, fielen ihm zahlreiche Hufspuren auf. Attarin wunderte sich, was so viele Reiter hier gemacht hatten. Erst nach einigen Schritten keimte ein schrecklicher Verdacht in ihm: Hunnen!
Die Römer nannten sie Tataren. Nach den Dämonen ihrer Unterwelt. Wer sich ihnen nicht unterwarf, so wie die Ostgoten, wurde umgebracht. Die Ältesten hatten sich in den letzten Wochen mehrmals beraten, und gemeint, Waldstatt drohe keine Gefahr, weil die Hunnen viel zu weit weg wären und ihr Dorf ohnehin durch Boten aus den östlich gelegenen Dörfern gewarnt würde. Attarin hatte sich nicht dafür interessiert. Wie alle Burschen seines Alters stand sein Sinn ausschließlich nach Frauen. In seinem Fall nach der schönen Gerhild, auf die auch Gerhard aus Krombach ein Auge geworfen hatte. Er ging jetzt schneller. Ein noch schrecklicherer Gedanke ließ ihn in einen leichten Trab fallen. Hildchen! Seine kleine Schwester mit dem Hinkebein. Hildchen vergötterte ihren großen Bruder, da sie ohne Mutter hatte aufwachsen müssen. Bei einem Angriff wäre Hildchen mit ihrem Hinkebein viel zu langsam gewesen, um in den umgebenden Wäldern vor den Angreifern Schutz zu suchen. Attarin begann zu zittern und rannte los. Schon bald stach seine Lunge, doch er nahm sein Tempo nicht zurück. Noch gestern hatte er sie böse zurückgestoßen, weil sie wie eine Klette an ihm hing.
„Mach dir doch selber ein Pferd, dumme Kuh.“
Er hatte seine heftigen Worte sofort bereut, doch zurücknehmen wollte er seine Beschimpfung auch nicht. Noch auf dem Weg nach Krombach hatte er die Idee gehabt, wie er Hildchen ein ansehnliches Pferd basteln könnte. Eines aus Stroh mit einer angedeuteten Mähne und mit Augen aus blank poliertem Holz.
Als er Waldstatt erreichte, übergab er sich erneut. Nur noch qualmende Ruinen waren vom großen Dorf geblieben. Am Platz vor dem einzigen steinernen Haus lagen mehrere Leichen. Blutlachen hatten sich um sie gebildet und waren in einem kleinen Bach in Richtung des Brunnens geflossen. Hildchens blonde Haare schwammen aufgefächert in einem See aus Blut. Ihr dünnes Nachthemd war zerrissen. Ihr Geschlecht blutig. Die blau verfärbte Zunge hing ihr aus dem Mund. Am Hals die Abdrücke der Hände des Mörders. Die Augen standen weit aufgerissen. Die Todesqualen für immer festgehalten. Attarin flossen Tränenströme über die Wangen und vermischten sich mit Hildchens Blut. Schluchzend drückte er ihre Augen zu und hob sie hoch. Er streichelte ihre Wangen und stammelte: „Nein, das kann nicht sein. Nein, nicht so.“
Im Dorf fand er keinen Überlebenden. Fürst Ottokar lag von Pfeilen durchbohrt am Eingang seines Hauses. Zwei Pfeile steckten mitten im Gesicht. Gefühllos nahm Attarin wahr, dass Blut an seinem Schwert klebte. Der Fürst hatte wohl als Einziger versucht zu kämpfen. All die anderen Toten waren nicht gerüstet. Einige hatten im Nachtgewand mit Schild dem tödlichen Pfeilhagel entgegengestanden, andere waren beim Versuch davonzulaufen, von hinten erschossen worden. Attarin bemerkte erst jetzt den Geruch von verbranntem Fleisch. Viele hatten es nicht einmal aus den Häusern geschafft.
Wie taub ging er zum Friedhof und grub mit bloßen Händen ein Grab für Hildchen. Dann machte er sich auf zum heiligen Hain.
„Warum?“, schrie er Wotan den Weltenherrscher an. „Wofür bestrafst du uns?“
Die großen Eichen antworteten ihm mit Schweigen, als trauerten sie selbst.
„Warum hast du uns nicht gewarnt? Warum gab es keine Zeichen? Wir hätten gekämpft.“ Attarin drehte sich im Kreis, sah von einer Eiche zur anderen.
„Sprich zu mir! Ich bin der Letzte.
Wotan?
Wotan!“
Er legte alle Kraft in seine Stimme:
„Wotan, ich rufe dich.
Antworte mir!“
Attarin zog seinen Dolch und drohte den Bäumen.
„Antworte mir. Warum hast du das nicht verhindert?“
Den heiligen Hain zu verletzen war ein Frevel, der die sofortige Strafe des Allwissenden nach sich zog.
„Warum soll ich leben und sie tot sein?“
Er suchte nach einem Zeichen.
„Tut doch irgendetwas, oder habt ihr keine Macht mehr?“
Noch einmal schrie er gequält auf. Dann rammte er den Dolch in die Eiche. Er zitterte, erwartete einen Blitz, doch es blieb still um ihn. Er hieb wieder und wieder in die bemooste Rinde und verunstaltete auch den nächsten Baum. Als er sie alle aufgeritzt hatte, verrichtete er in der Mitte seine Notdurft.
Mit erstickter Stimme sprach er.
„Ihr seid ohne Macht. Ihr seid keine Götter mehr. Gewöhnliche Sterbliche seid ihr geworden. Und ich werde eure Namen niemals wieder aussprechen.“
Als er weinend aus dem Hain ging, schwor er noch zwei weitere Dinge.
Erstens wollte er sich nie wieder betrinken und zweitens würde er so viele Hunnen töten, wie er konnte.


Noch ein Jahr

Das Lagertor stand offen. Die jungen Rekruten warteten in langen Reihen vor den Einschreibern. Überall marschierten schwer gepanzerte Trupps und immer wieder wurden Befehle gebrüllt, doch das sonst so geordnete Lager, mit den schnurgeraden Straßen und den streng rechteckigen Baracken war an diesem Tag in ein heilloses Chaos verwandelt. Aufgeregte Zivilisten strömten in vier Reihen zu den Einschreibern. Dazwischen versuchten Soldaten hektisch die aufgenommenen Rekruten zu ihren Baracken zu führen. Daneben trafen Reiter mit staubüberzogenen Mänteln ein und mehrere schwere Ochsenkarren warteten vor dem Tor, durch das es wegen der vielen Wartenden kein Durchkommen gab.
Die meisten Soldaten trugen einen blauen Schild mit silbernen Streifen. Das waren die Rispenses, die Verteidiger von Colonia.
Immer wieder sah er dazwischen Lanzenreiter mit einem schwarzen Drachen auf gelbem Grund. Er kannte diese Truppen nicht. Sie ritten auf schweren Pferden und machten auf Attarin den Eindruck, um vieles gefährlicher zu sein als die Colonier Rispenses.
„Das sind Palatini“, raunte ihm sein Hintermann zu, ein schwarzhaariger Colonier, dessen Latein sich durch einen weichen Akzent auszeichnete.
„Sie unterstehen Aetius. Dem Heermeister des Imperators.“
„Werben die auch Rekruten an?“
Der Colonier lachte. „Nein. Unsereins nehmen die nicht. Die nehmen höchstens erfahrene Soldaten. Oder deren Söhne. Unsereins kann froh sein, wenn wir in Colonia Dienst schieben dürfen. Scheint mir auch angenehmer zu sein. Besser gut genährt hinter einer hohen Mauer, als im Pfeilhagel gegen die Hunnen.“
Ganz vorne, am Tisch des Schreibers erklang lautes Geschrei. Die Rekrutierung war viel schneller vorbei als üblich. Attarin brachte vor Schreck kein Wort heraus. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass sie ihn nicht aufnähmen. Immerhin war er einer der Größten. Vor ihm dachten einige Germanen ähnlich und es kam zu einer chaotischen Rauferei. Befehle wurden gebrüllt und noch mehr Soldaten eilten herbei. Die ovalen Schilde hochgehoben und den Speer eingelegt marschierten sie im Gleichschritt los. Schnell wurden die Raufbolde zurückgedrängt. Attarin versuchte stehen zu bleiben, doch die Masse der Flüchtenden riss ihn mit sich vor das Lagertor.
Wütend biss er die Zähne zusammen und wartete. Einige andere Germanen taten es ihm gleich, doch so sehr sie auch riefen, das Tor wurde geschlossen und die Wächter beschimpften sie nur. Attarin tat, als ginge er zurück in die Stadt. Außer Sichtweite der Torwächter machte er einen weiten Bogen, um ans Tor auf der gegenüberliegenden Seite zu kommen. Er lächelte, als er sah, dass niemand sonst auf die Idee gekommen war.
„Ich will zu einem Centurio“, erklärte er den beiden Wachen am Eingang.
Einer war ein Germane, mit blonden Zöpfen, die unter seinem Helm hervorstanden. Ein Friese, vermutete Attarin.
„Die Musterung ist vorbei. Komm nächstes Jahr wieder. Bist nicht der Einzige, der glaubt, schlauer zu sein, als die anderen.“
„Ich mach dir einen Vorschlag“, sprach er den Friesen an. „Wir ringen. Wenn ich dich besiege, darf ich hinein.“
Die beiden lachten höhnisch.
„Ich mach dir einen besseren Vorschlag. Ich steche dich mit dem Schwert nieder und dann darfst du tot sein.“ Der Friese fand seinen Witz so komisch, dass er sich vor Lachen bog.
Attarin starrte sie finster an. Dann wartete er eben, bis sie abgelöst würden.
“Was glotzt du so blöd? Scher dich fort.“ Der kleinere der beiden rempelte ihn an. Attarin trat einen Schritt zurück, zog den Soldaten mit sich und warf ihn zu Boden. Der fasste nach seinem Schwert, doch bevor er es schwingen konnte, schlug ihm Attarin zweimal ins Gesicht. Dann musste er sich zurück ziehen, denn der Friese war herangekommen und hieb mit dem Schwert nach ihm.
Die Drei umkreisten sich, Attarin wich langsam zurück, doch der Kleine wollte unbedingt die Faustschläge rächen. Er stürmte vor. Attarin wich zur Seite aus und ließ ihn erneut stolpern. Der Friese schlug nach seinem Kopf, doch Attarin duckte sich im letzten Moment und drosch mit einem Fuß gegen dessen Unterleib. Leider fing der Panzer den größten Teil der Wucht ab. Attarin rannte los. Die schwer gerüsteten Soldaten konnten ihn ohnehin nicht einholen.
Als er nach einigen Metern aufblickte, kam ein einzelner Reiter mit angelegtem Speer auf ihn zu. Auf seinem Schild prangte der schwarze Drache. Attarin rannte sofort von der gepflasterten Straße. Leider war der Wald noch einige hundert Schritte entfernt. Attarin beschleunigte. Er raste über ein abgeerntetes Weizenfeld. Das Getrampel des Pferdes hinter ihm war deutlich zu hören. Anstatt ihn von hinten anzugreifen, ritt der Reiter an ihm vorbei und stoppte direkt vor ihm.
„Bleib stehen. Warum rennst du davon?“ Die schwere Spitze des Speeres zeigte auf Attarin
Attarin blieb stehen. Er konnte nicht mehr an ihm vorbei.
„Seid ihr ein Palatini?“, fragte er keuchend.
„Ein Scholae Palatinae“, korrigierte ihn der Reiter hochmütig. Unter einem weiten roten Mantel konnte Attarin Teile eines schweren Plattenpanzers erkennen. Der Reiter beugte sich vor. Sein Gesicht war breit und kantig.
„Warum bist du vor den Soldaten davongerannt?“
„Verzeihung. Ich wollte um die Aufnahme in die Armee des Imperators bitten. Mein größter Wunsch ist es, gegen seine Feinde, die Hunnen, zu kämpfen, und so viele zu töten wie nur möglich. Doch die Wachen machten sich einen Spaß daraus, mich zu verhöhnen. Als sie mich dann noch angriffen, verteidigte ich mich nur.“
„Die Rispenses der Colonia? Ich werde dir etwas erklären, damit du deine Torheit begreifst: Dass ist die Armee des Präfekten von Germania inferior. Sie werden niemals ausziehen, um in einem Krieg gegen die Hunnen zu kämpfen. Viel eher halten sie Diebe und Räuber davon ab, Unruhe in der Colonia zu stiften. Ganz abgesehen davon, dass es die Hunnen niemals wagen werden, das Weströmische Reich anzugreifen. Wenn du trotzdem zur Armee unseres glorreichen Imperators Valentinian des Dritten willst, musst du nach Lugdunum.“
„Lugdunum? Verzeihung. Ich kenne die Stadt nicht.“ Der Reiter ließ sein Ross zu Attarin vorschreiten. Attarin musste den Kopf heben, um in sein Gesicht zu sehen.
„Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir den Weg dorthin beschreiben würdet. Meine Familie wurde von den Hunnen ermordet. Und ich verspreche, dem Imperator bis in den Tod zu dienen.“
Der Reiter sah ihn lange an. Attarin erwiderte fest seinen Blick.
„Du sollst eine Chance bekommen. Aetius stellt in der siebten Legion einige zusätzliche Kohorten mit Bogenschützen auf. Sagittarii. Sie werden mit skythischen Kompositbögen ausgestattet. Die einzigen Bögen, die besser sind, als die der Hunnen. Komme morgen zu Mittag hierher. Ich werde dir eine Reisegelegenheit verschaffen.“
„Ihr seid sehr gut zu mir. Wie lautet euer Name?“
„Ich bin Rinold. Mein Vater war Vandale, doch ich bin ein Untertan des Imperators.“
Der Reiter trieb sein Pferd wieder an.
„Ich stehe in eurer Schuld, Rinold. Wenn es etwas gibt, das ich für euch tun kann, dann sagt es“, schrie ihm Attarin nach.
Rinold zügelte sein Pferd und starrte Attarin an.
„In Lugdunum steht eine Kirche Jesu Christi des Erlösers. Geh dort hin und bete für deine Familie.“

Noch zwei Tage

Attarin hörte das Geschrei des Centurios schon von weitem. Die Sonne stand tief im Westen und Attarin konnte seine Füße kaum noch heben.
Aurelian verstummte, als Attarin sich ans Ende der Reihe stellte. Alle starrten auf ihn. Attarin schwitzte fürchterlich in seinem Kettenhemd und dem Eisenhelm, den er sich noch vor dem Lagereingang auf den Kopf gestülpt hatte. Der Riemen hing offen herunter. Noch nie hatte er sich eines derartigen Vergehens schuldig gemacht.
Ängstlich sah er den breit gebauten Centurio an. Aurelian atmete hörbar ein und aus.
Er schloss kurz die Augen, dann begann er mit leiser Stimme.
„Immerhin bist du nicht desertiert. Dass kann man dir zugute halten.“ Er stellte sich direkt vor Attarin, der seinen Atem zu beruhigen versuchte. Sorgfältig musterte er ihn, zupfte schließlich einige Grasbüschel aus dem Kettenhemd und ließ ihn durch ein Zeichen mit der Hand einmal um die eigene Achse drehen. Attarin überlegte, zu welchem Spaß das jetzt der Auftakt sein sollte. Die anderen Bogenschützen der zweiten Centurie der zweiten Kohorte Scorpio sahen schweigend zu. Attarin bemerkte, dass einige fehlten.
„Ich werde dir erzählen, was geschehen ist, während du weg warst. Du musst mir nicht erzählen, was du in der Zwischenzeit gemacht hast. Ich weiß genug“, begann der Centurio und wurde dabei allmählich lauter.
„Attila hat Civitas und Caesaromagus zerstört. Nun steht er vor Aurelanium. Wir werden ihm entgegeneilen, und möge Gott die Stadt so lange durchhalten lassen, so werden wir sie befreien und die Hunnen und ihre kriecherischen Verbündeten zurück in den Tartarus jagen.“ Aurelian lächelte, was bei ihm allerdings nichts Gutes hieß.
„Du bist während dieser Zeit mit einem Mädchen in der Wiese gelegen und hast es ihr ordentlich gegeben. Deswegen stehst du jetzt auch nur mehr schlapp da.“ Einige der anderen Soldaten grinsten, wurden jedoch schnell wieder ernst.
Attarin richtete sich auf.
„Es tut mir wirklich leid, Centurio. Es wird nicht wieder vorkommen.“
Aurelian ließ nicht erkennen, ob er seine Antwort gehört hatte. Stattdessen fragte er:
„Wie war ihr Name?“
„Julia.“
„Ein römischer Name. Woher kommt sie?“
„Aus Colonia. Sie ist eine der Flüchtlinge, welche die Stadt vor den Hunnen verlassen haben.“
„Das war klug von ihr. Stammte sie aus einer angesehenen Familie?“
„Ihr Vater war Baumeister. Er und ihre beiden Brüder sind in der Stadt geblieben, um sie zu verteidigen.“
„Sie werden nicht mehr leben. Armes Mädchen. Ist sie hübsch?“
„Ja.“
„Liebst du sie?“
Attarin schluckte, wusste nicht, was er sagen sollte.
„Ich nehme an, ja. Du riskierst wegen ihr ausgepeitscht zu werden.“
„Ich habe sie gesehen und war wie verzaubert. Ich vergaß alles um mich.“
Aurelian grinste.
„Das ist gut. Dann wirst du sie ja hoffentlich beschützen wollen.“
Attarin nickte, ohne zu verstehen, was diese Befragung sollte.
Aurelian wandte sich wieder zu den anderen und schickte gleichzeitig Attarin zurück in die Reihe.
„Haltung!“
Alle Soldaten nahmen Haltung an.
„Wenn wir die Hunnen nicht aufhalten, werden sie Julia und eure Freundinnen zuerst vergewaltigen und dann langsam den Bauch aufschlitzen. Vielleicht nehmen sie eure Frauen auch mit und vergnügen sich mit ihnen in ihren dreckigen Zelten. Eure Mädchen werden schreien und um Gnade flehen. Julia wird versuchen sich umzubringen, bevor sie das auch nur ein einziges weiteres Mal aushält, doch es wird ihr nicht gelingen. Sie wird langsam innerlich verbluten. Armes Mädchen.“
Aurelian erschien blitzschnell vor Attarin.
„Denk daran, wenn die Hunnen auf dich zureiten. Nur du stehst zwischen ihnen und Julia.“
Er ging zwei Schritte zurück und sah seinen Männern nacheinander in die Augen:
„Weicht nicht zurück. Seht ihnen ins Auge, zielt sorgfältig. Eure Bögen sind besser als die ihren.“ Er sah seine Soldaten einige Zeit lang an. Dann brüllte er:
„Bereitmachen zum Abmarsch. Wir werden diese Nacht durchmarschieren und den ganzen morgigen Tag. Der Heermeister des Imperators, Aetius wird Attila vernichten. Und ihr werdet dabei sein. Ein dreifaches Hoch auf Imperator Valentinian den Dritten und Aetius seinen Heermeister.“
Attarin stürmte zu Baldus, dem dicklichen Anführer ihres Kontuberniums. Sie umarmten sich überschwänglich.
„Törichter Brukterer. Du hast sie gekriegt. Und ich dachte schon, du wärst getürmt.“
Attarin hielt seiner kräftigen Umarmung stand. Dann versuchte er seinerseits den beleibten Baldus zu erdrücken.
„Ja, sie wird auf mich warten. Gott sei Dank habe ich ihr gesagt, dass wir jederzeit abrücken könnten. Wenn wir wieder zurück sind, wird sie meine Frau. Ihre Familie ist reich. Wenn Colonia wieder aufgebaut wird, werde ich dorthin gehen. Stell dir das vor! Ich, ein Bürger von Colonia.“
„Nur mal langsam. Musst ja nicht die erste Frau nehmen, die für dich die Beine breit macht.“
„Sie ist nicht die Erste. Sie ist die Beste.“ Attarin stopfte hastig seine Sachen in den Marschrucksack.
Aurelian brüllte:
„Schneller Männer! Den Letzten peitsch ich eigenhändig aus!“
Wütend zeigte er auf Marcus. „Aus deinem Kontubernium fehlen zwei Leute. Dafür stehst du in der ersten Reihe.“
Dann stapfte er auf Attarin zu.
„Und du wirst neben ihm stehen. Du wolltest ja immer gegen die Hunnen kämpfen.
Und du Baldus: Geh zu den Flüchtlingen. Finde ein paar Jungen, am besten Waisenknaben, oder welche, die Verwandte verloren haben. Wir brauchen Pfeilsammler. Mindestens ein Dutzend. Es könnte mehr Hunnen geben, als wir Pfeile haben.“
Baldus sah Attarin ernst an.
„Viel Glück“, sagte Attarin, umarmte ihn und flüsterte: „Suche Julia und sage ihr, dass ich losziehe. Sie soll hier auf mich warten. Ich komme zurück.“
Baldus nickte und eilte mit zwei weiteren Sagittarii in Richtung des Flüchtlingstrecks.


Noch ein Tag

Graue Wolkenfetzen zogen schnell über sie hinweg und immer wieder begann es zu nieseln. Das Signum der Kohorte, ein schwarzer Skorpion auf rotem Tuch mit einer römischen Zwei daneben, hing traurig herab. Die Reiter waren alle längst vorausgeritten.
Die Menge der Soldaten war unüberschaubar. Wie ein riesiger, stacheliger Wurm schoben sie sich auf Aurelianium zu.
Am Wegesrand lagen die ersten Toten. Allesamt nackt und ausgeplündert. Waren es Bürger aus der Stadt gewesen oder römische Soldaten? Attarin konnte sie nicht unterscheiden. Nur ganz selten sah er einen hunnischen Kopf.
Ein Reiter mit dem purpurnen Signum des Imperators preschte heran. Er mahnte alle schneller zu marschieren. Die Nachhut der Hunnen war in der Nähe der Stadt gestellt und in Kämpfe verwickelt worden. Aetius wollte die Lage ausnutzen und so viele wie möglich töten, bevor sie sich geordnet zurückzogen. Der Reiter gab seinem Pferd die Sporen und ritt wieder vorwärts. Aus dem Nieseln wurde ein stetiges Tröpfeln.
„Lasst die Bögen nicht nass werden“, herrschte Aurelian die Sagittarii an.
Attarin hatte seinen Bogen sorgfältig in wasserdichtes Leder eingebunden, doch einige der anderen Soldaten hielten dies für Zeitverschwendung. Jeder musste vortreten und Aurelian seinen verpackten Bogen zeigen.
„Du kannst deine Pfeile selber werfen, wenn er nass wird. Ihr holt die Bögen erst raus, wenn ich es sage. Ist das klar?“
Vor den rauchenden Trümmern der zerstörten Stadt blieb die ganze Legion stehen.
Während die Soldaten gierig ihre Rationen verschlangen, eilte Aurelian zum Legaten der siebten Legion, um weitere Befehle zu empfangen.
Baldus nickte neben ihm ein, doch Attarin war nicht müde.
Gemeinsam mit Septimus, einem drahtigen, dunkelhaarigen Mann, ging er zur zerstörten Stadtmauer. Eine schwarze Rußschicht bedeckte Gras und Steine. Mehrere schwere Belagerungstürme waren von den Angreifern zurückgelassen worden.
Zwei Alanen traten aus dem Schatten des Nächsten zu ihnen. Ihre Pferde lahmten und sie sahen müde aus.
„Feroxan“, stellte sich der Ältere vor. Er deutete auf seinen Kameraden: „Saroban.“ Ihre Gesichter waren schmal und ihre Körper klein, doch muskulös. Das dunkelblonde Haar trugen sie zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden.
„Die Hunnen bringen den Tod. Wie schön war diese Stadt. Noch vor zwei Jahren haben wir mit ihren Bewohnern süßen Wein getrunken. Nun ist alles vernichtet.“
„Roms Armee wird Attilas Armeen zertreten.“ Septimus deutete auf seine Kameraden.
„Unsere Bögen sind besser als die der Hunnen.“
„Macht nicht den gleichen Fehler wie wir Alanen“, sagte Feroxan.
„Zur Zeit unserer Großväter beherrschten wir die weiten Ebenen im Osten. Wir dachten, niemand könne uns besiegen. Doch die Hunnen strömten heran wie ein tosender Gebirgsbach nach dem Gewitter. Sie töteten unsere Könige, nahmen viele Sklaven und vertrieben den Rest. Seit Generationen sind wir auf der Flucht, genauso wie unsere ehemaligen Nachbarn, die Goten.
Sangiban ist unser neuer König, doch wir sind verstreut wie die Federn im Wind. Nur noch wenige Tausende Krieger folgen ihm. Und das Schrecklichste ist: Attila raubte nicht nur Gold und Vorräte. Er raubte viele von uns Alanen. Wie auch die Goten, sind wir gezwungen gegen unsere Brüder zu kämpfen.“
„Seid unbesorgt“, sagte Septimus selbstsicher. „Aetius ist ein fähiger Feldherr. Er wird Attila vernichten. Niemand fordert ungestraft das römische Imperium heraus.“
Feroxan schüttelte entschieden den Kopf.
„Das römische Imperium ist kraftlos. Attila erhält jedes Jahr Tribut von eurem Imperator. Und Aetius benötigte die Hilfe hunnischer Truppen, um das Reich der Burgunder zu vernichten.“
Darauf wusste keiner etwas zu erwidern.
„Habt ihr gegen Hunnen gekämpft?“, fragte Attarin nach einigen Augenblicken unangenehmen Schweigens.
„Sie sind schnell wie der Wind. Reiten heran, schießen dir einen Pfeil zwischen die Augen und weg sind sie. Schießt eure Pfeile ab, bevor sie auf dreißig Schritte heran sind. Sonst durchschlagen ihre Pfeile eure Kettenhemden. Die Hunnen tragen keine Panzer. Das ist ihre einzige Schwäche. Aber zielt gut. Sie sind zäh und hören erst auf zu kämpfen, wenn sie tot sind.“
Attarin betrachtete sein arg zerschlissenes Kettenhemd. Im Brust- und Bauchbereich waren einige Einschusslöcher nur sehr notdürftig geflickt worden.
„Es ist zu kurz“, stellte Septimus fest. Die Alanen nickten.
„Sieh: “Septimus hob seinen Mantel hoch, sodass Attarin sehen konnte, das dessen Kettenhemd bis zu den Oberschenkeln reichte.“
„Schrott!“ Septimus spuckte aus. „Du musst dir während der Schlacht ein besseres besorgen. Nachher hat der Centurio seine Hand drauf.“
Eine Tuba blies zum Aufbruch. Hastig verabschiedeten sie sich von den Alanen, welche ihnen traurig nachsahen.
Auf Attarins großen Zehen hatten sich Blasen gebildet. Er biss die Zähne zusammen und marschierte weiter. Als die Dämmerung hereinbrach, wurden Fackeln angezündet, auf denen immer wieder Wassertropfen aufzischten. Die Fackelträger hatten alle Mühe die Flammen im Nieselregen vor dem Verlöschen zu bewahren. In ihrem Licht erkannte Attarin weitere Tote am Wegesrand. Fast allesamt Goten und Gepiden, zu unterscheiden nur durch ihre Haartracht. Die Gepiden ungekämmt und die Goten mit kunstvoll geflochtenen Zöpfen. Eugenius und Volusian, die Pfeiljungen ihres Kontuberniums wurden immer stiller. Attarin starrte auf einen zerschlagenen Schädel, aus dem die Hirnmasse ausgelaufen war wie Haferbrei. Ab und zu stöhnte am Wegesrand jemand auf, doch niemand schenkte den Sterbenden Beachtung.
„Ich hab was gehört, du auch?“, rief Volusian. Der dunkelhaarige Junge rannte im Gegensatz zu Eugenius immer wieder zu den Toten und hatte mittlerweile schon zwei Messer und zwei Pfeile erbeutet.
Attarin lauschte angestrengt, doch durch seinen Metallhelm vermochte er nichts zu hören. Im Osten machte sich jetzt die Morgendämmerung bemerkbar. Der Nieselregen hatte wieder aufgehört. Von den Bäumen fielen dicke Wassertropfen auf die Marschkolonne. Die ersten Karren, beladen mit Verwundeten und Toten, zogen ihnen entgegen und brachten die Marschordnung durcheinander. Die Karren wurden von alten, humpelnden Männern gezogen, die sie ausdruckslos anstarrten, wohl nur mit dem Gedanken beschäftigt, wie viel Arbeit ihnen durch diese Soldaten zusätzlich auferlegt würde.

Sie sahen direkt in die aufgehende Sonne, als sie an den Rand der Katalaunischen Felder gelangten. Der Großteil des römischen Heeres hatte in der Nacht bereits das Lager aufgeschlagen. Links vor einer Reihe großer Zelte, befand sich die römische Infanterie. Hinter ihnen zeugte ein Pferch mit vielen stattlichen Pferden von einer großen Anzahl Palatini. In der Mitte der Front, direkt vor ihnen, lagerten die Alanen unter Sangiban und rechts die große Streitmacht der Westgoten unter Theoderich. Ein leichter Wind bewegte Theoderichs blaues Banner mit dem goldenen Löwen. Attarin bemerkte auf der anderen Seite über dem größten Zelt das Banner von Valentinian dem Dritten.
Septimus zeigte auf die purpurrote Fahne mit dem Bildnis des Imperators. Auf halber Höhe daneben wirkten die Fahnen der einzelnen Legionen demütig.
„Dort sitzt Aetius. Der Heermeister regiert in Wirklichkeit das Reich. Vor vierzehn Jahren hat er sich noch mit Attila gegen die Burgunder verbündet. Theoderich weiß, dass es ihm in einigen Jahren wieder ganz anders ergehen kann. Er traut Aetius nicht über den Weg. Und Aetius weiß, das Theoderich lieber Rom angreifen und plündern würde, als hier die Hunnen abzuwehren. Er hofft noch immer, dass die Ostgoten zu ihm überlaufen, und gerade weil sie lieber unter Attila dienen als unter ihm, hasst er sie und will sie vernichten.“
Ein Kundschafter mit dem römischen Adler auf seinem Signum kam heran geritten und forderte Aurelian auf mitzukommen.
Aurelian übergab hastig seinem Fähnrich Valerian das Kommando. Der ging an den Rand der Zeltstadt, rammte das Feldzeichen in den Boden und ließ die zweite Centurie rasten. Attarin blickte sich um. Zu seiner Rechten, Richtung Süden, wurden die Katalaunischen Felder durch lichte Wälder begrenzt, die sich auf einige sanfte Hügel hinaufzogen. Gegen Norden, dort wo die römischen Truppen standen, fiel das Gelände ab. Am Ende lag ein Fluss, vor dem sich jedoch ein einziger breiter Hügel erhob, auf dessen Gipfel ein Banner stand, dessen Muster er nicht erkennen konnte. Vor ihnen war Gras und Getreide von den zurückziehenden Hunnen und ihren Verbündeten niedergetrampelt worden. Am anderen Ende der Felder, kaum zu erkennen auf einem sanften Hügel, stand Attilas Wagenburg. Einige der erfahrenen Soldaten setzten sich hin und manche begannen sogar zu schlafen, während die jüngeren wie Attarin aufgeregt nach allen Seiten sahen und sich die Feldzeichen der Verbündeten einzuprägen versuchten. Außer den Westgoten gab es noch eine stattliche Zahl von Alanen, Franken und Burgunder im römischen Heer.

451 – Tag der Entscheidung

Attarin schreckte hoch. Die Strapazen des Nachtmarschs hatte sich schnell bemerkbar gemacht, und er war trotz der bevorstehenden Schlacht eingeschlafen. Ringsum tönten Hörner und Reiter jagten die Frontlinie entlang. Viele Soldaten waren, so wie Attarin, in ihren Rüstungen eingeschlafen und schreckten hoch. Die Sonne hatte den Zenit schon überschritten und wurde jetzt wieder durch dunkle Wolken verdeckt, die von Westen her bedrohlich schnell heranzogen. Der Lagerplatz in einer Senke hatte den Wind abgehalten, doch jetzt, da Aurelian sie auf die kleine Kuppe führte, konnte Attarin seine auffrischende Kraft spüren. Er kam von Westen, blies also gegen die Hunnen. Attarin und viele seiner Kameraden bekreuzigten sich, als die Hunnen und ihre Verbündeten heranstürmten. Es schienen unendlich viele zu sein, die wie eine Flutwelle rasend schnell über die Hügel kamen. Der Pfeiljunge neben Attarin zog sich beim ersten Anblick zurück. Attarin lächelte, als er erkannte, dass die Attacke direkt auf sie geritten wurde. Er strich sanft über seinen Bogen und sah zu Aurelian. Ohne Befehl durfte nicht geschossen werden.
„Zweite Centurie: Vorrücken!“, brüllte Aurelian. Die Fußsoldaten, mit ihren langen Speeren und den großen ovalen Schilden bildeten Gassen, durch die Attarin und seine Kameraden durchschlüpften. Alle Speere zeigten jetzt auf die anstürmenden Hunnen. Die ganze Ebene schien schwarz vor ihnen zu sein.
“Auf mein Kommando schießt ihr drei Pfeile ab und dann zurück hinter die Reihen. Schießt schnell und zieht euch gleichzeitig zurück. Wer von euch den ersten Hunnen zur Hölle schickt, bekommt einen Solidus.“
Attarin war froh, dass Aurelians Brüllen mühelos alles Andere übertönte.
Er trat fünf Schritte vor die Schlachtreihe, legte einen Pfeil ein und sah auf die Schlachtlinie der Angreifer. Genauso wie die Römer und ihre westgotischen Verbündeten, bestand auch die Front der Angreifer aus zwei großen Blöcken.
Während die Hunnen auf deren linker Seite ritten, übernahmen die Ostgoten unter ihrem Anführer Alamir die rechte Flanke. Ihre vorderste Linie bestand aus schwer gepanzerten Reitern. Attarin hatte diese Panzerreiter auch schon aufseiten der Römer gesehen und kannte die Wucht dieses Angriffes.
Die Sagittarii spannten die Bögen. Attarin wurde mit einmal ruhig. Er dachte an seine Familie und an seinen Racheschwur. Während die Römer den Angriff stumm erwarteten, ritten die ebenfalls gut gepanzerten Westgoten den Ostgoten entgegen. Die Alanen in der Mitte folgten ihnen zögernd.
Attarin sah auf die Welle der Hunnen vor sich. Kleidung und Gesicht war schwarz. Manche ritten freihändig, den Bogen mit eingelegtem Pfeil auf sie gerichtet. Die Füße in Steigbügeln, die seitlich an den Sätteln angebracht waren. Neben sich sah er einige Kameraden zittern, sodass sie ihre Bögen kaum spannen konnten.
„Salve!“, brüllte Aurelian. Attarin sah seinem Pfeil nicht nach, legte den nächsten ein, verringerte den Winkel etwas, sah wieder dem Pfeil nicht nach, legte den dritten Pfeil ein und jetzt zielte er. Die Hunnen schossen zurück, doch im Umdrehen sah Attarin mit Genugtuung, dass sein dritter Pfeil einen von ihnen vom Pferd geholt hatte. Er sprang zurück hinter die Reihe der Fußkämpfer, welche mit ihren Schilden sofort einen Wall bildeten, auf den jetzt die Pfeile der Hunnen niederprasselten.
„Schneller, schießt, was ihr könnt“, brüllte Aurelian. „Und bevor sie euch überrennen, schießt auf die Pferde.“ Hinter ihnen schossen jetzt die Sagittarii der ersten Kohorte ebenfalls Salve um Salve auf die Angreifer. Die Luft war erfüllt vom Sirren der vielen Pfeile. Die ersten Pfeile der Hunnen schlugen zwischen den Sagittarii ein. Direkt neben Attarin fiel Marcus mit einem Pfeil im Hals zu Boden und wälzte sich röchelnd hin und her. Der Pfeil hatte seine Kehle durchschlagen und ragte aus seinem Nacken wieder heraus.
„Macht die Pilli bereit!“, schrie neben Aurelian Valens der Centurio der Fußtruppen.
Da Attarin direkt hinter den fünf Reihen Fußtruppen stand, konnte er sehr gut zielen. Die Hunnen brüllten, doch in ihr Kampfgeschrei mischte sich Wut und Schmerz, denn die Pfeilsalven der Sagittarii streckten ihre gesamte erste Reihe nieder. Attarin zielte sorgfältig und während er den nächsten Pfeil einlegte, konnte er erkennen, dass er den zweiten Hunnen direkt vom Pferd geschossen hatte.
„Werft die Pilli!“
Die leichten Speere durchbohrten Pferde und Hunnen gleichermaßen. Mehrere Pferde stürzten, andere dahinter mussten ausweichen und dort, wo ein schneller Reiter direkt durchzubrechen drohte, wurden er und sein Pferd von mehreren Pfeilen durchbohrt.
„Schießt, so schnell ihr könnt!“
Ein Hunne, in dessen Bein bereits ein Pfeil steckte, versuchte durch die Reihen zu brechen. Attarin schoss ihn im letzten Moment vom Pferd. Das Pferd brach durch die Linie der Fußkämpfer. Das arme Tier hatte einen Pfeil in der Flanke und Schaum floss aus seinem Maul. Die Fußsoldaten sprangen rasch beiseite und schlossen hinter ihm diszipliniert die Reihe.
Die Hunnen, die auf Grund der vielen gestürzten Pferde vor ihnen nicht weiter reiten konnten, schossen jetzt mehrere Pfeilsalven auf die Römer. Neben Attarin fielen weitere Sagittarii getroffen zu Boden. Attarin schoss einen weiteren Reiter vom Pferd, der versuchte über ein sich wiehernd am Boden wälzendes Pferd zu setzen. Schon war der Angriff der Hunnen völlig zusammengebrochen und die zurückflutende erste Welle wurde von der nächsten Angriffswelle abgelöst, als rechts von Attarin ein derartiges Geheul ausbrach, dass der junge Brukterer nicht anders konnte als zur Mitte des Schlachtfeldes zu blicken. Dort flohen die Alanen und hinter ihnen waren Hunderte Hunnen durch die römische Front gebrochen.
„Verdammte Feiglinge“, fluchte Baldus hinter ihm und sandte einen weiteren Pfeil in Richtung der Hunnen.
„Schützt die Flanken,“ rief ein Reiter mit dem purpurnen Signum und deutete Aurelian, ihm zu folgen.
„Zweite Kohorte: im Laufschritt! Alles mir nach!“ Aurelian rannte, wie Attarin ihn noch nie gesehen hatte. Die Knie hoch erhoben, immer wieder ins Rutschen kommend, hätte es zu einer anderen Gelegenheit komisch ausgesehen, doch selbst Valerian mit dem Signum der Kohorte konnte kaum Schritt halten.
Claudius und Constantin, die beiden anderen Centurionen folgten ihm nur zögernd mit ihren Truppen, denn eigentlich war der Tribun Albinus ihr Befehlshaber. Der war nirgends zu sehen. Als der Reiter mit dem purpurnen Signum noch einmal ins Signalhorn stieß, folgten sie nach. Die zweite Welle der Hunnen ließ einen Pfeilhagel auf die Linie der Römer nieder. Weitere Sagittarii wurden getroffen und blieben liegen. Aurelian ließ seine Leute brüllend weiter zurückgehen, während der Bote sein Pferd wendete und wieder zurück zu Aetius ritt. Ein Trupp fränkischer Kavallerie überholte sie und jagte ebenfalls zur Lücke, wo die Hunnen die Verfolgung der Alanen abgebrochen hatten und sich zum Angriff auf die Flanken der Westgoten sammelten.
Im hastigen Laufen konnte Attarin kurz die Schlachtordnung überblicken. Während hinter ihm die Römer und ihre Verbündeten den Angriff der Hunnen zum Stehen gebracht hatten, waren die Westgoten mit Theoderich praktisch umzingelt. Die Hunnen drängten von der Seite auf sie und von vorne waren die Linien durch die ostgotische Kavallerie eingedrückt. Attarin drehte sich noch einmal um. Das unbekannte Banner am Hügel stand bereits ein Stück weiter vorne. Offensichtlich wollte der dortige Befehlshaber durch einen Entlastungsangriff die Hunnen dazu zwingen, ihre Reiter von den Westgoten abzuziehen. Sollte es den Hunnen gelingen, die Westgoten einzukreisen, so war die Schlacht wohl verloren. Fünf schwer gepanzerte Franken jagten an ihnen vorbei und hielten auf einige Hunnen zu, die nach dem Durchbruch umgedreht hatten und den Tross des Heeres bedrohten. Zwei der Pferde wurden durch Pfeilsalven der Hunnen niedergestreckt. Ihre Reiter blieben nach dem Sturz regungslos liegen. Die anderen drei, deren Pferde besser gepanzert schienen, holten sie mit Lassos von den Pferden und schleiften sie hinter sich her. Die Hunnen schienen mit ihren Pferden verschmolzen. Die fränkischen Reiter wirkten dagegen fast tollpatschig. Attarin bemerkte genau, wie die Steigbügel den Hunnen bei ihren Manövern halfen. Er hob den Bogen, um einen von ihnen vom Pferd zu schießen, doch ließ es dann sein. Er besaß noch fünf Pfeile und die Chance, den Hunnen auf 250 Schritt Entfernung zu treffen, war viel zu gering.
Auf der römischen Seite der durchbrochenen Front war ein Haufen Hunnen mit den Fußsoldaten in einen erbarmungslosen Nahkampf verstrickt. Dort konnten die Bogenschützen nur wenig bewirken. Doch hinter ihnen strömten weitere Reiter durch die Lücke.
„Ihr müsst sie stoppen. Vorrücken und dabei feuern!“
Die Sagittarii hatten keine Zeit, sich in Formation aufzustellen, doch ihre Lage war sehr günstig. Die Hunnen hatten nur Augen für die Westgoten, die langsam zurückwichen. Die erste Salve der Sagittarii forderte einen hohen Zoll unter den völlig überraschten Hunnen. Ein hunnischer Anführer mit roten Bändern im Haar löste sich vom Gemetzel mit den Fußsoldaten und rief einige Reiter zu sich. Attarin ging noch zehn Schritte vor. Mittlerweile hatte er nur noch zwei Pfeile. Der erste Pfeil verfehlte den Anführer und bohrte sich weiter hinten in die aufgewühlte Erde. Der Anführer ließ sein Pferd hochsteigen und wollte es zum Angriff antreiben, als ihn Attarins Pfeil in die Brust traf. Das Pferd sprang vorwärts und galoppierte ohne seinen Reiter davon in Richtung Aurelianium. Attarin hastete zurück, während ihm weitere Salven der ankommenden zweiten und dritten Centurie das Leben retteten.
Ein Trupp von etwa hundert Hunnen löste sich von der Flanke der Westgoten und stürmte auf die Bogenschützen zu, die ungeschützt auf dem Feld standen.
Volusian brachte Attarin eine volle Pfeiltasche und nahm seine leere mit.
„Attarin muss immer Pfeile haben. Er kriegt sie als Erster“, brüllte Aurelian dem vorbeihastenden Jungen nach.
Die Hunnen schossen ihre Pfeile ab, während sie rasend schnell näher galoppierten. Der Boden war noch matschig und Schlammbrocken spritzten hinter den Pferden auf. Ihre erste Salve war schlecht gezielt und nur wenige Pfeile trafen. Dafür konnte Attarin drei Reiter aus dem Sattel schießen. Er war in Trance, stand in der ersten Reihe und jeder Pfeil traf. Trotz der dauernden Salven brachen einige Reiter durch. Unglaublich schnell wechselten sie vom Bogen zum Schwert und hieben im Vorbeireiten einige Sagittarii nieder. Attarin sah eine weitere Gruppe Hunnen von den Westgoten loslassen und in seine Richtung reitend. Bevor sie jedoch heran waren, brachen aus den Wäldern im Westen Hunderte schwer gepanzerte Reiter. Die Alanen waren auf das Schlachtfeld zurückgekehrt und machten die völlig überraschten Hunnen im Nahkampf nieder. Vom Zentrum der Front kam auch noch ein Trupp Palatini herangeritten. Ihr Anführer hielt die Fahne des Imperators. Sie ritten gegen die durchgebrochenen Hunnen an, die sich jetzt von allen Seiten bedroht sahen. Die schnellsten unter ihnen nahmen rechtzeitig Reißaus, nicht jedoch ohne sich im Davonreiten noch einmal umzudrehen und einige Pfeile auf ihre Verfolger abzuschießen.
Attarin schoss einen der letzten flüchtenden Hunnen vom Sattel.
„Bei Apollo. Ist der alte Gott wieder auferstanden und in dich gefahren?“, sagte Aurelian in normaler Lautstärke neben Attarin.
Im Zentrum der wankenden Front der Westgoten sah Attarin das Banner des Theoderichs vorwärts wandern. Theoderich selbst musste in den Kampf eingegriffen haben. Wo eben noch die Westgoten zur Flucht gewendet hatten, konnte Theoderich die Ostgoten nicht nur aufhalten, sondern sogar weiter zurücktreiben. Die ganze Front rückte Schritt für Schritt vor. Auch die Alanen versuchten wieder an ihren Platz in der Mitte der Front zu kommen. Für einen Augenblick sah es so aus, als würden die Hunnen wieder zurückgedrängt, doch dann bekamen sie Verstärkung von weiteren schwer gepanzerten Ostgoten, welche den Ansturm der Alanen aufhielten. Jetzt ging ein Aufschrei durch die Reihen der Westgoten. Das Zeichen Theoderichs fiel. Attarin blieb das Herz stehen.
„Mein Gott“, sagte Baldus neben ihm nur. Das Zeichen Theoderichs war nach einiger Zeit wieder zu sehen. Dreckverschmutzt und halb zerrissen. Die Westgoten wichen immer schneller zurück.
Das Brüllen der Westgoten wurde allmählich lauter. Veränderte sich von einem Durcheinander aus Wehklagen zu einem immer geordneteren Chor von wütenden Rufen. Jetzt kam der Rückzug der Westgoten zum Stillstand und Attarin verstand ihre Sprechchöre:
„The-o-derich! The-o-derich! The-o-derich.“
Der Himmel hatte sich völlig verdunkelt und es begann zu nieseln. Die Erde war ohnehin schon feucht gewesen und viele Hufe hatten das Feld in ein unwegsames Gelände verwandelt. Attarins Kohorte wechselte wieder zurück auf ihre alte Position. Oder zumindest in deren Nähe. Attarin bemerkte, dass sie beinahe vor Aetius Banner standen. Den Feldherren selbst vermochte er nicht zu sehen, aber dafür mehrere Fähnriche mit hoch erhobenen Signi.
Immer wieder brachen einzelne Hunnen durch und schossen blitzschnell ihre Pfeile in die Reihen der Sagittarii. Attarin wurde von einem Pfeil in der Seite erwischt, doch er drang kaum durch das Kettenhemd. Attarin verschwendete einige wertvolle Sekunden, im vergeblichen Versuch ihn herauszuziehen, und brach ihn dann ab. Neben ihm steckte ein Pfeil im Boden. Er zog ihn heraus und sandte ihn dem Reiter hinterher. Eugenius, der zweite Pfeiljunge, wurde in den Bauch getroffen. Zuerst brüllend und dann leise wimmernd lag er zwischen den Sagittarii, von denen jetzt kaum noch die Hälfte unverletzt war. Volusian lief zu seinem Freund und sprach leise mit ihm. Aurelian stapfte zu dem kreidenbleichen Eugenius, riss ihm den Pfeil heraus und drückte ihn Volusian in die Hand. Dann deutete er auf Attarin. Volusian starrte ihn entsetzt an.
„Bist du ein Mann oder ein Waschweib. Er soll den Pfeil zu seinem Absender zurückschicken. Wenn du hier flennst, wird er auch nicht wieder gesund.“
Volusian rannte mit einem halb vollen Köcher zu Attarin und tauschte ihn gegen den schon wieder leeren aus.
Attarin legte den blutigen Pfeil als Erster ein.
„Er wird Hunnenblut schmecken. Das verspreche ich dir.“
Attarin konnte im Kampfgetümmel kein Ziel finden. Er sah zu den Westgoten und bemerkte eine seltsame Szene. Ein einzelner Reiter brach durch die Reihen der Hunnen. Obwohl er und sein Pferd mehrmals getroffen wurden, hielt er nicht an, sondern preschte einfach durch die Feinde, als seien sie überhaupt nicht da. Ein Fähnrich mit dem Adler der römischen Armee sah dies und kam ihm mit einem Trupp Reiter entgegen. Die wenigen verfolgenden Hunnen drehten ab und widmeten sich wieder den eingekesselten Westgoten. Nicht weit hinter Attarin trafen sich die Reiter. Attarin konnte nicht anders, als sich umzudrehen und den Schwerverletzten anzustarren. Ein Wurfspeer hatte ihn durchbohrt und ragte aus seinem Rücken heraus. Weiters steckten dort deutlich erkennbar drei Pfeile. Der Reiter trug einen Metallhelm, aber keine Rüstung. Er war kräftig, doch seinem Gesicht sah man noch die Jugend an. Das Pferd blutete aus einer lang gezogenen Wunde an der Seite und ein weiterer Pfeil steckte in seiner Kruppe. Der edle Fuchs tänzelte hin und her. Schaum tropfte aus seinem Maul.
„Theoderich ist tot. Sagt König Thorismund, er möge zu Ende führen, was sein Vater begann“, verstand Attarin. Die nachfolgenden Sätze konnte Attarin nicht mehr verstehen. Der Fähnrich beugte sich vor, wohl um den Reiter zu stützen, doch dieser schüttelte den Kopf und streckte fordernd die Hand aus. Verwunderung machte sich im Gesicht des römischen Fähnrichs breit. Dann gab er dem schwer Verletzten zögernd einen leichten Speer, der an der Seite seines Pferdes hing. Der Reiter drehte um, gab seinem Pferd die Sporen und ritt wieder gegen die Hunnen. Erst kurz vor der Schlachtreihe wurde ein einzelner Hunne auf ihn aufmerksam. Er spannte seinen Bogen und schoss den Angreifer mit einem einzigen, wohlgezielten Schuss aus dem Sattel.
Die zweite Kohorte musste wieder ihre Position verlassen, denn die Hunnen hatten sich zurückgezogen und das römische Heer versuchte ihnen geordnet nachzustellen. Attarin marschierte vorbei an einem nicht enden wollenden Strom von Verwundeten, von denen sich manche auf allen vieren vom Feld schleppten.
Ein Reiter mit dem Signum von Aetius galoppierte ihnen entgegen und schrie:
„Wir brauchen mehr Bogenschützen! Wo bleibt ihr denn?“
Die Gruppe um den römischen Fähnrich hatte sich verstärkt mit einem Trupp römischer Palatini zum Hügel hinauf begeben, von wo jetzt ebenfalls das The-o-derich, The-o-derich-Geschrei erklang.
Als Attarin das nächste Mal zum Hügel sah, waren Thorismunds Männer bis über seinen Fuß hinaus vorgedrungen und hatten die Hunnen weit zurückgeworfen.
Aus dem Nieseln wurde ein dichter Regenschauer, und es war zunehmend schwerer, Freund und Feind auseinander zu halten. Immer wieder schossen Hunnen über ihre Kämpfer der ersten Linie hinweg auf die Reihen der Römer und nahmen dabei auch in Kauf, ihre eigenen Leute zu treffen. Die römische Linie war hier zwar weit vorgedrungen, doch an einigen Stellen gefährlich dünn geworden. Attarin stapfte über die blutigen Kadaver der Hunnen und Pferde der ersten Angriffswelle. Volusian war nicht mehr zu ihm gekommen. Immer wieder bückte er sich und zog Pfeile aus den toten Körpern, die er wohl selbst zuvor abgeschossen hatte.
Wieder preschte eine Schar Hunnen in vollem Galopp heran und fegte die letzten Verteidiger beiseite. Ihr Anführer, erkennbar an den vielen roten Bändern in seinen Zöpfen, erschoss aus nächster Nähe einen der letzten dort stehenden Infanteristen. Dann traf ihn Attarins Pfeil in den Hals. Er spannte noch einmal den Bogen und sandte einen Pfeil zu Attarin, doch dieser erwiderte mit einem weiteren Schuss in die Brust. Ein gurgelnder Schrei kam aus dem blutigen Mund, dann wurde der Hunne von den nachrückenden Angreifern überrollt. Schon waren sie durch die Linien der Fußkämpfer. Ihr zweiter Anführer trug einen langen Speer, mit dem er einen Bogenschützen niederstach. Nun legte er auf Attarin an. Attarin stand zwischen zwei toten Pferden und den Leichen ihrer Reiter. Der Boden war rutschig von Blut und Matsch. Er alleine blockierte den endgültigen Weg des Hunnen durch die römische Front. Attarin schoss einen Pfeil auf seinen Körper ab, doch dieser blieb im Schild stecken. Attarin blieb entweder die Flucht zur Seite, oder ein einziger Schuss aus nächster Nähe. Er sah dem Reiter direkt in die Augen, die Pfeilspitze zielte genau auf seine Stirn. Der Hunne hatte sein Gesicht nur geschwärzt und unzählige Schweißrinnsale brachten die gelbe Haut unter der schwarzen Farbe zum Vorschein. Der Hunne starrte mit sich vor Ärger verengenden Augen zurück. Attarin schoss im letzten Moment. Dann warf er sich zur Seite, aus der Reichweite des Speeres, doch er hatte den rutschigen Boden und sein schweres Kettenhemd unterschätzt. Ehe er sich wegdrehen konnte, erwischte ihn der schwere Speer und zerriss das Kettenhemd an seinem Bauch. Attarin hatte seine Drehung bereits begonnen, sodass ihn der Speer nicht durchbohrte, sondern seinem Bauch aufriss und neben ihm zu Boden fiel. Der Hunne hatte ihn ausgelassen und war nach hinten gekippt. Attarins Pfeil steckte mitten in seinem Gesicht. Die Füße hatten sich in den Steigbügeln verfangen, sodass er nicht vom Pferd fallen konnte. Erst am Waldrand blieb das Tier stehen und der Reiter glitt tot zu Boden.
Attarin bekam kaum Luft. Sein Bauch brannte wie Feuer. Er hielt sich krampfhaft an seinem Bogen fest, versuchte sich aufzusetzen, doch als er seine Wunde sah, ließ er davon ab. Vor ihm waren die nachfolgenden Hunnen nicht mehr weiter vorgedrungen. Ihre Pferde strauchelten angesichts der vielen toten Menschen und Pferde unter ihren Hufen und dann kamen von links und rechts Palatini sowie einige fränkische Fußkämpfer mit Langschwertern. Sagittarii, die sich schon zur Flucht gewandt hatten, drehten sich wieder um. Die Hunnen, deren Pferde jetzt still standen, boten ein ideales Ziel und wurden einer nach dem anderen getötet.
Attarin rollte sich auf die Seite und bedeckte mit seinen Händen die Wunde. Was sich zuerst wie ein Kratzer angefühlt hatte, war eine klaffende Wunde mit zerfetzten und durchtrennten Gedärmen. Alle Kraft hatte in verlassen. Mit einer Hand die Wunde zuhaltend, kroch er weg. Langsam aber beharrlich steigerten sich die Schmerzen. Ein einzelner schwarzer Pfeil fuhr hinter ihm in die Erde, dann wurde der Kampfeslärm leiser. Die Hunnen zogen sich zurück. Attarin drehte sich um. Baldus rannte auf ihn zu. Sein Köcher war leer, und Blut rann aus einer Wunde am Unterschenkel. Er versuchte Attarin aufzuhelfen.
„Nein“, sagte er nur, als er die Wunde sah.
„Kämpfe weiter. Bitte“, flüsterte Attarin und versuchte vergeblich, seine Wunde zu verbergen.
Baldus schüttelte stur den Kopf. Dann hob er Attarin unter den Achseln hoch und schleifte ihn langsam zurück. Attarin stöhnte vor Schmerz auf, doch Baldus lies sich davon nicht abhalten.
„Halt durch.“
Er winkte den beiden Capsari neben einem Karren mit Verwundeten zu. Einer schob den Karren gemeinsam mit einem blutüberströmten Infanteristen weiter zum Lazarettzelt, während der andere flink auf sie zurannte. Der Capsarius sah auf die Wunde und schüttelten traurig den Kopf.
„Du kannst nur mehr beten. Diese Wunde vermag kein Arzt zu kurieren.“
Baldus wurde wütend, doch Attarin hielt ihn zurück.
„Bring mich noch ein Stück zurück und dann kämpfe weiter. Zahl es ihnen heim.“

Baldus hatte ihn bis zu den Bäumen geschleift und war dann wieder zurückgerannt. Der Regen ließ etwas nach, doch Attarin war, als wäre seine Kleidung mit Eiszapfen durchtränkt. Sein Bogen und ein einzelner Pfeil lagen neben ihm. Er konnte von seiner Position aus sehen, wie die Front der Angreifer zusammenbrach. Die Ostgoten auf der rechten Seite flohen in kleinen Gruppen, während Thorismund auf der linken Seite die Angreifer völlig aufgerieben hatte und die Hunnen in eine gefährliche Zangenbewegung nahm. In der anbrechenden Dämmerung wandte sich Attilas ganzes Heer in wilder Flucht von den Feldern. Attarin sah nur wenige Verfolger, die meisten blieben einfach erschöpft stehen, wo sie waren.
„Verfolgt sie doch, ihr Narren“, fluchte er leise, als Aurelian plötzlich neben ihm stand.
„Attarin, Freund, wie viele hast du heute wohl getötet?“
„Ich glaube, es waren mehr als ich zählen kann“, gestand der junge Brukterer. Er fühlte sich so müde.
„Mir ist kalt“, flüsterte er.
„Ich bin stolz auf dich.“ Attarin bemerkte eine Wunde am rechten Oberarm, die nur mit einem blutdurchtränkten Tuch verbunden war.
Aurelian ließ ihm eine Decke bringen und hielt Attarins Hand.
„Attila ist geflohen. Weißt du, was das bedeutet? Noch nie ist er besiegt worden. Morgen werden wir ihm den Rest geben.“
„Warum habt ihr ihn nicht verfolgt?“
„Der Tag war lang und unsere Verluste wiegen schwer. Theoderich ist gefallen und viele Andere. In der Nacht hätten wir kaum Freund von Feind unterscheiden können. Ich denke, Aetius wird morgen die Truppen neu aufstellen und geordnet vorrücken.“

Baldus kam später in der Nacht zu ihm.
Er brachte Wasser und eine weitere Decke.
„Wie fühlst du dich?“ Baldus setzte sich neben ihn und hielt seine Hand.
„Es tut kaum mehr weh, aber ich bin so müde und mir ist so kalt.“ Attarin war froh über die Hand des Freundes.
„Morgen erledigst du den Rest. Versprichst du es mir?“
„Hast ja kaum noch Hunnen übrig gelassen.“
Baldus versuchte ein Lachen, doch dann strömten Tränen über seine braungebrannten Wangen.
„Sei nicht traurig“, flüsterte Attarin. „Ich habe meine Familie gerächt. Für jeden von ihnen sind drei Hunnen gestorben und dann habe ich aufgehört zu zählen.“
Erschöpft schliefen sie ein.
Am nächsten Morgen fieberte Attarin. Seine Wunde blutete nicht mehr, und auch der Schmerz war nicht mehr so scharf. Trotzdem war er zu schwach, um zu essen oder zu trinken.
Am Himmel zogen graue Wolkenwalzen entlang, doch ab und zu blinzelte die Sonne durch. Attarin machte die Augen auf und sah die vielen Verwundeten, die neben ihm gepflegt wurden und davor Soldaten, die tote Hunnen und Ostgoten plünderten. Ein Westgote und ein Römer stritten sich laut um einen hunnischen Sattel mit Steigbügeln.
„Warum greifen wir nicht weiter an?“, flüsterte er zu Aurelian, der die kampffähigen Überreste der zweiten Kohorte um sie gesammelt hatte.
„Thorismund und Aetius beraten noch“, sagte er düster und ließ sich dann auf keine weitere Diskussion ein.
„Haben wir etwa nicht gewonnen?“, flüsterte Attarin.
Baldus schüttelte den Kopf. „Wir haben gewonnen. Sie sind geflohen. Attila sitzt eingeschlossen in seinem Lager und will sich lieber selbst verbrennen, als uns in die Hände zu fallen. Aetius kann sich Zeit lassen, bis er sie zerquetscht.“
Attarin nickte erschöpft und schlief ein. Er begann immer weiter zu fiebern und träumte unruhig.
„Mein liebes Hildchen“, stammelte er. „Es tut mir so schrecklich leid. Ich verspreche dir, ich werde nie wieder etwas trinken gehen und dich alleine lassen.“
„Sie heißt doch Julia“, entrüstete sich Baldus.
Attarin antwortete ihm im Fieber. „Nein, Hildchen ist meine Schwester. Ihr müsst die Hunnen verjagen. Sie kann doch nicht vor ihnen davonlaufen.“
Baldus schwieg. Aetius hatte den Rückzug befohlen. Attila war geschlagen, hatte er verkündet. Thorismund musste zurück nach Tolosa, um den Königstitel gegen seinen Bruder durchzusetzen. Von Attila drohte keine Gefahr mehr. Gedemütigt, würden sich seine Verbündeten von ihm abwenden und die Nachfolger schon ihre Messer wetzen.
Baldus konnte sich vorstellen, wie einige der Legaten wütend gewesen sein mussten, so eine Chance ungenutzt vorübergehen zu lassen, doch Aetius war stets mehr Politiker gewesen als Feldherr. Er dachte immer weiter voraus. Vermutlich hoffte er auf lange dauernde Thronfolgestreitigkeiten bei den Hunnen. Oder war das Bündnis aus der Zeit der Burgunderkriege noch immer intakt? Ließ Aetius Attila deswegen am Leben? Baldus biss wütend die Zähne zusammen. So wie alle anderen auch hätte er Attila liebend gerne tot gesehen.

Attarin träumte viel. Er war wieder zu Hause im Langhaus und Hildchen spielte draußen. Dann kam Julia durch die knarrende Holztüre. Sie schrie auf, als sie ihn sah. Warum war sie so traurig? Ihr süßer Mund berührte seine Lippen. Dann schluchzte sie laut auf. Attarin war verwirrt. Alles war gut. Warum weinte sie nur?
„Dein Mann war sehr tapfer. Er hat zwei von Attilas Scharführern getötet“, sagte Aurelians Stimme irgendwo weit weg.
„Er war ein Held.“
Im Traum war Julias Mund so real und ihre Lippen so weich wie an jenem Nachmittag. Ihre Tränen benetzten seine Wangen. Attarin wollte sie abwischen, doch seine Arme waren so angenehm schwer.
„Er erkennt dich. Bleib bei deinem Mann und bete für ihn.“
„Meinen Mann“, hörte er Julia sagen. „Es muss dein Mann sein“; Aurelian betonte das Mann. „Damit steht dir eine Veteranenpension zu.“
Attarin verstand nichts, doch Julias Hand lag in seiner und das war wunderbar. Zufrieden schlief er ein. Es war schon merklich wärmer geworden.
Als er wieder aufwachte, tat die Wunde kaum mehr weh. Die Sonne schien jetzt und wärmte ihn. Außer ihm war niemand mehr da. Die Toten und Verwundeten hatte man weggebracht und selbst das zertrampelte Gras hatte sich wieder aufgerichtet. Ein Geräusch zog seinen Blick nach rechts. Dort kam jemand auf einem weißen Pony zwischen den Stämmen hervor. Eine kleine Person mit langen, goldenen Haaren. Sie wendete ihr Pony und ritt im Galopp auf ihn zu.
Ihre Stimme überschlug sich vor Freude.
„Attarin! Du wirst nicht glauben, was ich hier habe!“ Er traute seinen Augen nicht.
„Hildchen!“ Sie ritt tatsächlich auf einem Pony.
“Sieh her, wie ich reite.“ Sie machte Manöver, wie die wilden Hunnenkrieger und ihre Stimme überschlug sich jauchzend als sie schließlich absprang.
“Wo hast du denn das gelernt.“ Attarin stand vorsichtig auf, doch seine Wunde schmerzte überhaupt nicht mehr. Er umarmte und küsste Hildchen.
„Du hast mir so gefehlt.“
Sie auf dem Pferdchen und er, dicht bei ihr, mit einer Hand auf der Kruppe, verließen sie die katalaunischen Felder.

 
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Hallo Bernhard,

habe gerade Dein „451“ gesehen und nach einem ersten flüchtigen Lesen fällt auf, dass Du einige sachliche Fehler begehst, die jedem historischen „Schinken“ widerfahren können, -

immerhin misst Dein Text nahezu 20 Seiten Manuskript DIN A 4 -

wenn man mit dem heutigen Wissen Verhältnisse und Ereignisse vom Übergang der Spätantike zum frühen Mittelalter darstellen will.

„Krombach“ (gemeint ist sicherlich der im siegerländischen Platt „Krommich“ genannte Ort) wird erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt und die Brukterer waren zu dieser Zeit – im fünften Jhdt. - schon „Franken“. Die Stammesverbände waren zwischen 375 (die Hunnen zerstören Ermanarichs ostgotisches Reich/Beginn der germ. Völkerwanderung) und 576 (die Langobarden besetzen Italien/Ende der Völkerwanderung) oft gemischte Heer-/Volkshaufen aus diversen Stämmen unter einem Heerkönig, der solange vor dem Volk „her zog“, als er erfolgreich war. Einige Stämme/Völker passten sich den Hunnen an, wurden Verbündete und die Hunnen passten sich ihren Verbündeten an. So trugen Hunnen gotische Namen (wie „Attila“ = „Väterchen“) und Goten hunnische. Die Burgunder über nahmen den „Turmschädel“ als Schönheitsideal etc. Von Völkermord ist mir nichts bekannt. Die Ostgoten waren auch eher Verbündete der Hunnen, obwohl sie es waren, die mit anderen Stämmen zusammen nach 451 den führungslosen Hunnen den Rest gaben. Die entscheidende Schlacht 451 ging unentschieden aus und es kämpften Westgoten auf römischer, Ostgoten auf hunnischer Seite. 14 Jahre zuvor hatten übrigens hunnische Hilfstruppen unter dem Heermeister Aëtius die Burgunder unter Gundahar (der Gunther der Nibelungensage, der Gunnar der Edda) vernichtend geschlagen.

Der Text ist anstrengend zu lesen und im ersten Drittel fallen mir die folgenden
Flüchtigkeitsfehler (bei einem Text dieser Länge ist davor niemand gefeit) auf:

„Selbst als kurze Zeit später ein Trupp Reiter den Pfad entlang ritten, wachte er nicht mehr auf.“ Der Trupp Reiter „ritt“ oder Trupp streichen und die „Reiter“ ritten.

„In seinem Fall nach der schöne Gerhild, …“ und „ … doch zurücknehmen wollte er seinen Beschimpfung auch nicht.“ schöne + n, seinen ./. n

Der heilige „Hein“ wird wahrscheinlich „Hain“ geschrieben.

„ …, als im Pfeilhagel gegen die Hunnen.GÄNSEFÜSSCHEN

„Der Reiter trieb sein wieder Pferd an.“ Stellungsfehler!

„Ich werde, dir eine Reisegelegenheit verschaffen.GÄNSEFÜSSCHEN, KOMMA weg!

Mein Tipp: Überarbeiten!

Gruß

friedel

 

Hallo Friedrichard,
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Hab versucht, jetzt Mal die erste Hälfte zu verbessern.
Bezüglich der Brukterer habe ich mich schlau gemacht. Es gibt Berichte im Internet, dass einige von ihnen noch als Brukterer an der Schlacht teil genommen haben. Da es ja in der Völkerwanderung viele durchmischungen und wirrnisse gab, ist es doch leicht möglich, dass einige Brukterer sich noch nicht den Franken angeschlossen hatten.
Da Krombach ja völlig zerstört wurde, gibt es meiner Meinung prinzipiell kein Problem darann, dass die gleichnahmige Stadt eine etwas andere Geschichte hat. Könnte ja später wieder aufgebaut worden sein.
Da es ja nur wenig gesicherte Quellen aus dieser Zeit gibt, glaube ich, dass es so durchaus möglich gewesen sein könnte. Falls dem nicht so ist, korrigier mich bitte

Gruß
Bernhard

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich prognostiziere, dass "451" für die meisten zu weit weg ist und ein Zwiegespräch zwischen Bernhard und mir draus wird.

Grüß Dich Bernhard,

kann natürlich sein, dass Mitte des 5. Jhdts. noch vereinzelte Leute sich als „Brukterer“ („Boructuarii, Boruktuarier, Boruakter, Borchter") bezeichneten. Seit dem 3. Jhdt. gehörten sie dem Verband der Franken an und breiteten sich nun auch südlich von Köln aus, wahrscheinlich eroberten sie auch Köln - als ripuarische Franken. Und obwohl sie Rheinfranken („Ripuarier“) wurden „lebte ihr Name in ihrem alten Stammesgebiet zwischen Lippe und Ruhr in dem Gaunamen Borahtra fort. Dass er im 7. und 8. Jahrhundert noch lebendig war, geht auch daraus hervor, dass der Heilige Suitbert bei den Boructuarii im Bereich Recklinghausen/Dortmund missionierte.“ (Wikipedia)

Die Umsiedlung ins Bergische- und Sauerland erfolgte zu Zeiten Karls des Großen, im Siegerland saßen seit Alters her die Sugambrer und Chlodwig (d. i. im Deutschen „Ludwig“, eigentlich schon während der Karolinger, denn die jüngeren Söhne des großen Karls wurden nach Merowingern benannt, um so Kontinuität zur vorherigen Dynastie herzustellen), der alle fränkischen Stämme vereinte, notfalls mit Gewalt, wurde ja noch als „Sugambrer“ bezeichnet, obwohl die „Merowinger“ aus niederländischen Gebieten stammten.

Eine korrekte Aufarbeitung stell’ ich mir verdammt schwierig vor, denn auch das Volk, dass vordem im Siegerland lebte, nannte sich „Sugambrer“ und stand ursprünglich unter keltischem Einfluss, wenn es nicht sogar ein keltischer Stamm war, der "germanisiert" wurde.

Auch seh ich wenigstens einen Namen als riskant an: „Attarin“ - darin steckt das gotische „Atta“ für Vater (s. Bemerkung zu „Attila“ zuvor). Die westgermanischen unterschieden sich aber erheblich von den ostgermanischen Dialekten. Aber vielleicht brachten die Burgunger 407 das „Atta“ mit, als sie sich um Worms niederließen …

In jedem Fall hast Du Dich auf ein schwieriges Thema eingelassen, was schon allein zu bewundern ist.

Gruß

friedel

 

Hallo Friedrichhard,
Du kennst dich ja perfekt aus. Bist du Historiker?
Ich werde versuchen, zumindest die geografischen Fehler zu korigieren.
Bezüglich dem Namen Attarin: Danke für den Hinweis.
Wie gesagt: Was nicht definitiv falsch ist, möchte ich so lassen wie es ist. Ich habe schnell bemerkt, dass zumindest für mich die korrekte historische Aufarbeitung sehr schwierig ist und das war auch nicht mein Hauptziel. Ich wollte eine spannende Geschichte schreiben die zumindest möglich gewesen wäre

In jedem Fall hast Du Dich auf ein schwieriges Thema eingelassen, was schon allein zu bewundern ist.
Danke

PS: hätte eigentlich nicht geglaubt, dass jeamdn sich wirklich für die Namen ineressiert und dann wie bei Krombach nachforschungen anstellt - auf jeden Fall Dank dafür

Rosta,
Auch dir vielen DAnk für die Fehlersuche . Wie machst du das nur. Ich überlese die Dinger fünfmal und dir springen sie ins Auge.
Diese Endungsfehler werde ich gleich angehen, bezüglich den anderen Dingen, setzte ich mich wohl am Wochenende in Ruhe dazu.

Er trat fünf Schritte vor die Schlachtreihe, legte einen Pfeil ein und sah die Angreifer an.
Neben den Hunnen auf deren linker Seite ritten die Ostgoten unter ihrem Anführer Alamir. Ihre vorderste Linie bestand aus schwer gepanzerten Reitern. Attarin hatte diese Panzerreiter auch schon auf Seiten der Römer gesehen und fürchtete um die Wucht dieses Angriffes. Jetzt ritten auch die Westgoten los, unter ihnen ebenfalls viele gut gepanzerte Reiter.

dieses ‚um’ versteh ich nicht ganz: Fürchtet sich Attarin vor der Wucht dieses Angriffs der Panzerreiter oder fürchtet er, dass die Wucht des römischen Angriffs abgemindert wird durch diese Panzerreiter?

das wird sofort ausgebessert

Zur Klarheit: Gekämpft haben Römer + Westgoten + Allanen + Franken gegen Hunne, OStgoten und Gepiden, wobei zum Beispiel Franken auf beiden Seiten kämpften und auch andere Germanenstämme in kleiner Anzahl an den Kämpfen beteiligt waren.

lg
Bernhard

 

Und schon ist – Dank Rosta!, der guten Seele - meine Prognose und das Zwiegespräch dahin. So kann’s geh’n, dennoch

hallo Freunde der Spätantike und des Frühmittelalters!

Nee, lieber Bernhard, bin kein Historiker, interessier mich aber für Geschichte/Politik, Soziologie/Ethnologie, Kunst/Literatur und seit etwas über ’nem halben Jahr für KG.de. Irgend’ne Geschichte verrät auch, wer und was ich bin, ist aber wurscht, spielt auch keine Rolle - doch würd ich mich nicht um einen kleinen Zoo kümmern, hätt' ich gern schon Mal an Ausgrabungen teilgenommen..

Du wolltest „eine spannende Geschichte schreiben die zumindest möglich gewesen wäre“, was anderes kann man auch aus heutiger Sicht gar nicht, wenn schriftliche Aufzeichnungen fehlen, man sollte sich aber im Klaren sein, dass so etwas wie „Fantasy“ mit historischen und georgrafischen Daten entsteht aber – und das wird für Dich die wichtigere Aussage sein -

’s gelingt Dir ja auch, eine spannende Geschichte zu schreiben.

Ich will gern die Entwicklung der Geschichte „hilfreich“ begleiten.

So zum „Einstieg“, ohne langweilen zu wollen –

klingt vermessen, nachdem Du Dich auf die Geschichte „eingelassen“ hast, ist auch nur eine Anregung und sicherlich nicht alles auf einmal zu bewältigen –

einige nützliche, aber sicherlich unvollständige Literaturhinweise, ohne Dich „erschlagen“ zu wollen:

Bertau, Karl: Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter. Bd. I: 800 – 1197,

Das Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch, hgg. v. Helmut de Boor oder auch Das Nibelungenlied. Zweisprachige Ausgabe, hgg. und übertragen von Helmut de Boor, (Sammlung Dieterich Band 250),

Die Edda. Götter- und Heldenlieder der Germanen, aus dem Altnordischen übertragen, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Arthur Häny,

Isländische Vorzeitsagas. Bd. I, hgg. und aus dem Altisländischen übersetzt von Ulrike Strerath-Bolz, (Diederichs: Saga, Bibliothek der altnordischen Literatur. Helden, Ritter, Abenteuer),

Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied -

dann das Historische

König, Ingemar: Kleine römische Geschichte,

Mączyńska, Magdalena: Die Völkerwanderung. Geschichte einer ruhelosen Epoche im 4. und 5. Jahrhundert,

Schneider, Reinhard: Das Frankenreich, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 5),

Schulze, Hans K.: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Merowinger und Karolinger, (Siedler Deutsche Geschichte),

Todd, Malcolm: Die Germanen. Von den frühen Stammesverbänden zu den Erben des Weströmischen Reiches, aus dem Englischen von Nicole Strobel,

und hier vor allem

Wolfram, Herwig: Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts,

ders.: Die Germanen,

ders.: Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, (Siedler Deutsche Geschichte)

usw. usf.

Schau einfach mal in einer Stadtbibliothek in Deiner Nähe rein und greif Dir je ein Buch der oberen und eins der unteren Hälfte für’n Anfang.

Gruß

Vrîdel

 

Hallo Bernhard,

jetzt wirst Du auch noch durch mich und eine erste kleine Lieferung mit (wenigen) Anregungen erschlagen:

„Noch 3 Jahre“ Ziffern (bis „12“) besser ausschreiben. Also „Noch drei Jahre“ etc.

„Seine Kleidung war feucht vom Tau, und übelriechendes Erbrochenes klebte an seinem Fellwams.“ Komma weg

„ … ein wirklich tolles Pferd basteln …“ Das ist heutiger Sprachgebrauch („wirklich“ + „tolles“, fehlte nur noch „echt“). Warum soll nicht „ … ein Pferd basteln …“ reichen?

„Als er in Waldstatt angelangte, übergab er sich erneut.“ Besser statt „anlangen“ ankommen, also „Als er in Waldstatt ankam, …“, denn „anlangen“ kennt man hier nur in dem Sinne, dass einen etwas angeht, weil es ihn „anbelangt“, für ihn einige Bedeutung hat. Vielleicht wäre „Als er Waldstatt erreichte …“ sogar noch besser …

Eine letzte Bemerkung heut Abend und zwar zu den Bezeichnungen der Gottheiten:

„Odin“ ist die nordgermanische Bezeichnung für den Boss. Die Ostgermanen wie Goten („Gotland“), Gepiden, Rugier („Rügen“), Vandalen („[V]Andalusien“), Burgunder („Burgund“) nutzten auch diese Bezeichnung, sahen sie doch Skandinavien als das Land ihrer Herkunft an, waren also nach eigenem Verständnis eigentlich Nordgermanen.

Franken – also auch die Brukterer - wie auch [Alt]Sachsen, -

das, was heute sich Sachsen und S.-Anhalt nennt wurde zu der Zeit von Thüringern bewohnt und allein Niedersachsen hat was mit dem Stammesverbund zu tun, aber die hätten sich niemals als „niedere“ Sachsen angesehen -

Angeln, Friesen, Langobarden („Lombarden“/“Lombardei“) , Sueben („Schwaben“), Allemannen waren Westgermanen, die „Odin“ Wodan/Wotan (damals noch mit [’dʌblju:], da’s noch kein „w“ gab), nannten und „Thor“ Donar („Donner“). Mit dem Namen wurde einfach das Wesen dieses Chefs im Ring bezeichnet: „Wüten“.

Man, was rd ich wieder klug daher ...

Das soll’s dann für heute sein, wie schon gesagt, ’s wird mühselig werden. Aber auch einer möglichen Wirklichkeit näher kommen.

Gute Nacht

friedel

 

Ist mir auch schon geschehen!

Hallo Rosta,

"Ist ja interessant.
Zitat:
das, was heute sich Sachsen und S.-Anhalt nennt wurde zu der Zeit von Thüringern bewohnt
Daraus erklären sich also einige gemeinsame Eigenschaften der jetzigen „Eingeborenen“."

Die Thüringer (manche Historiker vermuten die Herkunft des Namens aus den bereits von Bernhard genannten Terwingen – d. s. Westgoten, die ja dem Hunnenansturm im 4. Jhdt. auswichen -, wofür das Auftauchen der Bezeichnung Ende des 4. Jahdts. spricht) siedelten im heutigen Mitteldeutschland und dehnten sich aus bis zu Main und Donau. Mit dem Tod Theoderich des Großen (der Dietrich von Bern der Sage) ging das Bündnis/der Schutz durch die Ostgoten verloren und spätestens 531 waren die thüringischen Siedlungsgebiete fränkisch besetzt.

Soweit diese kleine Abschweifung.

Hallo Bernhard,

eine zwote kleine Lieferung mit (weiteren) Abschweifungen:

„Aetius“ empfehl ich mit Akzent zu schreiben, dass jeder eine Vorstellung hat, wie er auszusprechen sei, also „Aëtius“.

Interessant ist im Zusammenhang mit Deiner Geschichte, dass Aëtius in jungen Jahren Geisel bei den Hunnen war. „Geisel“ bedeutete damals, dass Reiche/Völker/Stämme, die Verträge miteinander abgeschlossen hatten, zur Sicherheit, dass eben diese Verträge eingehalten wurden, jeweils hochrangige Mitglieder ihrer Gesellschaft an den Vertragspartner ausgeliefert haben. Diese Geiseln erlitten keine Nachteile und konnten sich auch weitestgehend „frei“ bewegen.

Aëtius hatte als Geisel mit Sicherheit den jungen Attila und dessen Bruder Bleda (der Blödl des Nibelungenliedes) kennen gelernt. Mit Mitgliedern der Vätergeneration muss ihn sogar Freundschaft verbunden haben, denn sonst wäre er 436 nicht an hunnische Hilfstruppen gekommen, um die expandierenden Burgunder zu stoppen.

Na, ob die Friesen im fünften Jhdt. redseliger waren als die heutigen? Aber Plaudertaschen gibt’s halt überall (siehe hierselbst).

Du erwähnst die Überlegenheit der neuen Bögen auf römischer Seite. Ein Hinweis darauf, dass militärische Überlegenheit oft ein technisches und nicht unbedingt ein mannschaftliches Problem ist. Die Hunnen konnten in den ersten Jahrzehnten alles überrennen, weil sie den Steigbügel und feste Sättel verwendeten, somit freihändig reiten und ihren Bogen zu Pferd bedienen konnten.

So viel oder wenig für heute,

schönen Abend noch

Friedel

 

Hallo Zusammen,
@ Rosta: Danke, das werd ich auch noch so umschreiben, dass man es ohne extra erklärungen versteht
@Friedrichard

s gelingt Dir ja auch, eine spannende Geschichte zu schreiben.

Ich will gern die Entwicklung der Geschichte „hilfreich“ begleiten.

Danke, das macht Mut. Du bist gerne Willkommen - Ist eine sehr gute Liste, die du da angegeben hast - werd ich mir mal eines besorgen

@ Basti: Vielen Dank für das Lob-spornt mich an, deine Kritik vollständig die Angriffspunkte zu entziehen. Mach mich dann Mal ans überarbeiten

lg
Bernhard

 

So soll's denn sein!

Hallo Bernhard,

eine dritte kleine Lieferung voller Abschweifungen:

„Alle starrte auf ihn.“ Entweder „Alles starrte auf ihn“ oder „Alle starrten auf ihn.“

Bei den Städtenamen solltest Du die alten (römischen) Bezeichnungen verwenden, z. T. lassen sich die alten Bezeichnungen in den westfränkischen, aber späteren Bezeichnungen wieder finden:

(Civitas) Remorum, das im späteren westfränkisch-romanischen Dialekt dann „Reims“ genannt wurde.
Caesaromagus, dass später „Beauvais“ wurde, Du schreibst es versehentlich wie den Flughafen „Beauvies“.
Aurelanium, nach dem Kaiser Aurelian benannt, mit dem die Westfranken Klangmalerei betrieben und ein „Orléans“ drausmachten.

Ich hoffe, Centurio Aurelian meinte seinen Ausspruch zu „Jupiter“ in dem geschilderten Zusammenhang ironisch, denn seit Konstantin standen die Römer unter christlicher Staatsreligion, was nicht ausschließt, dass in Zeiten des Übergangs „Römer“ nicht auch noch dem alten Glauben anhingen, aber ob diese dann als Offizier Karriere machten? Das schizophrene an der römischen Geschichte seit Nero ist, dass man gegenüber den anderen Religionen tolerant war, sogar fremde Götter in den eigenen Götterhimmel integrierte, mit Ausnahme dieser mosaischen Sekte, die seit Paulus anfing, sich zur eigenständigen Kirche zu entwickeln und dafür diesen Nazarener Jehoshua als Gründungsfigur usurpierte. Mit dem Christentum ging aber die Toleranz verloren, was zur folgenden Frage führt ...

Interessant wär in diesem Zusammenhang auch die Frage: war Attarin Arianer (wie die meisten anderen Germanen, sofern sie schon christlichen Glaubens waren, mit Ausnahme der Burgunder) oder Athanasier. Chlodwig ließ sich 496 mit dreitausend seiner Krieger taufen. Da war er mit Chlothilde, einer burgundischen Königstochter verheiratet ... Was ihn nicht daran hinderte, seinen lieben Cousin Sigibert von Köln umbringen zu lassen. Wolfram u. a. sehen in der letztgenannten Affaire ein mögliches Modell zum Tode Siegfrieds in den Nibelungensagen.

Aber das verwirrte wieder den Leser … oder könnte es zumindest.

Schönes Wochenende

friedel

 

Hallo Bernhard,

noch einige kleinere Anmerkungen:

„Der Pfeil hatte seine Kehle durchschlagen und sah aus seinem Nacken wieder heraus.“ Besser, der Pfeil „… ragte aus seinem Nacken …“

„Die anderen drei, deren Pferde besser gepanzert schienen, holten sie mit Lassos von den Pferden und schliffen sie hinter sich her.“ „… und schleiften sie ….“

„ … wechselten sie vom Bogen zum Säbel …“ Die Hunnen nutzten für den Nahkampf Langschwerter. Tatsächlich gewannen Säbel in Mitteleuropa erst sehr viel später an Bedeutung. Obwohl es den Säbel als Kriegswaffe (die Sportwaffe hat sehr wenig damit gemein) schon nahezu ewig gab, setzte er sich erst mit dem 30jährigen Krieg durch, was mir Anlass gibt zu

eine vierte kleine Lieferung voller Abschweifungen:

Die Passage „Dort sitzt Aetius. Der Heermeister regiert in Wirklichkeit das Reich. Vor vierzehn Jahren hat er sich noch mit Attila gegen die Burgunder verbündet. Theoderich weiß, dass es ihm in einigen Jahren wieder ganz anders ergehen kann. Er traut Aetius nicht über den Weg. Und Aetius weiß, das Theoderich lieber Rom angreifen und plündern würde, als hier die Hunnen abzuwehren. Er hofft noch immer, dass die Ostgoten zu ihm überlaufen, und gerade weil sie lieber unter Attila dienen als unter ihm, hasst er sie und will sie vernichten“, trifft die Verhältnisse realistisch.

Eine Auflistung der beteiligten Völkerschaften zeigt aber einen anderen Aspekt, wobei ich gleich die (geschätzten) Zahlen der Mannschaftsstärken nennen will, denn man könnte sonst auf „sagenhafte“ Zahlen der Mannschaftsstärken kommen.

Die Ostgoten zählten zu der Zeit geschätzte 100.000 Leute wie auch die Westgoten, von denen 1/5 unter Waffen stand. Die Franken zählten, als sie vierzig Jahre später unter Chlodwig Gallien eroberten, vielleicht 200.000 Leute, waren aber 451 noch in eine Vielzahl von Klein(st)königtümer zersplittert, von denen die linksrheinischen „Salier“ –

vermutlich unter Childerich, dem Vater Chlodwigs –

u. a. auf römischer Seite, die rechtsrheinischen ripuarischen Franken – darunter dann die Brukterer - auf hunnischer Seite kämpften, was nicht ausschließt, dass der eine oder andere Stammesangehörige sich für eine andere Seite entschieden haben könnte.

Die Burgunder von Worms waren 436 f. nahezu völlig aufgerieben worden. Nach Schätzungen waren 20.000 burgundische Krieger gefallen –

diese Geschichte wird im dritten Satz des Zitates und weiter unten angedeutet. Im Nibelungenlied, dem ersten Antikriegsroman – sofern man ein Epos einem Roman gleichsetzen darf - deutscher Sprache überhaupt, wird der Nibelungen – d. s. die Burgunder –Not beklagt und dort wird mit nahezu realistischen Zahlen (tausend Ritter und neuntausend Knappen zogen nach Etzelburg. Rechnet man einen etwa gleichgroßen Tross hinzu, sind’s zwanzigtausend Mann(en). Nur ging’s damals nicht nach Südosten und Ungarn, sondern tatsächlich nach Nordwesten und dem heutigen Belgien und die südlichen Niederlande, der Heimat der Salier.) –

Die geschlagenen Burgunder wurden an den Genfer See umgesiedelt, um als Föderaten gegen die Allemannen zu dienen etc. Diese „Genfer“ Burgunder kämpften auf Aëtius’, verbliebene Rhein-Main-Burgunder auf Attilas Seite.

Die Westgoten unter Theoderich stellten auf Seiten der „Föderierten“ die Hälfte der Mannschaften und das größte Kontingent an Kriegern. Das werden nicht mehr als die o. g. 20.000 Mann gewesen sein. Das gilt auch für die Gegenseite, dass die Ostgoten unter Valimir –

einem Onkel väterlicherseits des großen Theoderichs, der zeitlebens darunter litt, dass wahrscheinlich ein gotischer Speer seinen königlichen Namensvetter getötet hat –

auch das größte Kontingent stellten.

Hinzu kommen Verbände von wenigen hundert bis wenigen tausend Kriegern von romanisierten Galliern und Römern, die halt in dieser Gegend wohnten, und Alanen, dass Aëtius maximal, wenn überhaupt vierzigtausend Leute befehligte.

Auf der anderen Seite kämpften auch Verbände von wenigen hundert bis wenigen tausend Kriegern der Heruler, Skiren (von denen Odoaker abstammte, der den letzten römischen Kaiser Augustulus „Wurstulus“ umbringen ließ, um in Ravenna seine eigene Herrschaft über Italien aufzubauen, um dann ca. 491 oder 493 eigenhändig von dem großen Theoderich erschlagen zu werden, - die Zeiten waren eben rau und nicht nur die Vandalen hausten wie die Wandalen), Langobarden und Gepiden.

Es ergab sich eine geringe zahlenmäßige Überlegenheit der „hunnischen“ Krieger gegenüber dem römischen Heer und „höchstens“ einhunderttausend Krieger standen sich gegenüber, nicht fünfhunderttausend wie Jordanes, der die einzige schriftliche Quelle überliefert hat, behauptet.

Wer die Liste der Stämme auf beiden Seiten liest, ahnt, dass es sich um einen überwiegend „innergermanischen“ kriegerischen Akt handelte, sozusagen um einen „Bruderkrieg“ (Franken vs. Franken, Burgunder: Burgunder, aber vor allem Goten:Goten) in denen sich germanische Stämme von „Fremden“ – hie Römer, dort Hunnen – vorgeben ließen, was zu tun oder zu lassen sei. Hernach – nach dem Tod des charismatischen Führungspersonals, hie Attila, dort Aëtius – vertrieb man erst in eigener Regie die Hunnen (gemeinsame Aktion der Gepiden und Ostgoten) und den letzten römischen Statthalter Galliens (durch die salischen Franken). Und dann wurden die langen Messer gegeneinander gerichtet, als wäre ein Verrecken unter eigener Regie angenehmer…

Warum ich die Stammes- und Volksnamen aufführe?

Erinnert das nicht ein bisschen an „Lederstrumpf“ oder „Tecumseh“, nur eben dreizehn Jahrhunderte früher und auf europäischem Boden und mit anderen Zahlen? Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass all diese europäischen Völker (und die Hunnen waren zu dem Zeitpunkt schon „europäiisiert“, zumindest „germanisiert“, siehe Namen wie Attila) schon inmitten der Eisenzeit lebten, während die indianischen Völker Nordamerikas gerade die Steinzeit hinter sich gebracht haben und geradezu „industriell“ abgeschlachtet wurden.

Sei’s drum, die Geschichte können wir genauso wenig ändern wie’s Wetter, selbst wenn wir beides verbockt haben. Wir können nurmehr versuchen, dass ähnliches nicht wieder geschehe und der von Menschen verursachte Klimawandel zumindest gestoppt werde …

Haltet die Ohren steif

friedel

 

Hallo Zusammen,
So, jetzt habe ich das ganze etwas überarbeitet. Nicht alle von Friedrichards anregungen konnte ich übernehmen.
Ich bin aber dankbar für die Namen von Reims, Orleans, etc.
Auch die Sache mit den Steigbügeln habe ich übernommen.

„Aetius“ empfehl ich mit Akzent zu schreiben, dass jeder eine Vorstellung hat, wie er auszusprechen sei, also „Aëtius“.
Das ist der meiner MEinung nach leichteren LEsbarkeit meiner Vesion zum Opfer gefallen
Eine Frage noch an dich, Friedrichard: Im meinen Rechergen zur Geschichte konnte ich die Farben der Banner von Theoderich und Aetius nicht finden. Weißt du sie zufällig? Auch gebe ich zu, das ich bezüglich der Haartracht der Gepiden und Westgoten nur geraten habe. Auch da wäre ich für Anregungen dankbar ;)

@ Rosta

Neben ihm steckte ein Pfeil im Bogen.

versteh ich nicht, wie ein Pfeil im Bogen stecken kann

Der Pfeil sollte ja auch im Boden stecken, was er inzwischen tut.
Hallo Bernhard,
noch ein Nachschlag, falls Du möchtest, wieder ohne Gewähr.
Nachschlag ist immer gut!
DANKE!
Bernhard

 

Hallo Friedrichard,
Hab erst jetzt deine letzte antwort gesehen.

Auf der anderen Seite kämpften auch Verbände von wenigen hundert bis wenigen tausend Kriegern der Heruler, Skiren (von denen Odoaker abstammte, der den letzten römischen Kaiser Augustulus
Die Vielzahl der Germanischen Stämme habe ich im Sinne der lesbarkeit gekürzt. Am Anfang war noch eine Szene drinnen, wo klar wurde, das die Brukterer auf beiden Seiten kämpften, habs aber rausgenommen. Ich denke man sieht schon an den West und Ostgoten, wie tragisch das ganze damals lief.

lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

gute Frage in # 17, wie die Banner bzw. Stammesmitglieder ausgesehen haben.

Keine Ahnung!

Allein für die Sueben (der berühmte Sueben-Knoten) ist die Haartracht einigermaßen bekannt. Bei den Saliern trugen zumindest die Eliten langes Haar und lange Bärte als Zeichen, dass sie Freie waren. Auf Reliefs und Säulen im Imperium werden Germanen auch langhaarig und bärtig dargestellt. Wie Langobarden ausgesehen haben, verrät schon ihre Bezeichnung. Hinzu kommt, dass die Langobarden dem suebischen Verbund angehörten … Bei Burgundern - und soweit ich weiß, bei Thüringern - sind „Turmschädel“ nachgewiesen, die als „Schönheitsideal“ von den Hunnen übernommen wurden, was aber keine "hunnische" Erfindung war, sondern von den Skythen her bekannt ist und schon Jahrhunderte zuvor als Schönheitsideal gegolten hatte.

Theoderich der Große sieht auf einer Darstellung sehr zivilisiert, sprich: romanisiert aus. Was kein Wunder ist: die Ostgoten waren in Italien eine verschwindende Minderheit. Gleiches widerfährt den Franken Ende des fünften Jhdts. in Gallien (200.000 Franken unter ca. 10 Mio romanisierten Galliern), vorher den Westgoten in Südfrankreich und Spanien und den Burgundern am Genfer See. Da hieß es für die Eroberer „sich anpassen“ an vorgefundene Strukturen bis hin zur Selbstaufgabe der eigenen Sprache etc.

Also wird man „raten“ können in diesen Dingen und solange nichts unwahrscheinliches oder tatsächlich reine Phantasie draus wird, ist das doch in Ordnung.

Gruß

Vrîdel

 

Hallo Zusammen,
Friedrichards letzte Anmerkungen habe ich eingearbeitet und - gut Ding braucht Weile - die Schlacht und den Tag davor überarbeitet.
Dabei ist mir eine Lösung für 2 seltsame Dinge eingefallen:
a) warum sind die Alanen geflohen und was haben sie dann getan?
b) warum haben die Hunnen das Loch in der römischen Front nicht ausgenutzt?
Dazu passen Berichte, das die Alanen gerne eine Flucht vortäsuchten, um den voranstürmenden Gegner dann durch ein plötzliches Umschwenken in die Falle laufen zu lassen.

Vielleicht war das genze vorgehen sogar mit Aetius abgesprochen. Im Nahkampf hätten die hunnischen Kämpfer den Vorteil ihres überlegenen Bogenkampfes ja verloren.

lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

schon möglich. Die Alanen galten als unzuverlässig und warum sollte man Hasenfüße nicht das machen lassen, was sie am besten können?

Bis die Tage

friedel

 

Hallo Bernhard,

zu sehr vorgerückter Stunde sowas wie Feinarbeit bis zum Tag vor der Schlacht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, schließlich macht das Frühjahr mit seiner Müdigkeit sich bemerkbar. Ich halte die Reihenfolge des Textes dabei ein:

„Gerhard und seine Freunde würde ihn hier nicht finden.“ Plural, darum „würden“

„Selbst als kurze Zeit später Reiter den Pfad entlang ritten, wachte er nicht mehr auf.“ Das „mehr“ ist zu viel, wie ich finde, „ …, wachte er nicht auf“ ist doch genug.

„Als er auf den Weg zurücktrat, fielen ihm die unzähligen Hufspuren auf.“ So sagt man wohl, doch es werden nicht unendlich viele, sondern eine endliche Zahl von Hufspuren gewesen sein. Wie wäre es mit „ungezählten Hufspuren“?

„Die Ältesten hatten sich in den letzten Wochen mehrmals beraten, und gemeint, Waldstatt drohe keine Gefahr, weil die Hunnen viel zu weit weg seien und ihr Dorf ohnehin durch Boten aus den östlich gelegenen Dörfern vor einer Invasion gewarnt werden würde.“ Genauer: „Die Ältesten hatten sich in den letzten Wochen mehrmals beraten, und gemeint, Waldstatt drohte keine Gefahr, weil die Hunnen viel zu weit weg wären und ihr Dorf ohnehin durch Boten aus den östlich gelegenen Dörfern vor einer Invasion gewarnt würden“, da Zweifel am Rat der Ältesten angesagt ist.

„Noch auf dem Weg nach Krombach hatte er die Idee gehabt, wie er Hildchen ein ansehnliches Pferd basteln würde.“ Könnte statt würde!

„Das sind Palatini“, raunte ihm sein Hintermann zu, ein schwarzhaariger Colonier, dessen Latein sich durch einen weichen Akzent auszeichnete.“ Gänsefüßchen weg!

„Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass sie ihn nicht aufnehmen würden.“ > „Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass sie ihn nicht aufnähmen.“

„Die ovalen Schilde hochgehoben, - KOMMA WEG! - und den Speer eingelegt marschierten sie im Gleichschritt los.“

„Dann würde er eben warten, bis sie abgelöst wurden.“ > „Dann wartete er eben, bis sie abgelöst würden.“

„ … Ganz abgesehen davon, dass es die Hunnen niemals wagen würden, das Weströmische Reich anzugreifen.“ Der Mensch zweifelt nicht an seinem Wort, darum werden statt würden: „Ganz abgesehen davon, dass es die Hunnen niemals wagen werden, das Weströmische Reich anzugreifen.“

„ … Dass kann man dir zugute halten.GÄNSEFÜßCHEN Er stellte sich …

„Woher kommt sie.“ Statt des Punktes ein Fragezeichen!

„Aurelian brüllte, sie sollen schneller machen, sonst, würde er den Letzten eigenhändig auspeitschen.“ > „Aurelian brüllte, sie sollten schneller machen, sonst peitschte er den Letzten eigenhändig aus.“

Noch 1 Tag > Noch ein Tag

und Schluss für heut Nacht!

Gute Nacht & moin

friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernhard,

wieder sowas wie Feinarbeit vom Tag vor der Schlacht an, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich halte die Reihenfolge des Textes dabei ein. Wie gehabt also:

Noch 1 Tag > Noch ein Tag

„Die Anzahl der Soldaten war unüberschaubar.“ Besser: „Die Masse (Menge?) der Soldaten war nicht zu überschauen.“ Oder: „Es waren ungezählte Soldaten und Krieger auf dem Feld.“

„Vor den rauchenden Trümmern der zerstörten Stadt(, KOMMA weg!) blieb die ganze Legion stehen.“

„Seit Generationen sind wir auf der Flucht, genauso wie unser ehemaligen NachbarnKOMMA die Goten.“ Unser + e

„Fast allesamt Westgoten und Gepiden. Unterscheidbar nur durch ihre Haartracht. Die Gepiden ungekämmt und die Ostgoten mit kunstvoll geflochtenen Zöpfen.“ Besser: „Fast allesamt Goten und Gepiden, zu unterscheiden nur durch die Haartracht. Die Gepiden ungekämmt und die Goten mit kunstvoll geflochtenen Zöpfen.“

„Die ersten Karren, beladen mit Verwundeten und TotenKOMMA zogen ihnen entgegen und brachten die Marschordnung durcheinander.“

„…wie viel Arbeit ihnen durch diese Soldaten zusätzlich auferlegt werden würde.“ Besser „wird“ statt „würde“.

„Ringsum tönten Hörner und Reiter ritten die Frontlinie entlang.“ Vielleicht besser „ … und Reiter jagten die Frontlinie entlang.“

„Der Lagerplatz in einer Senke hatte den Wind abgehalten, doch jetzt, wo sie Aurelian auf die kleine Kuppe führte, konnte Attarin seine auffrischende Kraft spüren.“ > „ …, doch jetzt, da Aurelian sie auf die kleine Kuppe führte, ...“ oder: „ …, doch jetzt, da sie0 von Aurelian auf die kleine Kuppe geführt wurden, konnte ...“

„Attarin lächelte, als er erkannte, dass die Attacke direkt auf sie geritten werden würde.“ „Wurde“ statt „werden würde“.

„Er dachte an seine Familie, und an seinen Racheschwur.“ Komma ist entbehrlich.

„Neben sich spürte er die Angst in seinen Kameraden aufsteigen.“ Vielleicht besser: „Neben sich spürte er in seinen Kameraden Angst aufsteigen“ oder „spürte er, wie in seinen Kameraden (die) Angst aufstieg.“


„Das Feuer eröffnen“ ist (eigentlich) das falsche Wort, wenn keine Brandpfeile abgeschossen werden. Ich wüsste auch nicht so ohne Weiteres, wann der Ausdruck entstanden ist und wobei. Wären alles nur Vermutungen, ob erst mit dem Pulver/den „modernen“ Schusswaffen
Oder bereits mit der Entdeckung des Feuers als Kriegsinstrument. Vielleicht sollte man schreiben, dass die „Sagittarii der ersten Kohorte ebenfalls Salven von pfeilen abschossen.“

„ …, schrie neben Aurelian Valens der Centurio der Fußtruppen.“ (Gänsefüßchen weg)

„Schießt, so schnell ihr könntAUSRUFEZEICHEN“

„Attarin erschoss einen verletzten Hunnen, in dessen Bein bereits ein Pfeil steckte, und der versuchte durch die Reihen zu brechen.“ Könnte missverstanden werden, darum besser: „Attarin erschoss einen verletzten Hunnen, der versuchte durch die Reihen zu brechen; in dessen Bein steckte bereits ein Pfeil.“

ANMERKUNG, vielleicht doch noch eine Anregung: „Die Hunnen, die auf Grund der vielen gestürzten Pferde vor ihnen nicht weiter reiten konnten, schossen jetzt mehrere Pfeilsalven auf die Römer. Neben Attarin fielen weitere Sagittarii getroffen zu Boden. Attarin schoss einen weiteren Reiter vom Pferd, der versuchte über ein sich wiehernd am Boden wälzendes Pferd zu setzen.“
In einem der Filme Kurosawas (ich glaube, es war Kagemusha – Im Schatten des Krieges) wird das ganze Elend des Schlachtgetümmels an den verreckenden Pferden dargestellt.

„Er hob den BogenKOMMA um einen von ihnen vom Pferd zu schießen, doch ließ ER es dann sein. Er besaß noch fünf Pfeile und die ChanceKOMMA einen Hunnen auf 250 Schritt Entfernung zu treffen, war zu gering.“

„Die Alanen waren auf das Schlachtfeld zurückgekehrt und machten [die machten] die völlig überraschten im Nahkampf nieder.“

„Vom Zentrum der Front kam auch noch ein Trupp Palatini herangeritten. Ihr Anführer hielt die Fahne des Kaisers.“ Der Begriff des „Kaisers“ gab’s noch nicht und ist eine Umformung der Deutschen aus „Caesar“. Der „Caesar“ war aber i. d. R. der Thronfolger. Dem Rang des (deutschen) Kaisers entsprach bei den Römern der „Imperator“.

„Sie ritten gegen die durchgebrochenen Hunnen an, die sich jetzt von allen Seiten bedroht wurden.“ Sahen statt wurden.

Reißaus ist Substantiv, der „wohlgezielte“ Schuss ist eigentlich ein glücklicher Treffer. Kommt später (Theoderichs Tod) noch einmal als Attribut vor. Es tut dem Text keinen Abbruch, das „woglgezielt“ wegfallen zu lassen.

„ …, sobald westgotischen Bogenschützen ihr Feuer erwiderten.“ Siehe weiter oben.

„ … lag er zwischen den Sagittarii, von denen jetzt kaum noch die Hälfte unverletzt war.“ Sehr holprig, besser vielleicht: „ … lag er zwischen den Sagittarii, von denen jetzt kaum einer nicht verwundet war.“

„Der Reiter trug einen Metallhelm, aber keine Rüstung. Er war kräftig, doch seinem Gesicht sah man noch die Jugend an.“ Bei dem verwundeten wird es sich um Theoderich I. handeln. Der regierte 451 bereits seit 33 Jahren. Als Schwiegersohn Alarichs war er 418 von den Westgoten zum Heerkönig gewählt worden, muss also Volljährig gewesen sein. Vielleicht sah er im Todeskampf jünger aus, als er war. Aber selbst für seine Zeit galt er als Greis, denn selbst Thorismund als Thronfolger war bereits volljährig, mindestens aber 16 Jahre alt.

„Attarin dachte, dass er noch einmal viel Glück gehabt hatte und wollte wieder aufstehen.“ „ … gehabt hätte …“

„Baldus hatte ihn bis zu den Bäumen [zurück]geschleift[,] und war dann wieder zurückgerannt.“

„Warum weinte sie nur.“ Fragezeichen, vielleicht auch Ausrufezeichen, dass es ein Schrei wäre.

„Sie ritt auf tatsächlich auf einem Pony.“ Das erste auf ist mehr als entbehrlich.

Zum abschließenden Satz hat Rosta recht.

So, könnte sein, dass der Kleinkram doch an einem Tag bewältigt wurde.

Halt die Ohren steif

friedel

 

hallo friedl,
Vielen Dank für die Mühe - hast mir eine vegessene Grammatikregel wieder ins Gedächtnis gerufen.
2 Anmerkungen: Der durchgebrochene Reiter mit dem Sper war natürlich nur ein Bote, nicht Theoderich - hab das klar gemacht.
"Feuer!" ist so ein herrlich starkes Wort, dass ich, Pulverwaffen im 4 Jh. hin oder her, nichts vergleichbares als Ersatz gefunden habe
lg
Bernhard

 

Nix zu danken, macht ja auch so etwas wie Spaß. Mit dem "Feuern" ists so ein Ding und auch mir fällt nix besseres ein. Wenn's doch noch kommen sollte, sag ich Bescheid.

Gut' Nacht

friedel

 

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