Ab in den Schrank, mein Mann kommt...
Es ist Frühling. Eine leichte Brise weht über das ruhige blau-graue Meer. Möwen fliegen umher und landen auf den Felsen. Sonnenstrahlen brechen vereinzelt durch die schwere Wolkendecke durch. Trotzdem ist es relativ dunkel. Es ist nicht warm, aber auch nicht kalt. Der lange Sandstrand lädt zum Verweilen ein. Die Wiese, die an den Strand angrenzt, erstrahlt in einem frühlingsfrischen grün. Maiglöckchen und Butterblumen unterbrechen dieses Bild.
Dort wo der Sand und die Wiese aufeinandertreffen sitzt jemand. Eine Frau mittleren Alters mit ihrem kleinen Cairn Terrier. Ihre dunklen langen Haare wehen im Wind und peitschen ihr ins Gesicht. Sie sieht nachdenklich aus und ihre smaragdgrünen Augen blicken ins Leere.
Ihr Name ist Amy. Sie ist Schriftstellerin. Hier, an ihrem Lieblingsort zum Schreiben, arbeitet sie an ihrem Roman weiter. Es ist ein Liebesroman, in dem sie ihre Vergangenheit verarbeitet und ihre wohlmögliche Zukunft ausmalt. Umso mehr sie sich in das Schreiben vertieft, desto mehr versinkt sie in ihre Geschichte und vergisst Raum und Zeit um sich...
„Er blickt sie ein letztes Mal an, dreht sich um und geht davon. Emily schaut ihm mit Tränen in den Augen hinterher. Wie konnte all das nur geschehen? Nie wollte sie es soweit kommen lassen. Fragen über Fragen schießen ihr durch den Kopf. Aber auch tiefe Schuldgefühle plagen sie. Wie soll es jetzt bloß weitergehen? Soll sie für ihre große Liebe kämpfen oder kampflos aufgeben? In diesem Moment kann und will sie nicht darüber nachdenken. Niedergeschlagen und deprimiert fasst sie sich und geht ihren Weg. Fragen, die sie nicht beantworten kann schießen ihr durch den Kopf. Sie hatte es ihm damals versprochen. Versprochen, dass sie nie wieder den selben Fehler machen würde. Nie war es Emilys Absicht gewesen ihn zu verletzen. Es ist einfach passiert. Gedankenverloren setzt sie sich auf ein Parkbank und lässt ihren Blick über den kleinen Teich schweifen. Sie denkt nach. Ihre Gedanken kreisen nur noch um ihn. Was wäre passiert, wenn sie ihm nichts davon erzählt hätte? Wäre alles bei ihrer kleinen malerischen Idylle geblieben? Sorgenfreie Ehe, ihr kleines Haus am Meer und der große Kinderwunsch? Der Traum platzt wie eine Seifenblase. Sie hatte sich alles so schön vorgestellt. Alles war so perfekt. Bis er kam und ihr völlig den Kopf verdrehte. Sie konnte seinem unglaublichen Charme einfach nicht widerstehen und es geschah einfach. Es war eine einmalige Sache für sie, die sie einfach vergessen wollte. Doch ihr Mann bekam es heraus. Warum musste er nur so darauf reagieren? „Ich will die Scheidung!“ Das war das einzige, was er dazu gesagt hat. Tränen schießen ihr in die Augen.“
Und auch Amy schießen die Tränen in die Augen. Und so langsam erwacht sie aus ihrem Tagtraum. Es ist mittlerweile dunkel geworden und der Himmel zieht sich zu. Amy sammelt sich und sortiert ihre Manuskripte. Sie leint den Hund an und geht über den kleinen Feldweg nach Hause. Im Haus brennt schon Licht. Sie betrachtet die Manuskripte in der Hand und spricht leise zu sich: „Und ihr gehört erst mal wieder ab in den Schrank, mein Mann kommt.“
