Hallo nathaniel nelles,
was hat dich veranlasst, derartig ungehalten auf die, so finde ich, durchaus konstruktive Kritik von Achilles zu reagieren?
Zu einem guten Autor gehört nicht nur, dass er gut schreibt, sondern auch ein gutes Nervenkostüm bereit hält, um negative Kritiken auszuhalten.
Den ersten Absatz deiner Geschichte würde ich komplett anders gestalten, weil er schlicht langweilig ist und dem Leser nicht das Gefühl vermittelt, dass da noch eine interessante oder gar spannende Geschichte folgt.
Wer glaubt, er könne es sich in er heutigen schnellen Zeit leisten, einen ganzen verdammten ersten Absatz lang, die Geduld des Lesers zu strapazieren, sollte seine Texte nicht veröffentlichen. Du hast, wenn du gelesen werden möchtest, nicht mehr Zeit als höchstens einen bis zwei Anfangssätze, um Interesse zu wecken.
Bei einem Roman mag das vielleicht noch ein ganzer erster Absatz sein, den man liest, manche sogar die erste Seite, aber in einer Kurzgeschichte gibt es diesen Langmut nicht beim Leser.
Ich gehe davon aus, dass du schreibst, um den Leser zu unterhalten.
Sollte das nicht der Fall sein, dann wäre es allerdings interessant, was dann dein Anliegen ist.
Das Problem fängt im ersten Absatz bereits mit der Darstellung des Protagonisten an.
Was zum Teufel glaubst du, ist an einem absolut durchschnittlichen Menschen interessant? Davon will keiner etwas lesen.
Ein Durchschnittsmensch ist nur dann in einer Geschichte von Interesse, wenn ich als Leser alsbald ahne oder gar erfahre, dass ihm etwas Ungewöhnliches passieren wird. Quasi als Moment der besonderen Steigerung nimmt man dann einen Durchschnittsmenschen, um auf diese Weise das, was ihm geschehen oder widerfahren wird, besonders auffällig zu machen.
In deinem ersten Absatz schleppen sich die Informationen dahin und ich weiß nicht so recht, was daraus werden soll.
Normalerweise würde ich an dieser Stelle bereits aufhören zu lesen, weil ich nicht den Eindruck gewonnen habe, dass da noch etwas Interessantes kommt.
Er war "benebelt", er "hörte Geräusche".
Wie ist das, wenn man benebelt ist? Hat man dann das Gefühl, dass Watte im Kopf ist, sieht man nichts mehr deutlich, ist das wie ein Schleier vor den Augen? Hat man das Gefühl, die Beine seien aus Gummi?
Du wirfst einen Allgemeinplatz in den Raum und vertust damit die Chance, den Leser mit Spannung aufzuladen.
Eine exakte Menschenbeobachtung deines Protagonisten könnte der Geschichte nicht nur mehr Tiefe geben, sondern auch deinem Protagonisten mehr Charakter.
Mit Allgemeinplätzen meine ich, dass es niemandem etwas mitteilt, wenn ich schreibe: sie ist schön, der Hund war hübsch, sie fühlte sich glücklich, er war unglücklich, es war ein gutes Auto, es ging ihm nicht gut, er war guter Dinge und eben auch er war "benebelt".
Dasselbe ist, wenn jemand einfach nur Geräusche hört.
Stelle dir mal vor, du sitzt mit deiner Freundin in einem Raum und sie sagt zu dir: "Ich höre Geräusche." Deine Frage wäre doch: "Was für Geräusche?"
Sie antwortet dann: "Na, eben Geräusche." Weißt du nun überhaupt, ob sie etwas gehört hat, was bedrohlich sein könnte oder harmlos?
Wieso muss also dein Protagonist erst nur Geräusche hören und erst deutlich später kommst du auf das konkrete Geräusch?
Werde doch einfach sofort konkret und niemand ist gelangweilt.
Dann ist da so eine leichte Ungenauigkeit im Sachverhalt. Es gibt viele Leser, die auf solche Dinge sehr achten und sich auf der Stelle verprellt fühlen, wenn man Sachverhalte so darstellt, dass sie nicht angehen können.
In deinem Text durchwühlt jemand Schubladen. Während ich denke, dass man Schubladen vermutlich kaum geräuschlos öffnen kann, dies also eine hörbare Aktion ist, hängt es vom Inhalt der Schubladen ab, ob ich das Durchwühlen höre oder nicht.
Im Schlafzimmer befinden sich für gewöhnlich Stoffe, die lautlos sind. Wenn also dein Protagonist trotzdem in der Lage ist, dieses Durchwühlen zu hören, dann musst du es dem Leser auch ermöglichen, nachzuvollziehen, weshalb es so ist.
Vielleicht hat der Einbrecher grad die Schublade zu fassen bekommen, in dem sich xy-Gegenstände befinden, die jetzt Geräusche verursachen.
Gib diese Info an den Leser, damit es glaubwürdig ist.
Bei einer Küchenschublade wäre ich nicht über das Hörenkönnen gestolpert.
"Musste sich am Tisch anhalten" ist unpassend formuliert. Festhalten meinst du wahrscheinlich.
Als sich die Wolken in seinem Kopf ein wenig lichteten, nahm ein Plan klare Konturen an.
Nee, so geht es nicht! Das ist so ein Blabla-Satz, mit dem man nichts anfangen kann, weil er null Aussagekraft hat.
Hast du jemals in deinem Kopf so etwas gefühlt? Wie sich Wolken lichten? Wie ein Plan klare Konturen annimmt? Das sind Umschreibungen für Vorgänge im Körper, die ungenaue Selbstbetrachter vielleicht mit solchen Worten in ihrer Hilflosigkeit darzustellen versuchen. ABER ein Autor kann mehr, der kann genau das in Worte kleiden, was anderen nicht möglich ist.
Bist du ein Autor?
Das macht doch gerade gute Literatur aus, dass man etwas liest und den Eindruck hat, der Autor könne in einen hinein sehen und alles viel besser in Worte kleiden als man selbst es je könnte.
Fazit: Weg mit allgemeinen verwaschenen und ungenauen Darstellungen.
Der Schädel platzte auf wie eine reife Pflaume und der leblose Körper fiel, noch zuckend, schwer auf den Boden.
Der Vergleich mit der Pflaume ist nicht tragend. Hast du jemals eine wohlgemerkt reife Pflaume aufplatzen sehen? Ich kenne eher Pflaumen, die runtergefallen sind und der Regen hat sie zum Platzen gebracht, weil sie reif waren und die Haut ganz dünn.
Such bitte einen treffenderen Vergleich oder geh nah ran mit deiner Kamera und beschreibe dem Leser, was man sehen konnte. War ein Spalt im Kopf zu sehen? Und wenn, wieso war das so? War das ein Glatzköpfiger oder sickerte Blut aus den Haaren?
Die Formulierung lebloser Körper, der fällt, ist mir auch zu ungenau.
Es ist eher ein schlaffer Körper, der jetzt fällt. Leblos trifft es nicht genau, zumal du den Körper noch zucken lässt. Die gesamte Schilderung wirkt sehr unreif, also überhaupt nicht durchdacht.
Stelle dir das exakt vor, wenn du sowas beschreibst. Es muss alles in sich stimmig sein, sonst wirkt die Schilderung unglaubwürdig und der Leser wendet sich ab.
Sicherlich kannst du jetzt nachvollziehen, dass ich den Begriff "erschreckender Klarheit" monieren werde. Was ist erschreckende Klarheit? Ersetze als guter Autor diesen Begriff mit detaillierten Kenntnissen über deinen Protagonisten.
Er ordnete systematisch seine Möglichkeiten im Kopf.
Stell dir vor, es gäbe diesen Satz nicht in deiner Geschichte. Würde ihr dann etwas fehlen?
was, wie er feststellen musste, nicht einfach war.
Ja? Wieso? Was hat ihn denn zu dieser Erkenntnis gebracht?
Doch vorerst packte er den zertrümmerten Schädel in einen Müllsack,
nicht packte, sondern verpackte. Der Schädel ist ja nicht abgefallen.
Danach zog er den leblosen Körper
Also, dass der Körper nun leblos ist, weiß der Leser bereits. Man erwähnt ja auch nie, dass das Wasser nass ist oder?
mit chirurgischer Genauigkeit alle Blutflecken- und Spritzer.
Gar nicht mal schlecht diese Formulierung, wenn du jetzt noch beschreibst, was genau daran chirurgisch gewesen ist. Ich kann mir darunter nichts vorstellen, denn in meiner Phantasie schneidet ein Chirurg etwas auf, entfernt etwas und näht wieder zu. Aber Blutflecken? Hm...
Ich habe von keinem Kampf zuvor etwas gelesen. Wieso ist es jetzt einer gewesen?
Sein Kopf-Kino lief weiter.
Ich weiß zu diesem Zeitpunkt zum einen nicht, was da in dem Kopf des Protagonisten abläuft, zum anderen hast du dir einen Darstellungsstil angewöhnt, der immer das Ergebnis voran stellt und dann die Schilderung folgen lässt. Es wirkt ganz oft so als wolltest du einen Saunagänger wie folgt beschreiben: Er schwitzte. Dann ging er in die Sauna.
Entweder oder. So ist das wertlos in seiner Aussage. War es nun fachmännisch und dann bitte weshalb oder war es unfachmännisch. Fast fachmännisch ist viel zu allgemeinplatzig.
Danach vergrub er die Reste im Lehmboden des Kellers, ungefähr zwei Meter tief.
Hier ist wieder so Lapsus. Fast zwei Meter tief kommt ja wohl inhaltlich vor dem Vergraben.
Die sog. Pointe am Ende der Geschichte ist lau und enttäuschend.
Ich erwarte in der Abteilung Spannung/Krimi den Thrill. Wo soll der in deiner Geschichte gewesen sein? Doch allenfalls an der Stelle, wo er auf den Einbrecher trifft. Davor und danach testest du die Geduldsgene des Lesers bis zum Anschlag und es gelingt dir, zu verärgern.
Diese Geschichte ist leider misslungen. Es fehlt jegliche Form von genauem Hinsehen und Schildern, es fehlt ein guter Plot, es fehlt Spannung und es fehlt sorgsames Formulieren.
Und falls du meinst, auch ich solle mir einen Platz in der Therapie suchen, spar dir diese Beleidigung mir gegenüber. Eine reicht.
Mit lieben Grüßen
lakita