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Am Bodibaum

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14.11.2006
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Am Bodibaum

Endlich komme ich zum Bodhibaum. Und muss auf knochentrockenen Lehmboden blicken. Er hatte sich verkrümelt. Schon vor Jahren. Was hatte ihn geritten, sich so dem Kreislauf des Lebens zu unterwerfen? Wochenlang war ich durch Indien marschiert, um hier anzukommen. Um dann endlich, mit erleuchtetem Gemüt, heimkehren zu können. Den Beschwerlichkeiten des Alltags nicht länger unterworfen. Sorgen beruflichen und familiären Ursprungs - in Luft aufgelöst. Aber Buddha hatte sich tatsächlich einfach davongestohlen.

So stand ich da. Keine Lehre zu empfangen, kein Blick zu tauschen, kein Zeichen zu deuten. Der Weg hierher war lang und beschwerlich gewesen. Zweifellos. Jedenfalls im Vergleich zum Abendprogramm auf SAT 1. Doch in der Vorfreude auf das wohl einschneidenste Ereignis meines Lebens waren mir die Mühen wie letzte kleinen Prüfungen vorgekommen. Nein, eher noch wie Bestätigungen meiner Entscheidung, hierher zu kommen. Amüsiert hatten sie mich, im Grunde. Die letzten Versuche der irdischen Welt, mich als lebendes Wesen festzuhalten, bevor ich entschwebte, unaufhaltsam, in das Reich der Körperlosen.

So stand ich da. Ich brauchte mich nicht erst auf den staubigen Boden zu setzen. Ich konnte nicht durch scheinheilige Meditation herauszögern, was bereits bei mir angekommen war: Das Ganze war ein Schuss in den Ofen. Ein Possenspiel - und sonst nichts. Diese ganze Reise, die Vorbereitungen, die liebevollen Verabschiedungen mit dem extra Schuss Liebe zu Hause in Deutschland. „Ihr seht mich noch einmal als einen der Euren“, hatte ich gedacht. „Seid tapfer in Euren Hammsterrädern, schon bald werde ich Euch und Euren kleinen Seelen Schutz und Beistand geben!“ Ausgeträumt, jetzt trieben mich die blöden Fliegen langsam zum Wahnsinn. Kein Wunder bei dieser Hitze. Dieser verdammten Hitze. Ihn hätten sie nicht gestört. Ihn, in seiner verdammten Erleuchtung.

Auch Erleuchtete müssen trinken, das war mir bereits vorher in den Sinn gekommen. Bei Hitze mindestens 5 Liter am Tag. Das hatte der Arzt in Deutschland gesagt. Ich leerte also eine gute halbe Flasche. Schatten, wenigstens. Das hatte er mir anzubieten, der blöde Baum. Schatten kühlt. Endlich ließ ich mich am Stamm hinunter in den Staub. Eine Weile verging. Die Fliegen schienen ihre Angriffe ein wenig zu bremsen.

 

Hallo Welker,

Modebuddhismus?
Es scheint fast so, auch wenn es dadurch natürlich ein bisschen unglaubwürdig wird, denn dein Prot nimmt zwar die Strapazen einer Pilgerwanderung in Kauf, scheint aber mental nicht richtig vorbereitet und sich geistig nicht mit Buddha auseinander gesetzt zu haben. Eher muss er ihn als eine Art Hoffnung betrachtet haben.
So ist die beschriebene Enttäuschung natürlich vorprgrammiert.
Wenn die Ernüchterung deines Prots allerdings für dich auf eine allgemeine Skepsis religiösen Strömungen gegenüber stehen soll, dann wäre es ratsam, für die Vorbereitungen solcher Wanderung penibel zu recherchieren, damit die augescheinliche mangelnde Vorbereitung deines Prot nicht eventuell deine Intention konterkariert.
Details:

mit dem extra Schuss Liebe zu hause in Deutschland.
zu Hause
„Ihr seht mich noch einmal als einen von den Euren“, hatte ich gedacht
als einen der Euren
Auch Erleuchtete müssen trinken, dass war mir bereits vorher in den Sinn gekommen.
das
Endlich ließ mich am Stamm hinunter in den Staub
da fehlt ein "ich"

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Welker,

dass Buddha unter dem Bodhibaum saß, ist doch bestimmt schon einige Jahrzehnte her, oder? Du wärst besser beraten gewesen, nach Memphis zu fahren und zu schauen, ob Elvis noch lebt.

Hoffentlich war dieses Erlebnis keine zu große Enttäuschung für Dich, aber ich finde es schön, dass Du den Mut hattest, davon zu berichten.

Lieben Gruß,

Fritz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fritz,

würde sagen:
Elvis: Jahrzehnte
Buddha: Jahrhunderte

Trotzdem: Er hatte die Hoffnung. Unerklärlich vielleicht. Für unseren Helden gilt, dass endlich doch etwas fand.

Gruß Martin

P.S.: Habe auf Indien diese kleinen Zigaretten mitgebracht - wenigstens etwas.

 

Hallo Sim,

für die Korrekturen herzlichen Dank.

Zum Inhalt:

Sims Zitat: So ist die beschriebene Enttäuschung natürlich vorprgrammiert.

Das genau ist eine Kernidee des Textes. Weiss also nicht, ob wir uns verstanden haben (falls so, wäre es natürlich erstmal mein Versagen):

1. Auch in der heutigen Zeit der Modereligionen haben wir ein Herz, das auf der Suche ist.

2. Manchmal tut man viel für ein Ziel und WILL trotzdem scheitern.


Gruß Martin

 

ah Welker,

2. Manchmal tut man viel für ein Ziel und WILL trotzdem scheitern.
dann hatte ich es doch richtig geahnt, nur aus dem Text nicht ganz entnehmen können. Mich hat für diese Idee irritiert, dass er so schnell dort ist und aufgibt. Er macht mir also nach den Strapazen zu schnell zu, als er endlich am Baum angelengt ist. Auf das Scheitern wollen wäre ich vielleicht gekommen, wenn er sich doch erst an den Baum gesetzt hätte und der Gedankenumschwung dann durch Langeweile und Insekten gekommen wäre.
1. Auch in der heutigen Zeit der Modereligionen haben wir ein Herz, das auf der Suche ist.
Natürlich, würde ich nie abstreiten. Und die Modereligionen würde ich eher im esoterischen Mischmasch sehen, als im Buddhismus, auch wenn sich diese beim zweiteren kräftig bedienen.

Lieben Gruß, sim

 

Sim,

Gedankenumschwung dann durch Langeweile und Insekten gekommen wäre.

ja, sicherlich eine gute Idee, um den Text interpretierbarer zu machen.

"auch wenn sich diese beim zweiteren kräftig bedienen."

Ich wäre lieber vor 50 Jahren geboren, als die Mode die Religionen noch nicht erfasst hatte. Heutzutage muss man sich wohl mit Modeerscheinungen und den damit einhergehenden Fehldeutungen auseinander setzen. Allerdings: Dieses Thema wollte ich im Text eigentlich gar nicht ansprechen.

Gruß Martin

 

Hallo Martin,

hier scheint sich ja eine interessante kleine Diskussion abzuspielen. Ich will auch noch eine Anmerkung beisteuern: Die wahre Religion Deines Erzählers sind "Weisheiten" wie die, dass man bei Hitze fünf Liter trinken sollte, oder generell was "man" für wahr hält.

Es ist schon umwerfend, mit 2.500 Jahren Verspätung Buddhas Bodhi-Baum aufzusuchen. :):):) Streng genommen hatte DER Buddha ja auch keine anderen Voraussetzungen als unsereiner. Seltsam eigentlich, dass Suchende wie Dein Erzähler sich in den seltensten Fällen ernsthaft mit Mystik beschäftigen.

Beste Grüße,

Fritz

(der nie in Indien war und Buddhas Baum niemals sehen wird)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fritz,

da ist was dran. Begriffen wie "spirituell", "mystisch", "Religion", "Weisheit" stehe ich skeptisch gegenüber. Hauptsächlich deshalb, weil sie so oft schon für fremde Begehrlichkeiten herhalten mussten. Trotzdem will und kann diese Begriffe nicht einfach ignorieren. Daher hier auch der Versuch, sich der Sache erzählerisch zu nähern.

Gruß Martin

(der natürlich auch nie in Indien war)

 

Hallo Lea,

eine Frage die man in diesem Zusammenhang auch stellen könnte: Ist der Protagonist überhaupt bereit für das, was er sucht, wenn er doch den Rückweg eingeplant hat und die "Erleuchtung" als Mittel zur Problembewältigung sucht.


Vielleicht mal wieder zurück zur Erzählung: Erscheint Euch der Plot plausibel? Wie ist es erzählt?


Gruß Martin

 

Hej Welker,

dass jemand nach Indien fährt um sich dort irgendwie spirituell fortzubilden klingt schon plausibel, aber die für mein Empfinden extreme Erwartungshaltung passt dann nicht so recht dazu.
Wenn er erleuchtet werden will, warum? Massenhaft Leute haben auch eine öden Alltag und kommen deswegen nicht auf die Idee nach Indien zu fahren.
Wenn er scheitern will, warum? Was verspricht er sich davon?

Gruss Ane

 

Liebe, Freundschaft, Sportverein?

Hallo Ane,

Ane schrieb:
Massenhaft Leute haben auch eine öden Alltag und kommen deswegen nicht auf die Idee nach Indien zu fahren.
Ja: Aber diese Menschen haben auch erfunden: Koks, Seitensprung, Hochhausspringen.

Ane schrieb:
Wenn er scheitern will, warum? Was verspricht er sich davon?
Ich wills mal andersrum angehen: Ist die Sache für dich so klar? Hat er eindeutig falsch/dumm/unüberlegt gehandelt? Falls ja, was hätte er besser tun sollen?

Oder ist die Story stimmig und das ganze für dich nur ein handwerkliches Erzählproblem?

Gruß Martin

 

Hej Welker,

Erleuchtung und Willen - das passt einfach nicht zusammen. Erleuchtung wollen und die Enttäuschung suchen macht auch nicht mehr Sinn, finde ich.
Das ist es, was ich unstimmig finde.

Gruss Ane

 

Also Ane,

jetzt bist du aber meiner Frage ausgewichen. Gibt es deiner Meinung nach diesen Typ von Menschen nicht oder handelt er einfach unstimmig? Oder ist alles stimmig, aber schlecht erzählt?

Gruß

Martin

 

Hej,

jetzt bist du aber meiner Frage ausgewichen.

Jetzt verstehe ich sie besser.;)


Es ist meiner Meinung nach nicht "schlecht erzählt" (die Idee finde ich gut), aber unstimmig. Solche Leute gibt es bestimmt, sogar mit dem Willen, erleuchtet zu werden, aber ich meine, das Ganze läuft dann unbewusster, versteckter ab. Dein Prot scheint sich aber über sein Ziel sehr im Klaren zu sein.

Jemand sagt sich: Ich will unbedingt die Erleuchtung erlangen. Dann wird er anfangen sich zu fragen, was ist das, wie komme ich da hin, was haben andere gemacht? - und als erstes über die Tatsache stolpern, dass es nicht eben häufig vorkommt und Pilgerreisen oder Indienaufenthalte nicht gerade Unmengen von Erleuchteten hervorgebracht haben.
Wieso stürtzt Dein Prot nicht schon viel früher ab? Wieso bemerkt er erst an diesem Baum, dass etwas nicht stimmt? Oder - warum überhaupt, er scheint ja ein ziemlich optimistischer Kerl zu sein, also, wieso gibt er dann plötzlich auf?

Das finde ich unstimmig, darüber stolpere ich. Oder ich verstehe da etwas ganz falsch.

Gruß Ane

 

Hallo Ane,

wieso gibt er dann plötzlich auf?
Das tut er doch gar nicht. Aber was soll er da -unter einem blöden Baum mitten in der Pampa- noch machen? Herzchen schnitzen?

Vielleicht kommt er ja in der Geschichte ein Stückchen weiter auf seinem Weg. Hat er doch immerhin erfahren (nicht angelesen!), dass Erleuchtung nicht mit irgendeinem Ort verbunden sein kann - eine Lektion, die für alle diejenigen, die sich erst in einem 911er oder auf einer Karibikinsel glücklich wähnen noch Zukunft ist...

Und ebenfalls..

Dann wird er anfangen sich zu fragen, was ist das, wie komme ich da hin, was haben andere gemacht? - und als erstes über die Tatsache stolpern, dass es nicht eben häufig vorkommt und Pilgerreisen oder Indienaufenthalte nicht gerade Unmengen von Erleuchteten hervorgebracht haben.
..dass auch durch Nachlesen, Nachdenken, Nachmachen nicht viel zu machen sein dürfte.

Gruß

Martin Welker

 

Hallo Welker,

wie so oft bei menschlichem Tun scheitert der gute Vorsatz an der Realität, der Protagonist erwartet aber auch viel „Um dann endlich, mit erleuchtetem Gemüt, heimkehren zu können. Den Beschwerlichkeiten des Alltags nicht länger unterworfen“. Zudem hofft er, dass das Gute einfach so geschieht, ohne sein Zutun („Keine Lehre zu empfangen“). Die Enttäuschung scheint vorprogrammiert.


„Die letzten Versuche der irdischen Welt, mich als lebendes Wesen festzuhalten, bevor ich entschwebte, unaufhaltsam, in das Reich der Körperlosen.“

Das klingt, als ob der Prot. sterben wolle.

Aber „Um dann endlich, mit erleuchtetem Gemüt, heimkehren zu können“ spricht eine andere Sprache.

Eine nette kleine Geschichte, die mich zwar mehr anregt über Psychisches nachzudenken, als über Philosophisches (Erleuchtung an sich wird nicht in Frage gestellt oder näher erörtert), aber durch ihre Schlichtheit durchaus einen gewissen Charme aufweist.

Änderungsvorschläge:

„Am Bodibaum

Endlich komme ich zum Bodhibaum“

- mit oder ohne ´h´?

„Endlich komme ich zum Bodhibaum“

- hier ist nicht deutlich, wer sich verkrümelt hat. Der Baum? Ist er eingegangen? Buddha? Der wurde noch nicht erwähnt. Würde einen Hinweis geben, vielleicht `der Meister …´

„Endlich komme ich zum Bodhibaum. Und muss auf knochentrockenen Lehmboden blicken“

- würde ich in einem Satz schreiben, so wirkt es abgehackt.

„um hier anzukommen. Um dann endlich“

- Wiederholung


„waren mir die Mühen wie letzte kleinen“

- kleine


„Bei Hitze mindestens 5 Liter am Tag.“

- fünf

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

vielen Dank für einen Kommentar.

mehr anregt über Psychisches nachzudenken, als über Philosophisches
Das sehe ich ganz ähnlich ;-)


Gruß

Martin Welker

 

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